Pressemitteilung Nr. 21/2004 vom 15.04.2004

Vorläufig grünes Licht für die geplante Anschlussstelle der A 38 bei Großpösna

In einem Eilverfahren ist der Betreiber des Einkaufszentrums "Pösna-Park" mit seiner Forderung nach einer Verschiebung der Anschlussstelle der A 38 bei Großpösna gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass nach vorläufiger Prüfung der vom Regierungspräsidium Leipzig genehmigte Standort der Anschlussstelle nicht zu beanstanden ist.


Der Pösna-Park liegt an der Ortsdurchfahrt Großpösna der Staatsstraße 38. Diese Straße wird zwischen Leipzig-Liebertwolkwitz und Großpösna von der künftigen A 38 gekreuzt werden. Eine Anschlussstelle ist dort nicht vorgesehen. Diese soll etwa 1,8 km weiter westlich an der Stelle gebaut werden, an der die künftige Ortsumgehung Liebertwolkwitz, die S 38a, die A 38 quert. Dagegen hat sich der Betreiber des Pösna-Parks mit der Begründung zur Wehr gesetzt, die Planung führe zu einer Existenz vernichtenden Umlenkung der Verkehrsströme, die geschaffenen 600 Arbeitsplätze gingen verloren. Verhindert werden könne dies nur, wenn die S 38a weiter als bisher geplant um Liebertwolkwitz herumgeführt würde und die Anschlussstelle näher an den Pösna-Park heranrücke.


Das Bundesverwaltungsgericht teilt den Standpunkt des Betroffenen nicht. Falls im Hauptsacheverfahren nicht noch anderweitige Erkenntnisse gewonnen werden, ist davon auszugehen, dass die Umsatzeinbußen nach der Änderung des Straßennetzes nicht die befürchteten Ausmaße annehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat anhand des ihm zugänglichen Kartenmaterials abgeschätzt, wie sich der Kundenverkehr auf das künftige Verkehrsnetz verteilen wird, und ist zu der Auffassung gelangt, dass die neuen Verbindungen für die Stammkunden, die 97 % der Kundschaft ausmachen und von denen der Pösna-Park lebt, nicht so attraktiv sind, dass sie diesem in nennenswerter Anzahl den Rücken kehren.


BVerwG 4 VR 1.04 - Beschluss vom 06.04.2004


Beschluss vom 06.04.2004 -
BVerwG 4 VR 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:060404B4VR1.04.0

Beschluss

BVerwG 4 VR 1.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und G a t z
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Anordnungsverfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Anordnungsverfahren auf 25 000 € festgesetzt.

I


Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Leipzig vom 19. Dezember 2003 für den Bau der Bundesautobahn A 38 - Südumgehung Leipzig - 3. Bauabschnitt zwischen der Bundesstraße 2 und der Staatsstraße 38.
Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin der Grundstücke ..., ... und ... in der Gemarkung ... Die Antragstellerin zu 2. betreibt auf den Grundstücken seit dem Jahr 1993 das Einkaufszentrum "Pösna-Park", in dem über 60 Einzelhandelsgeschäfte untergebracht sind. Es befindet sich an der S 38 (Leipzig-Grimma), die durch die Ortschaft Großpösna hindurchführt und zusammen mit der von ihr abzweigenden S 43 auch als Autobahnzubringer zur Anschlussstelle Naunhof der BAB A 14 dient.
Die BAB A 38 verbindet u.a. die BAB A 9 (Berlin-Nürnberg) mit der BAB A 14 (Magdeburg-Dresden). Sie wird südlich von Leipzig um das Stadtgebiet herumgeführt. Der Abschnitt zwischen der BAB A 9 und der BAB A 14 ist in vier Planungsabschnitte unterteilt. Der dritte Planungsabschnitt beginnt an der B 2 bei Gaschwitz und endet an der künftigen S 38a bei Leipzig-Liebertwolkwitz. Die S 38a soll im Ortsteil Meusdorf der Stadt Leipzig von der S 38 in Richtung Süden abzweigen, südlich der Wiesengrundsiedlung einen Anschluss an die querende BAB A 38 erhalten und zwischen Güldengossa und Großpösna auf die künftige S 43n stoßen, die, in West- Ost-Richtung verlaufend, als Ersatz für die Kreisstraße 7923 die S 38a mit der 1,8 km entfernten S 38 verbinden soll. In Richtung Süden findet die S 38a ihre Fortsetzung in der vorhandenen Kreisstraße 7925, die bei Espenhain auf die B 95 (Leipzig-Borna) trifft.
Die Antragstellerinnen haben am 12. Februar 2004 Klage erhoben und den vorliegenden Eilantrag gestellt. Sie sind mit dem Standort der Anschlussstelle A 38/S 38a nicht einverstanden: Er führe zu einer Umlenkung der Verkehrsströme mit der Folge eines Kunden- und Umsatzrückgangs zwischen 20 und 23 v.H. Diese Einbuße werde kurz- bis mittelfristig zum Ruin des Pösna-Parks führen. Sie, die Antragstellerinnen, hätten im Rahmen der Anhörung einen Alternativvorschlag des Stadtplaners und Architekten T. vorgestellt, der eine Verschiebung der Anschlussstelle um ca. 1,3 km in östliche Richtung vorsehe, die wirtschaftlichen Risiken für den Fortbestand des Einkaufszentrums mindestens reduziere und gleichzeitig die Vorteile der geplanten Variante sichere. Die Alternative habe sich der Planfeststellungsbehörde als vorzugswürdig aufdrängen müssen.

II


Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das private Interesse der Antragstellerinnen, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bietet die erhobene Anfechtungsklage keine begründete Aussicht auf Erfolg. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand des Gerichts verletzt der Planfeststellungsbeschluss die Antragstellerinnen nicht in ihren Rechten. Insbesondere leidet er nicht zu ihren Lasten an einem erheblichen (vgl. § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG) Abwägungsfehler. In dieser Situation würde es dem mit § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG verfolgten Beschleunigungszweck zuwiderlaufen, der Planfeststellungsbehörde die ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit der sofortigen Vollziehung allein mit Rücksicht darauf zu entziehen, dass sich die Antragstellerinnen im Klagewege gegen das Vorhaben zur Wehr setzen.
Den Antragstellerinnen steht keine gefestigte Rechtsposition auf eine ihren Vorstellungen entsprechende Anordnung der Anschlussstelle A 38/S 38a zu. Sie müssen es im Grundsatz hinnehmen, wenn die umstrittene Planung eine Verschlechterung der für den Pösna-Park bestehenden Verkehrslage herbeiführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein etwaiges Vertrauen in den Bestand oder Fortbestand einer bestimmten Markt- oder Verkehrslage regelmäßig kein für die Fachplanung unüberwindlicher Belang (vgl. Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 , 4 N 2-4.79 - BVerwGE 59, 87 <102 f.>; Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 VR 7.99 - Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11; Urteil vom 28. Januar 2004 - BVerwG 9 A 27.03 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Dies bedeutet nicht, dass die Anliegerinteressen der Antragstellerinnen rechtlich nicht zu Buche schlagen. Sie sind, sofern sie nicht als geringfügig ausnahmsweise außer Betracht zu bleiben haben, in die Abwägung einzustellen. Die Planfeststellungsbehörde hat dies in einer Weise getan, die jedenfalls im Eilverfahren zu Beanstandungen keinen Anlass gibt.
Die Antragstellerinnen machen als Abwägungsfehler geltend, dass die Planfeststellungsbehörde die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Betrieb des Einkaufszentrums "Pösna-Park" unterschätzt habe. Die Behörde habe verkannt, dass der geplante Standort der Anschlussstelle A 38/S 38a eine Existenz vernichtende Umlenkung der Verkehrsströme zur Folge haben werde. Die Annahme im Planfeststellungsbeschluss, die Verminderung des Verkehrsaufkommens auf der S 38 führe nur zu einem Rückgang in der Kundenzahl, der keine Existenz gefährdenden Ausmaße annehme, sei unzutreffend. Nach der von ihnen bei Prof. M. in Auftrag gegebenen Verkehrsuntersuchung vom 30. Mai 2003 sei mit einer Reduzierung des Kundenstroms und einem entsprechenden Umsatzrückgang von mindestens 23 v.H. an Wochentagen und 21 v.H. an Sonnabenden zu rechnen. Existenz gefährdend seien bereits Umsatzverluste von 10 bis 20 v.H.
Die von den Antragstellerinnen befürchteten Einbußen an Kundschaft und Einnahmen erscheinen in der behaupteten Dimension nicht plausibel. Für eine Abnahme des Zielverkehrs sieht der Senat keinen greifbaren Anhalt. Der Begriff des Zielverkehrs erfasst die Gruppe derjenigen Kunden, die den Pösna-Park ansteuern und nach einer mehr oder minder langen Verweildauer wieder in die Ausgangsrichtung zurückfahren. Für den Zielverkehr ändert sich durch den Bau der geplanten Anschlussstelle nichts. Das sieht Prof. M. für den Verkehr aus Richtung Grimma genauso, gilt entgegen seiner Einschätzung aber auch für den Verkehr aus Richtung Leipzig. Die Teilnehmer an diesem Verkehr können nach wie vor die S 38 benutzen und sind nicht auf den längeren und angeblich etwas zeitraubenderen Umweg über die S 38a/43n angewiesen. Die Erwartung, für sie werde sich auch die Fahrzeit auf der S 38 mit der Folge verlängern, dass andere Einkaufsmöglichkeiten bevorzugt würden, beruht auf der Prämisse von Prof. M., nach Inbetriebnahme der S 38a werde der Abschnitt der S 38 in der Ortslage Liebertwolkwitz verkehrsberuhigenden Maßnahmen zugeführt. Im Planfeststellungsbeschluss heißt es dazu, es gebe für solche Maßnahmen keine Anhaltspunkte. Dem treten die Antragstellerinnen nicht entgegen.
Ein nennenswerter Rückgang des Kundenaufkommens ist nach derzeitiger Einschätzung auch nicht im Bereich des gebrochenen Durchgangsverkehrs zu erwarten. Mit dem Begriff des gebrochenen Durchgangsverkehrs wird die Gruppe derjenigen Kunden (namentlich Pendler) beschrieben, die ihre Fahrt für einen Besuch des Pösna-Parks unterbrechen und anschließend ihre Fahrt zu ihrem Ziel fortsetzen. Der Kundenstrom auf der S 38 aus dem Raum Grimma wird durch die vorgesehene Anschlussstelle nicht beeinflusst. Gleiches gilt für Kunden aus Richtung Leipzig, die hinter Großpösna weiterhin die S 38 befahren und nicht in die S 43 einbiegen, um zur Anschlussstelle Naunhof der A 14 zu gelangen. Dass Kunden verloren gehen können, die, aus Leipzig kommend, bislang die S 38 und S 43 als Zubringer zur A 14 nutzen, ist vom Antragsgegner in Rechnung gestellt worden. Für sie ist die neue Verbindung in der Tat eine Alternative. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass sich bisherige Kunden in einer signifikanten Anzahl davon abhalten lassen, an Tagen, an denen Einkäufe anstehen, ihre alte Route zur A 14 zu nehmen und auf ihrer Fahrt einen Abstecher in den Pösna-Park zu machen; denn da die Verbindungen zur A 14 über die S 38a/A 38 einerseits und die S 38/S 43 andererseits in etwa die gleiche Streckenlänge aufweisen, kann die Wahl des neuen Zubringers nur einen Zeitgewinn mit sich bringen. Dass dieser nicht zu einer nachhaltigen Verlagerung der Verkehrsströme führt, leitet der Senat aus der Äußerung in der Verkehrsuntersuchung von Prof. M. ab, "die Probleme (lägen) nicht bei der A 38". Prof. M. sieht die wirtschaftlichen Nachteile für den Pösna-Park primär in der Verlagerung des Nord-Süd-Verkehrs auf die S 38a/K 7925. Seine Befürchtung, die bisherige Laufkundschaft werde "weiträumig" am Pösna-Park vorbeigeleitet, liegt freilich eher fern. Die S 38a stellt zusammen mit der K 7925 eine relativ gradlinige Verbindung zwischen Leipzig und der B 95 bei Espenhain her. Sie dürfte keinen Kraftfahrzeugverkehr binden, der bislang auf der S 38 am Pösna-Park vorbeiführt. Kraftfahrer aus Leipzig, die den Raum Grimma ansteuern wollen, werden weiterhin den direkten Weg über die S 38 und nicht den Umweg über die S 38a und diverse Kreisstraßen wählen; Kraftfahrer aus Leipzig mit dem Fahrziel Espenhain/B 95 (und umgekehrt) werden, wenn sie nicht ohnehin die gut ausgebaute B 2 nutzen, sich schon jetzt für Straßenverbindungen abseits des Pösna-Parks entscheiden, nämlich entweder für die Route K 6523/K 7923/K 7925 oder für die Strecke K 6525/K 7925. Im Übrigen würde die von den Antragstellerinnen gewünschte Verschiebung der Anschlussstelle in östliche Richtung nicht verhindern können, dass Kraftfahrer zwischen Leipzig und Espenhain/B 95 die S 38 meiden; denn auch das Konzept des Architekten und Stadtplaners T. sieht eine Verknüpfung der S 38a mit der K 7925 südlich der Wiesengrundsiedlung vor.
Nach Angaben der Antragstellerinnen handelt es sich bei den Kunden, die dem Zielverkehr und dem gebrochenen Durchgangsverkehr zuzurechnen sind, um Stammkunden. Ihren Anteil am gesamten Kundenaufkommen beziffern die Antragstellerinnen mit 97 v.H. Das bedeutet, dass nur ein geringer Prozentsatz der Kundschaft aus "Zufallskunden" besteht. Soweit es sich dabei nicht um Personen handelt, die ohnehin die S 38 als Fahrtweg wählen, werden diese Kunden im Wesentlichen Durchreisende sein, die auf dem Weg von oder zur Anschlussstelle Naunhof der A 14 das Gelände des Pösna-Parks passieren. Mit diesem Kundenkreis wird der Pösna-Park zukünftig nicht mehr rechnen können. Das dürfte aber mehr an der Existenz der A 38 und weniger am Standort der Anschlussstelle liegen. Deren von den Antragstellerinnen favorisierte Lage mag allenfalls Kraftfahrer ansprechen, die, von der A 14 kommend, im Vorbeifahren auf den Pösna-Park aufmerksam werden, und ihre Entscheidung für einen Besuch von der Entfernung der nächsten Abfahrt abhängig machen. Ihre Anzahl wird gering sein.
Vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse im Verfahren zur Hauptsache geht der Senat mit der Planfeststellungsbehörde davon aus, dass die Verortung der Anschlussstelle A 38/S 38a keinen wesentlichen Einfluss auf die für den wirtschaftlichen Erfolg des Pösna-Parks maßgeblichen Verkehrsströme hat und die im Planfeststellungsbeschluss als wahr unterstellten Umsatzeinbußen keine Existenz gefährdenden Ausmaße annehmen. Der Verzicht auf die Verschiebung der Anschlussstelle zur Verringerung der Verluste in einer realistischen Größenordnung begründet keinen Abwägungsfehler. Im Planfeststellungsbeschluss sind die Gesichtspunkte, die für und gegen die in das Verwaltungsverfahren eingebrachte Alternativplanung der Antragstellerinnen sprechen, mit vertretbarem Ergebnis gewichtet und gegeneinander abgewogen worden (S. 295 f.). Mit der erst im Eilverfahren vorgestellten weiteren Planungsvariante lässt sich die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht in Frage stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO und die Streitwertentscheidung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.