Verfahrensinformation

Die Kläger sind iranische Staatsangehörige und leben seit mehreren Jahren in der Bundesrepublik. Der Vollzug ihrer bestehenden Ausreisepflicht ist nicht möglich, da sie die zur Wiedereinreise in den Iran erforderlichen Pässe oder Ersatzdokumente nicht besitzen. Sie lehnen es ab, die für die Erteilung solcher Dokumente von ihrer konsularischen Vertretung geforderte Erklärung abzugeben, nach der sie freiwillig in den Iran reisen werden. Eine solche Erklärung könne von ihnen nicht verlangt werden, da sie nicht der Wahrheit entsprechen würde. Die Kläger begehren Aufenthaltserlaubnisse in Deutschland. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte die Klage gegen die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat dies bestätigt und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.


Der Senat wird zu erwägen haben, ob die Kläger angesichts der Umstände Anspruch auf die begehrten Aufenthaltserlaubnisse haben. Das Aufenthaltsgesetz sieht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Fällen der Unmöglichkeit der Ausreise grundsätzlich vor. Eine Voraussetzung ist dabei allerdings, dass der Ausländer an der Beschaffung von Reisedokumenten in zumutbarer Weise mitwirkt. Ob dies geschehen ist, ist zwischen den Klägern und der Ausländerbehörde streitig.


Pressemitteilung Nr. 73/2009 vom 10.11.2009

Keine Aufenthaltserlaubnis bei verweigerter „Freiwilligkeitserklärung“

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen entsteht, nur weil ausreisepflichtige Ausländer nicht freiwillig ausreisen wollen und sich deshalb weigern, die Freiwilligkeit ihrer Ausreise gegenüber der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates zu bekunden.


Die Kläger sind iranische Staatsangehörige, die sich seit 1996 in Deutschland aufhalten. Sie haben erfolglos Asylverfahren betrieben und sind seit 2003 ausreisepflichtig. Die beklagte Ausländerbehörde bemüht sich seit Jahren, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Hierzu hat sie die Kläger, die keine Reisedokumente besitzen, mehrfach zur Beschaffung von Passersatzpapieren angehalten. Die Kläger verweigern jegliche Mitwirkung, da die von der iranischen Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" von ihnen nicht verlangt werden könne. Eine derartige Erklärung sei eine "Lüge", denn in Wahrheit wollten sie nicht ausreisen.


Die Kläger haben die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen beantragt, weil ihre Ausreise - wegen fehlender Reisedokumente - unmöglich sei. Die Ausländerbehörde hat die Anträge wegen der verweigerten Mitwirkung abgelehnt. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht wiesen die Klagen ab.


Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt werden, wenn die Ausreise unmöglich ist, der Ausländer also weder zwangsweise abgeschoben werden noch freiwillig ausreisen kann. Sie darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Verpflichtung für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen und dazu bereit zu sein. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich nicht unzumutbar, die von der Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" abzugeben. Zwar kann ein Ausländer zur Abgabe dieser Erklärung nicht gezwungen werden. Gibt er sie nicht ab, trifft ihn allerdings ein Verschulden an der Unmöglichkeit seiner Ausreise, so dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ausscheidet.


Auch nach der 2007 eingeführten Altfallregelung haben die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Durch ihre Weigerung, trotz wiederholter Aufforderung durch die Ausländerbehörde an der Ausstellung von Passersatzpapieren mitzuwirken, haben sie behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich behindert (§ 104 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG).


BVerwG 1 C 19.08 - Urteil vom 10.11.2009


Urteil vom 10.11.2009 -
BVerwG 1 C 19.08ECLI:DE:BVerwG:2009:101109U1C19.08.0

Leitsätze:

1. Einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, der nicht über gültige Reisedokumente verfügt, kann eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG nur erteilt werden, wenn er ohne Erfolg alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, ein (neues) Reisedokument zu erhalten. Verlangt die zuständige Behörde seines Heimatstaates von ihm die Erklärung, dass er bereit sei, freiwillig auszureisen, so ist ihm die Abgabe dieser Erklärung grundsätzlich zuzumuten.

2. Fordert die Ausländerbehörde einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer auf, eine ihm zumutbare Mitwirkungshandlung zur Beseitigung eines Ausreisehindernisses vorzunehmen, und weigert sich der Ausländer, dem nachzukommen, dann behindert er vorsätzlich behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG.

Urteil

BVerwG 1 C 19.08

  • OVG Münster - 18.06.2008 - AZ: OVG 17 A 2250/07 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 18.06.2008 - AZ: OVG 17 A 2250/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Kläger erstreben jeweils die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

2 Die drei Kläger, Mutter, Sohn und Tochter, sind iranische Staatsangehörige. Mutter und Sohn kamen im Oktober 1996 nach Deutschland. Die Tochter wurde im August 1997 in Deutschland geboren. Der Vater, ebenfalls iranischer Staatsangehöriger, war nur anfangs am vorliegenden Verfahren beteiligt.

3 Mutter und Sohn beantragten hier Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) lehnte die Asylanträge ab. Die Ablehnung ist seit März 2001 bestandskräftig. Seither werden die Kläger geduldet.

4 Da die drei Kläger nach eigenen Angaben keine Reisedokumente mehr besaßen, forderte die beklagte Ausländerbehörde sie im Mai 2001 erstmals auf, ein - an die iranische Auslandsvertretung weiter zu leitendes - Antragsformular zur Ausstellung von Passersatzpapieren zu unterschreiben. Die Mutter lehnte dies für sich und ihre Kinder ab.

5 Ein im September 2003 von Mutter und Sohn gestellter asylrechtlicher Folgeantrag wurde vom Bundesamt im Dezember 2003 bestandskräftig abgelehnt.

6 Im Mai 2005 beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Sie weigerten sich erneut, Antragsformulare zur Ausstellung von Passersatzpapieren zu unterschreiben. Sie machten geltend, das Antragsformular enthalte die Erklärung, dass sie bereit seien, freiwillig in den Iran zurückzukehren. Diese Erklärung treffe für sie nicht zu, würde daher eine schriftliche Lüge darstellen und könne ihnen demnach nicht abverlangt werden. Unter Hinweis auf die verweigerte Mitwirkung der Kläger lehnte die Beklagte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab. Der Widerspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.

7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei es den Klägern im Rahmen von § 25 Abs. 5 AufenthG nicht zumutbar, die Ausstellung iranischer Nationalpässe zu beantragen; denn hierfür müssten sie die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts in Deutschland nachweisen, was ihnen nicht möglich sei. Ihnen zuzumuten sei aber die Beantragung von Passersatzpapieren. Die von der iranischen Auslandsvertretung geforderte Freiwilligkeitserklärung sei nicht unwahr. Sie erschöpfe sich in der Bekundung der Bereitschaft, der bestehenden Ausreisepflicht ohne staatlichen Zwang nachzukommen. Diese Bereitschaft könne und müsse von den Klägern erwartet werden. Nichts anderes ergebe sich aus § 104a Abs. 1 AufenthG. Durch ihre Weigerung, bei der Ausstellung von Passersatzpapieren mitzuwirken, hätten die Kläger behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung behindert.

8 Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

II

9 Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu Recht verneint. Dem Begehren der Kläger steht sowohl bei § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - (1.) als auch bei § 104a Abs. 1
AufenthG (2.) entgegen, dass sie sich einer Mitwirkung bei der Ausstellung von Passersatzpapieren verweigert haben.

10 1. Ein Anspruch nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheidet aus, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Gemäß Satz 3 darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt nach Satz 4 insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

11 Zwar sind die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Ihre Ausreise ist derzeit und auf absehbare Zeit auch unmöglich, weil davon auszugehen ist, dass sie tatsächlich nicht über gültige Reisedokumente verfügen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Die Kläger sind jedoch nicht unverschuldet an ihrer Ausreise gehindert. Ein Verschulden in diesem Sinne ist anzunehmen, weil die Kläger zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllen (§ 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG).

12 Unter „Ausreise“ im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die freiwillige Ausreise als auch die zwangsweise Abschiebung zu verstehen (Senatsurteil vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192 <Rn. 15> m.w.N.). Das Ausreisehindernis besteht im vorliegenden Fall darin, dass die Kläger weder einen iranischen Nationalpass noch ein iranisches Passersatzpapier besitzen. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei den Klägern von vornherein nicht zuzumuten, sich um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Der erkennende Senat kann offen lassen, ob diese Annahme auf einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage beruht.

13 Jedenfalls ist es den Klägern zumutbar, an der Ausstellung von Passersatzpapieren mitzuwirken. Einer Mitwirkung haben sie sich bisher von vornherein verweigert, indem sie es gegenüber der beklagten Ausländerbehörde mehrfach abgelehnt haben, ein an das iranische Generalkonsulat in Frankfurt adressiertes Antragsformular zu unterschreiben, in dem um die Ausstellung von „Personaldokumenten (Pass/Passersatzpapier)“ gebeten und erklärt wird, „dass ich freiwillig in die islamische Republik Iran zurückkehren möchte“. Dieses von der iranischen Auslandsvertretung selbst so gestaltete Verfahren führt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts typischerweise zur Ausstellung von Passersatzpapieren. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Auslandsvertretung Kenntnis von der Ausreisepflicht des Ausländers hat; denn die Ausstellung von Passersatzpapieren diene regelmäßig der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern (UA S. 10).

14 Entgegen der Auffassung der Kläger war und ist es ihnen zuzumuten, der (wiederholten) Aufforderung der Beklagten nachzukommen und die „Freiwilligkeitserklärung“ auf dem von der iranischen Auslandsvertretung vorgesehenen Antragsformular zu unterschreiben. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sie vollziehbar ausreisepflichtig sind. Die gesetzliche Pflicht zur Ausreise bedeutet, dass sie freiwillig ausreisen oder sich zwangsweise abschieben lassen müssen. Das Aufenthaltsrecht erlegt dem Ausländer primär auf, dass er seiner Ausreisepflicht freiwillig - und unverzüglich - nachkommt (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Eine zwangsweise Abschiebung kommt erst in Betracht, wenn der Ausländer seine Ausreisepflicht nicht freiwillig erfüllt bzw. die Überwachung der Ausreise erforderlich ist (§ 58 Abs. 1 und 3 AufenthG). Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist daher aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die Rechtsordnung mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer rechtlich grundsätzlich nicht unzumutbar, zur Ausreise nicht nur willens und bereit zu sein, sondern diese Bereitschaft auch zu bekunden und eine „Freiwilligkeitserklärung“ in der hier gegebenen Form abzugeben. Ein entgegenstehender innerer Wille des Ausländers, der die Erklärung mangels Bildung eines entsprechenden Willens als unwahr empfindet, ist aufenthaltsrechtlich regelmäßig unbeachtlich. Dies gilt im Übrigen auch für andere Ausländer, die, ohne eine derartige Erklärung abgeben zu müssen, ausreisepflichtig sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erstreben.

15 Nach den vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts beschränkt sich die hier fragliche „Freiwilligkeitserklärung“ inhaltlich darauf, der gesetzlichen Ausreisepflicht von sich aus nachkommen zu wollen (UA S. 14 f.). Eine weitergehende Bedeutung ist der Erklärung nicht zu entnehmen. So kann darin, anders als die Kläger meinen, kein Bekenntnis zum iranischen Regime bzw. keine Loyalitätsbekundung gegenüber dem iranischen Staat gesehen werden. Wie in einem solchen Fall die Abgabe einer derartigen Erklärung zu beurteilen ist, bedarf deshalb hier keiner Entscheidung.

16 Die Kläger sind nicht gezwungen, die „Freiwilligkeitserklärung“ als unwahre Bekundung bzw. als „Lüge“ abzugeben. Die Freiwilligkeit kann in dem Sinne erklärt werden, sie, die Kläger, seien vollziehbar ausreisepflichtig und wollten, um nicht zwangsweise abgeschoben zu werden, ihrer Ausreisepflicht von sich aus nachkommen. Eine derartige Erklärung ist nicht unwahr.

17 Die fehlende Bereitschaft der Kläger, der bestehenden Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen und diese durch Abgabe einer entsprechenden „Freiwilligkeitserklärung“ gegenüber der Auslandsvertretung ihres Heimatstaates zu dokumentieren, begründet keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 4
AufenthG. Dem steht die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur mangelnden Strafbarkeit der Weigerung, eine „Freiwilligkeitserklärung“ abzugeben (OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 - juris Rn. 39 ff. zur Unzumutbarkeit; vgl. aber auch OLG Celle, Urteil vom 14. Februar 2007 - 21 Ss 84/06 - InfAuslR 2007, 255, wonach bereits der objektive Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG den Verstoß gegen § 49 Abs. 2 Halbs. 2 AufenthG nicht erfasst; so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: April 2009, A 1 § 95 Rn. 54), nicht entgegen. Denn die deutsche Rechtsordnung nimmt es hin, wenn sich ein Ausländer - wie die Kläger - zur Abgabe einer „Freiwilligkeitserklärung“ gegenüber einer ausländischen Stelle außerstande sieht. Die Abgabe kann weder rechtlich erzwungen noch gegen den Willen des Ausländers durchgesetzt werden; an die verweigerte Abgabe können deshalb auch keine strafrechtlichen Sanktionen geknüpft werden.

18 Auch wenn die Erklärung nicht erzwungen werden kann, so wird die Weigerung, sie abzugeben, vom Aufenthaltsrecht allerdings nicht honoriert. Kann ein Ausländer durch eigenes zumutbares Verhalten dazu beitragen, ein Ausreisehindernis zu beseitigen, dann führt seine Weigerung dazu, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ausscheidet. Dazu zählt auch die ihm obliegende Willensbildung zur freiwilligen Ausreise oder u.a. der Wiedererwerb einer aufgegebenen Staatsangehörigkeit. Dies hat der Senat bereits zu der Vorgängervorschrift im Ausländergesetz 1990 so entschieden (zu § 30 AuslG; vgl. Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 8.98 - BVerwGE 108, 21 <29 f.>). Der Grundsatz, die Verweigerung einer zumutbaren freiwilligen Ausreise nicht zu honorieren, ist vom Bundesverwaltungsgericht im Übrigen auch im Asyl- und Flüchtlingsrecht wiederholt betont worden (vgl. etwa Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 158 sowie Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265 <278>; jeweils m.w.N.).

19 Die Abgabe der „Freiwilligkeitserklärung“ ist den Klägern daher zuzumuten. Damit haben sie die Unmöglichkeit ihrer Ausreise zu vertreten. Dies schließt einen Anspruch nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus.

20 2. Es besteht auch kein Anspruch nach § 104a Abs. 1 AufenthG. Diese Altfallregelung erfasst zwar tatbestandsmäßig den Fall der Kläger. Die Regelung greift vorliegend jedoch nicht durch, weil die Kläger behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich behindert und damit den Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erfüllt haben. Die Kläger haben sich über Jahre jeder Mitwirkung bei der Ausstellung von Passersatzpapieren verweigert. Auch in diesem Zusammenhang ist rechtlich davon auszugehen, dass ihnen eine Mitwirkung in Form der Abgabe einer „Freiwilligkeitserklärung“ zuzumuten gewesen ist. Hätten sie mitgewirkt und die Erklärung unterschrieben, hätte dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts voraussichtlich zur Ausstellung von Passersatzpapieren durch die iranische Auslandsvertretung geführt. Damit wäre das bestehende Ausreisehindernis (fehlende Reisedokumente) beseitigt und die Beklagte in der Lage gewesen, die Kläger zur freiwilligen Ausreise zu bewegen und sie ggf. auch zwangsweise in ihr Heimatland abzuschieben.

21 Die Kläger haben behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung auch vorsätzlich behindert. Zwar stellt eine unterbliebene Mitwirkungshandlung des Ausländers nicht ohne Weiteres eine vorsätzliche Behinderung im Sinne der Vorschrift dar. Eine vorsätzliche Behinderung liegt aber dann vor, wenn der Ausländer von der Ausländerbehörde ausdrücklich zur (zumutbaren und erheblichen) Mitwirkung angehalten wird und sich der Mitwirkung verweigert. Im Entscheidungsfall sind die Kläger bei persönlichen Vorsprachen von der Beklagten wiederholt zur Abgabe der „Freiwilligkeitserklärung“ aufgefordert worden; sie haben sich dieser Aufforderung jeweils verweigert. Mit diesem Verhalten haben sie die Ausstellung von Passersatzpapieren gezielt vereitelt und die Beklagte vorsätzlich an Maßnahmen gehindert, ihren Aufenthalt in Deutschland zu beenden.

22 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.