Verfahrensinformation

Die Klägerinnen sind Fluggesellschaften, die Passagiere im Linienverkehr von und nach Deutschland befördern. Sie wenden sich gegen die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 AuslG. Die Fluggesellschaften hatten mit ihren Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz Erfolg. Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen dienen u.a. der Klärung der Frage, ob die Grenzschutzdirektion oder die örtlich zuständigen Grenzschutzämter für die Festsetzung der Zwangsgelder zuständig gewesen sind.


Verfahrensinformation

Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft, die Passagiere im Linienverkehr von und nach Deutschland befördert. Sie wendet sich gegen die Androhung von Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 AuslG. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hob die Androhung eines erhöhten Zwangsgelds mit der Begründung auf, die Bestimmung der Grenzschutzdirektion als zuständige Stelle u.a. für Zwangsgeldandrohungen durch Erlasse des Bundesministeriums des Innern sei nicht rechtswirksam, weil diese Erlasse nicht veröffentlicht worden seien.


Pressemitteilung Nr. 13/2006 vom 14.03.2006

Zwangsgeld gegen Fluggesellschaft aufgehoben

Die im Jahr 2002 gegen die Fluggesellschaft British Airways ausgesprochene Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1000 Euro wegen unzulässiger Beförderung von Fluggästen sind rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die entsprechenden Bescheide der Grenzschutzdirektion Koblenz wegen deren fehlender sachlicher Zuständigkeit aufgehoben und die beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Rückzahlung des Zwangsgelds verurteilt.


Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat damit im Ergebnis die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Es hat ausgeführt: Zwar hat das inzwischen außer Kraft getretene Ausländergesetz zur Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern gegen Fluggesellschaften ermächtigt, die Ausländer ohne erforderlichen Pass oder ohne erforderliches Visum ins Bundesgebiet beförderten (§ 74 Abs. 2, § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG; vgl. jetzt § 63 Abs. 2 und 3 AufenthaltsG). Das Bundesministerium des Innern hätte aber die Grenzschutzdirektion Koblenz mit der Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern gegen Beförderungsunternehmen nur durch eine Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes von 1994 (jetzt: § 58 Abs. 1 Bundespolizeigesetz) betrauen dürfen. Das ist seinerzeit nicht geschehen, sondern erst durch eine Verordnungsänderung im Juni 2005. Die im Jahr 2001 erfolgte Zuständigkeitsübertragung durch nicht veröffentlichten Behördenerlass genügte hierfür nicht.


Die heutigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts haben Auswirkungen auf zahlreiche weitere noch anhängige Zwangsgeldverfahren auch gegen andere Fluggesellschaften. Allein gegen British Airways sind damals über 40 - nach den heutigen Entscheidungen rechtswidrige - Zwangsgeldbescheide über insgesamt mehr als 70 000 Euro ergangen.


BVerwG 1 C 3.05 - Urteil vom 14.03.2006

BVerwG 1 C 11.05 - Urteil vom 14.03.2006


Urteil vom 14.03.2006 -
BVerwG 1 C 11.05ECLI:DE:BVerwG:2006:140306U1C11.05.0

Leitsätze:

1. Die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldfestsetzung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem das Vollstreckungsverfahren für das festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war, andernfalls nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts.

2. Die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldfestsetzungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG konnte nach § 58 Abs. 1 BGSG nur durch Rechtsverordnung auf die Grenzschutzdirektion übertragen werden.

Urteil

BVerwG 1 C 11.05

  • OVG Koblenz - 15.07.2005 - AZ: OVG 10 A 10524/05 -
  • OVG Rheinland-Pfalz - 15.07.2005 - AZ: OVG 10 A 10524/05.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, Hund, Richter und Prof. Dr. Dörig
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft britischen Rechts. Sie wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung des Verbots, Fluggäste ohne Pass oder Visum nach Deutschland zu befördern.

2 Die Beklagte erließ am 4. Dezember 2000 eine Verfügung gegenüber der Klägerin, in der sie ihr gemäß § 74 Abs. 2 Ausländergesetz (AuslG) aufgab, Ausländer nicht ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente auf dem Luftweg nach Deutschland zu befördern. Mit Bescheid vom 30. Januar 2001 drohte sie ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 2 000 DM (seit 1. Januar 2002: 1 000 €) an. Die hiergegen erhobene Klage wurde zurückgewiesen. Auf der Grundlage dieser Androhung setzte die Grenzschutzdirektion Koblenz mit Bescheid vom 24. April 2002 ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € gegen die Klägerin fest. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Klägerin im April 2002 einen Ausländer von London nach Düsseldorf befördert habe, dessen Schengen-Visum durch eine bereits erfolgte Einreise in die Niederlande verbraucht gewesen sei. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 22. Juli 2002 zurückgewiesen. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin im Mai 2002 das Zwangsgeld unter Vorbehalt gezahlt.

3 Das Verwaltungsgericht hat auf die Klage der Klägerin den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf den Antrag der Klägerin die Beklagte verurteilt, das Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz ab dem 4. Juli 2005 an die Klägerin zurückzuzahlen.

4 Zur Begründung stellte das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf ab, die Grenzschutzdirektion sei für die verfügte Festsetzung des Zwangsgeldes sachlich nicht zuständig gewesen. Die Zuständigkeit der Grenzschutzbehörden werde in § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG begründet. Daraus sowie aus dem Bundesgrenzschutzgesetz von 1994 - BGSG - (BGBl I S. 2978) ergebe sich aber keine Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion. Vielmehr folge aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 - ZustVO - (BGBl I S. 3133), dass die Bundesgrenzschutzämter zuständig gewesen seien. § 4 Abs. 4 ZustVO sei keine wirksame Ermächtigung zur Übertragung der Zuständigkeit auf die Grenzschutzdirektion. Eine solche Übertragung habe nämlich nicht durch Erlass erfolgen dürfen, wie dies der Bundesminister des Innern am 23. August 2001 verfügt habe. Im Übrigen habe es an der erforderlichen Veröffentlichung des Erlasses gefehlt. Der Klägerin stünden auch der im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des gezahlten Zwangsgeldes in Höhe von 1 000 € als Folgenbeseitigungsanspruch und Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB zu.

5 Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zu Unrecht verneint. § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG ermächtige das Bundesministerium des Innern, die Kompetenz zum Erlass von Untersagungsverfügungen, Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen auf eine von ihm bestimmte Stelle zu übertragen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit nicht abschließend in dieser Vorschrift festgelegt habe. Der Vorbehalt des Gesetzes sei nicht berührt, denn für die betroffenen Fluggesellschaften falle es nicht erheblich ins Gewicht, ob das Bundesministerium des Innern oder die ihm nachgeordnete Grenzschutzdirektion tätig werde. Im Übrigen habe der Gesetzgeber die Grenzschutzdirektion in § 57 Abs. 3 BGSG mit zentral wahrzunehmenden Aufgaben betraut. Hierzu zähle die Lenkung der anderen Grenzschutzbehörden, die in § 4 Abs. 1 ZustVO normiert sei. Die Zuständigkeit zur Zwangsgeldfestsetzung ergebe sich auch aus dieser Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion. Deren Zuständigkeit lasse sich auch aus dem in § 7 VwVG verankerten Grundsatz der Selbstvollstreckung ableiten. Dass das Bundesministerium des Innern durch § 4 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 - BPolZV - (BGBl I S. 1870) die Bundespolizeidirektion (zuvor: Grenzschutzdirektion) ausdrücklich für den Erlass von Zwangsgeldbescheiden für zuständig erklärt habe, diene nur der Klarstellung. Da kein Zuständigkeitsmangel vorgelegen habe, verletze die vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Aufhebung des Zwangsgeldbescheides Bundesrecht.

6 Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

II

7 Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet, das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion (heute: Bundespolizeidirektion) für den Erlass von Zwangsgeldbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG als begründet angesehen.

8 1. Die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage angegriffenen Zwangsgeldfestsetzung bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem das Vollstreckungsverfahren für das im Einzelfall festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war. Bei noch andauernden Vollstreckungsverfahren ist hingegen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts maßgeblich. Sofern die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen ist, sind spätere - auch während des Revisionsverfahrens erfolgende - Rechtsänderungen zu berücksichtigen.

9 Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Senat hat entschieden, dass das Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG) eine ausschließlich präventive Funktion als Beugemittel hat, das darauf abzielt, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003 - BVerwG 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <338 oben>; Urteil vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <297 f.>). Entfaltet das Zwangsmittel aber in die Zukunft gerichtete Rechtswirkungen, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen (so bereits für die Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG das Urteil vom 16. Dezember 2004, a.a.O., S. 301 und das gleichzeitig ergehende Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 3.05 ). Entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage sind beim Zwangsgeld nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG aber nur bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem dessen Vollstreckung abgeschlossen ist. Zwar ist das Vollstreckungsziel der Beugung des Willens des Beförderungsunternehmers erst verwirklicht, wenn dieser die Untersagungsverfügung befolgt (vgl. § 15 Abs. 3 VwVG). Dieses Ziel ist nicht schon mit Festsetzung und Beitreibung eines Zwangsgeldes erreicht, sondern erst dann, wenn sich der Beförderungsunternehmer pflichtgemäß verhält (vgl. auch App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 238 Rn. 26). Ungeachtet dessen bildet aber der Abschluss der Einzelvollstreckungsmaßnahme hier die für die Zeitpunktfrage maßgebliche Zäsur. Denn die Zwangsvollstreckung endet in Bezug auf die einzelne Vollstreckungsmaßnahme mit deren vollständigem Abschluss (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vorbemerkung vor § 704 ZPO, Rn. 33). Die hier angegriffene Vollstreckungsmaßnahme war mit der freiwilligen Zahlung des festgesetzten Zwangsgeldes abgeschlossen, auch wenn sie unter dem Vorbehalt der Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit erfolgte. Denn nach der Zahlung entfaltet der einzelne Zwangsgeldbescheid ebenso wie nach der Beitreibung keine Beugewirkung mehr (sog. faktische Vollziehung). Änderungen der Sach- und Rechtslage, die hier nach der Zahlung im Mai 2002 erfolgten, etwa durch die Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 - BPolZV - (BGBl I S. 1870), berühren deshalb die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung nicht mehr.

10 2. Der Grenzschutzdirektion fehlte zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung im Mai 2002 die sachliche Zuständigkeit für den Erlass von Zwangsgeldfestsetzungsbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG. Die Zuständigkeitsübertragung durch Erlass des Bundesministers des Innern vom 23. August 2001 war unwirksam, da sie gegen § 58 Abs. 1 BGSG verstieß.

11 Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 AufenthG) war das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig für die Untersagung der Beförderung von Ausländern, die nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder Visums waren, und für die Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Beförderungsverbot. § 74 Abs. 2 AuslG begründete jedoch keine Zuständigkeit für die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Diese ergab sich vielmehr aus § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 71 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG), der die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden mit der „Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2“ AuslG betraute. Unter „Durchführung“ war die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu verstehen (so auch Ott in: GK-AufenthG, Oktober 2005, § 63 Rn. 58; Wefelmeier in: GK-AuslR, Juni 1998, § 63 AuslG Rn. 109). Denn der Begriff der Durchführung umfasst alle Vollzugsakte im Anschluss an die Androhung des Zwangsgeldes, also insbesondere auch dessen Festsetzung nach § 14 VwVG.

12 Wer zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden im Sinne von § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG waren, ergab sich aus dem Bundesgrenzschutzgesetz vom 19. Oktober 1994 - BGSG - (BGBl I S. 2978). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG hatte der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe wahrzunehmen. Die Aufgabe, Zwangsgelder nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG festzusetzen, durfte dem Bundesgrenzschutz zwar der Sache nach übertragen werden. Insbesondere stand § 1 Abs. 2 BGSG nicht entgegen, da das Ausländergesetz 1990 diese Aufgabenübertragung bereits vor dem im BGSG genannten Stichtag vom 1. November 1994 vorsah. Die erforderliche konkrete Festlegung, welche der in § 57 Abs. 1 BGSG genannten Bundesgrenzschutzbehörden (Grenzschutzämter, Grenzschutzpräsidien, Grenzschutzdirektion, Grenzschutzschule sowie Bahnpolizeiämter) diese Aufgabe wahrnehmen sollte, durfte aber nicht - wie hier - durch Erlass erfolgen, sondern hätte einer Regelung durch Rechtsverordnung bedurft. Dies ergab sich aus § 58 Abs. 1 BGSG (jetzt: § 58 Abs. 1 BPolG). Eine solche Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung ist aber erst durch § 4 Abs. 4 BPolZV, mithin nach dem für die Beurteilung des angefochtenen Zwangsgeldes maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt, so dass auch eine „Heilung“ der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten ausscheidet.

13 Die Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG gehörte nicht schon zum gesetzlich bestimmten Aufgabenkatalog der Grenzschutzdirektion gemäß § 57 Abs. 3 BGSG. Nach dieser Vorschrift erfüllte die Grenzschutzdirektion „zentral wahrzunehmende Aufgaben des Bundesgrenzschutzes“ und unterstützte die anderen Grenzschutzbehörden in überregionalen Angelegenheiten. Die in der Vorschrift nicht abschließend aufgeführten Aufgaben umfassten nicht die Zwangsgeldfestsetzung. Diese Aufgabe wurde der Grenzschutzdirektion auch nicht durch eine Rechtsverordnung zugewiesen, wie dies nach § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift regelte das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung die sachliche und örtliche Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden. Die in Ausfüllung dieser - den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden - gesetzlichen Ermächtigung erlassene Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3133) - ZustVO - übertrug der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit zur Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Sie bestimmte in § 3 Abs. 1 Satz 1, dass die Bundesgrenzschutzämter auf örtlicher Ebene die Aufgaben nach § 2 BGSG (Grenzschutz), § 3 BGSG (Bahnpolizei) und § 4 BGSG (Luftsicherheit) wahrnehmen. § 3 Abs. 2 ZustVO regelte hierzu die örtliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzämter, § 2 ZustVO die der Grenzschutzpräsidien. § 4 legte die Aufgaben der Grenzschutzdirektion fest, die im Wesentlichen für die Koordination und Lenkung bei Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung zuständig war. Entgegen der - erstmals im Revisionsverfahren geäußerten - Rechtsauffassung der Beklagten begründete die Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit für die Festsetzung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Lenkung im Sinne des § 4 Abs. 1 ZustVO bezog sich auf verwaltungsinterne Direktiven gegenüber den regional zuständigen Ämtern und Präsidien, umfasste aber keine Aufgabenzuweisung gegenüber außen stehenden Dritten (hier: zur Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG). Diesem Verständnis der Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion entsprach im Übrigen die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch gültige Regelung in Nr. 7 des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992. Danach sollte die Grenzschutzdirektion „Vorgaben an die zuständigen Grenzschutzämter und die mit der grenzpolizeilichen Kontrolle beauftragten Behörden zum Erlass und zur Begründung von Zwangsgeldbescheiden gemäß § 74 des Ausländergesetzes bzw. Widerspruchsbescheiden im Falle von Widersprüchen gegen Zwangsgeldbescheide“ machen, sie aber nicht selbst erlassen.

14 Auch auf § 4 Abs. 4 der hier maßgeblichen ZustVO konnte die Zuständigkeitsübertragung nicht gestützt werden. Danach war zwar vorgesehen, dass das Bundesministerium des Innern „der Grenzschutzdirektion weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertragen“ konnte. Diese Ermächtigung verstieß aber - soweit sie sich auf eine Aufgabenübertragung durch Verwaltungsvorschriften bezog - ihrerseits gegen § 58 Abs. 1 BGSG und verletzte damit den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1958 - 2 BvL 37/56 - BVerfGE 8, 155 <169 ff.>; Beschluss vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80 - BVerfGE 56, 216 <241 f.>). Denn § 58 Abs. 1 BGSG ermächtigte nur zu einer Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden „durch Rechtsverordnung“. Das Bundesministerium des Innern verstieß mit der erfolgten Aufgabenübertragung durch (nicht veröffentlichten) Erlass gegen diese gesetzliche Vorgabe.

15 Die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zum Erlass des streitgegenständlichen Zwangsgeldbescheides gegen die Klägerin lässt sich schließlich auch nicht aus dem in § 7 VwVG verankerten Grundsatz der Selbstvollstreckung ableiten, auf den die Beklagte sich in der Revisionsbegründung berufen hat. Das ergibt sich daraus, dass § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG eine gesetzliche Sonderregelung getroffen hat, die zugleich eine Ausnahme von dem Grundsatz der Selbstvollstreckung enthielt. Durch diese Vorschrift wurde die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern den mit der Überwachung des grenzpolizeilichen Verkehrs betrauten Behörden übertragen, während für die Androhung der Zwangsgelder nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig war.

16 Ist der angefochtene Bescheid mithin wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 1 BGSG aufzuheben, bedarf es keiner vertiefenden Prüfung und Entscheidung, ob hier auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine Übertragung der sachlichen Zuständigkeit durch eine rechtssatzmäßige Regelung erfordert hätte (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1958 a.a.O. S. 165 ff.; Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 981/00 - BVerfGE 111, 366 <373>; BVerwG, Beschluss vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - DVBl 1987, 1267). Ebenso kann die vom Berufungsgericht erörterte Frage dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls welche Pflichten zur Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften gelten, die Behördenzuständigkeiten begründen oder ändern, falls eine rechtssatzmäßige Regelung nicht erforderlich sein sollte.

17 3. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auch mit Recht einen Anspruch auf Rückerstattung des unter Vorbehalt gezahlten Zwangsgeldes im Wege der Folgenbeseitigung zuerkannt (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nebst Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB (vgl. Urteil vom 24. März 1999 - BVerwG 8 C 27.97 - BVerwGE 108, 364 <368 f.>).

18 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 14.03.2006 -
BVerwG 1 C 3.05ECLI:DE:BVerwG:2006:140306U1C3.05.0

Leitsätze:

1. Die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, es sei denn, das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsgeld war zuvor abgeschlossen oder die Zwangsgeldandrohung ist zuvor durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt worden. Dann ist dieser frühere Zeitpunkt maßgeblich.

2. Die Androhung eines Zwangsgelds nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG gehörte zu den dem Bundesgrenzschutz obliegenden Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 2 BGSG.

3. Die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG konnte nach § 58 Abs. 1 BGSG nur durch Rechtsverordnung auf die Grenzschutzdirektion übertragen werden.

  • Rechtsquellen
    AufenthG § 63 Abs. 2, 3, § 71 Abs. 3 Nr. 2
    AuslG § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
    BGSG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, §§ 57, 58 Abs. 1
    BPolG § 58 Abs. 1
    Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden §§ 2, 3, 4
    Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden § 4 Abs. 4

  • OVG Koblenz - 14.01.2005 - AZ: OVG 10 A 11817/04 -
    OVG Rheinland-Pfalz - 14.01.2005 - AZ: OVG 10 A 11817/04

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.03.2006 - 1 C 3.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:140306U1C3.05.0]

Urteil

BVerwG 1 C 3.05

  • OVG Koblenz - 14.01.2005 - AZ: OVG 10 A 11817/04 -
  • OVG Rheinland-Pfalz - 14.01.2005 - AZ: OVG 10 A 11817/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, Hund und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft britischen Rechts. Sie wendet sich gegen die Androhung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung des Verbots, Fluggäste ohne Pass und Visum nach Deutschland zu befördern.

2 Die Beklagte erließ am 4. Dezember 2000 eine Verfügung gegenüber der Klägerin, in der sie ihr gemäß § 74 Abs. 1 und 2 Ausländergesetz (AuslG) aufgab, Ausländer nicht ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente auf dem Luftweg nach Deutschland zu befördern; außerdem wurde ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2 000 DM angedroht. Grundlage für dieses Vorgehen waren 27 unerlaubte Beförderungsfälle aus dem 3. Quartal 2000. Ein gegen die Verfügung angestrengtes gerichtliches Verfahren blieb erfolglos.

3 Mit Schreiben vom 12. März 2002 mahnte die Grenzschutzdirektion Koblenz die Klägerin wegen weiterer 36 unerlaubter Beförderungen im 4. Quartal 2001 ab und kündigte an, das angedrohte Zwangsgeld auf 3 000 DM zu erhöhen, wenn die Verstöße nicht um mindestens 30 % reduziert würden. Mit Verfügung vom 29. Juli 2002 drohte die Grenzschutzdirektion entsprechend dieser Ankündigung der Klägerin nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein erhöhtes Zwangsgeld von 1 500 € an. Zur Begründung verwies sie darauf, dass es trotz der Abmahnung zu keinem Rückgang der Anzahl unerlaubter Beförderungen gekommen sei; im Gegenteil sei die Zahl mit 28 bzw. 40 derartigen Beförderungen im 1. und 2. Quartal 2002 in etwa gleich geblieben. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Grenzschutzdirektion mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 zurück.

4 Auf der Grundlage der angegriffenen Zwangsgeldandrohung erließ die Grenzschutzdirektion mehr als 40 Leistungsbescheide, mit denen jeweils ein Zwangsgeld gegen die Klägerin festgesetzt wurde. Gegen die meisten dieser Leistungsbescheide legte die Klägerin Widerspruch ein und bezahlte den geforderten Betrag - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - jeweils zeitnah. Die Widerspruchsverfahren wurden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die angegriffene Zwangsgeldandrohung ausgesetzt. In den übrigen Fällen bezahlte die Klägerin, ohne Widerspruch einzulegen. Unter dem 19. März 2003 drohte die Beklagte der Klägerin ein auf 1 000 € reduziertes Zwangsgeld an und erließ weitere Leistungsbescheide.

5 Zur Begründung ihrer gegen die Zwangsgeldandrohung vom 29. Juli 2002 gerichteten Klage hat die Klägerin ausgeführt, diese Androhung sei bereits in formeller Hinsicht fehlerhaft, da die Grenzschutzdirektion Koblenz für den Erlass nicht zuständig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Grenzschutzdirektion die sachliche Zuständigkeit gefehlt habe. Dies gelte auch in Ansehung der beiden Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992 und 23. August 2001, da die darin vorgenommene Bestimmung der Grenzschutzdirektion als für Zwangsgeldandrohungen zuständige Stelle zumindest mangels Veröffentlichung rechtsunwirksam sei. Grundsätzlich könnten behördliche Zuständigkeitsregelungen sowohl mittels einer Rechtsverordnung als auch durch Verwaltungsvorschriften vorgenommen werden. Das Ausländergesetz enthalte diesbezüglich weder in § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG noch an anderer Stelle entsprechende Vorgaben. Auch in den ergänzend heranzuziehenden Vorschriften des Bundesgrenzschutzgesetzes fänden sich keine verlässlichen Anhaltspunkte zur Form der Zuständigkeitsbestimmung. Zwar dürfe das Bundesministerium des Innern die sachliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzbehörden nach § 58 Abs. 1 BGSG grundsätzlich nur durch eine Rechtsverordnung regeln. Spätestens § 4 Abs. 4 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 - ZustVO - (BGBl I S. 3133) lasse jedoch seinerseits offen, ob dieses Erfordernis auch dann noch gelte, wenn das Ministerium der Grenzschutzdirektion - wie hier der Sache nach geschehen - weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertrage. Dem Ministerium stehe es dennoch nicht frei, ob es die in Rede stehende Zuständigkeitsbestimmung mittels einer Rechtsverordnung oder aber einer Verwaltungsvorschrift treffe. Die generelle Übertragung von einer bestimmten Behörde gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten dürfe jedenfalls grundsätzlich nur mittels einer Rechtsverordnung erfolgen. Indessen bedürfe diese Frage keiner abschließenden Entscheidung. Die Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 27. März 1992 und 23. August 2001 seien nämlich bereits deshalb nicht wirksam, weil sie nicht allgemein veröffentlicht worden seien.

6 Mit der Revision macht die Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion zum Erlass von Zwangsgeldandrohungen zu Unrecht verneint. § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG enthalte insoweit eine hinreichende Normierung. Der Gesetzgeber habe in dieser Vorschrift eine rechtssatzmäßige Regelung getroffen, die dem Bundesministerium des Innern oder der von ihm bestimmten Stelle „Sanktionsmaßnahmen“ gegen Beförderungsunternehmen erlaube. Dabei sei die Zuständigkeit in dieser Vorschrift nicht abschließend festgelegt worden. Mit dem Erlass vom 23. August 2001 habe das Bundesministerium des Innern der Grenzschutzdirektion die generelle Zuständigkeit für Zwangsgeldbescheide mit Wirkung vom 1. Januar 2002 übertragen. Wie das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt habe, könne es keinem Zweifel unterliegen, dass die Grenzschutzdirektion somit auch zum Erlass von Zwangsgeldandrohungen befugt sei. Das Bundesministerium des Innern habe insoweit durch bloßes Mandat für den Erlass von Verwaltungsakten im Bereich der repressiven Maßnahmen die eigene Kompetenz der Grenzschutzdirektion übertragen. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gebiete nicht die öffentliche Bekanntmachung dieser Verwaltungsvorschrift.

7 Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

II

8 Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet, das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion (heute: Bundespolizeidirektion) für den Erlass von Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 AufenthG) als begründet angesehen.

9 1. Die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage angegriffenen Zwangsgeldandrohung vom 29. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2003 bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Frühjahr 2003. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich. Ist allerdings - wie hier - das Vollstreckungsverfahren für das angedrohte Zwangsgeld zuvor abgeschlossen oder ist die Zwangsgeldandrohung zuvor durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt worden, so sind nur die bis zu diesem (früheren) Zeitpunkt eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Diese Grundsätze ergeben sich aus folgenden Erwägungen: Der Senat hat entschieden, dass das Zwangsgeld zur Durchsetzung von Beförderungsverboten nach § 74 Abs. 2 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG) eine ausschließlich präventive Funktion als Beugemittel hat, das darauf abzielt, künftige objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden (vgl. Urteile vom 21. Januar 2003 - BVerwG 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <338 oben> und vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <297 f.>). Entfaltet das Zwangsmittel aber in die Zukunft gerichtete Rechtswirkungen, sind auch entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seinem Erlass eintreten, der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit zugrunde zu legen (so bereits für die Zwangsgeldandrohung das Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. S. 301; vgl. zur Zwangsgeldfestsetzung nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG das gleichzeitig ergehende Urteil des Senats vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>). Entscheidungserhebliche Veränderungen der Sach- und Rechtslage sind bei der Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG aber nur bis zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem die Vollstreckung abgeschlossen ist (vgl. nochmals Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. S. 301). Zwar ist das Vollstreckungsziel der Beugung des Willens des Beförderungsunternehmers erst verwirklicht, wenn dieser die Untersagungsverfügung befolgt (vgl. § 15 Abs. 3 VwVG). Dieses Ziel ist nicht schon mit Festsetzung und Beitreibung eines Zwangsgelds erreicht, sondern erst dann, wenn sich der Beförderungsunternehmer pflichtgemäß verhält (vgl. auch App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 238 Rn. 26). Ungeachtet dessen bildet aber der Abschluss der Einzelvollstreckungsmaßnahme hier die für die Zeitpunktfrage maßgebliche Zäsur. Denn die Zwangsvollstreckung endet in Bezug auf die einzelne Vollstreckungsmaßnahme mit deren vollständigem Abschluss (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vorbemerkung vor § 704 ZPO, Rn. 33). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Zwangsgeldandrohung durch eine neue, niedrigere Zwangsgeldandrohung ersetzt wird. Auch in diesem Fall sind danach eintretende Änderungen der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der früheren Zwangsgeldandrohung unerheblich, da ihr eine Beugewirkung für die Zukunft nicht mehr zukommt.

10 Die Vollstreckung war hier dadurch abgeschlossen, dass die Klägerin - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die aufgrund der angefochtenen Zwangsgeldandrohung durch mehr als 40 Leistungsbescheide (zuletzt im Frühjahr 2003) festgesetzten Zwangsgelder freiwillig zeitnah bezahlt hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Zahlung hinsichtlich der meisten Bescheide unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt ist. Denn nach der Zahlung entfaltete die Zwangsgeldandrohung ebenso wie nach der Beitreibung keine Beugewirkung mehr (sog. faktische Vollziehung). Außerdem ist die angegriffene Zwangsgeldandrohung durch die neue - auf einen Betrag von 1 000 € - reduzierte Zwangsgeldandrohung vom 19. März 2003 ersetzt worden. Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage, etwa durch die Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden vom 28. Juni 2005 - BPolZV - (BGBl I S. 1870), berühren deshalb die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung nicht mehr.

11 2. Der Grenzschutzdirektion fehlte zum danach maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2003 die sachliche Zuständigkeit für Zwangsgeldandrohungen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Die Zuständigkeitsübertragung durch Erlass des Bundesministers des Innern vom 23. August 2001 war unwirksam, da sie gegen § 58 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes vom 19. Oktober 1994 - BGSG - (BGBl I S. 2978; jetzt: BPolG) verstieß.

12 Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG konnte das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle dem Beförderungsunternehmer für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Untersagungsverfügung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder ein Beförderungsverbot nach Abs. 1 Satz 2 das Zwangsgeld nach Abs. 2 Satz 2 androhen. Darin lag keine abschließende Regelung in dem Sinne, dass es dem Bundesministerium des Innern entgegen § 58 Abs. 1 BGSG überlassen geblieben wäre, in welcher Weise es die Grenzschutzdirektion als die für Zwangsgeldandrohungen sachlich zuständige Stelle bestimmte. Vielmehr durfte die Bestimmung der Grenzschutzdirektion als insoweit zuständige Behörde nicht - wie hier - durch Erlass erfolgen, sondern hätte einer Regelung durch Rechtsverordnung bedurft. Dies ergab sich aus § 58 Abs. 1 BGSG (jetzt: § 58 Abs. 1 BPolG). Eine solche Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung ist aber erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt durch § 4 Abs. 4 BPolZV erfolgt, so dass eine „Heilung“ der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten ausscheidet.

13 Die Androhung eines Zwangsgelds nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG gehörte auch - wie für die Anwendung des § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich - zu den dem Bundesgrenzschutz obliegenden Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 2 BGSG. Danach oblagen dem Bundesgrenzschutz „die Aufgaben, die ihm entweder durch dieses Gesetz (d.h. das BGSG) übertragen werden oder ihm bis 1. November 1994 durch ein anderes Bundesgesetz oder aufgrund eines Bundesgesetzes zugewiesen worden sind“. Ausdrücklich zugewiesen war den mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden zu dem genannten Stichtag (vgl. zur Bedeutung der Stichtagsregelung Heesen/Hönle/Peilert, Bundesgrenzschutzgesetz, 4. Aufl. 2002, § 1 BGSG Rn. 9 ff. m.w.N.) nach § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG die „Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2“ AuslG, mithin die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG hatte der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe wahrzunehmen (vgl. das gleichzeitig ergehende Urteil des Senats vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 -). Der Gesetzgeber hat den Grenzschutzbehörden die genannte Aufgabe ersichtlich im Hinblick auf die Sachnähe zu anderen von ihnen wahrgenommenen Aufgaben insbesondere im Zusammenhang mit der Einreise von Ausländern übertragen (vgl. die weiteren Zuständigkeiten nach § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG; vgl. ferner Wefelmeier, GK-AuslR § 63 AuslG Rn. 109). Diese gesetzgeberische Intention schließt auch die Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Zwangsgeldfestsetzung und -beitreibung gegen Beförderungsunternehmer den Grenzschutzbehörden übertragen, die ihr im Vollstreckungsverfahren vorausgehende Zwangsgeldandrohung aber anderen Behörden überlassen wollte.

14 Die erforderliche konkrete Festlegung, welche der in § 57 Abs. 1 BGSG genannten Bundesgrenzschutzbehörden (Grenzschutzämter, Grenzschutzpräsidien, Grenzschutzdirektion, Grenzschutzschule sowie Bahnpolizeiämter) mit der Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG betraut wurden, war nicht durch Gesetz erfolgt. Namentlich gehörte die Zwangsgeldandrohung nicht schon zum gesetzlich bestimmten Aufgabenkatalog der Grenzschutzdirektion gemäß § 57 Abs. 3 BGSG. Nach dieser Vorschrift erfüllte die Grenzschutzdirektion „zentral wahrzunehmende Aufgaben des Bundesgrenzschutzes“ und unterstützte die anderen Grenzschutzbehörden in überregionalen Angelegenheiten. Die in der Vorschrift nicht abschließend aufgeführten Aufgaben umfassten nicht die Zwangsgeldandrohung.

15 Diese Aufgabe wurde der Grenzschutzdirektion auch nicht durch eine Rechtsverordnung zugewiesen, wie dies nach § 58 Abs. 1 BGSG erforderlich gewesen wäre. Nach dieser - den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden - Vorschrift regelte das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung die sachliche und örtliche Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden. Das Erfordernis der Regelung nicht nur der örtlichen, sondern auch der sachlichen Zuständigkeit war aufgrund der Erweiterung der Aufgabenstellung des Bundesgrenzschutzes (Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und Luftsicherheit) durch Gesetz vom 23. Januar 1992 (BGBl I S. 178) mit Wirkung zum 1. April 1992 in die Vorgängervorschrift (§ 44 BGSG a.F.) aufgenommen worden (vgl. auch BTDrucks 12/1537 S. 12). Die in Ausfüllung der gesetzlichen Ermächtigung des § 58 Abs. 1 BGSG erlassene Verordnung über die Zuständigkeit der Bundesgrenzschutzbehörden vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3133) - ZustVO - übertrug der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit zur Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Sie bestimmte in § 3 Abs. 1 Satz 1, dass die Bundesgrenzschutzämter auf örtlicher Ebene die Aufgaben nach § 2 BGSG (Grenzschutz), § 3 BGSG (Bahnpolizei) und § 4 BGSG (Luftsicherheit) wahrnehmen. § 3 Abs. 2 ZustVO regelte hierzu die örtliche Zuständigkeit der einzelnen Grenzschutzämter, § 2 ZustVO die der Grenzschutzpräsidien. § 4 dieser Verordnung legte die Aufgaben der Grenzschutzdirektion fest, die im Wesentlichen für die Koordination und Lenkung bei Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung zuständig war. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründete die Lenkungsaufgabe der Grenzschutzdirektion keine Zuständigkeit für die Androhung von Zwangsgeldern nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Lenkung im Sinne des § 4 Abs. 1 ZustVO bezog sich auf verwaltungsinterne Direktiven gegenüber den regional zuständigen Ämtern und Präsidien, umfasste aber keine eigene Aufgabenzuweisung gegenüber außen stehenden Dritten (hier: zur Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

16 Auch auf § 4 Abs. 4 ZustVO konnte die Zuständigkeitsübertragung nicht gestützt werden. Danach war zwar vorgesehen, dass das Bundesministerium des Innern „der Grenzschutzdirektion weitere zentral wahrzunehmende Aufgaben übertragen“ konnte. Diese Ermächtigung verstieß aber - soweit sie sich auf eine Aufgabenübertragung durch Verwaltungsvorschriften bezog - ihrerseits gegen § 58 Abs. 1 BGSG und verletzte damit den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1958 - 2 BvL 37/56 - BVerfGE 8, 155 <169 ff.> und vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80 - BVerfGE 56, 216 <241 f.>). Denn § 58 Abs. 1 BGSG ermächtigte nur zu einer Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der einzelnen Bundesgrenzschutzbehörden „durch Rechtsverordnung“. Das Bundesministerium des Innern verstieß mit der erfolgten Aufgabenübertragung durch (nicht veröffentlichten) Erlass gegen diese gesetzliche Vorgabe. Die Urteile des Senats vom 21. Januar 2003 und vom 16. Dezember 2004 (a.a.O.) erfordern keine abweichende Betrachtung. Sie ergingen, ohne dass die sachliche Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion von den Beteiligten im vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren problematisiert worden wäre; der erkennende Senat hatte daher keinen Anlass, in der Revisionsinstanz hierauf einzugehen.

17 Ist der angefochtene Bescheid mithin wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 1 BGSG aufzuheben, bedarf es keiner vertiefenden Prüfung und Entscheidung, ob hier auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine Übertragung der sachlichen Zuständigkeit durch eine rechtssatzmäßige Regelung erfordert hätte (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1958 a.a.O. <165 ff.> und vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 981/00 - BVerfGE 111, 366 <373>; BVerwG, Beschluss vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - DVBl 1987, 1267). Ebenso kann die vom Berufungsgericht erörterte Frage dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls welche Pflichten zur Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften gelten, die Behördenzuständigkeiten begründen oder ändern, falls eine rechtssatzmäßige Regelung nicht erforderlich sein sollte.

18 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.