Verfahrensinformation

Im vorliegenden und in drei weiteren, gleichzeitig terminierten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob Einbürgerungen wegen Täuschung im Einbürgerungsverfahren noch nach Ablauf von 8 bis über 11 Jahren zurückgenommen werden dürfen. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin haben in den Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide jeweils mit unterschiedlicher Begründung verneint und die Revision (das Verwaltungsgericht die Sprungrevision) zugelassen.


Die seit 1989 miteinander verheirateten Kläger des vorliegenden Verfahrens wurden auf ihren Antrag im Oktober 1993 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. In dem Einbürgerungsantrag hatten sie angegeben, in Beirut/Libanon geboren und staatenlos zu sein. Nach der Feststellung, dass die Kläger in der Türkei geborene türkische Staatsangehörige gewesen sind, nahm das beklagte Land Berlin im April 2004 die Einbürgerungen wegen arglistiger Täuschung mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.


Verfahrensinformation

Im vorliegenden und in drei weiteren, gleichzeitig terminierten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob Einbürgerungen wegen Täuschung im Einbürgerungsverfahren noch nach Ablauf von 8 bis über 11 Jahren zurückgenommen werden dürfen. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin haben in den Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide jeweils mit unterschiedlicher Begründung verneint und die Revision (das Verwaltungsgericht die Sprungrevision) zugelassen.


Der 1956 in Pakistan geborene Kläger des vorliegenden Verfahrens reiste im Jahre 1981 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens wurde er Ende April 1987 nach Pakistan abgeschoben. Im Januar 1989 reiste der Kläger erneut ein und stellte einen Asylfolgeantrag. Nach der Heirat einer deutschen Staatsangehörigen im Oktober 1989 erhielt er zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen wurde im März 1997 rechtskräftig geschieden.


Ende November 1992 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem Antragsformular gab er unter der Rubrik "Ehegattin" ausschließlich die Personalien seiner deutschen Ehefrau an, im Abschnitt "Kinder" gab er als Geschlecht des ersten Kindes "männlich" an; weitere Angaben zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnort des Kindes waren unkenntlich gemacht. In einem dem Antrag beigefügten handschriftlichen Lebenslauf teilte der Kläger lediglich mit, er sei verheiratet. Am 13. Dezember 1993 wurde der Kläger als Ehemann einer Deutschen eingebürgert.


Im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung in Deutschland stellte die Ausländerbehörde fest, dass der Kläger bereits am 1. Februar 1991 in Pakistan eine Zweitehe eingegangen war und als Vater dreier 1991, 1993 sowie 1995 geborener pakistanischer Kinder im Geburtsregister seines Heimatdorfes eingetragen ist. Diesen Sachverhalt teilte sie der Staatsangehörigkeitsbehörde im April 2000 mit. Nach Anhörung des Klägers nahm das beklagte Land Berlin daraufhin im Juni 2002 die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.


Verfahrensinformation

Im vorliegenden und in drei weiteren, gleichzeitig terminierten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob Einbürgerungen wegen Täuschung im Einbürgerungsverfahren noch nach Ablauf von 8 bis über 11 Jahren zurückgenommen werden dürfen. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin haben in den Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide jeweils mit unterschiedlicher Begründung verneint und die Revision (das Verwaltungsgericht die Sprungrevision) zugelassen.


Die seit 1989 miteinander verheirateten Kläger wurden auf ihren Antrag im Juli 1993 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. In dem Einbürgerungsantrag hatten sie angegeben, aus dem Libanon zu stammen und ungeklärter Staatsangehörigkeit zu sein. Nach der Feststellung, dass die Kläger in der Türkei geborene türkische Staatsangehörige gewesen sind, nahm das beklagte Land Berlin im Oktober 2004 die Einbürgerungen wegen arglistiger Täuschung mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.


Verfahrensinformation

Im vorliegenden und in drei weiteren, gleichzeitig terminierten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob Einbürgerungen wegen Täuschung im Einbürgerungsverfahren noch nach Ablauf von 8 bis über 11 Jahren zurückgenommen werden dürfen. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Berlin haben in den Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide jeweils mit unterschiedlicher Begründung verneint und die Revision (das Verwaltungsgericht die Sprungrevision) zugelassen.


Der 1966 in Pakistan geborene Kläger des vorliegenden Verfahrens heiratete im Dezember 1984 in Pakistan eine Pakistanerin; aus dieser Ehe sind vier 1986, 1989, 1993 und 1998 geborene Kinder hervorgegangen. Im März 1989 heiratete er in Lahore/Pakistan außerdem eine deutsche Staatsangehörige und reiste im Juni 1989 im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland ein. Aus dieser zweiten Ehe stammt eine 1990 geborene Tochter. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik erhielt der Kläger zunächst eine befristete, später eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen wurde im Juni 1995 geschieden.


Im Juli 1992 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem Antragsformular gab er an, seine erste Ehe im März 1989 geschlossen zu haben und verneinte die Frage nach etwaigen früheren Ehen und nach weiteren, auch aus früheren Ehen hervorgegangenen und nicht mit einzubürgernden Kindern. In einem beigefügten handschriftlichen Lebenslauf gab der Kläger lediglich die Eheschließung mit seiner deutschen Ehefrau an und ließ seine Ehe mit der pakistanischen Staatsangehörigen sowie die aus dieser hervorgegangenen Kinder unerwähnt. Im April 1993 wurde der Kläger als Ehemann einer Deutschen eingebürgert.


Im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung in Deutschland stellte die deutsche Botschaft in Islamabad fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen bereits eine rechtsgültige Ehe in Pakistan eingegangen war. Nach Anhörung des Klägers nahm das beklagte Land Berlin daraufhin im Juli 2004 die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.


Pressemitteilung Nr. 6/2008 vom 14.02.2008

Rücknahme erschlichener Einbürgerungen nach mehr als 8 Jahren nicht mehr "zeitnah"

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Rücknahme einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung erst nach achteinhalb Jahren oder später nicht mehr "zeitnah" und daher nach derzeitiger Gesetzeslage unzulässig ist.


In zwei der entschiedenen Fälle hatten Ausländer ihre Einbürgerung dadurch erschlichen, dass sie im Einbürgerungsverfahren eine Zweitehe im Ausland (Pakistan) verschwiegen. In zwei anderen Fällen hatten sich türkische Staatsangehörige als Staatenlose aus dem Libanon ausgegeben.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen des Landes gegen drei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin und ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen sowie die Aufhebung der Rücknahmebescheide in allen vier Verfahren bestätigt. Zur Begründung hat es auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006 abgestellt. Danach besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme durch Täuschung erschlichener Einbürgerungen in Anwendung der allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder (§ 48 VwVfG) nur, wenn die Einbürgerung "zeitnah" zurückgenommen wird. Nur dann sei für die Betroffenen - bis zu einer speziellen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz - die Rücknahme nach § 48 VwVfG als Folge ihres Verhaltens noch vorhersehbar.


Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, bis zu welcher zeitlichen Grenze die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung als noch zeitnah nach geltender Rechtslage zulässig ist. Jedenfalls in den vorliegenden Fällen, in denen die Einbürgerungen erst nach achteinhalb bis über elf Jahren zurückgenommen worden sind, waren die Rücknahmen nicht mehr zeitnah.


Das Bundesverwaltungsgericht hat - wie schon das Bundesverfassungsgericht - darauf hingewiesen, dass der Bundesgesetzgeber eine ausreichend klare spezialgesetzliche Regelung bisher nicht geschaffen habe.


BVerwG 5 C 4.07 - Urteil vom 14.02.2008

BVerwG 5 C 5.07 - Urteil vom 14.02.2008

BVerwG 5 C 14.07 - Urteil vom 14.02.2008

BVerwG 5 C 15.07 - Urteil vom 14.02.2008


Urteil vom 14.02.2008 -
BVerwG 5 C 14.07ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C14.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.02.2008 - 5 C 14.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C14.07.0]

Urteil

BVerwG 5 C 14.07

  • VG Berlin - 26.04.2007 - AZ: VG 2 A 217.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn
und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Kläger zu 1 und 2, Eheleute seit 1974, wenden sich gegen die Rücknahme ihrer Einbürgerung.

2 Der im Jahre 1955 geborene Kläger zu 1 und die im Jahre 1962 geborene Klägerin zu 2 sind seit 1974 verheiratet. Aus ihrer Ehe sind zehn in den Jahren 1975 bis 1996 geborene Kinder hervorgegangen. Sie reisten im September 1981 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie sich als asylsuchend meldeten. Nach bestandskräftiger Ablehnung ihrer Asylanträge stellte Ihnen die Ausländerbehörde im September 1989 Fremdenpässe aus und erteilte Ihnen Aufenthaltsbefugnisse, die zuletzt bis zum 5. August 1993 bzw. zum 13. September 1993 gültig waren.

3 Im Oktober 1991 beantragten die Kläger für sich und ihre bis dahin geborenen neun minderjährigen Kinder die Einbürgerung als Deutsche. Die Kläger gaben dabei an, im Jahre 1955 bzw. 1962 in Beirut/Libanon geborene staatenlose Kurden aus dem Libanon zu sein. Im Verlauf des Einbürgerungsverfahrens reichten sie die Kopie einer beglaubigten Übersetzung einer Heiratsurkunde nach, wonach sie am 6. Juli 1974 in Beirut die Ehe geschlossen haben. Ausweislich dieser Heiratsurkunde wurde der Kläger zu 1 am 1. Juli 1955 in Beirut, die Klägerin zu 2 am 20. Januar 1962 in Al-Mala/Beirut geboren. Der älteste Sohn der Kläger wurde am 11. März 1993 gemäß § 85 AuslG a.F. eingebürgert, hinsichtlich der übrigen Antragsteller ließ die Staatsangehörigkeitsbehörde das Verfahren zunächst ruhen.

4 Am 14. Oktober 1993 erhielten die Kläger und ihre acht minderjährigen Kinder auf der Grundlage von § 8 RuStAG als de facto Staatenlose die Urkunde über die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Der Einbürgerungsbehörde war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Kläger Sozialleistungen beziehen und die Botschaft des Libanon ein vom Kläger zu 1 eingereichtes Laissez Passer (libanesisches Reisepapier) nicht verlängert hat, weil sie dies für eine Fälschung hielt.

5 Im Sommer 2003 ermittelte das beklagte Land, dass es sich bei dem Kläger zu 1 in Wahrheit um den am 1. Juli 1955 in Dereici/Türkei geborenen H. D. handelt, welcher die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. Bei der Klägerin zu 2, so stellte der Beklagte fest, handelt es sich um die am 25. Juni 1960 in Savur/Türkei geborene S. D. Die Klägerin zu 2 bestätigte bei ihrer Beschuldigtenvernehmung im Wesentlichen die Richtigkeit dieser Ermittlungen, insbesondere gab sie zu, türkische Staatsangehörige zu sein.

6 Mit Bescheid vom 20. Oktober 2004 nahm das beklagte Land die Einbürgerung der Kläger nach § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Die Einbürgerung der Kläger sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung auf der Grundlage von § 8 RuStAG hätten nicht vorgelegen, da die Kläger entgegen ihren Angaben im Einbürgerungsverfahren nicht staatenlos gewesen seien. Ihre Einbürgerung sei ermessensfehlerhaft verfügt worden, da sie zu einer unerwünschten Doppelstaatsangehörigkeit geführt habe. Ferner hätte bei Kenntnis der türkischen Staatsangehörigkeit eine Einbürgerung bereits deshalb nicht erfolgen dürfen, weil die Kläger die erforderliche Mindestaufenthaltsdauer nicht erfüllt hätten. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Kläger nicht berufen, da sie die Einbürgerungsbehörde arglistig über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hätten. Im Laufe des gerichtlichen Klageverfahrens änderte der Beklagte mit Verfügung vom 12. Juli 2006 den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die Rücknahme der Einbürgerung der Kläger nunmehr mit Wirkung ex nunc verfügt wurde, und hob den Rücknahmebescheid im Übrigen auf.

7 Mit Urteil vom 26. April 2007 hat das Verwaltungsgericht den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20. Oktober 2004 mit der Erwägung aufgehoben, dass nach der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin § 48 VwVfG lediglich für den Fall einer zeitnahen Rücknahme eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle. Hier sei die Rücknahme nicht mehr „zeitnah“ erfolgt, weil zwischen Einbürgerung und Rücknahme ein Zeitraum von mehr als elf Jahren gelegen habe.

8 Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht der Beklagte geltend, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei hier die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung auf der Grundlage von § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin auch elf Jahre nach der Einbürgerung noch möglich. Denn dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts lasse sich nicht entnehmen, dass eine Rücknahme auf der Grundlage des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts lediglich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne möglich sein solle; auch der Grundsatz der Vorsehbarkeit der Entscheidung gebiete diese Annahme nicht.

9 Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und weisen darauf hin, dass sie ihre Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung erwirkt hätten.

II

10 Die (Sprung-)Revision des Beklagten ist unbegründet.

11 Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20. Oktober 2004 in der Gestalt vom 12. Juli 2006 zu Recht aufgehoben.

12 Im Einklang mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist es davon ausgegangen, § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin stelle keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung der Kläger dar, weil diese nicht zeitnah erfolgt ist.

13 Der Senat hat mit dem gleichzeitig ergehenden Urteil in dem Verfahren BVerwG 5 C 4.07 , auf das er Bezug nimmt, im Einzelnen ausgeführt, dass er der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24) folgt, nach der mit Rücksicht auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der deutschen Staatsangehörigkeit § 48 VwVfG - hier i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin - nur in bestimmten Fällen eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme von Einbürgerungen bietet. Danach steht die Anwendung der allgemein geltenden Rücknahmeermächtigungen nur „für den Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst erwiesenermaßen getäuscht hat“ in Einklang mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Nur für diesen Fall enthält § 48 VwVfG ein für den Betroffenen berechenbares rechtsstaatliches Abwägungsprogramm und ist dessen Anwendung auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung unbedenklich (BVerfG, a.a.O. S. 52).

14 An einer solchen zeitnahen Rücknahme fehlt es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat. Bei dem zwischen der Einbürgerung der Kläger am 14. Oktober 1993 und deren Rücknahme am 20. Oktober 2004 verstrichenen Zeitraum von elf Jahren kann nach der Überzeugung des Senats nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden (vgl. auch insoweit die Ausführungen in dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 4.07 ).

15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 14.02.2008 -
BVerwG 5 C 15.07ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C15.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.02.2008 - 5 C 15.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C15.07.0]

Urteil

BVerwG 5 C 15.07

  • OVG Berlin-Brandenburg - 29.03.2007 - AZ: OVG 5 B 19.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2 Der Kläger ist ein am 15. Dezember 1966 geborener ehemals pakistanischer Staatsangehöriger. Im Dezember 1984 schloss er in Pakistan die Ehe mit einer Pakistanerin. Aus dieser Ehe sind vier in den Jahren 1986, 1989, 1993 und 1998 geborene Kinder hervorgegangen. Anfang März 1989 heiratete er in Lahore/Pakistan eine deutsche Staatsangehörige und reiste im Juni 1989 im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland ein. Aus dieser zweiten Ehe stammt eine am 3. Januar 1990 geborene Tochter. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik erteilte ihm die Ausländerbehörde zunächst eine befristete, nachfolgend eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen wurde am 7. Juni 1995 geschieden.

3 1992 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. In dem Antragsformular gab er an, seine erste Ehe am 8. März 1989 geschlossen zu haben, und verneinte die Frage nach etwaigen früheren Ehen. Die in dem Antragsformular vorgesehene Rubrik „getrennt lebend seit...“ ließ der Kläger unausgefüllt; ebenso verneinte er die Frage nach weiteren, auch aus früheren Ehen hervorgegangenen und nicht mit einzubürgernden Kindern. In einem dem Antrag beigefügten handschriftlichen Lebenslauf gab der Kläger lediglich die Eheschließung mit seiner deutschen Ehefrau an und ließ seine Ehe mit der pakistanischen Staatsangehörigen sowie die aus dieser hervorgegangenen (damals zwei) Kinder unerwähnt. Als Begründung seines Einbürgerungsantrags gab er an, er wolle für immer bei seiner deutschen Frau und seinem Kind in Deutschland leben. Am 8. April 1993 wurde der Kläger eingebürgert.

4 Anlässlich eines Antrags auf Erteilung von Visa zur Familienzuführung für die pakistanische Ehefrau und die gemeinsamen Kinder stellte die deutsche Auslandsvertretung in Islamabad/Pakistan fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen bereits in Pakistan eine rechtsgültige Ehe eingegangen war. Dieser Sachverhalt wurde der Ausländerbehörde mitgeteilt. Bei der Anhörung zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung trug der Kläger vor, nach pakistanischem Recht sei eine Doppelehe zulässig; in Deutschland habe er lediglich mit seiner zweiten Ehefrau gelebt.

5 Mit Bescheid vom 8. Juli 2004 nahm das beklagte Land die Einbürgerung des Klägers in den deutschen Staatsverband nach § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und ordnete unter Androhung eines Zwangsgeldes die Rückgabe der Einbürgerungsurkunde an. Die Einbürgerung des Klägers sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung auf der Grundlage von § 9 RuStAG hätten nicht vorgelegen, da der Kläger die Einbürgerungsbehörde arglistig über seine Zweitehe getäuscht habe. Im Laufe des Berufungsverfahrens änderte der Beklagte mit Verfügung vom 12. Februar 2007 den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die Rücknahme der Einbürgerung nunmehr mit Wirkung ex nunc verfügt wurde.

6 Mit Urteil vom 12. Juli 2005 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage mit der Erwägung abgewiesen, dass § 48 VwVfG nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung darstelle.

7 Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 29. März 2007 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2004 in der Gestalt vom 12. Februar 2007 aufgehoben.

8 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es folge der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -), nach der die zeitliche Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung auf der Grundlage des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts grundsätzlich zulässig sei und nicht das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG statuierte Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit verletze. Der Kläger habe auch seine Einbürgerung erschlichen, indem er über seine in Pakistan geschlossene Zweitehe arglistig getäuscht habe. Der Begriff „zeitnah“ beziehe sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum. Im vorliegenden Fall könne dahingestellt bleiben, wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verlaufe, da bei dem verstrichenen Zeitraum von elfeinviertel Jahren jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden könne.

9 Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei hier die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung auf der Grundlage von § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin auch elfeinviertel Jahre nach der Einbürgerung noch möglich. Denn dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts lasse sich nicht entnehmen, dass eine Rücknahme auf der Grundlage des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts lediglich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne möglich sein solle; auch der Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Entscheidung gebiete diese Annahme nicht.

10 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II

11 Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

12 Das Berufungsgericht hat den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 8. Juli 2004 in der Gestalt vom 12. Februar 2007 zu Recht aufgehoben. Im Einklang mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist es davon ausgegangen, § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin stelle keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erschlichenen Einbürgerung des Klägers dar, weil diese nicht zeitnah erfolgt ist.

13 Der Senat hat mit dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 4.07 , auf das er Bezug nimmt, im Einzelnen ausgeführt, dass er der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24) folgt, nach der mit Rücksicht auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der deutschen Staatsangehörigkeit § 48 VwVfG - hier i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin - nur in bestimmten Fällen eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme von Einbürgerungen bietet. Danach steht die Anwendung der allgemein geltenden Rücknahmeermächtigung nur „für den Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst erwiesenermaßen getäuscht hat“ in Einklang mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Nur für diesen Fall enthält § 48 VwVfG ein für den Betroffenen berechenbares rechtsstaatliches Abwägungsprogramm und ist dessen Anwendung auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung unbedenklich (BVerfG a.a.O. S. 52).

14 An einer solchen zeitnahen Rücknahme fehlt es hier, wie auch das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Bei dem zwischen der Einbürgerung der Kläger am 8. April 1994 und deren Rücknahme am 8. Juli 2004 verstrichenen Zeitraum von mehr als elf Jahren kann nach der Überzeugung des Senats nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden (vgl. auch insoweit die Ausführungen in dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 4.07 ).

15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 14.02.2008 -
BVerwG 5 C 5.07ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C5.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.02.2008 - 5 C 5.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:140208U5C5.07.0]

Urteil

BVerwG 5 C 5.07

  • OVG Berlin-Brandenburg - 19.10.2006 - AZ: OVG 5 B 1.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Kläger zu 1 und 2, Eheleute seit 1989, wenden sich gegen die Rücknahme ihrer Einbürgerung.

2 Der Kläger zu 1 reiste im Jahre 1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich unter Vorlage eines libanesischen Laissez-Passer als asylsuchend meldete. Bei der Antragstellung gab er an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein. Nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylantrags stellte ihm die Ausländerbehörde im Oktober 1988 einen Fremdenpass aus und erteilte ihm in der Folgezeit verschiedene Aufenthaltstitel, zuletzt am 28. April 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Bereits im Jahre 1990 wurde bei einer vom Zollfahndungsamt durchgeführten Wohnungsdurchsuchung bei dem Kläger ein türkischer Nüfus mit seinem Lichtbild auf die Personalien S. U., geboren am 12. Juni 1971 in Savur/Türkei aufgefunden, welcher nach Meinung der Strafverfolgungsbehörden echt war. Während der Kläger zu 1 zunächst gegenüber den Zollfahndungsbeamten angab, dass es sich hierbei um seine richtigen Personalien handele, ließ er sich in einer späteren Vernehmung dahingehend ein, dass ihm der Name U. nicht bekannt sei und seine richtigen Personalien S. A. Z. seien.

3 Die Klägerin zu 2 reiste im Jahre 1988 zusammen mit ihrer Mutter und mehreren Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Einen ersten Asylantrag stellte die Mutter der Klägerin zu 2 am 10. Mai 1988 unter Vorlage eines 1986 in Izmir ausgestellten türkischen Reisepasses, in dem sie als die am 9. August 1953 in Ückavak geborene Z. K. und die Klägerin zu 2 als die am 14. Mai 1973 in der gleichen Ortschaft geborene D. K. eingetragen waren. Am 16. Juni 1988 stellte die Mutter der Klägerin zu 2 einen weiteren Asylantrag, wobei sie sich Z. A. Z. ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgab und den Namen der Klägerin zu 2 mit D. A. Z. angab. Nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylantrags erhielt die Klägerin zu 2 im März 1990 einen Fremdenpass sowie eine Aufenthaltserlaubnis; zuletzt verfügte sie über eine Aufenthaltsbefugnis.

4 Die Kläger zu 1 und 2 sind seit 1989 verheiratet. Aus ihrer Ehe sind sechs in den Jahren 1989 bis 1998 geborene Kinder hervorgegangen.

5 Ende 1992 bzw. 1993 beantragten die Kläger für sich und ihre bis dahin geborenen drei minderjährigen Kinder die Einbürgerung. Der Kläger zu 1 gab in dem Antragsformular an, er sei im Jahre 1969 geboren; bei seinen Eltern handele es sich um den im Jahre 1937 in Beirut geborenen H. A. Z. und die 1940 in Beirut geborene Mutter A. A. Z.; die Klägerin zu 2 gab als ihr Geburtsdatum das Jahr 1972 an und nannte als Eltern den 1950 im Libanon geborenen A. A. Z. sowie die am 1. Juli 1953 ebenfalls im Libanon geborene S. A. Z., deren Staatsangehörigkeit jeweils ungeklärt sei. Ferner gaben die Kläger an, dass sowohl sie selbst als auch die mit einzubürgernden Kinder staatenlos seien. Am 6. Juli 1994 wurden die Kläger und ihre drei minderjährigen Kinder auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 RuStAG als de facto Staatenlose eingebürgert.

6 Aufgrund eines Schreibens des Landeseinwohneramts Berlin vom 18. März 2003 ermittelte das beklagte Land, dass es sich bei dem Kläger zu 1 in Wahrheit um den am 12. Juni 1971 in Savur geborenen S. U. handelt. Ausweislich eines Personenstandsregisterauszugs vom 29. November 2002 wurde ihm wegen Nichtableistung des Wehrdienstes am 13. Februar 2002 seine türkische Staatsangehörigkeit aberkannt. Bei der Klägerin zu 2, so stellte der Beklagte fest, handelt es sich um die am 14. Mai 1973 in Ückavak geborene türkische Staatsangehörige D. K.

7 Mit Bescheid vom 6. April 2004 nahm das beklagte Land die Einbürgerung der Kläger in den deutschen Staatsverband nach § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und ordnete unter Androhung eines Zwangsgeldes die Rückgabe der Einbürgerungsurkunde an. Die Einbürgerung der Kläger sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung auf der Grundlage von § 8 RuStAG hätten nicht vorgelegen, da die Kläger entgegen ihren Angaben im Einbürgerungsverfahren nicht staatenlos gewesen seien. Ihre Einbürgerung sei ermessensfehlerhaft verfügt worden, da sie zu einer unerwünschten Doppelstaatsangehörigkeit geführt habe. Ferner hätte bei Kenntnis der türkischen Staatsangehörigkeit eine Einbürgerung bereits deshalb nicht erfolgen dürfen, weil der Kläger zu 1 die erforderliche Mindestaufenthaltsdauer nicht erfüllt hätte. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Kläger nicht berufen, da sie die Einbürgerungsbehörde arglistig über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hätten. Im Laufe des Berufungsverfahrens änderte der Beklagte mit Verfügung vom 12. Juli 2006 den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die Rücknahme der Einbürgerung der Kläger nunmehr mit Wirkung ex nunc verfügt wurde, und hob den Rücknahmebescheid im Übrigen auf.

8 Mit Urteil vom 14. Dezember 2004 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage mit der Erwägung abgewiesen, dass § 48 VwVfG nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung darstelle.

9 Auf die Berufung der Kläger hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Oktober 2006 den Bescheid des Beklagten vom 6. April 2004 in der Gestalt vom 12. Juli 2006 aufgehoben.

10 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es folge der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -), nach der die zeitnahe Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung auf der Grundlage des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts grundsätzlich zulässig sei und nicht das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG statuierte Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit verletze. Die Kläger hätten auch ihre Einbürgerung erschlichen, indem sie über ihre Staatsangehörigkeit arglistig getäuscht hätten. Der Begriff „zeitnah“ beziehe sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum. Im vorliegenden Fall könne dahingestellt bleiben, wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verlaufe, da bei dem verstrichenen Zeitraum von nahezu zehn Jahren jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden könne.

11 Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei hier die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung auf der Grundlage von § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin auch nahezu zehn Jahre nach der Einbürgerung noch möglich. Denn dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts lasse sich nicht entnehmen, dass eine Rücknahme auf der Grundlage des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts lediglich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne möglich sein solle; auch der Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Entscheidung gebiete diese Annahme nicht.

12 Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts und weisen darauf hin, dass sie ihre Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung erwirkt hätten.

II

13 Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

14 Das Berufungsgericht hat den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 6. April 2004 in seiner maßgeblichen Gestalt vom 12. Juli 2006 zu Recht aufgehoben. Im Einklang mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist es davon ausgegangen, § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin stelle keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erschlichenen Einbürgerung der Kläger dar, weil diese nicht zeitnah erfolgt ist

15 Der Senat hat mit dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 4.07 , auf das er Bezug nimmt, im Einzelnen ausgeführt, dass er der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24) folgt, nach der mit Rücksicht auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der deutschen Staatsangehörigkeit § 48 VwVfG - hier i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin - nur in bestimmten Fällen eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Rücknahme von Einbürgerungen bietet. Danach steht die Anwendung der allgemein geltenden Rücknahmeermächtigung nur „für den Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst erwiesenermaßen getäuscht hat“ in Einklang mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Nur für diesen Fall enthält § 48 VwVfG ein für den Betroffenen berechenbares rechtsstaatliches Abwägungsprogramm und ist dessen Anwendung auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung unbedenklich (BVerfG a.a.O. S. 52).

16 An einer solchen zeitnahen Rücknahme fehlt es hier, wie auch das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Bei dem zwischen der Einbürgerung der Kläger am 6. Juli 1994 und deren Rücknahme am 6. April 2004 verstrichenen Zeitraum von neun Jahren und neun Monaten kann nach der Überzeugung des Senats nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden (vgl. auch insoweit die Ausführungen in dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 5 C 4.07 ).

17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.