Verfahrensinformation

Das Verwaltungsgericht Gera hat die Revision zugelassen zur Auslegung des § 7a Abs. 3b Satz 2 Vermögensgesetz. Danach ist eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat. Die Kläger begehren als Rechtsnachfolger des Vaters der Klägerin Entschädigung für den Verlust des Eigentums an einem Wohn- und Geschäftsgrundstück in Thüringen. Der Vater der Klägerin hat dieses Grundstück im Jahre 1938 von deutschen Bürgerinnen jüdischen Glaubens, die zu diesem Zeitpunkt bereits im Ausland lebten, erworben. Der Kaufpreis betrug nur etwa die Hälfte eines im Jahre 1957 nachträglich neu festgesetzten Einheitswertes. Im Jahre 1955 hat er unter Missachtung von Meldevorschriften die DDR verlassen. 1969 wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt. Bei Schädigung jüdischen Eigentums in den Jahren 1933 bis 1945 und einer weiteren Schädigung desselben Vermögensgegenstandes in der DDR ist nach dem Prioritätsgrundsatz ein Rückerstattungsanspruch des Zweitgeschädigten nachrangig. Für den Zweitgeschädigten besteht ein Entschädigungsanspruch u.a. dann nicht, wenn der Berechtigte in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat. Das Verwaltungsgericht hat dies hier verneint. Ein derartiger Missbrauchs ergebe sich weder aus dem unangemessenen Kaufpreis noch aus dem Eintritt des Vaters der Klägerin in die NSDAP im Jahre 1937.


Pressemitteilung Nr. 20/2007 vom 29.03.2007

Kein Anspruch auf Entschädigung nach dem Vermögensgesetz für missbräuchlich deutlich unter Wert erworbenes jüdisches Eigentum

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in zwei Verfahren entschieden, wann ein Erwerber jüdischen Eigentums in der Zeit des Nationalsozialismus im Sinne von § 7a Absatz 3b Satz 2 Vermögensgesetz - VermG - in schwerwiegendem Maße eine Stellung missbraucht hat mit der Folge, dass ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen solchen schwerwiegenden Missbrauch auch für den Fall angenommen, dass der Vermögensgegenstand unter Ausnutzung der damaligen Lage deutlich unter Wert erworben wurde. Nicht erforderlich ist eine herausgehobene Position in Staat, Partei oder Wirtschaft.


Die Kläger begehren jeweils eine Entschädigung für durch die DDR entzogene bzw. an die ursprünglichen Eigentümer restituierte Grundstücke. Diese Grundstücke hatten die Rechtsvorgänger der Kläger in der Zeit des Nationalsozialismus von Personen jüdischer Herkunft erworben. In beiden Fällen lag der Kaufpreis unter dem seinerzeitigen Einheitswert. Mit Rücksicht hierauf wurden die Anträge der Kläger auf Entschädigung abgelehnt. Die Verwaltungsgerichte Gera und Dresden gaben den Klagen statt und verpflichteten den Freistaat Thüringen bzw. die Landeshauptstadt Dresden zur Gewährung einer Entschädigung. Sie stellten fest, dass die Rechtsvorgänger der Kläger keine besondere Stellung im NS-Regime innegehabt und auch selbst keinen Druck auf die Verkäufer hinsichtlich der Modalitäten des Verkaufs oder der Höhe des Kaufpreises ausgeübt hatten. Die Verwaltungsgerichte verneinten deshalb den schwerwiegenden Missbrauch einer Stellung zum eigenen Vorteil nach § 7a Absatz 3b Satz 2 VermG.


Das Bundesverwaltungsgericht hat dahin erkannt, dass eine missbrauchsfähige Stellung im Sinne des § 7a Absatz 3b Satz 2 VermG keine besondere Stellung im nationalsozialistischen Unrechtssystem voraussetzt. Eine zum eigenen Vorteil oder fremden Nachteil missbräuchlich ausnutzbare Stellung lag bereits in der Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum verfolgter Personen unter Wert durch selbst nicht Verfolgte. Schon die Ausnutzung dieser ungleichen Position des Nichtverfolgten gegenüber dem entrechteten Personenkreis kann den gesetzlich sanktionierten Missbrauch begründen. Das Gesetz verlangt aber einen „schwerwiegenden“ Missbrauch. Ein lediglich „unangemessener" Kaufpreis reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, soweit nicht andere Missbrauchsumstände hinzutreten, ein gravierendes Missverhältnis zum maßgeblichen Wert. Als Leitlinie hierfür gilt eine Unterschreitung des damaligen Verkehrswerts um mehr als 25%; ist der Verkehrswert nicht bekannt, ist an festgestellte Einheitswerte anzuknüpfen.


In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden im Ergebnis bestätigt, weil der im Jahre 1938 vereinbarte Kaufpreis um weniger als 10% unter dem festgestellten Einheitswert lag. In dem anderen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Gera zurückverwiesen, weil noch zu klären ist, ob an den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Einheitswert oder den im Jahre 1957 rückwirkend erhöhten Einheitswert anzuknüpfen ist.


BVerwG 5 C 22.06 - Urteil vom 29.03.2007

BVerwG 5 C 24.06 - Urteil vom 29.03.2007


Urteil vom 29.03.2007 -
BVerwG 5 C 22.06ECLI:DE:BVerwG:2007:290307U5C22.06.0

Leitsätze:

1. Eine missbrauchsfähige Stellung im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG setzt keine besondere Stellung im nationalsozialistischen Unrechtssystem voraus, es genügt die Stellung von nicht selbst Verfolgten beim Erwerb von Eigentum verfolgter Personen.

2. Für einen „schwerwiegenden“ Missbrauch reicht ein lediglich unangemessener Kaufpreis nicht aus; erforderlich ist, soweit nicht andere Missbrauchsumstände hinzutreten, ein gravierendes Missverhältnis zum maßgeblichen Wert. Als Leitlinie hierfür gilt eine Unterschreitung des damaligen Verkehrswerts um mehr als 25 v.H.; ist der Verkehrswert nicht bekannt, ist an festgestellte Einheitswerte anzuknüpfen.

Urteil

BVerwG 5 C 22.06

  • VG Gera - 26.01.2006 - AZ: VG 6 K 617/04 Ge

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke,
Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 26. Januar 2006 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren für den Verlust des Eigentums am Wohn- und Geschäftsgrundstück M. in B. (Flur 2, Flurstück 501) Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz, welche ihnen der Beklagte verwehrt, weil in der Person des Rechtsvorgängers der Kläger ein Ausschlussgrund im Sinne des § 7a Abs. 3c i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG vorliege, und zwar in der Alternative des „schwerwiegenden Missbrauchs der eigenen Stellung“.

2 Ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks waren die deutschen Bürgerinnen jüdischer Herkunft E. und R. zu je 1/2 Miteigentumsanteilen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 28. September 1938 verkauften diese das Grundstück an den damals 26 Jahre alten Textilkaufmann M., den Vater bzw. Schwiegervater der Kläger und deren Rechtsvorgänger. Als Kaufpreis für das 2,48 ar große Flurstück wurden 12 380,00 Reichsmark (RM) vereinbart. Davon zahlte M. für E. und R. 500,00 RM an die „Arisierungskasse des Gaus Thüringen“.

3 Im Jahr 1955 verließ M. ohne Beachtung der damaligen Meldevorschriften das Gebiet der DDR. Mit Bescheid vom 4. November 1957 stellte der Rat des Kreises A. den Einheitswert zum 1. Januar 1939 von 14 800,00 RM auf 25 100,00 RM neu fest, weil der ursprüngliche Einheitswert nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe. Im April 1959 wurde der Rat der Stadt B. zum Treuhänder des verfahrensgegenständlichen Grundstücks bestellt, der es im April 1969 in das „Eigentum des Volkes“ überführte, wobei ein Kaufpreis in Höhe von 17 570,00 Mark vereinbart wurde.

4 Einen Rückübertragungsantrag des Rechtsvorgängers der Kläger lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landratsamtes K. mit Bescheid vom 23. Dezember 1994 ab und übertrug das Grundstück an Frau E. zu 1/2 Miteigentumsanteil sowie an Frau I. und S. jeweils zu je 1/4 Miteigentumsanteilen als Rechtsnachfolger der Frau R. zurück, da der Anspruch der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 des Vermögensgesetzes hinter den der E. und der Rechtsnachfolger der R. zurücktrete. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

5 Zur Stützung ihres im September 1997 gestellten Antrages auf Entschädigung für den Verlust des Eigentums an dem Grundstück machten die Kläger geltend, dass keine Belastungsmomente für den Ausschluss der Gewährung einer Entschädigung bei ihnen oder bei ihrem Rechtsvorgänger vorhanden seien oder waren. Ihr Vater bzw. Schwiegervater, der 1937 der NSDAP beigetreten sei, habe eigentlich das Ziel gehabt, sich im Werra-Meisner-Kreis niederzulassen, und das Grundstück über einen Makler in K. angeboten bekommen. Die Grundstückseigentümer E. und R. seien seit Anfang 1938 bereits im Ausland gewesen. Die Pächter L. und I. K., welche Cousin und Cousine der ursprünglichen Eigentümerinnen gewesen seien, hätten den Pachtvertrag zum Ende des Jahres 1938 gekündigt, so dass nunmehr die im Ausland lebenden Eigentümerinnen verkaufen wollten. Die Vermittlung über einen Makler sei Beleg dafür, dass es sich nicht um einen Zwangsverkauf gehandelt habe. Als Vermittler für die Verkäuferinnen sei L. K. aufgetreten, der auch die Kaufverhandlungen geführt und keinen höheren Kaufpreis als den später gezahlten gefordert habe. M. habe sein gesamtes Vermögen inklusive seiner Erbanteile auf den Kauf des Grundstücks verwandt. Die ursprünglichen Eigentümerinnen hätten ohne jegliche Zwangseinwirkung gehandelt. Selbst im Nachgang des Kaufvertrages - bis 1946 - habe es freundschaftlichen Schriftverkehr (mit den ehemaligen Pächtern K.) gegeben. Zudem habe die Familie K. noch nach dem Einzug von M. in dem Haus dort gelebt, und er selbst habe die Familie K. in der „Reichskristallnacht“ beschützt.

6 Das Staatliche Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Gera lehnte den Entschädigungsantrag mit Bescheid vom 8. März 2004 ab und führte aus, dass der Entschädigung wegen einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG der Ausschlussgrund im Sinne des § 7a Abs. 3c i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG entgegen stehe; der Rechtsvorgänger der Kläger habe durch den Ankauf des Grundstücks weit unter dem festgesetzten Einheitswert die Verfolgungslage des Veräußerers ausgenutzt und daher den Ausschlusstatbestand des „schwerwiegenden Missbrauchs der eigenen Stellung“ (§ 7a Abs. 3b Satz 2 VermG) erfüllt.

7 Das Verwaltungsgericht hat auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage den Beklagten verpflichtet, den Klägern jeweils eine Entschädigung in Höhe von 17 300 € zu gewähren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

8 Der den Klägern zustehende Anspruch auf Entschädigung sei hier nicht gemäß § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG ausgeschlossen. Da der Rechtsvorgänger der Kläger unstreitig nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der DDR erheblich Vorschub geleistet habe, komme als Ausschlussgrund allein in Betracht, dass er in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht habe (§ 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG). Auch dies sei indes nicht der Fall. Nach dem Wortlaut des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG und der Gesetzessystematik sei auch dieser Ausschlussgrund restriktiv auszulegen.

9 Ausweislich der Entstehungsgeschichte sei Sinn und Zweck der Einführung des § 7a Abs. 3b VermG, dem Erwerber von NS-Verfolgtenvermögen neben dem Anspruch auf Herausgabe des (20 : 1 umgewerteten) Kaufpreises einen Anspruch auf Entschädigung einzuräumen. Ausgenommen von dem (höheren) Entschädigungsanspruch seien diejenigen, welche einen der drei in § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG genannten Ausschlussgründe erfüllten. Dabei sei der Wortlaut der „Unwürdigkeitsregelung“ des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG mit dem Wortlaut der Regelung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG identisch; hierdurch habe der Gesetzgeber gewährleisten wollen, dass eine Gleichbehandlung mit denjenigen Erwerbern oder ihren Rechtsnachfolgern erreicht werde, denen der zwischen 1933 und 1945 erworbene Vermögenswert unter sowjetischer Besatzungshoheit (1945 - 1949) wieder entzogen worden sei und die dafür einen Anspruch nach § 1 Abs. 1 des Ausgleichsleistungsgesetzes hätten. Nach der zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG entwickelten Rechtsprechung sei es Sinn und Zweck der Ausschlussregelung in § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu verhindern, dass diejenigen, die die Hauptverantwortung für die zu revidierenden Unrechtsmaßnahmen trügen, das Ausgleichsleistungsgesetz zu ihren Gunsten in Anspruch nähmen. Nicht jeder Missbrauch einer Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer und nicht jedes Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen oder kommunistischen Systems in der sowjetisch besetzten Zone oder der DDR reichten aus; vielmehr sei in allen Fällen eine „gewisse Erheblichkeit“ erforderlich, welche - mit Ausnahme der 1. Alternative des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG - auch durch den Wortlaut dokumentiert werde, wenn ein „erhebliches“ Vorschubleisten oder der Missbrauch einer Stellung in „schwerwiegendem“ Maße verlangt werde. Andernfalls sei im Regelfall eine Unwürdigkeit zu bejahen, was dem Ausnahmecharakter der Unwürdigkeitsregelung nicht gerecht werde und vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei. Nicht jeder Verstoß könne zur Unwürdigkeit im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG führen, weil die Vorschrift sonst aufgrund ihrer Schaffung als „Wiedergutmachungsgesetz“ für Rechtsstaatsverstöße ins Leere liefe. Auf einen Missbrauch weise auch nicht schon die Erfüllung der Rechtsvermutung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG, nach der zugunsten des Berechtigten ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust nach Maßgabe des II. Abschnitts der Anordnung BK/0 (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin I S. 221 - im Folgenden: REAO) vermutet werde; diese Regelung unterstreiche vielmehr, dass es im maßgeblichen Zeitraum verbreitet gewesen sei, NS-Verfolgtenvermögen erheblich unter dem Verkehrswert bzw. sogar unter dem Einheitswert zu verkaufen. Wäre es dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Einführung des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG darauf angekommen, gerade diese Fälle vom Wahlrecht zwischen Kaufpreis und Entschädigung auszunehmen, hätte ein Verweis auf die Vorschrift des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG ausgereicht. Es wäre auch ein Verweis auf die Legaldefinition der unangemessenen Gegenleistung im Sinne des § 15 Abs. 2 RepG im Wortlaut der „Unwürdigkeitsvorschrift“ ausreichend gewesen. Zudem hätte es der Einführung der Unwürdigkeitsklausel in § 7a Abs. 3b VermG insgesamt nicht bedurft, da bei den anspruchsbegründenden Restitutionshandlungen, welche die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes eröffneten, immer gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen worden sei; hingegen sei der Anwendungsbereich des § 7a Abs. 3b und Abs. 3c VermG erst in den Fällen des § 1 Abs. 6 VermG eröffnet, da die Vorschriften ausdrücklich auf § 1 Abs. 6 VermG verwiesen. Der erforderlichen engen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe habe auch die Rechtsprechung in ihren Entscheidungen zu der ersten und dritten Ausschlussalternative des § 1 Abs. 4 AusglLeistG Rechnung getragen, wobei zu berücksichtigen sei, dass alle drei Ausschlussgründe eine - in der Schwere des Verstoßes vergleichbare - gewisse Erheblichkeit erforderten, insoweit folglich eine Gleichwertigkeit der Ausschlussgründe gegeben sei. Demgegenüber greife der Hinweis des Beklagten auf den in der Begründung des Gesetzentwurfes genannten § 15 RepG nicht durch, weil dessen Wortlaut mit dem der „Unwürdigkeitsklausel“ des § 7a Abs. 3b VermG nicht vergleichbar oder ähnlich sei. Mit dem Erfordernis der unangemessenen Gegenleistung enthalte § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b RepG ein objektiv geprägtes Ausschlusselement, was durch die Definition der „unangemessenen Gegenleistung“ in den Sätzen 3 bis 6 des § 15 Abs. 2 RepG deutlich werde, welche an das Verhältnis Verkehrswert und tatsächliche geldwerte Leistung anknüpfe, während die „Unwürdigkeit“ im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG bereits nach dem Wortlaut eine subjektive Komponente voraussetze („missbrauchen“; „erheblich Vorschub leisten“). Auch nach der Begründung des Gesetzentwurfes begründe eine unangemessene Gegenleistung im Sinne des § 15 Abs. 2 RepG lediglich den „Anfangsverdacht“ bzgl. eines „Unwürdigkeitstatbestandes“ und weise nicht darauf, dass mit einer unangemessenen Gegenleistung gleichzeitig auch ein schwerwiegender Missbrauch der eigenen Stellung erfüllt sei.

10 Auf der Grundlage dieser Auslegung sei der Rechtsvorgänger der Kläger nicht „unwürdig“ im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG. Eine - politische oder wirtschaftliche - Stellung sei dann missbraucht worden, wenn der Funktionsträger oder sonst Systembegünstigte sich diese - nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Erwerb - zunutze gemacht habe, um Vorteile zu erlangen, auf die er nach rechtsstaatlichen Grundsätzen keinen Anspruch hatte, oder wenn er sie genutzt habe, um anderen aus einer nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Ausübung heraus Nachteile zuzufügen. Hier bestehe zwar der erlangte eigene Vorteil des Vaters bzw. Schwiegervaters der Kläger in der aus der unangemessenen Gegenleistung resultierenden Ersparung von Aufwendungen für den Erwerb eines Grundstücks, weil er es deutlich unter dem Einheitswert, der 1957 in Korrektur eines unzutreffend zu niedrig festgesetzten Einheitswertes festgestellt worden sei, erworben habe und sich ihm dies bereits bei Erwerb hätte aufdrängen müssen. Der Rechtsvorgänger der Kläger sei jedoch weder Inhaber einer Stellung noch sei ihm ein schwerwiegender Missbrauch im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG nachzuweisen. Allein die seit 1937 bestehende Mitgliedschaft in der NSDAP stelle keine Funktion im nationalsozialistischen System dar, so dass offen bleiben könne, ob er im Jahre 1939 bereits wieder ausgetreten sei. Das Ausnutzen einer wirtschaftlichen Überlegenheit, die M. nur deshalb inne gehabt habe, weil er kein verfolgter jüdischer Bürger gewesen ist, reiche ebenfalls nicht für das Innehaben einer Stellung aus; vielmehr seien weitere Anhaltspunkte - an denen es hier mangele - erforderlich, um eine besondere, wenn auch nur besondere wirtschaftliche Stellung zu begründen. Auch liege kein schwerwiegender Missbrauch vor. Zwar habe der Rechtsvorgänger der Kläger einen ausgesprochen geringen Kaufpreis gezahlt, auch sei im Hinblick auf die Gesamtumstände des Grundstückserwerbs anzunehmen, dass der Rechtsvorgänger der Kläger die Verfolgungslage der ursprünglichen Eigentümerinnen ausgenutzt habe. Jedoch sei der Verkauf von jüdischem Grundeigentum in der NS-Zeit von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit - insbesondere im Hinblick auf den Kaufpreis - geprägt gewesen, so dass es weiterer Anhaltspunkte bedürfe, um einen schwerwiegenden Missbrauch zu begründen. Solche Anhaltspunkte bestünden hier nicht; insbesondere fehle jeder Anhalt dafür, dass der Rechtsvorgänger der Kläger den Kaufpreis unter Ausnutzung oder Verweis auf seine Zugehörigkeit zu den NS-Verfolgern bewusst heruntergehandelt habe.

11 Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage; er rügt eine Verletzung des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG.

12 Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

13 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und macht geltend, das Urteil des Verwaltungsgerichts begegne rechtlichen Bedenken, soweit es die Auffassung vertrete, die Veräußerung unter Einheitswert deute nicht auf den schwerwiegenden Missbrauch der eigenen Stellung im Sinne des § 7a Abs. 3b VermG hin, weil das Unwürdigkeitsmerkmal des schwerwiegenden Missbrauchs nach genannter Vorschrift eng auszulegen sei.

II

14 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts steht nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf einer fehlerhaften Anwendung von § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG und trägt folglich nicht die Entscheidung, dass der Rechtsvorgänger der Kläger bei dem Erwerb des streitbefangenen Grundstücks nicht in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht habe. Da es für eine Entscheidung über die Klage noch tatsächlicher Feststellungen bedarf, die das Revisionsgericht nicht treffen kann, muss die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

15 1. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz ist § 7a Abs. 3c Satz 1 Vermögensgesetz (VermG). Gemäß dieser durch Art. 1 Nr. 7 des Vermögensrechtsanpassungsgesetzes vom 4. Juli 1995 (BGBl I S. 895) eingefügten Regelung steht eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz auch demjenigen zu, der nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines Anspruchs nach § 1 Abs. 6 VermG von der Rückerstattung ausgeschlossen ist. Nach § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG, dessen entsprechende Geltung § 7a Abs. 3c Satz 2 VermG anordnet, gilt dies nicht, wenn der Verfügungsberechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblich Vorschub geleistet hat. Zwischen den Beteiligten steht auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Recht nicht im Streit, dass der Rechtsvorgänger der Kläger nicht gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen oder dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet hat, und dem Entschädigungsbegehren daher allein der Ausschlussgrund eines Missbrauchs der eigenen Stellung in schwerwiegendem Maße nach § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG (Missbrauchstatbestand) entgegenstehen kann.

16 2. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Missbrauchstatbestandes mit Erwägungen verneint, die mit dem Bundesrecht nicht in Einklang stehen.

17 2.1 Das Verwaltungsgericht ist von dem rechtlichen Ansatz ausgegangen, dass eine missbrauchte „Stellung“ sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Art sein kann, sie aber mit dem Begriff der Funktion im nationalsozialistischen oder kommunistischen System gleichzusetzen sei. Es müsse deshalb eine Stellung bestehen, die sich der Funktionsträger oder sonst Systembegünstigte zunutze gemacht habe, um Vorteile zu erlangen, auf die er nach rechtsstaatlichen Grundsätzen keinen Anspruch hatte, oder um anderen aus einer nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Ausübung heraus Nachteile zuzufügen.

18 Es ist dabei indes von einem zu engen Begriff der (missbrauchsfähigen) Stellung im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG ausgegangen. Der vorliegenden Fall gibt dabei keinen Anlass zur näheren Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Funktionsträger in Partei, Staat oder Wirtschaft bzw. den jeweils mit ihnen verbundenen Organisationen allein wegen ihrer formal herausragenden Position eine „Stellung“ innehaben, die sie im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG missbrauchen können, oder inwieweit der Gebrauch guter Beziehungen zu solchen maßgeblichen Personen zur Beeinflussung von Zeitpunkt oder Konditionen eines Erwerbsvorganges den Ausschlusstatbestand erfüllen kann. Zu entscheiden ist hier allein über die Frage, ob eine missbrauchsfähige Stellung bereits dann vorliegen kann, wenn der Erwerber im Verhältnis zu dem Verkäufer eine überlegene, weil nicht gleiche Stellung innehat. Dies ist der Fall.

19 Eine „Stellung“, die zum eigenen Vorteil oder fremden Nachteil missbräuchlich ausgenutzt werden kann, liegt bereits in der Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum verfolgter Personen durch selbst nicht Verfolgte. Bereits seinem Wortlaut nach verlangt § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG für den Missbrauchstatbestand keine besonders hervorgehobene „persönliche Machtstellung“ (so etwa § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG) oder sonst eine besondere persönliche, berufliche oder gesellschaftliche Position (hier) im nationalsozialistischen Unrechtssystem. Dem Wortsinn nach ist der Begriff der „Stellung“ nicht beschränkt auf eine institutionelle Stellung im staatlichen oder gesellschaftlichen Bereich, die mit gewissen Machtbefugnissen ausgestattet ist (so etwa Neuhaus, in: Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, Band II, § 1 AusglLeistG Rn. 149; Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 7a VermG Rn. 199; Kuhlmey/Wittmer, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 7a VermG Rn. 54; Meixner, in: ebd., § 1 AusglLeistG Rn. 280; Weskamm, in: Kimme <Hrsg.>, Offene Vermögensfragen, § 1 AusglLeistG Rn. 143 ff.; s.a. Hellmann VIZ 1995, 201 <209>), oder doch eine Position wirtschaftlicher Macht (s. Rosenberger, Unwürdigkeit im Recht der offenen Vermögensfragen, S. 69 ff.). Im Verhältnis zu dem Verkäufer hat auch der (mögliche) Käufer jedenfalls dann eine „Stellung“, die missbräuchlich ausgenutzt werden kann, wenn der Verkäufer zu einer Personengruppe gehört, die durch das nationalsozialistische Unrechtsregime systematisch ausgegrenzt und verfolgt worden ist, und der Käufer nicht zu dieser verfolgten Personengruppe gehört. Bereits die gravierende rechtliche Ungleichheit der Vertragsbeteiligten, welche durch die systematische Ausgrenzung und Verfolgung von Personen, die von dem nationalsozialistischen System als „Juden“ eingestuft und entrechtet wurden, bewirkt worden ist, verschafft dem erwerbenden Vertragspartner im Verhältnis zu dem Verkäufer eine im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG ausnutzbare Stellung. Dass die Stellung von Personen, die aus nationalsozialistischer Sicht Juden waren, seit dem 30. Januar 1933 von einer fundamentalen Missachtung des Gleichheitsgrundsatzes und einer zunehmenden Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung geprägt war, liegt nicht zuletzt § 1 Abs. 6 VermG und dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zu Grunde und bedarf als allgemeinkundige Tatsache der Zeitgeschichte keiner näheren Darlegung (allgemein dazu etwa R. Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt/M. 1994; Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933 - 1939, München 2000; M. Tarrab-Maslaton, Rechtliche Strukturen der Diskriminierung der Juden im Dritten Reich, Berlin 1993; s.a. J. Walk <Hrsg.>, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, Heidelberg 1981; B. Blau <Hrsg.>, Das Ausnahmerecht für die Juden in Deutschland 1933 - 1945, 3. Aufl., Düsseldorf 1965); dies gilt auch in Bezug auf ihre Stellung im Wirtschaftsleben (J. Ludwig, Boykott. Enteignung. Mord. Die „Entjudung“ der deutschen Wirtschaft, München/Zürich 1992; Fritz Bauer Institut <Hrsg.>, „Arisierung“ im Nationalsozialismus. Volksgemeinschaft, Raub und Gedächtnis, Frankfurt/M. 2000; A. Barkai, Vom Boykott zur „Entjudung“. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933 - 1943, Frankfurt/M. 1988; W. Mönninghoff, Enteignung der Juden. Wunder der Wirtschaft, Erbe der Deutschen, Hamburg/Wien 2001) und ihr Eigentum (in Bezug auf Grundeigentum - am Beispiel Bremens - s. H. Balz, Die „Arisierung“ von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen, Bremen 2004). Die sog. „Arisierung“ jüdischen Besitzes bildete einen wichtigen Teilaspekt der systematischen Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, für die mit der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 (RGBl I S. 414) bereits im Vorfeld der Pogrome vom November 1938 und der diesen unmittelbare folgenden Regelungen (s. z.B. die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938, RGBl I S. 1580, und die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938, RGBl I, S. 1709) eine neue Phase eingeleitet worden war. Durch das Zusammenspiel formeller Entrechtung und faktischer Verfolgung erhielten solche Personen, auf welche die systematischen Verfolgungsmaßnahmen nicht zielten, auch dann gegenüber den Verfolgten eine ausnutzbare Stellung, wenn sie gegenüber anderen Nichtverfolgten keine solche Position innehatten. Dieser objektive Bezug auf die Verfolgungslage des Vertragspartners prägt die Stellung des Erwerbers auch dann, wenn er die allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen nicht selbst bewirkt oder aktiv befördert hat, er unter den Rahmenbedingungen einer allgemeinen Verfolgungslage handelt, wenn er sich dem Veräußerer gegenüber „korrekt“, insbesondere auf Handlungen zur Verschärfung oder Vertiefung der strukturellen Machtasymmetrie verzichtet, oder er der Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung neutral oder gar ablehnend gegenübersteht. Unter den damaligen Umständen prägte die allgemeine Verfolgungslage notwendig die Rahmenbedingungen des Erwerbsgeschäftes und wirkte - jedenfalls in der Zeit ab 15. September 1935, ab der von einer Kollektivverfolgung auszugehen ist (s. Rieger VIZ 1995, 433 <436 ff.>) - namentlich auf Tatsache, Zeitpunkt und Modalitäten der Verkaufsbereitschaft ein. Für eine „Stellung“ des Erwerbers ist daher auch nicht erforderlich, dass er zu Lasten des Verkäufers oder zu seinem eigenen Vorteil zusätzlich im Einzelfall gezielt gestaltenden Einfluss auf die Verkaufsentscheidung des Verkäufers oder die Modalitäten des Verkaufs genommen hat.

20 Dieser Begriff der „Stellung“, der keine institutionelle Teilhabe am staatlichen oder gesellschaftlichen Machtgeflecht voraussetzt, wird durch eine systematische Auslegung gestützt, welche die beiden anderen Alternativen des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG in den Blick nimmt. Die „Unwürdigkeitstatbestände“ der ersten und dritten Alternative stellen darauf ab, ob eine Person wegen ihres Verhaltens von Entschädigungsansprüchen ausgeschlossen sein soll; hierfür unerheblich ist, ob eine die Unwürdigkeit begründende Handlung einen Bezug zu dem Entschädigungsgegenstand hatte oder sonst zur „Bereicherung“ des Entschädigungsbegehrenden geführt hat. Der Missbrauchstatbestand erfasst hingegen gerade auch Fälle, in denen das inkriminierte Verhalten „zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer“ den Erwerb des Vermögensgegenstandes betrifft, an den die Entschädigungsansprüche anknüpfen, also um die Entschädigung für eine aus einem inkriminierten Verhalten resultierende „Bereicherung“ gestritten wird. Diesen systematischen Zusammenhang vernachlässigt das Argument, dass die dem § 1 Abs. 4 AusglLeistG nachgebildeten Ausschlusstatbestände lediglich die „Hauptverantwortlichen“ von den Leistungen ausschließen sollten.

21 Systematisch kann der Einbettung des Missbrauchstatbestandes in zwei weitere Ausschlusstatbestände auch sonst nicht entnommen werden, dass für diesen Ausschlusstatbestand ein besonderer, hervorgehobener „Systembezug“ zu verlangen sei, der voraussetze, dass in Staat, Partei oder Gesellschaft eine besondere Funktion ausgeübt worden ist. Ein solcher „Systembezug“ ist allerdings für die Fälle des „Vorschubleistens“ erforderlich (§ 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 3 VermG), der erfüllt ist, wenn der Betreffende bewusst und mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen hat, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken, und dies auch zum Ergebnis hatten (Urteile vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - BVerwGE 123, 142; vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris). Dies ergibt sich indes bereits eindeutig aus dem Wortlaut und rechtfertigt keine Übertragung auf die 2. Alternative, die dem Wortlaut nach gerade keinen Systembezug verlangt. Inwieweit in Fällen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit (§ 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 1 VermG) ein Systembezug erforderlich ist, kann offen bleiben (s. zu § 5 BVFG, Urteil des Senats vom 27. März 2006 - BVerwG 5 C 30.05 - BVerwGE 125, 344 = NVwZ 2006, 945). Denn in der Rechtsprechung zu vergleichbaren Ausschlusstatbeständen ist zu Recht anerkannt, dass für einen - etwa erforderlichen - Systembezug keine dauerhafte, besondere Funktion in Staat, Partei oder Gesellschaft erforderlich ist: Gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstößt auch die Weitergabe von Informationen denunziatorischen Charakters unter den Bedingungen eines Unrechtsregimes durch Personen, die selbst keine „Funktionsträger“ dieses Regimes waren, wenn dies damit verbunden war, dass dem Betroffenen unmenschliche und rechtsstaatswidrige Handlungen drohten (s. BVerfG, Beschluss vom 9. August 1995 - 1 BvR 2263/94 u.a. - BVerfGE 93, 213 <243> zu § 1 Abs. 2, § 6 des Gesetzes zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen ehrenamtlicher Richter; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1963 - BVerwG 8 C 67.62 - BVerwGE 15, 336 <340 f.> zu § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 Häftlingshilfegesetz). Selbst wenn also für die § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG ein gewisser Systembezug zu verlangen sein sollte, erforderte dies kein Handeln „im“ System. Hinreichend wäre ein Handeln „unter dem Schutz“ des Systems, wenn der Einzelne sich, ohne hierzu gezwungen zu sein, die überlegene Stellung, die er durch die vom System geschaffene Verfolgungslage erlangt hat, beispielsweise durch den Erwerb jüdischen Eigentums zu nutze machte und damit zugleich objektiv zur Verwirklichung des erklärten politischen Ziels des nationalsozialistischen Systems beitrug, das jüdische Vermögen zu „arisieren“.

22 Gegen diese Auslegung des Begriffs der „Stellung“ spricht auch nicht, dass dann in den Fällen des § 7a Abs. 3c Satz 1 VermG nur ein kleiner Anwendungsbereich verbleibe, da ein § 3 Abs. 2 VermG vorrangiger Anspruch nach § 1 Abs. 6 VermG gerade einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust voraussetze, der nicht zuletzt auch durch eine unangemessene Gegenleistung indiziert werde. Wortlaut und Entstehungsgeschichte lässt sich schon nicht entnehmen, wie groß der Anwendungsbereich der von dem Gesetzgeber angestrebten Verbesserung der Rechtsposition des nach § 3 Abs. 2 VermG von der Restitution Ausgeschlossenen sein sollte, der durch den Ausschlussgrund des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG wieder eingeengt wird. Vor allem werden der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG und der dort in Bezug genommenen Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes nach Maßgabe des II. Abschnitts der Anordnung BK/0 (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin I S. 221) (REAO) einerseits und der des Missbrauchstatbestandes andererseits nicht schon dadurch deckungsgleich, dass auch bei bloßer Nutzung der systembedingten Situation der Erwerber eine missbrauchsfähige Stellung hatte; denn der Ausschlusstatbestand erfordert eine Ausnutzung der Stellung „in schwerwiegendem Maße“ (dazu unten 2.3.).

23 Ein engerer, von Vorstehendem abweichender Begriff der missbrauchsfähigen „Stellung“ ergibt sich schließlich nicht mit Blick auf die Ausgestaltung und Auslegung, die Ausschlusstatbestände sonst im Vermögens-, Wiedergutmachungs-, Rehabilitations- oder Rückerstattungsrecht erfahren haben. Für den gleichlautenden Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG, an den § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG in der Sache und auch entstehungsgeschichtlich (s. BTDrucks 13/1593 S. 12) anschließt, folgt aus dem zutreffenden Ansatz, dass diese beiden Normen systematisch aufeinander bezogen sind und daher im Kern identisch auszulegen sind, allein, dass die vorstehenden Erwägungen auch auf die Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu übertragen sind. Bei der Auslegung der Missbrauchsklauseln in § 16 Abs. 2 StrRehaG, § 2 Abs. 2 VwRehaG und § 4 BerRehaG ist zu beachten, dass nicht das Regelungsproblem des Ausschlusses in Bezug auf das Handeln bei Vermögensverschiebungen unter Bedingungen der Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in der Zeit des Nationalsozialismus im Vordergrund stand. Dass § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG seinem Wortlaut nach für den Entschädigungsausschluss nicht an die „Unredlichkeit“ des Erwerbs (s. etwa § 4 Abs. 2, 3 VermG), an einen verfolgungsbedingten Erwerb zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis (s. etwa Art. 2 f. REAO; § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Satz 4 RepG) oder an einen Erwerb in Ausnutzung von Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bzw. der im Vertreibungsgebiet bestehenden Verhältnisse ohne angemessene Gegenleistung (§ 359 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 LAG) anknüpft, rechtfertigt lediglich den Umkehrschluss, dass nicht jede Unterschreitung des angemessenen Kaufpreises den Ausschlusstatbestand verwirklicht. Wegen der offeneren Ausformung der Ausschlussgründe des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG stützt dies nicht die Annahme, die dort verlangte (missbrauchsfähige) Stellung erfordere eine hervorgehobene Funktion in Staat, Partei oder Gesellschaft. Der gemeinsame Grundgedanke dieser Regelungen, dass eine Entschädigungs- oder Ausgleichsleistung nicht für Vermögensgegenstände gewährt werden soll, die unter Ausnutzung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erworben worden sind, und die hierfür der Unangemessenheit der Gegenleistung beigemessene Indizwirkung sprechen vielmehr für eine Auslegung, bei der eine missbrauchsfähige Stellung auch ohne eine besondere, hervorgehobene Position in Staat, Partei oder Gesellschaft bestehen kann, und dafür, erforderliche Differenzierungen bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „schwerwiegenden Missbrauchs“ zur Geltung zu bringen.

24 Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung, wie er sich hier aus der Entstehungsgeschichte erschließt (s. BTDrucks 13/1593 S. 12), setzt eine missbrauchsfähige „Stellung“ keine besondere, hervorgehobene Funktion in Staat, Partei oder Gesellschaft voraus. Das Wahlrecht auf Entschädigung sollte nur sog. „loyalen Erwerbern“, die die Verfolgungslage des verfolgten Veräußerers zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 nicht ausgenutzt haben, eingeräumt werden. Bei einem Ausnutzen der Verfolgungslage werde - so der Bericht des Rechtsausschusses (ebd.) - „regelmäßig der Ausschlussgrund des schwerwiegenden Missbrauchs der eigenen Stellung erfüllt sein“, wobei „Anhaltspunkte dafür, wann ein Ausnutzen der Verfolgungslage vorgelegen hat, weil der Erwerber keine angemessene Gegenleistung erbracht hat, [...] den zu § 15 Abs. 2 des Reparationsschädengesetzes entwickelten Grundsätzen entnommen werden [können].“ Diese erkennbare Zielsetzung, welche die hier vertretene Auslegung stützt, wird auch nicht dadurch relativiert, dass der Gesetzgeber den Begriff des „loyalen“ bzw. des „redlichen“ Erwerbs nicht in den Gesetzeswortlaut aufgenommen oder sonst ausdrücklich auf die Angemessenheit der Gegenleistung abgehoben hat, weil wegen des Erfordernisses des „schwerwiegenden“ Missbrauchs einer Stellung der Ausschlusstatbestand nicht schon bei jeder Unterschreitung der angemessenen Gegenleistung erfüllt ist.

25 2.2 Seine Stellung „missbraucht“ im Sinne des § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG, wer von dieser Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer in einer von der Rechtsordnung missbilligten Weise Gebrauch macht. Für die rechtliche Missbilligung der Handlungen, durch welche eine Stellung ausgenutzt worden ist, kommt es nicht darauf an, ob das Verhalten mit den in der Zeit des Nationalsozialismus bestehenden Gesetzen im Einklang stand oder sonst ein seinerzeit übliches, nach den damaligen Maßstäben möglicherweise gar von den Machthabern erwünschtes Verhalten war. Grundlage sind die Wert- und Beurteilungsmaßstäbe eines demokratischen Rechtsstaats. Eine rechtlich zu missbilligende Ausnutzung einer Stellung und damit ein „Missbrauch“ kann daher auch allein darin liegen, dass die Verfolgungslage der von dem nationalsozialistischen Unrechtsregime verfolgten Personen zu deren Nachteil oder zum eigenen Vorteil ausgenutzt wurde und ein Vermögensgegenstand ohne eine angemessene Gegenleistung erworben worden ist. Es kann, muss aber nicht hinzutreten, dass der Erwerber selbst unmittelbar durch eine anstößige Manipulation zu seinem Vorteil direkt auf den Verkäufer hinsichtlich der Auswahl des Erwerbsgegenstandes oder des Zeitpunktes oder der Bedingungen des Erwerbs eingewirkt hat. Für den Erwerb von Vermögen von Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus einer systematischen Entrechtung ausgesetzt waren, liegt eine zu missbilligende Ausnutzung der Verfolgungslage durch Nichtverfolgte bereits darin, dass von der systembedingt eröffneten Chance, Vermögensgegenstände Dritter unter dem Verkehrswert zu erlangen, Gebrauch gemacht worden ist. Dass die Rechtsordnung den Erwerb jüdischen Eigentums unter Wert rechtlich missbilligt, ergibt sich nicht zuletzt aus § 1 Abs. 6 VermG und wird durch § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Satz 4 RepG bestätigt.

26 In subjektiver Hinsicht liegt in den Fällen, in denen sich objektiv der Missbrauch allein aus der Vereinbarung eines nicht angemessenen Kaufpreises ergibt, ein Missbrauch dann vor, wenn der Käufer erkannt hat oder erkennen musste, dass der Verkäufer zu der Gruppe der Personen gehört hat, die von dem nationalsozialistischen Unrechtssystem verfolgt worden ist, und er auch erkannt hat oder erkennen musste, dass der von dem Verkäufer erzielte Kaufpreis unangemessen niedrig war. Maßstab für diese Betrachtung ist dabei der Verkehrswert bzw. der Wert, der bei einem Verkauf durch eine nicht verfolgte Person hätte erzielt werden können.

27 2.3 Der Entschädigungsanspruch ist nach § 7a Abs. 3b Satz 2 Alt. 2 VermG allerdings nicht schon bei jedem „einfachen“ Missbrauch, sondern erst dann ausgeschlossen, wenn die Stellung „in schwerwiegendem Maße“ missbraucht worden ist.

28 Der Gesetzgeber hat den Entschädigungsausschluss nicht schon für jeden Fall eines verfolgungsbedingten Erwerbs oder doch stets dann vorgesehen, wenn der angemessene Kaufpreis bereits geringfügig unterschritten worden ist. In Fällen, in denen der Missbrauch allein aus der Vereinbarung eines unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreises folgt und nicht weitere Missbrauchsumstände hinzutreten, reicht daher ein lediglich „unangemessener“ Kaufpreis nicht aus. Ein „schwerwiegender Missbrauch“ liegt in solchen Fällen vielmehr erst dann vor, wenn der Vermögensgegenstand unter Ausnutzung der damaligen Lage deutlich unter Wert erworben wurde. Ein durch den vereinbarten Kaufpreis belegter Missbrauch der Stellung wird allerdings nicht erst dadurch zu einem „schwerwiegenden“, dass zu einer Abrede eines unangemessenen Kaufpreises stets noch eine anstößige Manipulation beim Erwerbsvorgang hinzutritt; ein für den Ausschlusstatbestand hinreichendes, schwer wiegendes Gewicht des kaufpreisindizierten Missbrauchs kann auch allein aus dem Grad der Unterschreitung des angemessenen Kaufpreises, dem Maß oder Gewicht des Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert folgen.

29 Das Erfordernis eines „schwerwiegenden Missbrauchs“ steht der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen, nach der die zu § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Satz 4 RepG entwickelten Grundsätze auch in Bezug auf den Grad der Unterschreitung des angemessenen Kaufpreises anzuwenden seien, der „schwerwiegende Missbrauch“ bereits bei einer Unterschreitung des Verkehrswertes um 10 v.H. einsetze. Diese Ansicht vernachlässigt, dass der Gesetzgeber - ungeachtet der Bezugnahme auf § 15 Abs. 2 RepG in dem Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks 13/1593 S. 12) - den „einfachen“ Missbrauch der Verfolgungslage nicht hat ausreichen lassen; sie bewirkte zudem eine zu weit gehende Annäherung des Anwendungsbereiches dieses Ausschlussgrundes mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG sowie ein Spannungsverhältnis zu den beiden anderen Gründen des § 7a Abs. 3b Satz 2 VermG, die jeweils Qualifizierung der zum Entschädigungsausschluss führenden Umstände vorsehen (Verstoß gegen die „Grundsätze“ der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit bzw. ein „erhebliches“ Vorschubleisten). Bei einem allein am Kaufpreis ansetzenden Missbrauch wird dieser daher erst dann „schwerwiegend“, wenn ein gravierendes Missverhältnis zum maßgeblichen Wert vorliegt. Als Leitlinie hierfür hält der Senat eine Unterschreitung des damaligen Verkehrswertes um mehr als 25% für angemessen, die zwar deutlich unter dem Verkehrswert, aber über der Grenze offensichtlicher Sittenwidrigkeit liegt; ist der Verkehrswert nach Aktenlage nicht bekannt, ist an festgestellte Einheitswerte anzuknüpfen.

30 Dies nimmt dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien auf § 15 Abs. 2 RepG nicht den Sinn. Heranzuziehen sind insbesondere die Grundsätze, die zu § 15 Abs. 2 RepG und der insoweit vergleichbaren Regelung des § 2 Abs. 2 der 7. FeststellungsDV für die Bestimmung des bei der Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigenden Kaufpreises entwickelt worden sind. So ist für die Frage der Angemessenheit der Gegenleistung die Herkunft der Kaufpreismittel grundsätzlich bedeutungslos (Urteil vom 25. Februar 1971 - BVerwG 3 C 129.68 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 13). Auch ist eine vom Erwerber abzuführende sog. „Arisierungsabgabe“ bei Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung des Erwerbers zu dessen Gunsten nicht zu berücksichtigen (Urteile vom 26. Februar 1970 - BVerwG 3 C 125.68 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 9; vom 7. Dezember 1972 - BVerwG 3 C 65.70 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 20). Die Abführung einer sog. „Arisierungsabgabe“ begründet allerdings nur eine - widerlegliche (Beschluss vom 18. Juni 1980 - BVerwG 3 CB 73.78 - Buchholz 427.207 § 1 7. FeststellungsDV Nr. 44; Urteil vom 22. August 1985 - BVerwG 3 C 67.84 - Buchholz 427.7 § 15 RepG Nr. 14) - tatsächliche Vermutung dafür, dass die erbrachte Gegenleistung nicht angemessen war (Urteile vom 23. September 1982 - BVerwG 3 C 20.81 - Buchholz 427.7 § 15 RepG Nr. 13; vom 1. September 1988 - BVerwG 3 C 73.87 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 47), nicht aber für die gesteigerten Anforderungen eines „schwerwiegenden“ Missbrauchs, auch wenn durch diese Abgabe ungerechtfertigte Gewinne aus dem Erwerb jüdischen Vermögens durch Erhebung einer Ausgleichsabgabe erfasst werden sollten, falls zwischen dem Kaufpreis und einem „mäßigen“ Verkehrswert - dieser lag etwa 10 v.H. unter dem Verkehrswert - ein erheblicher Unterschied bestand (Beschluss vom 22. Juli 1987 - BVerwG 3 CB 60.86 - Buchholz 427.7 § 15 RepG Nr. 16).

31 Wegen der Schwierigkeiten, die sich durch den deutlichen zeitlichen Abstand zu dem Erwerbsgeschäft für die Feststellung des Verkehrswertes ergeben, ist in den Fällen, in denen keine zuverlässigen, unstrittigen Angaben zum maßgeblichen Verkehrswert vorliegen, für die Bestimmung eines gravierenden Missverhältnisse bei Grundstücken in Gebieten mit durchgeführter Einheitsbewertung als Hilfsmaßstab an einen festgestellten Einheitswert anzuknüpfen (Urteil vom 9. November 1972 - BVerwG 3 C 41.71 - BVerwGE 41, 145). Bei einem Rückgriff auf diesen Hilfsmaßstab ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Einheitswert ungeachtet der anzuwendenden Bewertungsvorschriften typischerweise nicht mit dem Verkehrswert identisch ist, sondern lediglich als dessen unterste Grenze anzusehen ist (Urteil vom 20. Januar 1972 - BVerwG 3 C 98.70 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 14; Beschluss vom 3. Mai 1982 - BVerwG 3 B 96.81 - Buchholz 427.7 § 15 RepG Nr. 12; Urteil vom 24. August 2000 - BVerwG 7 C 85.99 - Buchholz 428 § 1 Abs 6 VermG Nr. 7; Urteil vom 29. März 2006 - BVerwG 8 C 15.05 - BVerwGE 125, 359 = ZOV 2006, 150). Bei Anknüpfung der Vergleichsbetrachtung an einen Einheitswert ist regelmäßig ein Abschlag bei dem vom-Hundert-Satz geboten, der wegen eines gravierenden Missverhältnisses zum Kaufpreis einen schwerwiegenden Missbrauch indiziert; eine einzelfallbezogene Ermittlung des rechtlich maßgeblichen Verkehrswertes wird allenfalls dann in Betracht kommen, wenn nach den festgestellten tatsächlichen Umständen erheblich Zweifel an dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebildeten Erfahrungssatz bestehen, dass der Einheitswert in der Regel höchstens 90 v.H. des Verkehrswertes erreicht.

32 3. Nach diesem Maßstab kann auf der Grundlage der von dem Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Rechtsvorgänger der Kläger in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder fremden Nachteil missbraucht hat.

33 Entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts hatte der Rechtsvorgänger der Kläger allerdings eine missbrauchsfähige Stellung. Er hatte zwar als - zeitweiliges - einfaches Mitglied der NSDAP keine besondere, hervorgehobene Stellung in Staat, Partei oder Gesellschaft. Er war aber selbst nicht Verfolgter und als solcher in der Lage, von durch das nationalsozialistische Unrechtssystem verfolgten Personen Eigentum (unter Wert) zu erwerben. Der Umstand, dass die Verkäufer sich im Zeitpunkt des Verkaufes bereits außerhalb der Grenzen des seinerzeitigen Reichsgebietes aufhielten und damit nicht mehr einem unmittelbaren physischen Zugriff durch das NS-System ausgesetzt waren, ändert nichts an ihrer Verfolgungslage, die aus der Entrechtung von Personen jüdischer Herkunft im Reichsgebiet folgt. Dass diese Verfolgungslage unbeachtlich sei, weil keine Gefährdung für Leib oder Leben mehr bestand, kann auch deswegen nicht angenommen werden, weil nicht unterstellt werden kann, dass verfolgte Personen, die das Gebiet des Deutschen Reichs nach dem 30. Januar 1933 verlassen hatten, am Zufluchtsort ein gesichertes Auskommen hatten oder sie sonst wirtschaftlich so unabhängig waren, dass sie zur Sicherung oder Stabilisierung ihrer Existenz am Zufluchtsort nicht auf die Verwertung ihres im Reichsgebiet gelegenen Vermögens angewiesen waren. Ohne Verkauf mussten sie vielmehr befürchten, ihr Eigentum ohne jede Gegenleistung zu verlieren.

34 Der Rechtsvorgänger der Kläger hat seine Stellung auch durch einen Ankauf des Grundstücks unter dem Verkehrswert missbraucht. Ihm war bekannt, dass die Personen, von denen er das Grundstück kaufte, zu dem Personenkreis gehörten, der durch das nationalsozialistische Unrechtssystem verfolgt wurde. Dies musste sich ihm jedenfalls deswegen aufdrängen, weil eine sog. „Arisierungsabgabe“ zu entrichten war. Auch das Verwaltungsgericht hat dahin erkannt, dass der Rechtsvorgänger der Kläger die Verfolgungslage der ursprünglichen Eigentümerinnen ausgenutzt hat (UA S. 18). Weil es bei einem durch den Kaufpreis indizierten Missbrauch nicht darauf ankommt, ob zusätzlich noch einzelfallbezogen die Modalitäten des Verkaufs zielgerichtet beeinflusst worden sind, ist auch unerheblich, dass der Rechtsvorgänger der Kläger den durch die Verkäufer bzw. einen Makler vorgegebenen Kaufpreis akzeptiert und entrichtet hat und er einen höheren Kaufpreis möglicherweise nicht hätte aufbringen können. Nicht erkennbar und nach dem von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 4. Dezember 1996 auszuschließen ist auch, dass es sich um einen sog. „Freundschaftskauf“ (Urteil vom 17. Oktober 1969 - BVerwG 3 C 56.68 - BVerwGE 34, 104; Beschluss vom 6. April 1972 - BVerwG 3 CB 105.70 - Buchholz 427.207 § 2 7. FeststellungsDV Nr. 18) gehandelt hat.

35 Weiterer Feststellungen bedarf es allerdings zu der Frage, ob zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert ein so gravierendes Missverhältnis besteht, das dies für sich allein einen schwerwiegenden Missbrauch darstellt. Dies wäre der Fall, wenn für die Bestimmung des im Verkaufszeitpunkt maßgeblichen Verkehrswertes an den im Jahre 1957 rückwirkend erhöhten Einheitswert anzuknüpfen wäre. Bei Anknüpfung an den im Verkaufszeitpunkt festgesetzten Einheitswert läge ein Grenzfall vor, für den neben der einzelfallbezogenen Tragfähigkeit des in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebildeten Erfahrungssatzes zum Verhältnis von Einheits- und Verkehrswert die Details der Bestreitung der sog. „Arisierungsabgabe“ entscheidungserheblich werden können. Das Verwaltungsgericht ist - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig mangels Entscheidungserheblichkeit - letzterem ebenso wenig nachgegangen wie der Frage, welche Umstände zu der rückwirkenden Erhöhung des Einheitswertes geführt haben, ob dieser - deutlich erhöhte - Einheitswert den tatsächlichen Verkehrswert näher kam als der zunächst festgesetzte, zum Kaufzeitpunkt geltende Einheitswert und ob in dem Fall, dass der zum Kaufzeitpunkt festgesetzte Einheitswert zu niedrig bemessen und deutlich vom Verkehrswert abgewichen sein sollte, dies dem Rechtsvorgänger der Kläger auch bekannt oder in einer Weise erkennbar war, dass es sich diesem hätte aufdrängen müssen. Dies wird nunmehr aufzuklären sein. In die Betrachtung wird dabei auch einzustellen sein, dass in dem im Jahre 1948 zwischen dem Rechtsvorgänger und dem nach dem Thüringischen Wiedergutmachungsgesetz bestellten Verwalter geschlossenen Vergleich eine - vom Rechtsvorgänger der Kläger nicht bezahlte - Zusatzleistung vereinbart worden ist, die immerhin nahezu 50 v.H. des im Jahre 1938 vereinbarten Kaufpreises betrug.