Verfahrensinformation

Der Betrieb mit staatlicher Beteiligung „Karl W. KG", Rhönholzschnitzerei in Thüringen wurde auf der Grundlage des Ministerratsbeschlusses der DDR vom 9. Februar 1972 in Volkseigentum überführt und ist seit dem 1. Juni 1990 stillgelegt. Die früheren privaten Gesellschafter beantragten Anfang 1990 die Reprivatisierung des Unternehmens. Der Kläger ist ihr Rechtsnachfolger. Das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte zunächst fest, dass der Kläger hinsichtlich des Unternehmens Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist und legte der Firma „Karl W. KG i.L.“ eine Zahlungsverpflichtung über insgesamt 143.694,31 DM zwecks Rückzahlung des staatlichen Anteils und der privaten Anteile am Unternehmen auf. Im nachfolgenden Bescheid änderte die Behörde ihre Entscheidungen und stellte fest, dass die Firma „Karl W. KG i.L.“ Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sei und die Zahlungsverpflichtung den Kläger träfe. In seiner dagegen gerichteten Klage hat der Kläger vorgebracht, dass für ihn das Verhalten der Behörde nicht nachvollziehbar sei. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil die Behörde ermessensfehlerhaft entschieden habe. Der Senat hat die Revision wegen Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen.


Beschluss vom 12.04.2006 -
BVerwG 8 B 114.05ECLI:DE:BVerwG:2006:120406B8B114.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.04.2006 - 8 B 114.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:120406B8B114.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 114.05

  • VG Gera - 31.08.2005 - AZ: VG 2 K 828/03 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. April 2006
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze, die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera über die Nichtzulassung der Revision gegen sein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 ergangenes Urteil insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben wurde.
  3. Insoweit wird die Revision zugelassen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf je 144 266,80 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt.

2 Soweit die Beschwerde mit den Ausführungen, dass das angefochtene Urteil einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Auslegungsregeln sowie der selbst zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung darstelle, den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend machen will, ist sie darauf hinzuweisen, dass dieser nur dann hinreichend bezeichnet ist, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen.

3 Daran fehlt es hier. Vielmehr führt die Beschwerde nach Art einer Berufungsbegründung aus, warum das Verwaltungsgericht das Klagebegehren des Klägers anders hätte auslegen müssen. Damit kann die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden.

4 Auch soweit die Beschwerde des Klägers die Frage für grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hält,
ob das Gericht unter Abweichung dieser Auslegungsregeln zu Ungunsten des Klägers diese vornehmen darf oder nicht,
wird nicht dargetan, warum das angestrebte Revisionsverfahren der Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) dienen soll. Vielmehr stellt schon die Formulierung der Beschwerde auf den Einzelfall des Klägers ab. Damit ist der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

5 Sollte die Beschwerde mit der Rüge der fehlerhaften Auslegung durch das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen § 88 VwGO und damit einen Verfahrensfehler geltend machen wollen, so bleibt auch dies erfolglos. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren keinen Antrag gestellt und sich inhaltlich ohne Differenzierung gegen den gesamten Bescheid gewendet. Nach der Dispositionsmaxime bestimmt er den Umfang der gerichtlichen Überprüfung. § 88 VwGO verwehrt es dem Gericht, seinerseits - nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit - das Klagebegehren zu beschränken, wie es die Beschwerde mit den Ausführungen, dass sich die Klage nur gegen die rechtswidrigen Teile des Bescheides gerichtet habe, fordert.

6 2. Die Beschwerde der Beigeladenen ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründet. Die von der Beigeladenen gerügte Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2004 - BVerwG 8 C 19.03 - (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 62) liegt vor.

7 Das Verwaltungsgericht hat in seinen Ausführungen zu Nr. 1 des angefochtenen Bescheides noch offen gelassen, ob die Regelung des § 6 Abs. 6a Satz 1 2. Halbs. VermG auch dann Anwendung findet, wenn eine 1991 getroffene Berechtigtenfeststellung im Wege der Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG geändert wird. Hinsichtlich der Nr. 3 und 4 des angefochtenen Bescheides hat das Verwaltungsgericht aber entscheidungstragend darauf abgestellt, dass die Frage der Erstattung des Kaufpreises oder der Ablösebeträge nicht im vermögensrechtlichen Verfahren berücksichtigt werden könne, weil die Berechtigtenfeststellung des Klägers auf der Grundlage des Vermögensgesetzes vom 18. April 1991 beruhe.

8 Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung festgestellt, dass die Rückzahlungsverpflichtung nicht erst im Entschädigungsverfahren, sondern bereits im vermögensrechtlichen Verfahren festgesetzt werden könne und dies auch auf eine bestandskräftige Berechtigtenfeststellung aus dem Jahr 1991 angewandt. Denn der Gesetzgeber habe mit der Einführung des 2. Halbs. des § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG durch Art. 10 Nr. 2a EALG verhindern wollen, dass über die Pflicht zur Rückzahlung eines bei Überführung ins Volkseigentum erhaltenen Kaufpreises oder Ausgleiches erst im Entschädigungsverfahren zu befinden sei.

9 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 63 Abs. 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 6.06 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch die Beigeladene bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.