Verfahrensinformation

Die für die Einleitung von Abwasser in ein Gewässer zu zahlende Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers. Zugunsten des Einleiters kann unter Umständen die Schädlichkeit von Wasser, das einem Gewässer entnommen worden war (Vorbelastung) abgezogen werden. Die Vorbelastung ist dann zu schätzen.


Im vorliegenden Revisionsverfahren ist zu klären, ob bereits vor Festsetzung der Abgabe ein Anspruch auf Schätzung der Vorbelastung gerichtlich geltend gemacht werden kann und falls man dies bejaht, ob auch die Vorbelastung von Trinkwasser bei der Abgabe abgezogen werden kann.


Urteil vom 24.06.2010 -
BVerwG 7 C 17.09ECLI:DE:BVerwG:2010:240610U7C17.09.0

Leitsatz:

Die Entscheidung über eine dem Abgabepflichtigen nicht zuzurechnende Vorbelastung des Wassers (§ 4 Abs. 3 AbwAG) ist ein unselbstständiger Teil der Festsetzung der Abwasserabgabe. Sie kann nicht isoliert eingeklagt werden.

  • Rechtsquellen
    AbwAG § 4 Abs. 3

  • OVG Schleswig - 10.08.2009 - AZ: OVG 2 LB 6/09 -
    Schleswig-Holsteinisches OVG - 10.08.2009 - AZ: OVG 2 LB 6/09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 24.06.2010 - 7 C 17.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:240610U7C17.09.0]

Urteil

BVerwG 7 C 17.09

  • OVG Schleswig - 10.08.2009 - AZ: OVG 2 LB 6/09 -
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 10.08.2009 - AZ: OVG 2 LB 6/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, Dr. Deiseroth und Guttenberger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. August 2009 wird aufgehoben.
  2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 5. Juni 2008 geändert; der Bescheid vom 31. März 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005 des Staatlichen Umweltamts Itzehoe werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10.

Gründe

I

1 Der klagende Abwasserzweckverband betreibt in H. eine Kläranlage, die Abwasser in die Elbe einleitet. Er begehrt die Verpflichtung des Beklagten, bei seiner Heranziehung zur Abwasserabgabe eine Vorbelastung des Trinkwassers mit Stickstoff abgabemindernd anzuerkennen.

2 Am 7. März 2005 beantragte der Kläger bei dem damals zuständigen Staatlichen Umweltamt die Anerkennung einer Vorbelastung des Trinkwassers mit Stickstoff in Höhe von ca. 1,1 mg/l.

3 Mit Schreiben vom 31. März 2005 teilte das Staatliche Umweltamt dem Kläger mit, seinem Antrag könne nicht entsprochen werden, da Trinkwasser nicht im Sinne des § 4 Abs. 3 AbwAG unmittelbar aus einem Gewässer entnommen werde. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

4 Mit „Widerspruchsbescheid“ vom 9. Juni 2005, dem ebenfalls eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, wies das Staatliche Umweltamt den dagegen erhobenen „Widerspruch“ als unbegründet zurück.

5 Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, auf den Antrag des Klägers vom 7. März 2005 eine Vorbelastung in Höhe von 1,1 mg/l für den Parameter Nges anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung
hilfsweise,
die Vorbelastung zu schätzen und in entsprechender Höhe anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung.

6 Nach Klageerhebung hat das Staatliche Umweltamt Abwasserabgabenbescheide für die Jahre 2005, 2006 und 2007 erlassen, die mangels Einlegung von Rechtsbehelfen Bestandskraft erlangt haben. In diesen Bescheiden wird die Frage der Berücksichtigung einer Vorbelastung des Trinkwassers nicht erneut behandelt. Für das Jahr 2005 ist eine Abwasserabgabe festgesetzt worden. Ein Teil davon entfiel auf den Parameter Nges. Eine Verrechnung mit Investitionen fand insoweit nicht statt. In den Bescheiden für die Jahre 2006 und 2007 wurde die Abwasserabgabe vollständig mit Investitionen verrechnet.

7 Während des Verfahrens ist der nunmehr beklagte Landkreis für den Vollzug des Abwasserabgabengesetzes zuständig geworden. Dieser hat auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend geltend gemacht, die Klage sei bereits aufgrund von § 44a VwGO unzulässig.

8 Mit Urteil vom 5. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Anerkennung einer Vorbelastung sei kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO, die nur zusammen mit der Sachentscheidung angefochten werden könne. Sie sei nur ein Schritt im Verfahren der Abgabenfestsetzung.

9 Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten verpflichtet, auf den Antrag des Klägers vom 7. März 2005 für die Berechnung der Abwasserabgabe für das Einleiten des vom Kläger im Klärwerk H. behandelten Abwassers im Jahr 2005 die Vorbelastung für den Parameter Nges zu schätzen und in entsprechender Höhe anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung.

10 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Verpflichtungsklage sei zulässig. Der Bescheid des Staatlichen Umweltamts in der Gestalt des Widerspruchsbescheides weise einen der konkreten Abgabenfestsetzung für das Veranlagungsjahr 2005 vorgelagerten eigenständigen Regelungsgehalt hinsichtlich der Frage auf, ob eine Vorbelastung aus Trinkwasser anerkannt werde. Das Abwasserabgabenrecht enthalte keine besondere rechtliche Grundlage für einen derartigen Teilverwaltungsakt. Diese sei aber - zumal es sich bei der vom Kläger beantragten Anerkennung der Vorbelastung um eine Begünstigung handele - auch nicht erforderlich. Vielmehr stehe der Erlass von Teilentscheidungen im pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde. Die vom Beklagten getroffene Teilregelung stelle einen Verwaltungsakt dar. Auch die vom Kläger dagegen erhobenen Einwände seien durch einen - mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Widerspruchsbescheid beschieden worden. Auch wenn der Antrag des Klägers auf einen größeren Zeitraum gerichtet gewesen sein möge, beschränke sich der Regelungsgehalt des Bescheides notwendigerweise auf den damals laufenden kalenderjährlichen (vgl. § 11 Abs. 1 AbwAG) Veranlagungszeitraum. Eine anderweitige zeitliche Eingrenzung der getroffenen Teilregelung, die unabdingbar sei, gebe es nicht. Der Kläger habe ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheides, da der Abgabenbescheid vom 19. Juni 2006 für den Veranlagungszeitraum 2005 - auch im Hinblick auf Stickstoff - eine Abwasserabgabe festsetze und mangels Verrechnung mit Investitionsaufwendungen ein entsprechendes Leistungsgebot enthalte.

11 Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe einen Anspruch gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG auf Schätzung und Berücksichtigung der Stickstoffvorbelastung des Trinkwassers, welches in das zum Klärwerk H. hinführende System von Abwasserleitungen gelange. Dass sich die Vorbelastung des Trinkwassers lediglich auf einen Teil der Jahresschmutzwassermenge beziehe, die vom Kläger zu entsorgen sei, werde bei der Berechnung des Vorbelastungsabzugs nach § 4 Abs. 3 AbwAG durch Ansatz der zutreffenden Wassermengen zu berücksichtigen sein. Der Hauptantrag des Klägers habe allerdings keinen Erfolg. Seine Untersuchung des Trinkwassers genüge nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 AbwAG.

12 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten. Das Oberverwaltungsgericht habe die Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG unzutreffend ausgelegt und dementsprechend unzutreffend subsumiert. Auch könne das mengenmäßige Verhältnis zwischen dem Wasser, das dem Grundwasser entnommen werde und dem letztlich eingeleiteten Abwasser nicht praktikabel gemessen werden.

13 Der Kläger tritt der Revision entgegen. Diese sei unzulässig, weil der Beklagte die von ihm behauptete Verletzung materiellen revisiblen Rechts nicht nach § 139 Abs. 3 VwGO hinreichend dargelegt habe. Die Revision sei auch unbegründet. Das Berufungsgericht habe § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG zutreffend ausgelegt und auf dieser Basis eine zutreffende Subsumtion vorgenommen. Höchst hilfsweise beantragt er,
festzustellen, dass der Bescheid vom 31. März 2005 rechtswidrig war und er einen Anspruch auf Schätzung und Anerkennung der Vorbelastung des Trinkwassers im Jahr 2005 hatte.

14 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt - im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - die Revision. Die Vorbelastung des Trinkwassers könne nicht nach § 4 Abs. 3 AbwAG abgezogen werden.

II

15 1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie genügt den Anforderungen, die an eine Revisionsbegründung zu stellen sind (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO).

16 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage für begründet gehalten, weil es meint, das Tatbestandsmerkmal „unmittelbar“ des § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG schließe den Vorbelastungsabzug für aus Trinkwasserversorgungsanlagen stammendes Abwasser nicht aus. In der Revisionsbegründung wird die gegenteilige materielle Rechtsauffassung ausführlich dargelegt. Dass sich die Revisionsbegründung nicht mit jedem Argument des Oberverwaltungsgerichts auseinandersetzt, vermag an der Zulässigkeit der Revision nichts zu ändern.

17 2. Die Revision ist auch begründet.

18 Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

19 a) Zu Unrecht nimmt es an, die Vorbelastung von aus einem Gewässer unmittelbar entnommenem Wasser (§ 4 Abs. 3 AbwAG) könne in einem gesonderten Bescheid geschätzt werden und sei damit einer isoliert anfechtbaren Teilregelung zugänglich. Das Abwasserabgabengesetz sieht vielmehr vor, dass alle Schritte bei der Berechnung der Abwasserabgabe in einem einzigen Verfahren erfolgen, das mit Erlass eines Abgabebescheides endet. Es bestimmt, dass die Heranziehung zur Abwasserabgabe durch e i n e n Verwaltungsakt erfolgt. Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang sowie dem Sinn und Zweck des § 12a Satz 1 AbwAG, der regelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anforderung der Abgabe keine aufschiebende Wirkung haben. Zwar kann der Gesetzgeber ausdrücklich vorsehen, dass in bestimmten Fällen Teilregelungen durch einen besonderen Verwaltungsakt getroffen werden (vgl. beispielsweise die immissionsschutzrechtlichen Regelungen über die Teilgenehmigung <§ 8 BImSchG> und den Vorbescheid <§ 9 BImSchG>). Das Abwasserabgabengesetz dagegen schließt es aus, dass über einzelne Berechnungsschritte vorab durch gesonderten Bescheid entschieden wird.

20 Eine ausdrückliche Bestimmung, die eine Teilregelung vorsieht oder zumindest zulässt, enthält das Abwasserabgabengesetz nicht. § 4 AbwAG regelt - wie andere Bestimmungen des Gesetzes auch - Berechnungsfaktoren für die Ermittlung und Festsetzung der Höhe der Abwasserabgabe. Berechnungsfaktoren sind regelmäßig - wenn nicht besondere gesetzliche Vorschriften dies ausdrücklich anders bestimmen - nicht vorab oder gesondert einklagbar. Sie sind Verfahrensschritte auf dem Weg zur Festsetzung der Abgabe. Das Gleiche gilt etwa auch für die ebenfalls abgabenrelevante Verrechnung von Investitionen gemäß § 10 Abs. 3 AbwAG.

21 Dem Abwasserabgabengesetz - und allgemein dem Abgabenrecht - ist es fremd, dass - ohne besondere gesetzliche Regelung - über einzelne Punkte, die ausschließlich für die spätere Festsetzung der Abgabe von Bedeutung sind oder sein können, vorab durch Verwaltungsakt entschieden wird. Erst recht ist es dem Abgabenrecht fremd, dass der (künftige) Abgabenschuldner ohne besondere gesetzliche Regelung vor Erlass eines Abgabenbescheides im Wege der Verpflichtungsklage die Anerkennung abgabemindernder Umstände für die künftige Abgabenfestsetzung gerichtlich geltend macht.

22 Gegen die Zulässigkeit einer Vorabentscheidung über die Vorbelastung entnommenen Wassers spricht auch die Systematik des Gesetzes. § 12a AbwAG erklärt den Abgabenbescheid kraft Gesetzes für sofort vollziehbar. Für § 4 Abs. 3 AbwAG (und die anderen gesetzlichen Berechnungs- und Minderungsfaktoren) fehlt eine solche Bestimmung, so dass ein für die Festsetzung der Abgabenhöhe wesentlicher Rechenfaktor bei Erlass eines Teilbescheides nicht sofort vollziehbar wäre.

23 Über den Abzug der Vorbelastung des Trinkwassers vorab zu entscheiden entspricht überdies nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, weil sie dessen zweckmäßigen und zügigen Vollzug eher behindert als fördert.

24 Im Abwasserabgabenrecht wird häufig die gesamte Abgabe gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG mit Investitionen verrechnet. Ob eine Vorbelastung gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG abgezogen werden kann, ist dann ohne Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht will dieses Problem über das allgemeine Rechtschutzbedürfnis lösen. Dieses soll mit einer späteren Verrechnung entfallen. Das vermag aber unnötige Rechtsstreite nicht zu verhindern. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Hätte für das Jahr 2005 - ebenso wie für die Jahre 2006 und 2007 - eine vollständige Verrechnung der Abgabe stattgefunden, wäre ein überflüssiger Rechtsstreit geführt worden.

25 Eine Vorabteilentscheidung hätte keinen beschleunigenden oder sonstigen verfahrensökonomischen Effekt, wenn sie - wie das Oberverwaltungsgericht meint - auf das jeweilige Kalenderjahr als den maßgeblichen Veranlagungszeitraum (vgl. § 11 Abs. 1 AbwAG) beschränkt wäre. Wäre dies richtig, könnte die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der Vorbelastung ohne Weiteres auch in dem bevorstehenden Abwasserabgabenbescheid behandelt werden.

26 Eine Vorabentscheidung über die Schätzung der Vorbelastung ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten. Dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) genügt die Möglichkeit, die Festsetzung der Abwasserabgabe anzufechten. In diesem Verfahren kann dann die hier aufgeworfene Frage - wenn sie für die Festsetzung erheblich war - inzident geprüft werden. Ein besonderes rechtliches Interesse des Klägers, gerade die Frage des Abzugs der Vorbelastung vorab prüfen zu lassen, besteht nicht.

27 Dass die Vorbelastung gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG nur auf Antrag berücksichtigt wird, ist insoweit ohne Bedeutung. Aus der Notwendigkeit eines Antrags folgt allein, dass die Behörde nicht von Amts wegen ermitteln muss, ob - ihr regelmäßig unbekannte - abgabemindernde Tatsachen vorliegen.

28 Da das Abwasserabgabengesetz die vom Kläger begehrte Teilregelung ausschließt, ist auch keine abweichende Regelung durch Landesrecht möglich. Im Übrigen liegt - entgegen der Auffassung des Klägers - eine solche hier nicht vor. § 7 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Schleswig-Holstein zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes bestimmt allein, dass die Vorbelastung nur für die Zeit nach der Antragstellung zu berücksichtigen ist. Für die Auffassung des Klägers kann dieser Bestimmung erkennbar nichts entnommen werden.

29 Der Erlass einer Teilregelung steht damit auch nicht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Die Regelungen des Abwasserabgabengesetzes über das Veranlagungsverfahren gehen insoweit den allgemeinen Verfahrensbestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze als speziellere Regelungen vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellen es deshalb die Bestimmungen über die Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 10 VwVfG bzw. § 75 LVwGSH) nicht in das pflichtgemäße Ermessen der Behörden, derartige Teilregelungen zu treffen.

30 b) Ob der Kläger - wie das Berufungsgericht meint - einen Anspruch gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG auf Schätzung und Berücksichtigung der Stickstoffvorbelastung des Trinkwassers hat, welches in das zum Klärwerk H. hinführende System von Abwasserleitungen gelangt, ist zweifelhaft (vgl. die Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses vom 9. April 2010; verneinend OVG Magdeburg - Beschluss vom 14. Mai 2002 - OVG 3 L 287/00). Da die Klage bereits unzulässig ist, kommt es hierauf nicht mehr an.

31 3. Der im Revisionsverfahren hilfsweise gestellte Antrag des Klägers ist unzulässig. Da über die Schätzung der Vorbelastung nicht vorab durch Bescheid entschieden werden kann, ist auch ein Fortsetzungsfeststellungsantrag von vornherein unzulässig.

32 4. Der „Bescheid“ vom 31. März 2005 und der „Widerspruchsbescheid“ vom 9. Juni 2005 waren als Scheinverwaltungsakte aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben.

33 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.