Verfahrensinformation

Die Klägerin betreibt im Kreis Ostholstein an der Ostsee eine Ferienhausanlage. Sie will die kommunale Müllabfuhr nur im Bedarfsfall nutzen, wie dies für Gewerbebetriebe oder Betriebe mit stark schwankend anfallendem Abfall satzungsmäßig vorgesehen ist. Der beklagte Zweckverband geht davon aus, dass in den Ferienhäusern von einem Abfallanfall wie in privaten Haushaltungen auszugehen ist. Der Abfall der Feriengäste würde damit der Regelabfuhr unterliegen, was deutlich teurer kommt.


Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide des Beklagten aufgehoben. Bei dem in den Ferienhäusern anfallenden Abfall handle es sich nicht um solchen aus privaten Haushaltungen. Der Begriff der „privaten Haushaltung“ setze eine eigenständige Haushaltsführung mit selbstbestimmter Lebensführung und eine auf Dauer angelegte Nutzung voraus. An beiden fehle es. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision des Beklagten.


Urteil vom 07.08.2008 -
BVerwG 7 C 51.07ECLI:DE:BVerwG:2008:070808U7C51.07.0

Leitsatz:

In Ferienhäusern anfallende Abfälle sind solche aus privaten Haushaltungen im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG.

  • Rechtsquellen
    KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2
    GewAbfV § 2 Nr. 1 und 2

  • Schleswig-Holsteinisches VG - 14.11.2007 - AZ: VG 4 A 1845/06

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 07.08.2008 - 7 C 51.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:070808U7C51.07.0]

Urteil

BVerwG 7 C 51.07

  • Schleswig-Holsteinisches VG - 14.11.2007 - AZ: VG 4 A 1845/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2008
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 14. November 2007 wird aufgehoben.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Entsorgung ihres Grundstücks von Abfällen im Rahmen der Regelabfuhr.

2 Die Klägerin betreibt auf ihrem Grundstück in Neustadt in Holstein/Ortsteil Pelzerhaken Ostsee eine Ferienhausanlage mit Nebeneinrichtungen („Strandhäuser am Leuchtturm“), die im Winter 2005/2006 auf 23 Einheiten - mit Belegungskapazitäten zwischen 4 und 8 Personen - erweitert worden ist. Die Ferienhäuser sind hochwertig ausgestattet mit Küche, Ess-/Wohnbereich, Fernseher, DVD-Player, Stereoanlage, Kaminofen, Gartenmöbeln und Strandkorb. Sie verfügen je nach Haustyp über bis zu 4 Schlafzimmer mit Badezimmer und Gäste-WC. Die Ferienhäuser sind im Wesentlichen in den Sommer-, Herbst-, Weihnachts- und Osterferien sowie Pfingsten belegt (2006 im Durchschnitt 164 Tage); sie werden im Regelfall für ein oder zwei Wochen vermietet.

3 Der Beklagte überließ der Klägerin zunächst im September 2005 einen Großmüllbehälter mit einem Fassungsvermögen von 770 l zur Entsorgung von Beseitigungsabfällen. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 stellte der Beklagte fest, dass eine Bedarfsabfuhr nach § 10 Abs. 4 der Abfallwirtschaftssatzung (vom 17. März 2005 - AWS) für den Betrieb der Klägerin nicht in Frage komme; er werde die Klägerin daher ab sofort in der Regelabfuhr führen. Die Bedarfsabfuhr erfasst den Siedlungsabfall aus Gewerbe- und Industriebetrieben sowie aus Betrieben mit saisonal oder betriebsspezifisch stark schwankend anfallendem Abfall. Die Regelabfuhr erfasst gemäß § 10 Abs. 2 AWS alle Grundstücke, soweit nicht eine Bedarfs- oder Großcontainerabfuhr erfolgt.

4 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat die Klägerin wie folgt begründet: Sie betreibe auf ihrem Grundstück einen Gewerbebetrieb mit saisonal stark schwankendem Anfall von Abfällen und unterfalle daher § 10 Abs. 4 AWS. Die Regelungen über Abfälle aus privaten Haushaltungen in § 11 Abs. 2 AWS seien wegen Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG unwirksam. Der Begriff der privaten Haushaltung setze die Möglichkeit einer eigenständigen, auf Dauer angelegten Haushaltsführung voraus. An letzterem fehle es bei Ferienhäusern.

5 Das Verwaltungsgericht hat den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Bei dem in den Ferienhäusern anfallenden Abfall handle es sich nicht um solchen aus privaten Haushaltungen, sondern um solchen aus anderen Herkunftsbereichen. Der Begriff der „privaten Haushaltung“ setze die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung voraus; schon daran fehle es, da den Feriengästen nicht die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensgestaltung eröffnet sei. Auch könne von keiner auf Dauer angelegten Nutzung ausgegangen werden. Eine derartige liege lediglich bei mit eigenem Hausrat ausgestatteten Ferienhäusern vor.

6 Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt: Streitig sei allein noch die Frage, ob die Klägerin für sämtliche in den Ferienhäusern anfallenden Abfälle an den Beklagten überlassungspflichtig sei, in den Ferienhäusern folglich eine private Haushaltung geführt werde. Dies setze eine private, eigenständige Haushaltsführung voraus. Die Zusammenstellung und das Eigentum an Mobiliar und Hausrat seien nicht entscheidend für die Eigenständigkeit der Haushaltsführung; insbesondere müsse der Nutzer nicht auf die Art der Möblierung maßgeblich Einfluss nehmen können. Eine eigenständige Haushaltsführung sei nicht identisch mit einem eigenen Haushalt. Die Anmietung eines Ferienhauses solle gerade eine eigene Haushaltsführung ermöglichen. Die gute Ausstattung der Ferienhäuser ermögliche eine private Haushaltsführung, wie sie sonst nur in dauerhaft bewohnten Wohnungen möglich sei. Entscheidend sei damit - auch im Unterschied zu hochwertig ausgestatteten Hotelzimmern -, dass der Hausrat so umfassend vorrätig sei, dass er unter weitestgehender Freiheit eine individuelle Lebensgestaltung ermögliche. Fehlender eigener Hausrat sei kein Kriterium, das gegen eine Überlassungspflicht angefallener Abfälle im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG spreche. Die Dauer des Aufenthalts allein sei nicht entscheidend für die Annahme einer privaten Haushaltsführung; eine solche finde auch nicht in länger angemieteten Zimmern statt, die lediglich dem Zweck der Übernachtung dienten. Anders als bei einem Ferienhaus werde eine private Haushaltsführung dorthin nicht verlegt.

7 Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

II

8 Die zulässige Sprungrevision (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO) ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zu Unrecht hat es den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid des Beklagten aufgehoben. Denn die Klägerin ist verpflichtet, sämtlichen in den von ihr vermieteten Ferienhäusern anfallenden Abfall als einen solchen aus privaten Haushaltungen dem Beklagten zu überlassen.

9 1. § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG bestimmt als Ausnahme zu § 5 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG eine Überlassungspflicht von Abfällen aus privaten Haushaltungen an die nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen, § 3 Abs. 1 LAbfWG, hier an den Kreis Ostholstein, der die Aufgabe der Abfallentsorgung wiederum dem beklagten Zweckverband übertragen hat, § 3 Abs. 4 Satz 1 LAbfWG. Dies gilt mit den im Gesetz vorgesehenen Einschränkungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG auch für Beseitigungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen, worunter auch Abfälle aus gewerblichen Betrieben fallen. § 2 Nr. 1 GewAbfV definiert gewerbliche Siedlungsabfälle darüber hinausgehend als solche aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen, die diesen aber auf Grund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung ähnlich sind.

10 2. Abfälle aus privaten Haushaltungen fallen nicht nur in privat genutzten Wohnhäusern an, sondern ebenso in Eigentums-/Mietwohnungen, in Wochenendhäusern oder in Ferienwohnungen. Diese sind dem Beklagten im Rahmen der Regelabfuhr zu überlassen. § 11 Abs. 2 AWS entspricht insoweit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz definiert selbst nicht den Begriff von Abfällen aus privaten Haushaltungen. Jedoch gibt es den Herkunftsbereich der Abfälle, nämlich die privaten Haushaltungen, vor. Die Gewerbeabfallverordnung, von der nicht angenommen werden kann, dass der Verordnungsgeber von einer vom Gesetz abweichenden Begrifflichkeit ausgeht, bestimmt in § 2 Nr. 2 GewAbfV - zur erforderlichen Abgrenzung von den gewerblichen Siedlungsabfällen - Abfälle aus privaten Haushaltungen als solche, die in privaten Haushalten im Rahmen der privaten Lebensführung anfallen, insbesondere in Wohnungen und zugehörigen Grundstücks- oder Gebäudeteilen sowie in anderen vergleichbaren Anfallorten wie Wohnheimen oder Einrichtungen des betreuten Wohnens. Diese Definition stimmt mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG überein (vgl. Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 7 C 10.05 - Buchholz 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 10). Private Haushaltungen in diesem Sinne sind Personengemeinschaften oder Einzelpersonen, die eine vollständig bewirtschaftete oder in sich geschlossene Wohneinheit mit eingerichteter Küche bzw. Kochnische innehaben (vgl. Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 7 C 10.05 - a.a.O.).

11 3. Zum betreuten Wohnen in Appartements einer Seniorenwohnanlage ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 7 C 10.05 - (a.a.O.) davon ausgegangen, dass der Begriff der privaten Haushaltung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung voraussetzt, die eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermöglicht und die auf Dauer angelegt ist. In derart gestalteten Wohnbereichen anfallende Abfälle sind solche im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG.

12 Das Verwaltungsgericht geht zu Unrecht davon aus, dass in Ferienhäusern/ Ferienwohnungen eine eigene Haushaltsführung und damit eine selbstbestimmte Lebensgestaltung nicht möglich sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Anmietung eines Ferienhauses wird im Regelfall von dem Ziel und Zweck bestimmt, einem genau bestimmten Personenkreis eine möglichst freie und selbstgestaltete Lebensform zu ermöglichen. Die bewusste Anmietung von Hausrat und Mobiliar - wie bei Ferienhäusern insbesondere die Kücheneinrichtung oder Grilleinrichtung im Freien - soll einen der privaten Lebensführung über das Jahr möglichst angenäherten Aufenthalt an einem Urlaubsort sicherstellen; ein für größere Familien oft entscheidendes Kriterium. Dies unterscheidet die Lebensgestaltung in einem Ferienhaus von einem Urlaubsaufenthalt in einem Hotel. Die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensgestaltung in einem Haushalt setzt aber das Eigentum am Mobiliar und Hausrat nicht voraus; die Übertragung des Besitzes hieran ist ausreichend.

13 Der Umstand, dass die Klägerin ihren Gästen die Ferienhäuser zeitlich befristet nur für wenige Wochen überlässt, steht der Annahme nicht entgegen, dass die Mieter während dieser Zeit eine private Haushaltung führen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 27. April 2006 (a.a.O.) als Kriterium für eine private Haushaltung im Sinne des Gesetzes die Möglichkeit einer eigenständigen, auf Dauer angelegten Haushaltsführung für erforderlich erachtet. Dies erfordert aber nicht, dass die private Haushaltung stets von ein und demselben Personenkreis genutzt wird. Der Umstand, dass die Nutzer der Ferienhäuser in zeitlichen Abständen von ein oder zwei Wochen wechseln, stellt eine an vorhandenen Hausrat anknüpfende Haushaltsführung nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht sieht das Kriterium der Dauerhaftigkeit der Haushaltsführung nur bei Ferienhäusern erfüllt, die im Eigentum des Nutzers stehen. In solchen Fällen kann aber eine damit verbundene (mögliche) private Haushaltsführung nicht unvermeidlich ausscheiden, wenn der Eigentümer sein Ferienhaus (auch zur Vermeidung von Leerstand) während des Jahres anderen Familienmitgliedern oder Freunden überlässt. Eine private Haushaltung im Sinne einer selbstbestimmten Lebensgestaltung ist auch in diesen Fällen wechselnder Nutzer gegeben. Für die Dauerhaftigkeit der Nutzung kommt es darauf an, dass die Ferienwohnung auf Grund ihrer Ausstattung für den jeweiligen Nutzer ein funktionales Äquivalent der Hauptwohnung darstellt und in diesem Sinne auf eine dauerhafte Nutzung angelegt ist.

14 4. Gewerbliche Siedlungsabfälle fallen nicht nur in gewerblichen Beherbergungsbetrieben, wie Hotels oder Zimmervermietungen mit ständig wechselnden Gästen an (§ 2 Nr. 1 Buchst. a GewAbfV), sondern ebenso (§ 2 Nr. 1 Buchst. b GewAbfV) in privaten oder öffentlichen Einrichtungen, wie Kliniken, Pflegeheimen, Kasernen, Schulen oder Verwaltungen (vgl. LAGA, Vollzugshinweise zur GewAbfV vom 26. März 2003, Anm. 3.1 - 3.3 zu § 2 Nr. 1 und 2).

15 Soweit die Klägerin die in ihrem Betrieb anfallenden Abfälle als gewerbliche Siedlungsabfälle versteht, die der Bedarfsabfuhr unterliegen, gilt dies nur für betriebliche Teilbereiche. Gewerblicher Siedlungsabfall fällt etwa in Räumen an, in denen die Klägerin ihre 23 Ferienhäuser vermarktet (Rezeption), oder in Gemeinschaftseinrichtungen, die von der Gesamtheit der Mieter in der Ferienhausanlage - etwa zur Freizeitgestaltung - genutzt werden.

16 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.