Beschluss vom 14.10.2004 -
BVerwG 1 B 35.04ECLI:DE:BVerwG:2004:141004B1B35.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.10.2004 - 1 B 35.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:141004B1B35.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 35.04

  • Hessischer VGH - 24.11.2003 - AZ: VGH 6 UE 2279/97.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Oktober 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2003 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde abgelehnt (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; Beschwerdebegründung S. 5 f.). Sie verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Diesem Urteil zufolge sage die Tatsache, dass der Zeuge B. trotz einer Denunziation von den türkischen Sicherheitskräften nicht behelligt worden sei, nichts darüber aus, welchen Verfolgungsmaßnahmen ein aus der Bundesrepublik Deutschland ohne gültigen Pass und "möglicherweise im Wege der Abschiebung" in die Türkei zurückkehrender, auf einem Video abgebildeter Hochzeitsgast - wie der Kläger - ausgesetzt sein könnte. Es sei unter diesem Gesichtspunkt ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gewesen, diese Frage in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten zu erörtern, um ihnen Gelegenheit zu geben, weitere Anträge zu dieser Frage und zur Aufklärung der Gefährdungslage des Klägers im Rückkehrfall unter dem Gesichtspunkt seiner Identifizierbarkeit auf dem "Hochzeitsvideo" zu stellen.
Eine Gehörsverletzung wird damit und mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde weder in einer den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) entsprechenden Weise aufgezeigt noch liegt sie tatsächlich vor. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör folgt - wie die Beschwerde nicht verkennt - keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>). Auch in der Ausprägung, die dieses Recht in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, wird dem Gericht keine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt. Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, inwiefern hier ausnahmsweise eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts bestanden haben soll. Entgegen der Ansicht der Beschwerde konnte der Kläger nicht mangels Erörterung in der mündlichen Verhandlung davon ausgehen, dass das Berufungsgericht die erwähnte Einschätzung des Verwaltungsgerichts und weiterer erstinstanzlicher Gerichte teilt und seiner Entscheidung zugrunde legt. Auch hat es der Kläger versäumt, sich dadurch das vermisste Gehör zu verschaffen, dass er den zur Begründung der Gehörsrüge formulierten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bzw. einer Auskunft im Berufungsverfahren nicht gestellt und damit auf eine weitere Aufklärung der von ihm für maßgeblich angesehenen Umstände hingewirkt hat.
Die Beschwerde macht auch nicht ersichtlich, inwiefern sich dem Berufungsgericht die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (Beschwerdebegründung S. 6 f.). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Gehörs- und Aufklärungsrüge gegen die der Nachprüfung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich entzogene Gefährdungsprognose, die das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil (UA S. 22/23) nachvollziehbar begründet hat.
Die Beschwerde macht weiter geltend, bezüglich der Wertung des Gutachtens O. beruhe das angegriffene Urteil auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (Beschwerdebegründung S. 7 ff.). Entgegen den Behauptungen des Berufungsgerichts habe der Sachverständige O. sehr wohl begründet, "ob und warum es nach seiner Auffassung im Zusammenhang mit der Identifizierung von Hochzeitsgästen auf den beschlagnahmten Videos zu Verhaftung, Misshandlung und Folter kommen" könnte. Dies nehme das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur festgestellt werden, wenn sich die mangelnde Kenntnisnahme aus besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt. Solche Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Sachverständige O. gehe "davon aus, dass Teilnehmer an dieser Hochzeit im Falle einer Festnahme gefoltert werden; ob und warum es aber überhaupt zu einer Festnahme kommen sollte, erklärt O. nicht". Inwiefern das von der Beschwerde auszugsweise zitierte Gutachten eine solche Erklärung - entgegen der wertenden Feststellung im Berufungsurteil - enthalten soll, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die hierzu noch erhobene Aufklärungsrüge (Beschwerdebegründung S. 8 f.) entspricht bereits nicht den gesetzlichen Darlegungsvoraussetzungen. Sie legt insbesondere nicht dar, inwiefern sich dem Gericht - von seinem rechtlichen und tatrichterlichen Erkenntnisstand aus - weitere Aufklärungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen. Zur Wahrheit greift die Beschwerde auch hier nur die dem Tatsachengericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts an, ohne einen Verfahrensverstoß aufzuzeigen.
Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde schließlich geltend macht, die Darlegung des Berufungsgerichts, in Anbetracht der Tatsache, dass keine Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Teilnehmer der Hochzeit bekannt geworden sei, obwohl seither fünf Jahre vergangen seien und die Ermittlungsbehörden somit entsprechende Zeit gehabt hätten (UA S. 23), beruhe ebenfalls auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (Beschwerdebegründung S. 9 f.). Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht in einer den gesetzlichen Darlegungserfordernissen entsprechenden Weise auf, dass sich dem Berufungsgericht eine Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Die Beschwerde setzt sich insoweit auch nicht mit dem weiteren vom Berufungsgericht angeführten Indiz auseinander, dass sich der als Hochzeitsgast identifizierte Zeuge B. ungehindert in der Türkei aufhalten konnte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I S. 718) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).