Pressemitteilung Nr. 17/2001 vom 02.05.2001

Einbürgerung der Nachkommen Danziger Juden

Der 1965 geborene Kläger und seine Tochter, die beide israelische Staatsangehörige sind und in Israel leben, erstreben ihre Einbürgerung. Der Vater und der Großvater des Klägers waren Danziger Staatsangehörige deutscher Volkszugehörigkeit und jüdischen Glaubens. Die Großmutter des Klägers war deutsche Staatsangehörige, bis sie 1933 als Jüdin ausgebürgert wurde. Die Familie floh im September 1938 aus der nationalsozialistisch regierten Freien Stadt Danzig. Von der 1941 erfolgten Sammeleinbürgerung der Danziger Staatsangehörigen waren die Familienangehörigen als Juden ausdrücklich ausgenommen. Der Vater und der Großvater des Klägers erhielten 1988 auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.


Später beantragten auch die Kläger ihre Einbürgerung. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt 1995 mit der Begründung ab, die Kläger gehörten nicht der „Erlebensgeneration“ derer an, die nationalsozialistisches Unrecht selbst erfahren hätten. Die Kläger machen geltend, ihnen stehe ein Einbürgerungsanspruch nach dem Grundsatz der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zu. Ihre Klage hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in vollem Umfang Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung geändert und die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Kläger erneut zu bescheiden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit von Vorschriften, die Ausbürgerungen aus rassischen Gründen vorsahen, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Bestimmungen über den Ausschluss der Danziger Juden von der Sammeleinbürgerung von Anfang an nichtig waren. Dieser Ausschluss zielte darauf, die Betroffenen aus der staatlichen Gemeinschaft auszugrenzen und sie faktisch staatenlos und auch im Ausland schutzlos zu machen.


Die Nichtigkeit der Ausschlussregelung hatte allerdings nicht zur Folge, dass die Kläger deutsche Staatsangehörige kraft Abstammung geworden sind. Dies ergibt sich aus dem Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit aus dem Jahr 1955. Dieses hat die bis dahin unklare Rechtslage hinsichtlich der völkerrechtlich umstrittenen Sammeleinbürgerungen geklärt. Danach haben nur diejenigen einen Einbürgerungsanspruch, die seinerzeit selbst von der Sammeleinbürgerung ausgeschlossen waren.


Das Bundesverwaltungsgericht geht in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht davon aus, dass eine Ermessenseinbürgerung der Kläger nach allgemeinem Staatsangehörigkeitsrecht nahe liegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann diese aber nicht generell auf die "Erlebensgeneration" beschränkt werden. Das folgt nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Rechtsgedanken des Art. 116 Abs. 2 Grundgesetz. Diese Bestimmung gewährt früheren deutschen Staatsangehörigen, die aus rassischen Gründen ausgebürgert worden sind, sowie ihren Abkömmlingen einen Anspruch auf Einbürgerung. Der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Wiedergutmachung muss auch bei der Ausübung des Einbürgerungsermessens zu Gunsten der Kläger berücksichtigt werden, deren Vorfahren aus rassischen Gründen von der Sammeleinbürgerung ausgeschlossen waren. Hieraus ergibt sich aber, anders als das Oberverwaltungsgericht meint, keine Ermessensreduzierung "auf Null". Die Beklagte muss vielmehr ihr fehlerhaft ausgeübtes Ermessen erneut betätigen. Dabei wird sie die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu berücksichtigen haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Gedanke der Wiedergutmachung so sehr im Vordergrund steht, dass eine Einbürgerung nur unter besonderen Umständen abgelehnt werden könnte.


BVerwG 1 C 18.99 - Urteil vom 02.05.2001