Verfahrensinformation

Das Bundesministerium des Innern verbot mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 die durch den türkischen Staatsangehörigen Metin Kaplan vertretene Vereinigung „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) einschließlich ihrer Teilorganisationen sowie die Stiftung „Stichting Dienaar aan Islam“. Die Verfügung stützt sich auf das Vereinsgesetz in der Fassung nach Streichung des sog. Religionsprivilegs und ist damit begründet, dass sich die verbotenen Vereinigungen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Für die Klage der genannten Vereinigungen dagegen, dass sie als Teilorganisationen in das Verbot einbezogen worden sind, ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig.


Verfahrensinformation

Das Bundesministerium des Innern verbot mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 die durch den türkischen Staatsangehörigen Metin Kaplan vertretene Vereinigung „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) einschließlich ihrer Teilorganisationen sowie die Stiftung „Stichting Dienaar aan Islam“. Die Verfügung stützt sich auf das Vereinsgesetz in der Fassung nach Streichung des sog. Religionsprivilegs und ist damit begründet, dass sich die verbotenen Vereinigungen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Für die Klage der genannten Vereinigungen dagegen, dass sie als Teilorganisationen in das Verbot einbezogen worden sind, ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig.


Pressemitteilung Nr. 44/2002 vom 27.11.2002

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Verbot des Vereins „Kalifatsstaat“

Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der unter Führung von Metin Kaplan stehende „Kalifatsstaat“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die Vereinigung wurde verboten und aufgelöst. Das Verbot wurde auf eine Reihe von Vereinigungen als Teilorganisationen des „Kalifatsstaats“ erstreckt.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot in erster und letzter Instanz bestätigt. Religionsgemeinschaften können jedenfalls dann verboten werden, wenn sie sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die Demokratie, den Rechtsstaat oder die Verbürgung der Menschenwürde als Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung richten. Der „Kalifatsstaat“ ist danach zu Recht verboten worden. Er versteht sich als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt unter der Führung des Kalifen, dessen Grundlage ausschließlich der Wille Allahs ist und der als solcher mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist. Der „Kalifatsstaat“ beansprucht für sich - im Unterschied zu anderen Religionsgemeinschaften - das Recht zu legitimer Gewaltanwendung auch in Deutschland. Dies ergibt sich aus Verlautbarungen des „Kalifatsstaats“ und wird insbesondere durch die vom Oberlandesgericht Düsseldorf im November 2000 als öffentliche Aufforderung zu Straftaten abgeurteilten Tötungsaufrufe der Führung des "Kalifatsstaats" gegen einen „falschen Kalifen“ bestätigt. In die gleiche Richtung weisen diffamierende Äußerungen etwa über türkische Politiker und Juden, die überdies von einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren Intoleranz geprägt sind. Der Befürchtung, dass Mitglieder des „Kalifatsstaats“, gestützt auf dessen Selbstverständnis, ihre Vorstellungen mit Gewalt und auch im Widerstand zur deutschen Staatsgewalt durchsetzen, konnte nicht mit milderen Mittel als dem Verbot der Vereinigung begegnet werden.


Die Klagen islamischer Vereinigungen in Blumberg, Bad Kreuznach und Braunschweig gegen ihre Einbeziehung in das Verbot des „Kalifatsstaats“ sind ohne Erfolg geblieben. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat gezeigt, dass das Bundesministerium des Innern diese Vereinigungen zu Recht als Teilorganisationen des „Kalifatsstaats“ angesehen hat.


BVerwG 6 A 1.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 3.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 4.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 9.02 - Urteil vom 27. November 2002


Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 6 A 1.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U6A1.02.0

Leitsatz:

Für die Beurteilung, ob eine religiöse Gemeinschaft Teilorganisation einer verbotenen Religionsgemeinschaft ist, gelten grundsätzlich keine anderen Maßstäbe als bei anderen Organisationen.

Urteil

BVerwG 6 A 1.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung am 27. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 (im Folgenden: Verfügung) fest, dass sich der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen, sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die genannten Organisationen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des "Kalifatsstaats" und die Bildung von Ersatzorganisationen verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen.
Zu den in der Verfügung aufgeführten Teilorganisationen gehört der Kläger (Nr. 1.9 des verfügenden Teils). Insoweit wurde zur Begründung ausgeführt, die Liegenschaft des Vereins habe der "Stichting Dienaar aan Islam" gehört, sei erst am 2. Oktober 2001 verkauft worden und werde vom Kläger weiterhin genutzt. Der Vereinsvorsitzende sei im Jahr 1999 bei den vom "Kalifatsstaat" organisierten Demonstrationen in Karlsruhe aufgetreten.
Der Kläger tritt mit seiner Klage der Einbeziehung in die Verfügung entgegen, und stellt in Abrede, eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 8. Dezember 2001 aufzuheben, soweit der Kläger als Teilorganisation verboten und aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt und eingezogen worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Klagevortrag entgegen und trägt ergänzende Erkenntnisse vor.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

II


Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung findet in § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG, der auch für Ausländervereine gilt, erstreckt sich das Verbot eines Vereins grundsätzlich auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
a) Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f. = NVwZ 1998, 174).
Auch Religionsgemeinschaften, die seit In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3319) am 8. Dezember 2001 dem Vereinsgesetz unterfallen, können Teilorganisationen aufweisen. Der Zweck eines Vereins und seine geistigen Grundlagen - die gemeinsamen Überzeugungen seiner Mitglieder - sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG nicht unmittelbar von Bedeutung. Allerdings können sich Menschen gemeinsamen Glaubens oder religiösen Bekenntnisses - eher als etwa Vereinigungen mit vergleichbar umfassender Zielsetzung wie politische Parteien - in Gemeinden zusammenfinden, die gegenüber einer gemeinsamen übergemeindlichen Organisation ein gewisses Maß an Autonomie aufweisen. Daher wird bei Religionsgemeinschaften der tatsächlichen Frage besonderes Augenmerk zu widmen sein, ob die Gesamtorganisation als bloßer Dachverband anzusehen ist, dem die Mitgliedsorganisationen mehr oder weniger locker angeschlossen sind (vgl. näher dazu Beschluss vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18, S. 17), oder ob ein Gesamtverband vorliegt, dem die Gemeinden als Teilorganisationen eingegliedert sind. Letzteres setzt voraus, dass über die geistliche Führung durch eine übergemeindliche Institution hinaus eine hierarchische Verbandsstruktur mit einer Organisation vorliegt, die der Umsetzung der Entscheidungen des Zentralverbandes auf der Ebene der Gemeinden dient.
b) Teilorganisationen werden aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 1994, a.a.O., S. 14, 17 sowie Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.). Dies ist auch in dem Fall verfassungsrechtlich unbedenklich, in dem es sich bei der Teilorganisation um eine Religionsgemeinschaft handelt, die die religiöse Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV für sich beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 83, 341, 354 f.). Erweist sich das Verbot des Gesamtvereins, bei dem es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, wie hier als gerechtfertigt, gilt für die entsprechende Teilorganisation nichts anderes.
Der Erwägung, die Beklagte hätte den Muslimgemeinden, die sie als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" ansieht, die Möglichkeit geben müssen, sich von diesem zu distanzieren, ist nicht zu folgen. Weder war der Gesetzgeber gehalten, insoweit Übergangsregelungen zu schaffen, noch bestand Anlass zu einer entsprechenden Gestaltung des Verwaltungsverfahrens. Hat nämlich eine Muslimgemeinde die Möglichkeit, sich jederzeit von der Zentrale des "Kalifatsstaats" abzukoppeln und ohne Verlust ihrer Identität selbständig fortzubestehen, ist sie keine Teilorganisation im dargestellten Sinn. Ist hingegen die Muslimgemeinde in der Weise in den "Kalifatsstaat" eingegliedert, wie es für eine Teilorganisation zu fordern ist, fehlt es an einer solchen Möglichkeit. Die so genannte Distanzierung wäre in diesem Fall in Wahrheit die (verdeckte) Neugründung einer anderen Vereinigung unter Aufgabe der bisherigen Identität.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen, die Aktivitäten des "Kalifatsstaats" seien in der Vergangenheit nicht verboten gewesen und deshalb könnten Muslimgemeinden, die sich ihm in gutem Glauben angeschlossen oder Vorteile aus dem Kontakt mit ihm gezogen hätten, nicht abrupt in dessen Verbot einbezogen werden. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - ausgeführt hat, konnte der "Kalifatsstaat" verfassungsrechtlich keine "Anpassungsfrist" beanspruchen. Gleiches gilt für seine Teilorganisationen. Denn diese teilen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins, dem sie angehören.
2. Der Kläger ist eine Teilorganisation des mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 verbotenen "Kalifatsstaats". Darauf weisen zur Überzeugung des erkennenden Senats die vorliegenden Tatsachen hin. Die schriftsätzlichen Äußerungen sowie die Erörterung mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung haben sie nicht entkräftet.
a) Der "Kalifatsstaat" versteht sich als Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen. Die Organisationsstrukturen sind denen eines Staates vergleichbar. Neben einer Stabsorganisation, die der Zentrale zugeordnet ist, besteht eine Gliederung nach Gebieten ("Bölge"), denen die Gemeinden angehören und die von "Gebietsemiren" geleitet werden. Die Gesamtorganisation ist hierarchisch aufgebaut und darauf ausgerichtet, den - allein maßgeblichen - Willen des Kalifen durchzusetzen. Auf die unbestrittene Darstellung der Verbandsstrukturen in der Verfügung (S. 8 ff.) wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Selbstverständnis des "Kalifatsstaats" als eines real existierenden Staatswesens und der Absolutheitsanspruch der von ihm propagierten Lehren schließen es konsequenterweise praktisch aus, dass eine Muslimgemeinde, die in den Verband des "Kalifatsstaats" aufgenommen ist, eine andere Stellung als die einer Teilorganisation innehat. Der Vortrag des Klägers, er habe zwar Kontakte zum "Kalifatsstaat" gehabt, aber nur dessen Angebote als "Annehmlichkeiten" wahrgenommen, erscheint daher bereits vom Grundansatz her zur Erklärung der folgenden Indizien von geringer Überzeugungskraft.
b) Der "Kalifatsstaat" hat im Rahmen der Anfechtung der Verfügung vom 8. Dezember 2001 nur in Bezug auf die Türkisch-Islamische Gemeinschaft H. e.V. das Vorliegen einer Teilorganisation in Abrede gestellt und die Moschee des Klägers in seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einbezogen. Der Kläger ist ferner in einer Liste von dem "Kalifatsstaat" angehörenden Vereinen aufgeführt, die in einem PC der Zentrale gefunden wurde. In der Verbandszeitung des "Kalifatsstaats" "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 4. Juni 1998 wird berichtet, dass der "Kalif" mit den aus der Schweiz angereisten Muslimen eine Versammlung in dem dem Kalifatsstaat angeschlossenen muslimischen Verein in B. abgehalten habe (Verwaltungsvorgänge Band 9 Bl. 99). Diese Umstände deuten darauf hin, dass der "Kalifatsstaat" den Kläger als ihm zugehörig betrachtet.
c) Der Kläger hat sich auch selbst als Teil des "Kalifatsstaats" dargestellt. Er hat einen Stempel "Kalifatsstaat, Gemeinde der Muslime, B., ..." verwendet. Beim Kläger asservierte Ramadan-Kalender für B. und Umgebung sind überschrieben "Hilafet Devleti, B.".
d) Auf eine Steuerung des Klägers durch die Zentrale des "Kalifatsstaats" weist eine bei ihm gefundene Weisung der Zentrale an die "Gemeinde-Emire" vom 28. Februar 2000 hin, die die Verteilung bestimmter Flugblätter betrifft. Eine in den Moscheeräumen des Klägers sichergestellte Liste, nach der die Gebietsorganisationen Personal zur Wache vor der Zentrale zur
Verfügung stellen müssen, deutet ebenfalls auf die Weisungsmacht der Zentrale gegenüber dem Kläger hin.
e) Aus den beim Kläger sowie in der Zentrale des "Kalifatsstaats" aufgefundenen Quittungen und Spendenformularen ergibt sich, dass Spenden aus dem Bereich des Klägers an den "Kalifatsstaat" gegangen sind. Der erwähnten Weisung der Zentrale vom 28. Februar 2000 ist eine Liste für die "Opferkampagne 1421" beigefügt. Der Umstand, dass Spenden dem "Kalifatsstaat" auf dessen Aufforderung zugeleitet worden sind, um von diesem bestimmungsgemäß verwendet zu werden, deutet auf eine finanzielle Verflechtung hin. Der Kläger hat nicht behauptet, dass Spenden auch an andere Stellen gegangen oder auf anderem Weg den Bedürftigen zugeführt worden seien. Die religiöse Motivation der Spenden ändert nichts daran, dass mit ihnen dem "Kalifatsstaat" Finanzmittel, wenn auch mit mehr oder weniger ausgeprägter Zweckbindung, zugeführt worden sind.
Der Kläger hat über Jahre ein Grundstück der Stiftung "Stichting Dienaar aan Islam", die das Vermögen des "Kalifatsstaats" verwaltet, als Vereinsraum (Moschee) genutzt. Der Kläger führt dazu aus, dass die Stiftung beim Erwerb des Grundstücks eingeschaltet worden sei, um interne Streitigkeiten zu vermeiden. Das Vorbringen ist nicht geeignet, die Bedeutung dieser Tatsache als Indiz für die wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers vom "Kalifatsstaat" zu entkräften. Dem Umstand, dass die Stiftung das Anwesen am 2. Oktober 2001 in zeitlichem Zusammenhang mit vergleichbaren Veräußerungen an ein Mitglied des Klägers verkauft hat, lässt sich hingegen kein zusätzlicher Hinweis auf die Eingliederung des Klägers in den "Kalifatsstaat" entnehmen.
f) Eine personelle Verflechtung mit dem "Kalifatsstaat" ergibt sich zunächst daraus, dass der 1. Vorsitzende des Klägers C. A. in einer Liste der "Jugendemire" des "Kalifatsstaats" aufgeführt ist und im Jahr 1999 als Sprecher auf einer Demonstration des "Kalifatsstaats" auftrat. Beides ist vom Kläger letztlich nicht mehr bestritten worden. Ferner ist der Bruder des 1. Vorsitzenden C. A., der den Kläger bei der Durchsuchung am 12. Dezember 2001 vertreten hat, in die Grundstücksgeschäfte des "Kalifatsstaats" einbezogen worden, indem er zusammen mit anderen am 8. Oktober 2001 von der Stiftung Grundbesitz in K. erwarb. Die Beziehungen der Führung des Klägers zum "Kalifatsstaat" erschöpfen sich damit nicht in bloßen Kontakten. Vielmehr haben C. und C. A. Aufgaben wahrgenommen, die ein entsprechendes Vertrauen der Zentrale voraussetzen.
g) Für eine Eingliederung des Klägers in den "Kalifatsstaat" spricht schließlich der Umstand, dass beim Kläger verschiedene Ergebenheitsformulare, Einladungen, Bescheinigungen, Listen u.ä. sowie Schriften mit Bezug zum "Kalifatsstaat" gefunden wurden. Der Kläger hat sich nur zu dem Blanko-Vordruck einer Treueerklärung für Metin Kaplan mit einem Stempel des "Gebietsemirs" von B. aus dem Jahr 1994 geäußert, und zwar dahin, dass die Verwendung auf den "Kalifen" bezogener Treueerklärungen keine Abhängigkeit vom "Kalifatsstaat" begründe. Das Vorbringen, auf dessen nähere Begründung nicht einzugehen ist, nimmt dem beim Kläger asservierten Schriftgut nicht seine Bedeutung als Hinweis auf die Zugehörigkeit des Klägers zum "Kalifatsstaat". Es ist nicht erkennbar, aus welchen anderen Gründen es in den Besitz des Klägers gekommen sein könnte.
h) Bei Gesamtwürdigung dieser Umstände steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der Kläger eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" ist. Im Hinblick auf das Selbstverständnis und die Verbandsstruktur des "Kalifatsstaats" gibt es daran keine vernünftigen Zweifel. Der Kläger hat sich ihm selbst zugeordnet und weist vielfältige Verbindungen enger Art zu ihm auf. Die Hinweise auf eine wirtschaftliche und ideologische Abhängigkeit sowie auf personelle und organisatorische Verflechtungen haben sich nicht entkräften lassen. Der Einwand, dass der Kläger lange vor dem "Kalifatsstaat" gegründet worden sei, besagt nichts über die Verhältnisse zur Zeit der angefochtenen Verfügung. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich aber auch kein greifbarer Hinweis darauf entnehmen, dass er zu diesem Zeitpunkt aus dem Verband des "Kalifatsstaats" ausgeschieden sein könnte. Insbesondere hat der Kläger nicht zu erkennen gegeben und erst recht nicht näher dargelegt, dass mit der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse am Moscheegrundstück eine Abkehr vom "Kalifatsstaat" verbunden gewesen sein sollte.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 6 A 3.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U6A3.02.0

Urteil

BVerwG 6 A 3.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung am 27. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen, sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die genannten Organisationen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des "Kalifatsstaats" und die Bildung von Ersatzorganisationen verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2001 erstreckte das Bundesministerium des Innern die Verfügung vom 8. Dezember 2001 auf den Kläger als Teilorganisation des "Kalifatsstaats". Zur Begründung wurde ausgeführt, das in den Räumen des Klägers vorgefundene Propagandamaterial des "Kalifatsstaats" lasse darauf schließen, dass der Kläger über seine bloße Funktion in dessen Gesamtorganisation hinaus auch als regionaler Propagandastützpunkt angesehen werden müsse.
Der Kläger tritt mit seiner Klage der Einbeziehung in die Verbotsverfügung entgegen und stellt in Abrede, eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 14. Dezember 2001 einschließlich der Bezugsverfügung vom 8. Dezember 2001, soweit sie den Kläger betrifft, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Klagevortrag entgegen und trägt ergänzende Erkenntnisse vor.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

II


Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung findet in § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG, der auch für Ausländervereine gilt, erstreckt sich das Verbot eines Vereins grundsätzlich auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
a) Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f. = NVwZ 1998, 174).
Auch Religionsgemeinschaften, die seit In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3319) am 8. Dezember 2001 dem Vereinsgesetz unterfallen, können Teilorganisationen aufweisen. Der Zweck eines Vereins und seine geistigen Grundlagen - die gemeinsamen Überzeugungen seiner Mitglieder - sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG nicht unmittelbar von Bedeutung. Allerdings können sich Menschen gemeinsamen Glaubens oder religiösen Bekenntnisses - eher als etwa Vereinigungen mit vergleichbar umfassender Zielsetzung wie etwa politische Parteien - in Gemeinden zusammenfinden, die gegenüber einer gemeinsamen übergemeindlichen Organisation ein gewisses Maß an Autonomie aufweisen. Daher wird bei Religionsgemeinschaften der tatsächlichen Frage besonderes Augenmerk zu widmen sein, ob die Gesamtorganisation als bloßer Dachverband anzusehen ist, dem die Mitgliedsorganisationen mehr oder weniger locker angeschlossen sind (vgl. näher dazu Beschluss vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18, S. 17), oder ob ein Gesamtverband vorliegt, dem die Gemeinden als Teilorganisationen eingegliedert sind. Letzteres setzt voraus, dass über die geistliche Führung durch eine übergemeindliche Institution hinaus eine hierarchische Verbandsstruktur mit einer Organisation vorliegt, die der Umsetzung der Entscheidungen des Zentralverbandes auf der Ebene der Gemeinden dient.
b) Teilorganisationen werden aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 1994, a.a.O., S. 14, 17 sowie Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.). Dies ist auch in dem Fall verfassungsrechtlich unbedenklich, in dem es sich bei der Teilorganisation um eine Religionsgemeinschaft handelt, die die religiöse Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV für sich beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 83, 341, 354 f.). Erweist sich das Verbot des Gesamtvereins, bei dem es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, wie hier auch mit Blick auf die religiöse Vereinigungsfreiheit als gerechtfertigt, gilt für die entsprechende Teilorganisation nichts anderes.
Der Erwägung, die Beklagte hätte den Muslimgemeinden, die sie als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" ansieht, die Möglichkeit geben müssen, sich von diesem zu distanzieren, ist nicht zu folgen. Weder war der Gesetzgeber gehalten, insoweit Übergangsregelungen zu schaffen, noch bestand Anlass zu einer entsprechenden Gestaltung des Verwaltungsverfahrens. Hat nämlich eine Muslimgemeinde die Möglichkeit, sich jederzeit von der Zentrale des "Kalifatsstaats" abzukoppeln und ohne Verlust ihrer Identität selbständig fortzubestehen, ist sie keine Teilorganisation im dargestellten Sinn. Ist hingegen die Muslimgemeinde in der Weise in den "Kalifatsstaat" eingegliedert, wie es für eine Teilorganisation zu fordern ist, fehlt es an einer solchen Möglichkeit. Die so genannte Distanzierung wäre in diesem Fall in Wahrheit die (verdeckte) Neugründung einer anderen Vereinigung unter Aufgabe der bisherigen Identität.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen, die Aktivitäten des "Kalifatsstaats" seien in der Vergangenheit nicht verboten gewesen und deshalb könnten Muslimgemeinden, die sich ihm in gutem Glauben angeschlossen oder Vorteile aus dem Kontakt mit ihm gezogen hätten, nicht abrupt in dessen Verbot einbezogen werden. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - ausgeführt hat, konnte der "Kalifatsstaat" verfassungsrechtlich keine "Anpassungsfrist" beanspruchen. Gleiches gilt für seine Teilorganisationen. Denn diese teilen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins, dem sie angehören.
2. Der Kläger ist eine Teilorganisation des mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 verbotenen "Kalifatsstaats". Darauf weisen zur Überzeugung des erkennenden Senats die vorliegenden Tatsachen hin. Die schriftsätzlichen Äußerungen sowie die Erörterung mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung haben sie nicht entkräftet.
a) Der "Kalifatsstaat" versteht sich als Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen. Die Organisationsstrukturen sind denen eines Staates vergleichbar. Neben einer Stabsorganisation, die der Zentrale zugeordnet ist, besteht eine Gliederung nach Gebieten ("Bölge"), denen die Gemeinden angehören und die von "Gebietsemiren" geleitet werden. Die Gesamtorganisation ist hierarchisch aufgebaut und darauf ausgerichtet, den - allein maßgeblichen - Willen des Kalifen durchzusetzen. Auf die unbestrittene Darstellung der Verbandsstrukturen in der Verfügung vom 8. Dezember 2001 (S. 8 ff.) wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Selbstverständnis des "Kalifatsstaats" als eines real existierenden Staatswesens und der Absolutheitsanspruch der von ihm propagierten Lehren schließen es konsequenterweise praktisch aus, dass eine Muslimgemeinde, die in den Verband des "Kalifatsstaats" aufgenommen ist, eine andere Stellung als die einer Teilorganisation innehat.
b) Der "Kalifatsstaat" hat im Rahmen der Anfechtung der Verfügung vom 8. Dezember 2001 die Einordnung der Moschee in K. als seine Teilorganisation nicht nur unwidersprochen gelassen, sondern sie vielmehr in seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einbezogen. Nach der Adressenliste, die in einem PC der Zentrale gefunden wurde, handelt es sich um die Moschee des Klägers und nicht etwa, wie der Kläger vorträgt, um eine andere der in B. K. bestehenden Moscheen.
Ferner ist in einem Artikel der Verbandszeitung des "Kalifatsstaats" "ÜMMET-I MUHAMMED" über einen Sommerkurs für Mädchen ausdrücklich von der "dem Kalifatsstaat angeschlossenen I.-Moschee in B. K." die Rede.
Der Kläger meint dazu, dass der "Kalifatsstaat" islamische Gemeinden und deren Leistungen zu Propagandazwecken "vereinnahmt" habe. Ferner sei es üblich, dass die islamischen Gruppierungen, die untereinander regen Kontakt pflegten, auch über besondere Glaubensleistungen anderer berichteten. Dieses Vorbringen nimmt den genannten Umständen nicht ihre Bedeutung als
Hinweise auf eine Zugehörigkeit des Klägers zum "Kalifatsstaat".
Der "Kalifatsstaat" hat ein von anderen islamischen Gruppen weitgehend isoliertes Verbandsleben geführt. Dies ist, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, unbestritten und kommt auch in der Berichterstattung der Vereinszeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" zum Ausdruck. Auf der anderen Seite betont der Kläger, eine kleine, gewissermaßen introvertierte Gemeinde ohne nennenswerte Außenkontakte zu sein. Es ist daher schwer verständlich, zu welchem Zweck der "Kalifatsstaat" den Kläger gegen dessen Willen für sich hätte "vereinnahmen" sollen. Dass in "ÜMMET-I MUHAMMED" über den Sommerkurs für Mädchen in B. K. berichtet worden wäre, wenn er keine organisationsinterne Veranstaltung gewesen wäre, liegt fern. Zudem spricht die Art der Darstellung in dem erwähnten Artikel ("Unterscheidung der wahren von den falschen Muslimen") nicht dafür, dass es sich um eine freundschaftlich-nachbarliche Berichterstattung gehandelt hat, wie sie in sonstigen Vereinsblättern anzutreffen sein mag.
Zumal vor dem Hintergrund des erwähnten Selbstverständnisses des "Kalifatsstaats" bilden die genannten Umstände bedeutsame Indizien für die Zugehörigkeit des Klägers zu diesem.
c) Die folgenden Umstände weisen darauf hin, dass sich der Kläger auch selbst als Teil des "Kalifatsstaats" verstanden hat.
Ein bei ihm gefundenes Anmeldeformular beginnt mit der Überschrift "Der Kalifatsstaat - Anmeldeformular für die Mitgliedschaft bei dem Verein B. K." und enthält den Satz "Ich möchte Mitglied des "Vereins B. K. des Kalifatsstaats" werden. Dass der Kläger die Verwendung dieses Formulars bestreitet, ändert nichts an seiner Existenz.
Der Vordruck eines gleichfalls beim Kläger aufgefundenen Zeugnisses stammt vom "Kalifatsstaat" und ist maschinenschriftlich u.a. um die Eingangsleiste "Korankurs für Schülerinnen der Gemeinde B. K." und um die Unterschriftsleiste "Gemeinde B. K." ergänzt. Der Kläger erklärt dies damit, dass die den Kurs durchführenden Lehrer (Hocas) jeweils selbst Formulare mitgebracht hätten. Was sie dazu veranlasst haben könnte, den Veranstaltungsort nochmals in der Unterschriftsleiste zu erwähnen, bleibt damit allerdings offen.
Der Kläger hat an prominenter Stelle des Gebetsraums zweimal die Fahne mit der Aufschrift "Hilafet Devleti" unter einem arabischen Schriftzug (Preisung Allahs und Mohammeds) aufgehängt. Ferner wurden entsprechende Tischfähnchen gefunden. Des Weiteren sind bei der Durchsuchung am 12. Dezember 2001 mehrere Plakate und plakatähnliche Anschläge des "Kalifatsstaats" in den Räumen des Klägers gut sichtbar angebracht vorgefunden worden. Der Kläger trägt vor, die Fahnen seien ihm Anfang der 90er Jahre geschenkt worden; es gebe auch solche ohne den Schriftzug "Kalifatsstaat"; diesem Schriftzug sei keine Bedeutung beigemessen worden; im Übrigen weise er nicht zwingend auf den Verband des Metin Kaplan hin, sondern auf die alte, zum Teil noch bestehende islamische Staatsform der Identität von Staat und Religion. Mit diesem - an sich bereits wenig glaubwürdigen - Vortrag wird jedenfalls die Bedeutung der Funde als Indizien nicht geschmälert, sofern sie in dieselbe Richtung wie andere weisen.
d) Auf die organisatorische Einbindung des Klägers in den "Kalifatsstaat" weist folgendes bei ihm sichergestelltes Schriftgut hin: Anmeldeformulare des "Hilafet Devleti H. Bölgesi" ("Kalifatsstaat Region H.") aus dem Jahr 1999 für einen Mädchen-Korankurs in der Moschee des Klägers; Blanko-Treueerklärungen (Huldigungsschreiben) an den "Kalifen" Metin Kaplan; Briefbögen mit dem Kopf "Hilafet Devleti H. Bölgesi" ("Kalifatsstaat Region H."); Einladung zur General-Jugendversammlung der Region H. vom 7. Mai 2000 in der Moschee des Klägers; Einladung zur Neujahrsfeier 1419 des "Kalifatsstaats" am 3. Mai 1998 in Köln , wobei als Kontaktstelle und Treffpunkt die Moschee des Klägers angegeben ist; Schreiben der Zentrale vom 4. August 1998 an die Hocas (muslimische Geistliche), die in den dem "Kalifatsstaat" angegliederten Moscheen beschäftigt sind, zu Verhaltensregeln während der Korankurse.
Der Kläger hat zu den Blanko-Treueerklärungen vorgetragen, sie hätten seit 1995 ausgelegen, seien aber kaum aufgebraucht worden; Treueerklärungen seien eine rein persönliche Glaubensangelegenheit, um die sich der Kläger nicht gekümmert habe. Im Hinblick auf den Absolutheitsanspruch des "Kalifatsstaats" erscheint dem Senat der Ausgangspunkt dieses Vorbringens, dass ein Muslim einer "neutralen" Gemeinde angehören und zugleich dem "Kalifen" Treue schwören kann, wenig plausibel. Dies kann jedoch auf sich beruhen, weil das nachstehend zu dem aufgefundenen Propagandamaterial Gesagte hier entsprechend gilt.
Soweit der Kläger zu der Einladung zu einer Jugendversammlung vom 7. Mai 2000 vorträgt, es habe sich um eine Feier ohne speziellen Bezug zum "Kalifatsstaat" gehandelt, die der Kläger in dem zwischen islamischen Vereinen üblichen Rahmen ausgerichtet habe, bleibt die Verwendung des Eingrenzungskriteriums "Region H." unerklärt, zumal B. K. nicht in H., sondern in R. liegt.
d) Die Asservate stützen ferner die Annahme, der Kläger habe als "regionaler Propagandastützpunkt" in der Gesamtorganisation fungiert.
Nach einem Bericht der Rheinzeitung hat der Kläger Texte aus "ÜMMET-I MUHAMMED" verteilt und sich durch seinen 2. Vorsitzenden zum ICCB bekannt. Beim Kläger ist ferner eine große Anzahl von Flugblättern und Druckwerken des "Kalifatsstaats" sichergestellt worden. So waren z.B. 700 Exemplare des Flugblattes "Der Kalif muss sofort freigelassen werden" vorhanden. "ÜMMET-I MUHAMMED" fand sich in mehreren Ausgaben in einer Anzahl von einem bis zu 89 Stücken. Es ist unbestritten, dass ca. vier Fünftel der Asservate vom "Kalifatsstaat" stammen.
Der Kläger trägt vor, als eher "eigenbrötlerischer" Verein nicht nach außen tätig geworden zu sein. Er habe seinen Mitgliedern ein breites Meinungsspektrum bieten wollen und deshalb neben anderen auch - ihm zugesandte - Schriften des "Kalifatsstaats" bereitgehalten. Der Umstand, dass sich bei ihm Mehrexemplare befunden hätten, zeige das geringe Interesse seiner Mitglieder am "Kalifatsstaat" und belege, dass er sie nicht verteilt habe. Dementsprechend sei der 2. Vorsitzende im Verein wegen der in der Rheinzeitung berichteten Aktivität angegriffen worden; dies habe dazu geführt, dass sich der 2. Vorsitzende vom Kläger zurückgezogen habe.
Der Senat hält das klägerische Vorbringen nicht für überzeugend. Der Kläger hat Propagandamaterial geordnet in Regalen und in einer Menge vorgehalten, die den Informationsbedarf seiner - zwischen 40 und 60 - Mitglieder deutlich übersteigt. Das Propagandamaterial weist zusammen mit der äußeren Aufmachung der Räume (Fahnen, Anschläge) und den erwähnten Blanko-Treueerklärungen schlüssig auf das Bild eines Stützpunkts des "Kalifatsstaats", der werbend tätig sein soll. Der Umstand, dass ein Fünftel der Asservate von anderer Seite stammen, spricht nicht gegen diese Einschätzung, sondern stützt sie, weil der "Kalifatsstaat" nach der Zahl seiner Mitglieder nur geringe Bedeutung im Leben der Muslime in Deutschland hat. Der öffentliche Auftritt des 2. Vorsitzenden fügt sich in dieses Bild. Dass es sich um einen vom Kläger missbilligten "Alleingang" gehandelt haben könnte, mag - für sich betrachtet - denkbar sein, liegt jedoch bei Würdigung der weiteren Umstände fern.
e) Die Buchung vom "Kalifatsstaat" angebotener Pilgerfahrten und der Kauf von Lebensmitteln beim Lebensmittelvertrieb des "Kalifatsstaats" (KAR-BIR/HAKK-BIR) belegen jeweils für sich genommen, wie der Kläger zutreffend annimmt, nicht seine Eingliederung in den "Kalifatsstaat". Gleichwohl können sie zur Abrundung und Bestätigung des anderweit gewonnen Gesamteindrucks beitragen. Nach dem bereits Gesagten musste den Mitgliedern des Klägers klar sein, dass sie mit der Inanspruchnahme der Leistungen des "Kalifatsstaats" dessen ideologischen Anspruch unterstützten und ihn auch materiell förderten.
f) Auf finanzielle Zusammenhänge des Klägers mit dem "Kalifatsstaat" weisen in der Zentrale aufgefundene Listen über aus dem Bereich des Klägers geleistete Abgaben hin. Insoweit hat der Kläger keine plausible Erklärung gegeben. Der Vortrag, es handele sich um eine Spendenliste, die nicht wiedergebe, was tatsächlich gezahlt worden sei, vielmehr handele es sich um eine von einem ehemaligen Mitglied privat erstellte Liste, in die dieses Zuwendungsversprechen von ihm angesprochener Moscheebesucher eingetragen habe, lässt sich weder mit dem Fundort der Liste noch nach der Lebenserfahrung mit dem Aufbau und dem Inhalt der Liste in Einklang bringen.
Hingegen hält der Senat die von der Beklagten zum Beleg für finanzielle Verflechtungen angeführten weiteren Umstände je für sich allein genommen kaum für aussagekräftig. Der Kläger hat hierzu plausibel dargetan, dass aus dem asservierten Spendenaufruf der Stiftung des "Kalifatsstaats" und einer einmaligen Spende vom 27. Februar 2001 in Höhe von 6 000 DM an die Zentrale ebenso wenig sichere Schlüsse gezogen werden können wie aus einer im Jahr 1985 beschlossenen, aber nicht vollzogenen Satzungsänderung, nach der das Vereinsvermögen im Fall der Vereinsauflösung an den ICCB fallen sollte.
g) Die genannten Tatsachen belegen bei der Gesamtwürdigung aller Umstände, dass es sich beim Kläger um eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" handelt. Zwar sind personelle Verflechtungen mit der Zentrale nicht und wirtschaftliche sowie finanzielle Beziehungen nur ansatzweise nachgewiesen. Dagegen sprechen die Äußerungen des Selbstverständnisses des Klägers und seine korrespondierende Angliederung durch den "Kalifatsstaat" deutlich für eine Teilorganisation. Zudem ist auf den dargelegten Absolutheitsanspruch des "Kalifatsstaats" und seine hierarchische Struktur zu verweisen. Wie bereits angedeutet, kann das aufgefundene Propagandamaterial in Zusammenhang mit der äußeren Gestaltung der Vereinsräume vernünftigerweise nur damit erklärt werden, dass der Kläger als Propagandastelle des "Kalifatsstaats" gedient hat. Dem kommt ausschlaggebende Bedeutung zu.
Die übrigen Einwendungen des Klägers rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht. Der Vortrag, der Kläger stelle eine homogene Gruppe von 40/50 bis 60 Mitgliedern ohne nennenswerte Außenkontakte dar, die ihren Mitgliedern ein vielfältiges Angebot ohne einseitige Festlegung biete, ist mit den soeben erwähnten Umständen nicht vereinbar und enthält keinen einer Beweiserhebung zugänglichen Tatsachenkern. Ob die Behauptung, dass kein Vorstandsmitglied und auch sonst kein Mitglied eine Treueerklärung an den "Kalifen" Kaplan abgegeben habe, zutrifft - dafür könnte die erwähnte Abgabenliste sprechen -, kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger bringt vor, Treueerklärungen seien eine persönliche Angelegenheit. Anders als aus dem Umstand, dass der Kläger entsprechende Vordrucke vorrätig gehalten hat, können konsequenterweise weder aus der
Abgabe noch aus dem Unterbleiben von Treueerklärungen Schlüsse gezogen werden.
Soweit der Kläger Nachweise darüber vermisst, dass er seit seiner Gründung 1981 fortlaufend Teilorganisation des "Kalifatsstaats" gewesen oder in diese Stellung hineingewachsen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es allein auf die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung ankommt. Mit der Erwägung, die Belege der Beklagten seien bruchstückhaft und hätten Aussagekraft allenfalls für das Verhalten einzelner Mitglieder, diese stellten aber die Ausnahme dar und repräsentierten nicht den Verein, wird der Kläger zum einen dem Umstand nicht gerecht, dass die Voraussetzungen eines Vereinsverbotes und des Vorliegens einer Teilorganisation in der Regel nur aufgrund einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen nachgewiesen werden können. Zum andern beziehen sich hier wesentliche Erkenntnisse auf den Verein als ganzen (Ausstattung der Vereinsräume, Propagandamaterial) und nicht lediglich auf das Verhalten Einzelner; im Übrigen muss sich ein Verein grundsätzlich das Verhalten seiner Repräsentanten und nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch seiner Mitglieder zurechnen lassen.
3. Die angefochtene Verfügung weist auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Zu den Rügen des Klägers ist - ergänzend zu dem bereits Gesagten (oben 1.) - Folgendes zu bemerken:
a) Entgegen der Ansicht des Klägers hatte die Beklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gesondert mit Blick auf den Kläger zu beachten. Der Kläger macht zunächst geltend, dass der Einsatz milderer Mittel z.B. in Gestalt eines Bezugsverbots von "ÜMMET-I MUHAMMED" ausreichend gewesen wäre. Ferner beruft er sich darauf, dass er mehr als 20 Jahre bestehe und in dieser Zeit nicht auffällig geworden sei. Schließlich hält er das sofortige Verbot im Dezember 2001 angesichts des neunjährigen Bestehens des "Kalifatsstaats" für ungerechtfertigt. Wie dargelegt, teilen Teilorganisationen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins. Aufgrund der Feststellung, dass der Kläger eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" ist, erübrigen sich daher die geltend gemachten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots gerade gegenüber dem Kläger.
b) Soweit der Kläger vorträgt, ein zum beschlagnahmten Vermögen gehörender Betrag von 206 TDM werde von ihm treuhänderisch gehalten, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung. Das Vereinsgesetz regelt die Rechte Dritter am Vereinsvermögen in § 12 und weist die angesprochene Frage dem Einziehungsverfahren zu.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 6 A 4.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U6A4.02.0

Leitsatz:

Eine Religionsgemeinschaft kann nach dem seit dem 8. Dezember 2001 geänderten Vereinsgesetz verboten werden, wenn sie sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat oder den in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde richtet.

Urteil

BVerwG 6 A 4.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung am 27. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 (im Folgenden: Verfügung) fest, dass sich der "Kalifatsstaat" - Kläger - , der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen, sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" - Klägerin - gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die Kläger wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des Klägers sowie die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Das Vermögen der Kläger wurde beschlagnahmt und eingezogen. Die Verfügung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der "Kalifatsstaat" wolle unter der Führung ihres selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime" Metin Kaplan nicht nur das laizistische Staatsgefüge der Türkei beseitigen, sondern strebe darüber hinaus eine islamische Ordnung auf der Grundlage der Scharia mit dem Endziel der Weltherrschaft des Islam an. Den Äußerungen des "Kalifatsstaats" sei zu entnehmen, dass er die Demokratie für mit dem Islam unvereinbar und für verderblich halte. Der "Kalifatsstaat" beanspruche im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen eigene Staatsgewalt. Die Agitation gegen die Republik Türkei verstoße ebenso gegen den Gedanken der Völkerverständigung wie die Agitation gegen Israel, die Juden und gegen andere Staaten. Der "Kalifatsstaat" verfolge seine Ziele in kämpferisch-aggressiver Weise. Seine Äußerungen seien hetzerisch und von Aufrufen zur gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem (politischen) Gegner geprägt. In der Propagierung gewaltsamer Mittel liege zugleich eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Diese ergebe sich auch aus den Drohungen gegen Abtrünnige des "Kalifatsstaats", die im Fall des Herrn Sofu zur Verurteilung des Herrn Metin Kaplan zu einer Freiheitsstrafe wegen Aufforderung zu Straftaten geführt hätten. Zudem verunglimpfe der "Kalifatsstaat" die Bundesrepublik und ihre Einrichtungen und gefährde sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere im Verhältnis zur Türkei.
Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Streichung des so genannten Religionsprivilegs durch das Erste Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vor. Ferner machen sie Mängel des Verwaltungsverfahrens geltend. In der Sache wenden sich die Kläger gegen die Verbotsverfügung vor allem deshalb, weil die Kläger den "Kalifatsstaat" in der Türkei und anderen Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, nicht aber in Deutschland verwirklichen wollten; die vom Bundesministerium des Innern ausgewerteten Unterlagen seien im Zusammenhang zu verstehen und belegten keine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Die Kläger beantragen,
die Verbotsverfügung vom 8. Dezember 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

II


Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Verfügung lässt verwaltungsverfahrensrechtliche Mängel nicht erkennen. Die Rügen der Kläger greifen nicht durch.
a) Die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern ist hinsichtlich des Klägers nach § 14 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5. August 1964, hier anzuwenden in der Fassung der Änderung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3319) - VereinsG -, gegeben. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Ausländerverein. Seine Mitglieder und Leiter sind zumindest überwiegend türkische Staatsangehörige. Auf die von Klägerseite aufgeworfene Frage einer Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union kommt es nicht an, weil erst seit dem 1. Januar 2002 Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend ausländische Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 VereinsG n.F. nicht als Ausländervereine gelten (Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl I S. 361). Die Organisation und Tätigkeit des Klägers erstreckt sich über das Gebiet eines Landes hinaus. Die Zuständigkeit hinsichtlich der Klägerin als eines Vereins mit Sitz im Ausland folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 2 VereinsG.
b) Einer Anhörung der Kläger vor Erlass der Verfügung bedurfte es nicht. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Es genügt, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299, 304 m.w.N.).
Die Befürchtung der Beklagten, die Infrastruktur und das Vermögen der Kläger wären bei einer Anhörung vor dem Zugriff geschützt und damit der Zweck des Vereinsverbots in Frage gestellt worden (vgl. S. 57 der Verfügung), lässt sich nach den Umständen nicht beanstanden. Das Bestreben, einer Verbotsverfügung auf diese Weise größtmögliche Wirksamkeit zu geben, rechtfertigt in der Regel ein Absehen von der Anhörung. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die einem Vereinsverbot nicht selten und so auch hier vorausgehende öffentliche Erörterung hat nicht denselben "Ankündigungseffekt" wie die Anhörung im Rahmen eines (konkreten) Verwaltungsverfahrens. Ebenso wenig war eine Anhörung deshalb geboten, weil Religionsgemeinschaften vor dem In-Kraft-Treten des erwähnten Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes - im Folgenden: Erstes Änderungsgesetz - am 8. Dezember 2001 (Art. 2 dieses Gesetzes) nicht verboten werden konnten. Wie noch darzulegen ist, war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, den von der Gesetzesänderung Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Es ist nicht Zweck der Anhörung nach § 28 VwVfG, dafür Ersatz zu schaffen. Soweit die Kläger aus dem zeitlichen Zusammenhang von Erlass der Verbotsverfügung und In-Kraft-Treten des Ersten Änderungsgesetzes herleiten, die Anhörung sei wegen des auf der Verbotsbehörde lastenden politischen Drucks unterblieben, kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese Erwägung tragfähig ist. Jedenfalls wird durch sie die dargelegte Rechtfertigung für ein Absehen von der Anhörung vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht in Frage gestellt.
c) Die Verfügung lässt die erlassende Behörde und die Namenswiedergabe des Beauftragten des Behördenleiters erkennen und genügt damit den Anforderungen des § 37 Abs. 3 VwVfG. Entgegen der Ansicht der Kläger regelt diese Vorschrift nicht, wer in der erlassenden Behörde zeichnungsberechtigt ist; dies ist eine Frage des Organisationsrechts. Die Kläger haben ihren Vortrag, die Verfügung sei nicht von einer beauftragten Person unterschrieben worden, nicht substantiiert. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass zu entsprechender Aufklärung und zu weiteren Rechtsausführungen.
d) Die Verfügung ist hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG).
aa) Bedenken ergeben sich insoweit nicht aus dem klägerischen Vortrag, bei dem "Kalifatsstaat" handele es sich um einen Zusammenschluss ohne eigene Rechtspersönlichkeit und der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." gehöre nicht zu ihm. Die Beklagte geht dagegen davon aus, dass der "Kalifatsstaat" unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" im Vereinsregister eingetragen ist, diese Organisationsbezeichnung allerdings nicht mehr verwendet (S. 7 f. der Verfügung). Die Verbotsverfügung ist erkennbar und auch aus der Sicht des Klägers gegen diesen als tatsächlich bestehende Organisation gerichtet. Dieser eindeutige Gehalt der Verfügung wird nicht in Frage gestellt, wenn der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V.", wie der Kläger vorträgt, eine vom "Kalifatsstaat" gesonderte Vereinigung darstellen sollte. In diesem Fall wäre lediglich auf eine Klage des "Verbands der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." zu untersuchen, ob dieser als eigenständige Vereinigung in die Verbotsverfügung einbezogen sein sollte.
bb) Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass weitere Verfügungen des Bundesministeriums des Innern gegenüber Teilorganisationen sich auf ein am 8. Dezember 2001 erlassenes Vereinsverbot bezögen, obwohl die Verfügung vom 8. Dezember 2001 erst am 12. Dezember 2001 wirksam geworden sei, und deshalb rechtswidrig seien, betrifft ihr Vortrag Verfügungen, die sie nicht zum Gegenstand ihrer Klage gemacht haben und über die in diesem Verfahren nicht zu befinden ist.
2. Die Verfügung stützt sich auf gültige Rechtsgrundlagen (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 VereinsG). Maßgeblich ist die Rechtslage bei Erlass der Verfügung am 12. Dezember 2001, nicht diejenige bei Abfassung und Unterzeichnung des Verfügungstextes. Mit dem Ersten Änderungsgesetz ist § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG aufgehoben worden, demzufolge Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen keine Vereine im Sinne des Gesetzes waren (sog. Religionsprivileg). Die daraus resultierende Gesetzeslage ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
a) Die Erstreckung der Verbotstatbestände nach dem Vereinsgesetz (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG) auf Religionsgemeinschaften - um eine solche handelt es sich beim Kläger - durch das Erste Änderungsgesetz ist jedenfalls insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als es um die Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen im folgenden Sinn geht. Ungeachtet möglicher Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Ableitung ist allgemein anerkannt, dass die Vereinigungsfreiheit der Religionsgemeinschaften gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV (vgl. BVerfGE 83, 341, 354 f.) grundsätzlich ihre Schranke in der Abwehr von Gefahren für die verfassungsmäßige Ordnung findet (vgl. Urteile vom 23. März 1971 - BVerwG 1 C 54.66 - BVerwGE 37, 344, 363 ff. und vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 11.96 - BVerwGE 105, 117, 121 f.; Pieroth/Kingreen, NVwZ 2001, 841, 845; Schmieder, VBlBW 2002, 146, 148; Michael, JZ 2002, 482, 485 f.; Groth, KritV 85 <2002>, 39; vgl. auch Poscher, KritV 85 <2002>, 298). Der schwerwiegende Eingriff des Verbots einer religiösen Vereinigung ist angesichts des Gewichts, das die Freiheit des religiösen Bekenntnisses in der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes hat, allerdings nur gerechtfertigt, wenn er bei der Abwägung der kollidierenden Verfassungsgüter nach dem Grundsatz eines schonenden Ausgleichs (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) unerlässlich ist (vgl. Urteil vom 23. März 1971, a.a.O., S. 365 f.). Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn sich die Vereinigung gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet. Denn der Staat darf eine systematische Beeinträchtigung oder Gefährdung dieser jeglicher Änderung entzogenen Grundsätze nicht hinnehmen. Dazu gehören neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde und dem von ihm umfassten Kernbereich der nachfolgenden Grundrechte die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie (vgl. BVerfGE 102, 370, 392). Unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus Religionsgemeinschaften verboten werden können, bedarf hier keiner Klärung.
b) Die Anwendung des Vereinsgesetzes auf Religionsgemeinschaften begegnet auch sonst keinen durchgreifenden Bedenken.
aa) Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, im Hinblick auf die Bedeutung der religiösen Vereinigungsfreiheit auch für die individuelle Glaubensbetätigung besondere Vorkehrungen für ein Wiederaufleben des verbotenen Vereins - etwa durch eine Befristung des Verbots - zu treffen (vgl. Schmieder, VBlBW 2002, 146, 151). Mit dem Vereinsverbot wird der Verein aufgelöst; er erlischt mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsanordnung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 und 3 VereinsG). Die betroffenen Vereinsmitglieder können sich jederzeit zu einer neuen Vereinigung zusammenschließen, sofern diese die verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins nicht weiterverfolgt (§ 8 Abs. 1 VereinsG). Dies gilt auch für die gemeinschaftliche Religionsausübung in Gestalt eines Vereins (§ 2 Abs. 1 VereinsG). Aus welchen Gründen die allgemeinen Regelungen für die Entfaltung der Religionsfreiheit nicht ausreichen sollten, ist nicht ersichtlich.
bb) Der Umstand, dass Vermögensgegenstände oder Rechtsbeziehungen von Religionsgemeinschaften besonderen glaubensbedingten Bestimmungen oder Bindungen, die vom Staat zu respektieren sind, unterliegen können, steht einem Verbot nicht grundsätzlich entgegen. Derartigen Gegebenheiten kann und muss, soweit nötig, bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse im Einziehungsverfahren Rechnung getragen werden (§ 11 Abs. 2 Satz 4 VereinsG).
cc) Das Verbot eines Ausländervereins, der eine Religionsgemeinschaft ist, verstößt nicht etwa deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil von Deutschen gebildete Religionsgemeinschaften nicht verboten werden könnten. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird (Michael, JZ 2002, 482, 488), der für das Verbot von Deutschen gebildeter Religionsgemeinschaften allein in Betracht kommende § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG sei auf Religionsgemeinschaften nicht anwendbar, weil bei solchen Vereinigungen für die von dieser Bestimmung vorausgesetzten Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 GG kein Raum sei, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Gleichheitsverstoßes zu Lasten von Ausländervereinen.
Nach Art. 9 Abs. 2 GG s i n d Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Dem entspricht die Ausgestaltung des Vereinsverbots im Vereinsgesetz. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein, der kein Ausländerverein ist, erst dann als verboten (Art. 9 Abs. 2 GG) behandelt werden, wenn das Vorliegen eines Verbotsgrundes durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen. Das Verbot besteht aus der Feststellung und der Auflösungsanordnung, enthält aber selbst keinen Verbotsausspruch. Da Art. 9 GG nur für Deutsche gilt, bestimmt § 14 Abs. 1 VereinsG, dass Ausländervereine unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen verboten werden können. Der Gesetzgeber ist bei der Streichung des sog. Religionsprivilegs davon ausgegangen, dass Art. 9 Abs. 2 GG auch für Religionsgemeinschaften gilt. Ferner ist den Materialien eindeutig sein Wille zu entnehmen, Religionsgemeinschaften unabhängig von der Staatsangehörigkeit ihrer Leiter oder Mitglieder den Bestimmungen des Vereinsgesetzes zu unterstellen (BTDrucks 14/7026 S. 6; ferner BTDrucks 14/7386 <neu> S. 50). Von seinem verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt her hatte der Gesetzgeber keinen Anlass, die Unterschiede in der rechtlichen Konstruktion des Vereinsverbots nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG und desjenigen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG für Religionsgemeinschaften zu überdenken. Sollten allerdings die Schranken der religiösen Vereinigungsfreiheit nicht aus Art. 9 Abs. 2 GG unmittelbar oder wenigstens in entsprechender Anwendung folgen, sondern der Verfassung anderweit immanent sein, bedürfte das Verbot einer von Deutschen gebildeten Religionsgemeinschaft einer gesetzlichen Ermächtigung nach Art des § 14 Abs. 1 VereinsG. Eine solche Verbotsmöglichkeit enthält das Vereinsgesetz zwar nicht ausdrücklich, so dass sich die eingangs aufgeworfene Frage einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Träger der religiösen Vereinigungsfreiheit stellt. Nach den erwähnten Vorstellungen des Gesetzgebers würde das Fehlen dieser Verbotsmöglichkeit aber eine unbeabsichtigte, planwidrige Lücke darstellen. Diese könnte und müsste im Wege einer analogen Anwendung der § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, soweit dieser das Verbot von Religionsgemeinschaften zulässt, geschlossen werden.
Die Verfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ist durch drei Elemente gekennzeichnet. Zunächst wird durch die genannte Vorschrift den Verbotsbehörden die Aufgabe zugewiesen, die bereits kraft Verfassungsrechts bestehenden Schranken der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 2 GG) im Hinblick auf den Einzelfall (konkretisierend) nachzuvollziehen. Sodann darf ein Verein erst nach Ergehen der Verfügung als verboten behandelt werden. Schließlich ist notwendiger Bestandteil der Verfügung die Anordnung der Auflösung des Vereins. Im praktischen Ergebnis unterscheidet sich eine Verfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG so gut wie nicht von einer Verbotsverfügung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Alles dies eröffnet die Möglichkeit, dem Vereinsgesetz nötigenfalls die Ermächtigung zum Verbot auch einer von Deutschen gebildeten Religionsgemeinschaft zu entnehmen. Insbesondere deckt sich der den Verbotsbehörden durch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG zugewiesene Konkretisierungsauftrag mit der Aufgabe, die bei der Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der religiösen Vereinigungsfreiheit im dargestellten Sinn zu erfüllen ist. Zudem enthält die Verfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG wesentliche Merkmale einer "echten" Verbotsverfügung (konstitutive Wirkung der Feststellung; Auflösungsanordnung), auch wenn sie mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art. 9 Abs. 2 GG nicht als solche ausgestaltet ist. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung der von Deutschen und der von Ausländern gebildeten Religionsgemeinschaften müssen die Verbotsbehörden gegebenenfalls den aufgezeigten Weg beschreiten.
Die hier vorliegenden Besonderheiten rechtfertigen es, die Befugnis für den schwerwiegenden Eingriff in Gestalt eines Vereinsverbots im Wege der Analogie zu begründen. Zum einen hat der Gesetzgeber erkennbar aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen, die er nach der vorliegenden Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 23. März 1971 und vom 26. Juni 1997, jeweils a.a.O.) für tragfähig ansehen durfte, davon abgesehen, zu überprüfen, ob sein Regelungsziel mit dem vorhandenen Normenbestand auch bei einem gewandelten Verfassungsverständnis verwirklicht werden kann. Zum andern geht es hier darum, eine offenkundig unbeabsichtigte und lediglich rechtskonstruktive Lücke der im Vereinsgesetz umfassend angelegten Befugnisse der Verbotsbehörden in enger Anlehnung an die gesetzliche Regelung zu schließen. In einem solchen Fall ist dem gesetzgeberischen Willen im Wege verfassungskonformer Auslegung Geltung zu verschaffen.
dd) Allerdings könnte sich eine Ungleichbehandlung dann ergeben, wenn, was bei einem Deutschenverein unzulässig ist (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), eine als Ausländerverein zu qualifizierende Religionsgemeinschaft als verboten behandelt wird, bevor eine Verbotsverfügung ergangen ist (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 VereinsG). Diesbezügliche Probleme berühren indes nicht die rechtlichen Grundlagen von Verbotsverfügungen, sondern stellen sich allenfalls bei der rechtlichen Beurteilung des jeweiligen Verwaltungshandelns.
ee) Ein Verbot von Religionsgemeinschaften, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, auf der Grundlage der Vorschriften des Vereinsgesetzes steht nicht im Widerspruch zur Gewährleistung der Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK. Nach Art. 9 Abs. 2 EMRK darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein Vereinsverbot unter den genannten Voraussetzungen zu den in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen Maßnahmen zumindest im Interesse der öffentlichen Ordnung, nämlich der demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung selbst, gehört (vgl. zu Art. 11 Abs. 2 EMRK Urteil vom 25. Januar 1978 - BVerwG 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 <183>; ferner etwa Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30, S. 16).
Entsprechendes gilt für Art. 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.
c) Soweit die Kläger sich auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation berufen, verkennen sie, dass das Assoziationsrecht, das durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl II 1964, 509) begründet worden ist, keine Bestimmungen über die religiöse Vereinigungsfreiheit enthält und auch nicht durch Bezugnahmen auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften vermittelt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die angefochtene Verfügung, worauf der klägerische Vortrag abzielt, eine Diskriminierung türkischer Staatsangehöriger darstellen könnte.
d) Das Erste Änderungsgesetz unterliegt ferner keinen Bedenken unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten.
aa) Entgegen der Ansicht der Kläger entfaltet das Erste Änderungsgesetz keine Rückwirkung. Es regelt weder in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte neu (sog. echte Rückwirkung) noch knüpft es mit seinen Regelungen an Sachverhalte an, die in der Vergangenheit begründet worden sind und noch fortdauern (sog. unechte Rückwirkung). Der Wegfall des so genannten Religionsprivilegs hat bewirkt, dass die Verbotsbehörden seit dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Ersten Änderungsgesetzes Maßnahmen nach dem Vereinsgesetz auch gegenüber Religionsgemeinschaften treffen können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Dies gilt auch für die hier entscheidende Frage, ob sich die Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Zu deren Beurteilung können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind. Dies wirft keine Fragen auf, die mit der Zulässigkeit rückwirkender Gesetzgebung in Zusammenhang gebracht werden können.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen, die angefochtene Verfügung sei auf Umstände gestützt, die bis zum In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung hinzunehmen gewesen seien; auch im Hinblick auf die Bedeutung der Freiheit des religiösen Bekenntnisses unterliege die Verwertung früherer Tatsachen zur Begründung der angefochtenen Verfügung dem Rückwirkungsverbot; zumindest sei der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, den betroffenen Religionsgemeinschaften in geeigneter Weise - etwa durch einen Zeitraum zwischen Verkündung und In-Kraft-Treten des Gesetzes - Gelegenheit zu geben, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Der damit angesprochene Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes findet nur Anwendung, wenn eine Regelung dazu geeignet ist, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen (vgl. BVerfGE 13, 39, 45 f.; 30, 367, 389; 75, 246, 280 <"Vertrauensinvestition">). Es ist bereits nicht erkennbar, inwiefern das so genannte Religionsprivileg eine derartige Regelung darstellen könnte. Vor allem aber kann allenfalls ein schutzwürdiges Vertrauen verfassungsrechtliche Bedeutung haben (vgl. BVerfGE 32, 111, 123; 63, 343, 364 f.). Entscheidungen und Dispositionen, die in Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen getroffen werden, sind nicht schutzwürdig. Der Umstand, dass das Vereinsgesetz ein Verbot von Religionsgemeinschaften nicht vorsah, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, Betätigungen fortzuführen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Im Übrigen würde sich bei einer Abwägung etwaiger Positionen, für die eine Religionsgemeinschaft, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, Vertrauensschutz beanspruchen könnte, mit dem Anliegen des Schutzes der Verfassung Letzteres durchsetzen.
bb) Rechtsstaatliche Bedenken gegen das Erste Änderungsgesetz lassen sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht daraus herleiten, dass im Gesetzgebungsverfahren auf den "Kalifatsstaat" und fundamentalistisch-islamistische Vereinigungen Bezug genommen wurde (vgl. BT, Sten.Ber., 14. WP S. 19542 ff.). Da hier kein Gesetz in Rede steht, durch das ein Grundrecht auf der Grundlage einer im Grundgesetz vorgesehenen Grundrechtsschranke eingeschränkt wird, ist das Erste Änderungsgesetz nicht an Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG zu messen. Es ist aber auch nicht erkennbar, worin ein im Hinblick auf allgemeine Aspekte der Einzelfallgesetzgebung denkbarer Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 25, 371, 398; 99, 367, 400; s. auch BVerfGE 10, 234, 244 f. <"getarntes Individualgesetz">) liegen könnte. Das Gesetz ist generell-abstrakt gefasst. Die Begründung des Gesetzentwurfs bezieht sich zudem nicht nur auf fundamentalistisch-islamistische Vereinigungen, sondern auch auf "Vereinigungen mit Gewinnerzielungsabsicht oder politischen Zielen, die für sich den Status einer religiösen bzw. weltanschaulichen Vereinigung reklamieren" sowie auf Weltuntergangssekten (vgl. BTDrucks 14/7026 S. 6). Selbst wenn der Fall der Kläger den ausschlaggebenden Anlass für das Erste Änderungsgesetz gegeben haben sollte, wäre dies verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. zum Begriff des "Maßnahmegesetzes" BVerfGE 10, 89, 108; 25, 1, 14).
3. Der Kläger richtet sich gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung und erfüllt deshalb die Voraussetzungen für ein Verbot gemäß § 14 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Ob weitere Verbotsgründe vorliegen, bedarf keiner Entscheidung.
a) Der Kläger lehnt die Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ab. Grundlage der staatlichen Herrschaftsordnung ist seiner Ansicht nach nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern ausschließlich der Wille Allahs. Maß aller Dinge ist der Koran. Außerhalb der islamischen Religion kann es keinen Staat geben. Der "Kalifatsstaat" versteht sich in diesem Sinn als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt. Das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland wird folglich nicht anerkannt. Muslime dürfen nach Ansicht des "Kalifatsstaats" im Konfliktfall demokratische Gesetze nicht anerkennen und befolgen.
Die Mitglieder des "Kalifatsstaats" bekennen sich offen zu einer antidemokratischen Haltung. Der Kläger ist den diesbezüglichen Ausführungen und Belegen in der Verfügung (S. 21 bis 27) nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt, dass diese Haltung zu den unverzichtbaren Glaubensgrundlagen des "Kalifatsstaats" gehört (vgl. bereits Schriftsatz vom 9. Januar 2002 S. 21 f.).
Ebenso wenig hat der Kläger die in der Verfügung getroffenen Feststellungen zum Selbstverständnis des "Kalifatsstaats", das mit der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, insbesondere mit dem demokratisch fundierten staatlichen Gewaltmonopol unvereinbar ist, grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. Verfügung S. 8 ff., 27 bis 30 sowie S. 41 bis 47). Diese Feststellungen stimmen mit denjenigen des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Urteil vom 15. November 2000 - VI 11/99 - (Beweismittel Nr. 153 S. 67 ff.) überein. Der erkennende Senat hält diese Feststellungen auf der Grundlage der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände für zutreffend.
Das Selbstverständnis des Klägers als eines Staats mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen führt - anders als bei vielen Religionen, die die Autorität staatlicher Gesetze für sich grundsätzlich anerkennen, gleichwohl aber einen Vorbehalt zu Gunsten ihres Gewissens und ihrer aus dem Glauben begründeten Entscheidungen erheben und letztlich darauf bestehen, dass im unausweichlichen Konfliktsfall den Glaubensgeboten mehr zu gehorchen ist als den Geboten des Rechts (vgl. BVerfGE 102, 370, 391) - zu einer grundsätzlichen Ablehnung der Autorität staatlicher Gesetze. Der Kläger legitimiert auf diese Weise, dass sich seine Mitglieder über die deutschen Gesetze hinwegsetzen (vgl. die auf S. 28 der Verfügung wiedergegebene Äußerung eines Zeugen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, die auch bei Berücksichtigung der von den Klägern vorgetragenen Relativierungen nicht ohne Bedeutung ist) und die Vorstellungen des "Kalifatsstaats" mit Gewalt, nötigenfalls auch im Widerstand zur deutschen Staatsgewalt durchsetzen. Der vom Kläger vorgelegten Aussage des Zeugen C. zu den Äußerungen des Herrn Metin Kaplan auf dem Neujahrstreffen 1419 am 3. Mai 1998 (Beweismittel Nr. 145 Bl. 3, 26 bis 29, 32) ist die Bereitschaft der Anhänger des "Kalifatsstaats" zu entnehmen, gewalttätig zu reagieren, wenn ihnen Gewalt angetan wird; als ein solcher Fall wird die Verletzung ihrer Heiligtümer angesehen, die etwa darin bestanden habe, dass Durchsuchungsbeamte eine Moschee mit Schuhen und Hunden betreten hätten (vgl. Vernehmungsprotokoll vom 1. und 8. September 1998, S. 6/7 und 13 <Bl. 73 f. und 82 d.A.>). Auch wenn dieser - hier nicht zu bewertende - Vorfall die Mitglieder stark erregt hat, wird dadurch die Tragweite der Aussage nicht in Frage gestellt. Das vom Oberlandesgericht Düsseldorf abgeurteilte Tatgeschehen belegt den Anspruch des Klägers auf nach seinen Vorstellungen legitime Gewaltanwendung (vgl. Urteil vom 15. November 2000, a.a.O., S. 85 ff.). Die Angeklagten Kaplan und Gökbulut waren bereit und in der Lage, Mitglieder des "Kalifatsstaats" unter Einsatz religiös-rechtlicher Autorität und unter Schaffung aufhetzender Begleitumstände gezielt zur Gewaltanwendung aufzurufen. Der "Kalif" Metin Kaplan nahm für sich in Anspruch, die Ermordung des "falschen Kalifen" Halil Ibrahim Sofu als dem Willen Allahs entsprechend und damit religiös geboten zu legitimieren, und setzte diesen Anspruch in einer Weise um, die mit den Grundsätzen des Rechtsstaats schlechthin unvereinbar ist. In das dadurch vermittelte Bild fügt sich das Bestehen einer Gerichtsinstanz ebenso ein wie die Anordnungen des "Kalifatsstaats", mit denen das Leben seiner Anhänger bestimmt und kontrolliert werden sollten (Verfügung S. 27 bis 30). Für sich genommen mögen, wie der Kläger vorträgt, diese Erscheinungen unverfänglich und bei anderen Vereinigungen in ähnlicher Form (Verbandsgerichtsbarkeit; vereinsinterne Verhaltensregeln) zu beobachten sein. Gleichwohl verstärken sie den dargestellten Eindruck, ohne dass es darauf ankäme, ob sie in ihrer konkreten Ausprägung nicht entgegen dem klägerischen Vortrag doch über die im zivilen Vereinsleben üblichen Formen der Ausübung der Verbandsgewalt hinausgehen.
Aus diesen Feststellungen folgt zugleich, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland richtet, indem er das Ziel, sie zu untergraben, in kämpferisch-aggressiver Weise verfolgt. Er stellt nicht lediglich seine Vorstellungen eines islamischen Staats der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes kritisch oder ablehnend entgegen, sondern bekämpft sie aktiv. Zwar soll der "Kalifatsstaat", worauf der Kläger in diesem Verfahren mehrfach überzeugend hingewiesen hat, in erster Linie in der Türkei und in Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung erkämpft werden. Richtig erscheint auch der weitere Hinweis darauf, dass das ideologische Endziel der weltweiten Herrschaft des "Kalifatsstaats" in absehbarer Zeit nicht erreichbar ist. Die Frage, inwiefern derartige, auf den voraussichtlichen Erfolg der Vereinstätigkeit bezogene Einwände für die Beurteilung eines Vereinsverbots erheblich sind (vgl. dazu Urteil vom 13. April 1999, a.a.O., S. 15 m.w.N.), kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn der Kampf des "Kalifatsstaats" berührt auch die Bundesrepublik Deutschland, und zwar nicht nur virtuell, sondern aktuell.
Der Herrschaftsanspruch des "Kalifatsstaats" tritt zwangsläufig in Konflikt mit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger bestreitet deren Legitimität und setzt eine eigene Ordnung an deren Stelle. In diesem Sinne schult und indoktriniert der Kläger unbestrittenermaßen fortlaufend seine Mitglieder und schafft damit Verfassungsfeinde (vgl. grundsätzlich Urteil vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218, 221). Ist die Demokratie, wie vom Kläger propagiert wird, eine Krankheit und Teufelswerk, ist sie nach dem Selbstverständnis des Klägers von den auf ihr Heil bedachten Anhängern des "Kalifatsstaats" überall zu bekämpfen. Auch wenn die im Beweismittel Nr. 140 enthaltene Aussage "2. Es ist eine kanonische Pflicht, gegen die Ungläubigen den Jihad zu führen. Diese Pflicht besteht auch dann, selbst wenn nicht die Ungläubigen es sind, die den Krieg begonnen haben." nicht im Sinne einer aktuellen Aufforderung zu Kampfhandlungen zu verstehen sein mag, enthält sie doch einen Grundauftrag in der genannten Richtung. Weiter liegt es in der Konsequenz des Herrschaftsanspruchs des "Kalifatsstaats" als einzig legitimen "Staats", dass sich der Kläger zur Ausübung von Gewalt gegenüber Mitgliedern und Abweichlern und im Konfliktfall auch gegenüber den deutschen Staatsorganen für legitimiert ansieht. Die Mitglieder des "Kalifatsstaats" müssen sich dadurch zu entsprechenden Gewalthandlungen für ermächtigt halten. Der Kläger richtet sich damit - unabhängig von der Frage, in welchem Ausmaß die innere Sicherheit durch seine Tätigkeit bedroht ist - gegen die Grundlagen der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung.
Wie die zuvor dargestellten Vorgänge und Äußerungen belegen, ist der Anspruch des Klägers auf legitime Gewaltanwendung auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur theoretischer Natur, sondern sogar bereits verwirklicht worden. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass der aufgezeigte Konflikt zwischen dem "Kalifatsstaat" und der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes von Seiten des "Kalifatsstaats" zwischenzeitlich in einer Weise gelöst worden sei oder noch gelöst werden könnte, die ein Vereinsverbot entbehrlich machen würde. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass sich der Konflikt aktualisiert und manifestiert. Mit der Erklärung, die Auseinandersetzung mit dem "falschen Kalifen" Sofu habe leider eine "sehr emotionsgeprägte Seite" angenommen und Metin Kaplan bedauere die Ermordung Sofus und würde nicht erneut, wie geschehen, vorgehen, können die Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Einbettung dieser Auseinandersetzung in das Selbstverständnis des "Kalifatsstaats" und zur planmäßigen Überleitung der verbalen Attacken in die Aufforderung zur Gewaltanwendung, die der erkennende Senat für überzeugend hält, nicht entkräftet werden. Ferner lässt sich daraus, dass weitere Gewaltakte nicht bekannt geworden sind, nicht auf einen grundlegenden Wandel in der Haltung des Klägers schließen. Aus den politischen Verhältnissen in der Türkei kann der Kläger nichts für sich herleiten. Der Vortrag, der Kläger habe seine - nicht selbst verursachte - Isolierung durchbrochen, was die Durchführung einer Pressekonferenz (Pressemitteilung in "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 15. November 2001) zeige, geht ebenfalls nicht auf den Kern der verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Klägers ein. Schließlich wird die Virulenz der antidemokratischen und antirechtsstaatlichen Haltung des Klägers nicht dadurch abgeschwächt, dass er sie in den Gesamtzusammenhang seiner Lehren und Auffassungen stellt und damit zu relativieren versucht.
b) Zur aggressiv-kämpferischen Haltung des Klägers gegenüber Demokratie und Rechtsstaat tritt hinzu, dass der Kläger die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte nicht achtet, sondern in schwerwiegender und die Menschenwürde verletzender Weise missachtet. Offen bleiben kann, ob sich dies, wie die Beklagte meint, aus den Anweisungen des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern herleiten lässt (vgl. Verfügung S. 28 bis 30). Jedenfalls sind die dem Kläger zuzurechnenden Äußerungen in der verbandseigenen Zeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" über Juden und führende Politiker der Türkei von Ausdrücken geprägt, die - auch unter Berücksichtigung des von ihm vorgetragenen Zusammenhangs mit der politischen Auseinandersetzung - nicht mehr als bloße Rhetorik verstanden werden können, sondern eine menschenverachtende Intoleranz zum Ausdruck bringen (vgl. im Einzelnen die vom Kläger nicht bestrittenen, auf S. 30 bis 38 der Verfügung zitierten Äußerungen). Die Diffamierungen sind stets mehr oder weniger deutlich mit der Aufforderung verbunden, die Diffamierten zu bekämpfen. Dies ist mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Würde des Menschen unvereinbar (vgl. Urteil vom 23. März 1971, a.a.O., S. 360).
4. Das Verbot des Klägers entspricht den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und lässt Ermessensfehler nicht erkennen.
Eine Religionsgemeinschaft darf, wie erwähnt, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur verboten werden, wenn dies zum Schutz der Verfassungsgüter, gegen die sie sich richtet, unerlässlich ist. Insbesondere darf sich die verfassungsfeindliche Tätigkeit nicht mit milderen Mitteln unterbinden lassen. Danach ist ein Verbot beispielsweise dann gerechtfertigt, wenn die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einen wesentlichen, unabtrennbaren Teil des Gedankenguts der verbotenen Religionsgemeinschaft darstellen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Verteufelung der Demokratie und die rechtsstaatswidrige Anmaßung legitimer Gewaltausübung gehören wesentlich zum Selbstverständnis des Klägers. Sein Verbot ist zum Schutz der Verfassung unerlässlich.
Die Beklagte hat darüber hinaus in ihre Abwägung eingestellt, dass weder Strafverfahren gegen Führer und Mitglieder des Klägers noch behördliche Verbote politischer Betätigung zur Eindämmung seiner Aktivitäten geführt haben. Ferner hat sie zutreffend ausgeführt, dass die verfassungsmäßige Ordnung durch die Zielsetzung und die Organisation des "Kalifatsstaats" als solchen und nicht durch bestimmte Tätigkeiten oder das Verhalten einzelner Funktionäre gefährdet wird (Verfügung S. 55 f.). Auf die Dauer seines Bestehens kommt es daneben nicht an. Diese Erwägungen weisen keine Abwägungs- oder Ermessensfehler auf.
5. Die Beklagte hat die Klägerin zutreffend als ausländischen Verein mit einer Teilorganisation in der Bundesrepublik Deutschland angesehen (§ 15 Abs. 1, § 18 VereinsG), die im Wesentlichen als Vermögensverwalterin des Klägers fungiert und mit diesem personell eng verflochten ist. Sie fördert dessen Aktivitäten unmittelbar und ausschließlich und verfolgt dessen Ziele. Die Klägerin ist den Feststellungen in der Verfügung (S. 50 bis 55) nicht entgegengetreten. Der erkennende Senat hält diese Ausführungen für überzeugend und nimmt auf sie gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug.
6. Die Kläger machen, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, nicht geltend, dass ihnen in der Verfügung zugeordnete Vereine keine Teilorganisationen sind. Da eine Rechtsverletzung, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO insoweit zur Aufhebung der Verfügung führen könnte, nicht in Betracht kommt, besteht kein Anlass für eine entsprechende Aufklärung und Entscheidung durch den Senat. Sollte der 1. Senat früher von einem weitergehenden Prüfprogramm ausgegangen sein (vgl. Urteil vom 25. Januar 1978, a.a.O., S. 186), hält der nunmehr zuständige erkennende Senat daran nicht fest.
7. Die Nebenentscheidungen der Verfügung sind rechtmäßig. Dies gilt auch für die Beschlagnahme und die Einziehung des Vereinsvermögens (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Die Kläger machen sinngemäß geltend, das Vermögen sei von Muslimen im Vertrauen darauf aufgebracht worden, dass der Kläger seine Aktivitäten habe entfalten können, ohne mit einem Verbot rechnen zu müssen, und daraus folge, wenn dieses unter Rückwirkungsgesichtspunkten überhaupt zulässig sein sollte, zumindest, dass das Vermögen im Fall eines rechtskräftigen Verbots in Not geratenen Muslimen zur Verfügung gestellt werden müsse. Dieses Vorbringen betrifft nicht die Anordnung der Beschlagnahme und der Einziehung, sondern ist allenfalls bei deren Durchführung - etwa in den oben 2. b) bb) erwähnten Fällen nach § 11 Abs. 2 Satz 4 VereinsG oder im Rahmen der Verwendung gemäß § 13 Abs. 4 VereinsG - zu berücksichtigen.
8. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO.

Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 6 A 9.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U6A9.02.0

Urteil

BVerwG 6 A 9.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung am 27. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die genannten Organisationen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des "Kalifatsstaats" und die Bildung von Ersatzorganisationen verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2002 erstreckte das Bundesministerium des Innern die Verfügung vom 8. Dezember 2001 auf den Kläger als Teilorganisation des "Kalifatsstaats". Zur Begründung wurde ausgeführt, das in der Moschee in B., der Zentrale des "Kalifatsstaats" in Köln, der Moschee in S. (Bezirkszentrale des "Kalifatsstaats" für N.) und den Räumen der Vereinsfunktionäre E. und Y. sichergestellte Material belege die organisatorischen und finanziellen Verflechtungen des Klägers mit dem "Kalifatsstaat" und der Stiftung "Stichting Dienaar aan Islam".
Der Kläger tritt mit seiner Klage der Einbeziehung in die Verbotsverfügung entgegen und stellt in Abrede, eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 13. Mai 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Klagevortrag entgegen und trägt ergänzende Erkenntnisse vor.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

II


Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung findet in § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG, der auf Deutschenvereine ebenso wie für Ausländervereine gilt, erstreckt sich das Verbot eines Vereins grundsätzlich auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
a) Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f. = NVwZ 1998, 174).
Auch Religionsgemeinschaften, die seit In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3319) am 8. Dezember 2001 dem Vereinsgesetz unterfallen, können Teilorganisationen aufweisen. Der Zweck eines Vereins und seine geistigen Grundlagen - die gemeinsamen Überzeugungen seiner Mitglieder - sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG nicht unmittelbar von Bedeutung. Allerdings können sich Menschen gemeinsamen Glaubens oder religiösen Bekenntnisses - eher als etwa Vereinigungen mit vergleichbar umfassender Zielsetzung wie etwa politische Parteien - in Gemeinden zusammenfinden, die gegenüber einer gemeinsamen übergemeindlichen Organisation ein gewisses Maß an Autonomie aufweisen. Daher wird bei Religionsgemeinschaften der tatsächlichen Frage besonderes Augenmerk zu widmen sein, ob die Gesamtorganisation als bloßer Dachverband anzusehen ist, dem die Mitgliedsorganisationen mehr oder weniger locker angeschlossen sind (vgl. näher dazu Beschluss vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18, S. 17), oder ob ein Gesamtverband vorliegt, dem die Gemeinden als Teilorganisationen eingegliedert sind. Letzteres setzt voraus, dass über die geistliche Führung durch eine übergemeindliche Institution hinaus eine hierarchische Verbandsstruktur mit einer Organisation vorliegt, die der Umsetzung der Entscheidungen des Zentralverbandes auf der Ebene der Gemeinden dient.
b) Teilorganisationen werden aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 1994, a.a.O., S. 14, 17 sowie Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.). Dies ist auch in dem Fall verfassungsrechtlich unbedenklich, in dem es sich bei der Teilorganisation um eine Religionsgemeinschaft handelt, die die religiöse Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV für sich beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 83, 341, 354 f.). Erweist sich das Verbot des Gesamtvereins, bei dem es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, wie hier auch mit Blick auf die religiöse Vereinigungsfreiheit als gerechtfertigt, gilt für die entsprechende Teilorganisation nichts anderes.
Der Erwägung, die Beklagte hätte den Muslimgemeinden, die sie als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" ansieht, die Möglichkeit geben müssen, sich von diesem zu distanzieren, ist nicht zu folgen. Weder war der Gesetzgeber gehalten, insoweit Übergangsregelungen zu schaffen, noch bestand Anlass zu einer entsprechenden Gestaltung des Verwaltungsverfahrens. Hat nämlich eine Muslimgemeinde die Möglichkeit, sich jederzeit von der Zentrale des "Kalifatsstaats" abzukoppeln und ohne Verlust ihrer Identität selbständig fortzubestehen, ist sie keine Teilorganisation im dargestellten Sinn. Ist hingegen die Muslimgemeinde in der Weise in den "Kalifatsstaat" eingegliedert, wie es für eine Teilorganisation zu fordern ist, fehlt es an einer solchen Möglichkeit. Die so genannte Distanzierung wäre in diesem Fall in Wahrheit die (verdeckte) Neugründung einer anderen Vereinigung unter Aufgabe der bisherigen Identität.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen, die Aktivitäten des "Kalifatsstaats" seien in der Vergangenheit nicht verboten gewesen und deshalb könnten Muslimgemeinden, die sich ihm in gutem Glauben angeschlossen oder Vorteile aus dem Kontakt mit ihm gezogen hätten, nicht abrupt in dessen Verbot einbezogen werden. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - ausgeführt hat, konnte der "Kalifatsstaat" verfassungsrechtlich keine "Anpassungsfrist" beanspruchen. Gleiches gilt für seine Teilorganisationen. Denn diese teilen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins, dem sie angehören.
2. Für die rechtliche Beurteilung ohne Belang ist, ob die Mehrheit der Mitglieder des Klägers - wie er vorträgt - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Auch wenn § 14 Abs. 1 VereinsG auf den Kläger aus diesem Grunde keine Anwendung finden sollte, ändert dies nichts daran, dass er als Teilorganisation des "Kalifatsstaats" von dessen Verbot erfasst sein kann. Dies folgt bereits daraus, dass dieser Verbotsvoraussetzungen erfüllt, die auch für von Deutschen gebildete Vereine gelten (vgl. im Einzelnen Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 -).
3. Der Kläger ist eine Teilorganisation des mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 verbotenen "Kalifatsstaats". Darauf weisen zur Überzeugung des erkennenden Senats die vorliegenden Tatsachen hin. Die schriftsätzlichen Äußerungen sowie die Erörterung mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung haben sie nicht entkräftet.
a) Der "Kalifatsstaat" versteht sich als Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen. Die Organisationsstrukturen sind denen eines Staates vergleichbar. Neben einer Stabsorganisation, die der Zentrale zugeordnet ist, besteht eine Gliederung nach Gebieten ("Bölge"), denen die Gemeinden angehören und die von "Gebietsemiren" geleitet werden. Die Gesamtorganisation ist hierarchisch aufgebaut und darauf ausgerichtet, den - allein maßgeblichen - Willen des Kalifen durchzusetzen. Auf die unbestrittene Darstellung der Verbandsstrukturen in der Verfügung vom 8. Dezember 2001 (S. 8 ff.) wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Selbstverständnis des "Kalifatsstaats" als eines real existierenden Staatswesens und der Absolutheitsanspruch der von ihm propagierten Lehren schließen es konsequenterweise praktisch aus, dass eine Muslimgemeinde, die in den Verband des "Kalifatsstaats" aufgenommen ist, eine andere Stellung als die einer Teilorganisation innehat.
b) Es bestehen Hinweise darauf, dass der "Kalifatsstaat" die Moschee des Klägers als ihm zugehörig angesehen hat. Er hat sie zunächst, wie die Beklagte in diesem Verfahren unwidersprochen vorgetragen hat, in seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einbezogen. Ferner wird in einer Einkaufsliste des Lebensmittelvertriebs "KAR-BIR" des "Kalifatsstaats" unter der Leiste "Kar-Bir - N. Bölgesi - ..." u.a. "B." erwähnt, allerdings mit unbekannter Telefonnummer. In einer bei dem "Gebietsemir" der "Bölge N." des "Kalifatsstaats" aufgefundenen Adressenliste "Hilafet Devleti H. Bölge Emirligi" ist ein Islamischer Gebetsraum, K.straße 28 in B. verzeichnet; der aufgeführte "M. Y." könnte mit der unter Nr. 44 der vom Kläger vorgelegten Mitgliederliste genannten Person identisch sein, was auch die Abweichung der angegebenen Telefonnummer von der des Klägers erklären könnte. Vom selben Fundort stammt eine Liste des Bezirks H. über Beiträge der Gemeinden für das vom "Kalifatsstaat" veranstaltete "HAKK-TV", in der u.a. B. aufgezählt ist.
Dem gemeinsamen Kern dieser Hinweise, dass der "Kalifatsstaat" den Kläger als örtliche Gliederung seiner Organisation angesehen hat, ist der Kläger nicht entgegengetreten.
c) Die folgenden Umstände weisen darauf hin, dass sich der Kläger auch selbst als Teil des "Kalifatsstaats" verstanden hat.
Der Kläger hat den Stempel "..., Stichting Dinaar aan Islam, Zweigstelle B., K.straße 28, B." verwendet, und zwar auf einem an das Kultusministerium N. adressierten Briefumschlag sowie auf einem Schreiben an die Ausländerbehörde der Stadt S. und auf einer Heiratsurkunde, die zudem diese Bezeichnung auch in der Kopfleiste zeigt. Die Einladung zu einer Frauenkonferenz am 16. September 2001 in die ... Moschee, K.straße 28, B., ist unterzeichnet mit "Hilafet Derleti (Kalifatsstaat), ... Moschee, Verwaltungskommission".
Der Vortrag des Klägers, die Verwendung des Namens der Stiftung sei darauf zurückzuführen, dass diese Miteigentümerin des Moscheegrundstücks gewesen sei, entkräftet die Bedeutung der Asservate als Hinweistatsachen nicht. Insbesondere folgt dies nicht etwa daraus, dass unter dem Namen der Stiftung und nicht des "Kalifatsstaats" gehandelt wurde. Denn auch die Heiratsurkunde weist als Urheber die Stiftung aus; es wurde mithin zwischen dem "Kalifatsstaat" und der Stiftung nicht unterschieden. Das Vorbringen, die Formulierung der Heiratsurkunde sei darauf zurückzuführen, dass der Kläger einen vom "Kalifatsstaat" zugewiesenen "Hoca" (muslimischen Geistlichen) hätte akzeptieren müssen, unterstreicht die Abhängigkeit des Klägers vom "Kalifatsstaat". Der Kläger räumt in der Sache auch ein, wegen der Eigentumsverhältnisse am Moscheegrundstück und der Entsendung des "Hocas" vom "Kalifatsstaat" abhängig gewesen zu sein, meint jedoch sinngemäß, dies könne ihm nicht vorgehalten werden. Die grundsätzliche Eignung der Asservate als Hinweise auf das Vorliegen einer Teilorganisation hat der Kläger somit nicht in Frage gestellt. Der Umstand, dass nach dem klägerischen Vortrag die erwähnte Frauenkonferenz nicht stattgefunden hat, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich.
d) Beim Kläger sichergestellte Schreiben der Zentrale des "Kalifatsstaats" deuten darauf hin, dass der Kläger deren Weisungen unterworfen war.
Ein Schreiben vom 14. Februar 2001 erläutert dem als Prediger und Vorbeter für die in B. ansässige ... Moschee bestimmten Hayrettin "Hoca" seine Aufgaben, die zu wesentlichen Teilen auf Ziele und Zwecke des "Kalifatsstaats" ausgerichtet sind; dieses Schreiben ist auch an die regionale Leitung und die Gemeindeleitung zur Kenntnisnahme verteilt worden. In einem Merkblatt sind in ähnlicher Weise die Themen, die die "Hocas", die den Moscheen und Gebetsstätten des Kalifatsstaats angehören, der Gemeinde unterbreiten sollen, aufgeführt. Ein Schreiben des "Kalifatsstaats" vom 20. Juni 2001 "Der Urlaub ist von einer Genehmigung abhängig!" enthält neben dem Genehmigungsvorbehalt Verhaltensanweisungen bezüglich der in Anatolien zu leistenden Propaganda.
Der Kläger räumt ein, dass der "Kalifatsstaat" seinen Hocas Anweisungen gegeben und versucht hat, über sie die Gläubigen entsprechend zu infiltrieren, meint aber, dies könne seinen Mitgliedern nicht vorgehalten werden. Zum Schreiben vom 20. Juni 2001 hat er sich nicht geäußert. Der Kläger stellt damit die Eigenschaft der Asservate als Hinweise auf eine Weisungsabhängigkeit des Klägers vom "Kalifatsstaat" nicht in Abrede.
d) Bei dem Kläger ist verschiedenes Schriftgut asserviert worden, das vom "Kalifatsstaat" stammt (22 Standardwerke, verfasst von Cemaleddin Kaplan und Metin Kaplan; eine Liste und Flugblätter, die die Medienangebote des "Kalifatstaats" betreffen; verschiedene Flugblätter und offene Briefe des "Kalifatsstaats"). Dies deutet auf enge Verbindung zum "Kalifatsstaat" hin.
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass die Verbandszeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" und "HAKK-TV" frei zugängliche Medien gewesen seien, aus denen sich die Mitglieder des Klägers informiert hätten. Zudem hätten diese Medien inhaltlich einen starken Bezug zum Glauben der Mitglieder des Klägers, der in Übereinstimmung mit dem "Kalifatsstaat" darauf gerichtet sei, das Staatsverwaltungssystem in muslimischen Ländern abzuschaffen. Die religiöse Parallele zur Vorstellungswelt des "Kalifatsstaats" belegt - darin ist dem Kläger zu folgen - zunächst nicht zugleich auch eine organisatorische Eingliederung. Das weitere Vorbringen weist indes in diese Richtung. Der Kläger hält der Beklagten nämlich vor, die Presseerklärung des "Kalifatsstaats" (abgedruckt in "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 15. November 2001) nicht zur Kenntnis genommen zu haben, derzufolge sich der "Kalifatsstaat" in der Verkündungsphase befinde. Ferner beruft sich der Kläger darauf, dass er sich nicht außerhalb des religiösen Bereichs bewegt habe, zu dem auch die Verteilung von Propagandamaterial gehöre. Diese Einlassung erscheint dem Senat nur dann verständlich, wenn der Kläger tatsächlich, wie die Beklagte annimmt, als Propagandastützpunkt des "Kalifatsstaats" fungiert hat.
e) Auf wirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen des Klägers mit dem "Kalifatsstaat" weist in erster Linie das Miteigentum der Stiftung am Moscheegrundstück hin. Der Kläger hat dazu zwar einerseits vorgetragen, die Lasten im Wesentlichen selbst getragen zu haben. Andererseits hat er auf die tatsächliche Abhängigkeit hingewiesen, die sich aus dem Eigentum der Stiftung am Moscheegrundstück für ihn ergeben habe (Schriftsatz vom 18. November 2002 S. 3 oben). Hingegen besagt der Verkauf des Miteigentumsanteils am Moscheegrundstück des Klägers durch die Stiftung an ein Mitglied des Klägers am 9. Oktober 2001 und somit in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Grundstücksveräußerungen der Stiftung nicht ohne weiteres etwas über die Beziehungen der Vertragspartner. Dem Kauf von Lebensmitteln beim Lebensmittelvertrieb des "Kalifatsstaats" (KAR-BIR/HAKK-BIR), der auch einem religiösen Bedürfnis entsprochen hat, und der Abwicklung von Spenden über den "Kalifatsstaat" in dem hier belegten Umfang ist zwar für sich genommen kein großer Indizwert beizumessen, diese Umstände können aber zur Abrundung und Bestätigung des anderweit gewonnenen Gesamteindrucks beitragen. Entsprechendes gilt für die Listen über Mitgliedsbeiträge und Entgelte für den Bezug der Verbandszeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" und die Nutzung des Moscheegrundstücks. Nach dem bereits Gesagten musste den Mitgliedern des Klägers auf der anderen Seite immerhin klar sein, dass sie mit der Inanspruchnahme der Leistungen des "Kalifatsstaats" dessen ideologischen Anspruch unterstützten und ihn auch materiell förderten.
f) Die genannten Hinweistatsachen belegen bei Gesamtwürdigung aller Umstände, dass es sich beim Kläger um eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" handelt. Zwar sind personelle Verflechtungen mit der Zentrale nicht und wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen nur ansatzweise nachgewiesen. Dagegen sprechen die Äußerungen des Selbstverständnisses des Klägers und die korrespondierende Behandlung durch den "Kalifatsstaat" ebenso für eine Teilorganisation wie die beim Kläger gefundenen Propagandaschriften. Zudem ist auf den dargelegten Absolutheitsanspruch des "Kalifatsstaats" und seine durch den Vortrag des Klägers bestätigte hierarchische Struktur zu verweisen. Der Kläger hat seine Abhängigkeit vom "Kalifatsstaat" in verschiedener Hinsicht eingeräumt, ohne aber unmittelbare Hinweise darauf geben zu können, dass er gleichwohl nicht in dessen Organisation eingegliedert gewesen ist. Die vorliegenden Hinweistatsachen genügen nach Überzeugung des Senats zum Nachweis dessen, dass die Verbindungen des Klägers zum "Kalifatsstaat" Ausdruck seiner Integration in dessen Organisation sind. Zwischen dem "Kalifatsstaat" und dem Kläger bestehen nicht nur ideologische Parallelen mit der Folge, dass sie einander lediglich nahe stehen, vielmehr liegt ein Abhängigkeitsverhältnis vor, wie es Teilorganisationen kennzeichnet.
Die Behauptung des Klägers, seit der Verhaftung des "Kalifen" Metin Kaplan seien die bestehenden Verbindungen zum "Kalifatsstaat" gelöst worden, hat sich nicht bestätigt. Dies folgt bereits daraus, dass einige der erwähnten Belege aus dem Jahr 2001 stammen. Zudem ist kein Ereignis und keine Entwicklung sichtbar geworden, die für die Behauptung spräche. Selbst die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse am Moscheegrundstück ist - bereits nach dem Vortrag des Klägers - nicht auf seine Initiative erfolgt, sondern von der Stiftung betrieben worden.
3. Die angefochtene Verfügung weist auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Zu den Rügen des Klägers ist - ergänzend zu dem bereits Gesagten (oben 1.) - Folgendes zu bemerken:
a) Entgegen der Ansicht des Klägers hatte die Beklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gesondert mit Blick auf den Kläger zu beachten. Der Kläger macht geltend, dass der Einsatz milderer Mittel z.B. in Gestalt eines Betätigungsverbots ihm gegenüber (Verbot, Propagandamittel für den "Kalifatsstaat" zu verbreiten, o.ä.), gegenüber dem bei ihm tätigen, vom "Kalifatsstaat" entsandten "Hoca" oder gegenüber den ihn vertretenden Funktionären, auf die auch die Hausdurchsuchungen beschränkt gewesen seien, ausreichend gewesen wäre. Wie dargelegt, teilen Teilorganisationen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins. Aufgrund der Feststellung, dass der Kläger eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" ist, erübrigen sich daher die geltend gemachten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots gerade gegenüber dem Kläger. Die Ansicht des Klägers, mit dem Verbot und der Auflösung des "Kalifatsstaats" bestehe jedenfalls hinsichtlich des Klägers und seiner Mitglieder keine Besorgnis mehr, dass neben der Religionsausübung verfassungsfeindliche Tätigkeiten unternommen werden könnten, entspricht nicht der Grundentscheidung des Vereinsgesetzes, nach der das Vereinsverbot seinen Zweck nur erreicht, wenn es sich auf die Teilorganisationen des verbotenen Vereins erstreckt.
b) Der Vortrag des Klägers zur Reichweite der Informations- und Religionsfreiheit geht ebenfalls daran vorbei, dass in diesem Verfahren auch vor dem Hintergrund, dass es sich beim Kläger um einen Zusammenschluss von Gläubigen zur gemeinschaftlichen Religionsausübung handelt, nur zu untersuchen und zu entscheiden ist, ob der Kläger eine Teilorganisation des verbotenen "Kalifatsstaats" darstellt. Im Übrigen wird auf die Darlegungen im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - verwiesen.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.