Verfahrensinformation

Mit beiden Verfahren soll geklärt werden, wann landwirtschaftlich genutzte Flächen als Dauergrünland anzusehen sind und ob das mit der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein angeordnete Verbot, Dauergrünland ohne Genehmigung umzubrechen, gültig ist.


Der Kläger des Verfahrens BVerwG 3 C 22.11 ist Landwirt und bewirtschaftet zwei Flächen, auf denen er ab 1998 bzw. 1999 Ackergras anbaute. Ab dem Jahr 2005 nutzte er die beiden Flächen für den Anbau von Kleegras. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 3 C 23.11 baute auf einer Fläche in der Zeit von 2003 bis einschließlich 2008 Ackergras und nachfolgend Kleegras an. Mit der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein wurde Landwirten, die Agrarbeihilfen der Europäischen Union beziehen, verboten, Dauergrünland ohne Genehmigung umzubrechen. Das Verbot soll nach den Regelungen der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung seit dem 24. Juni 2008 gelten, dem Tag nach der Bekanntmachung der Feststellung, dass sich der Anteil des Dauergrünlandes an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche gegenüber dem Jahr 2003 um mehr als fünf Prozent verringert habe. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländlichen Raum des Landes Schleswig-Holstein wies die Kläger darauf hin, dass für die genannten Flächen das Umbruchverbot der Verordnung gelte.


Die Kläger haben hierauf Klage erhoben. Sie wollen festgestellt wissen, dass die Flächen kein Dauergrünland seien oder das Umbruchverbot nicht gelte. Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.


Beschluss vom 15.11.2012 -
BVerwG 3 C 22.11ECLI:DE:BVerwG:2012:151112B3C22.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.11.2012 - 3 C 22.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:151112B3C22.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 22.11

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 12.05.2011 - AZ: OVG 2 LB 26/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. November 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Dem Europäischen Gerichtshof wird folgende Frage zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  3. Ist eine landwirtschaftliche Fläche Dauergrünland im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung, wenn sie gegenwärtig und seit mindestens fünf Jahren zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wird, die Fläche in diesem Zeitraum aber umgepflügt und anstelle der bisherigen Grünfutterpflanze (hier: Kleegras) eine andere Grünfutterpflanze (hier: Ackergras) eingesät wird, oder handelt es sich in diesen Fällen um eine Fruchtfolge, die das Entstehen von Dauergrünland ausschließt?

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob für bestimmte landwirtschaftlich genutzte Flächen das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein gilt, mit dem das unionsrechtliche Dauergrünland-Erhaltungsgebot umgesetzt wird.

2 1. Der Kläger ist Landwirt und beantragt jährlich Betriebsprämien. In seinen Sammelanträgen gab er ab 1998 und 1999 an, auf zwei Flächen, den Schlägen Hohenkamp und Herrbusch, Ackergras anzubauen. Im Jahr 2005 schlitzte er auf den beiden Flächen Kleegrassamen ein und meldete sie von 2005 bis 2008 als Kleegrasflächen. Im Jahr 2009 wurden beide Flächen wieder als Ackergrasflächen genutzt. Mit dem Wirtschaftsjahr 2010 wurde der Schlag Hohenkamp verpachtet und ist seither als Mähweide beantragt. Auf dem Schlag Herrbusch wird seit 2010 auf der Grundlage einer Genehmigung Silomais angebaut, wofür eine andere Fläche als Dauergrünland angelegt werden musste.

3 Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe die Schläge in Dauergrünlandnutzung umcodiert, weil sie in dem Zeitraum von 1998 bis 2008 für eine mindestens sechsjährige Phase durchgehend als Grünland genutzt worden und daher als Dauergrünland einzustufen seien. Zugleich wies er den Kläger darauf hin, dass für die Schläge das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung gelte.

4 Der Kläger hat hierauf am 4. Juni 2009 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass die beiden Schläge nicht dem Umbruchverbot unterliegen. Er habe ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, weil er im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das Umbruchverbot prämienrechtliche Konsequenzen tragen müsse. Soweit er das Land verpachte, erziele er für Dauergrünland einen geringeren Erlös als für Ackerland. Zur Begründung seiner Klage hat er vor allem geltend gemacht, dass es sich nicht um Dauergrünland handele. Ackergrasflächen seien kein Dauergrünland, weil sie nach ein oder zwei Nutzungsjahren umgebrochen würden. Nach landwirtschaftlichem Fachverständnis sei Dauergrünland eine Fläche, die dauerhaft mit demselben Gras bestanden sei. Die damit verbundene besondere ökologische Wertigkeit komme Ackergrasflächen nicht zu. Unabhängig davon gelte, dass es sich bei einem Wechsel von Kleegras zu Ackergras oder umgekehrt um eine Fruchtfolge handele, die das Entstehen von Dauergrünland verhindere und eine bestehende Dauergrünlandnutzung beende.

5 Der Beklagte machte geltend, Ackergrasflächen, die regelmäßig umgebrochen würden, stünden natürlichem Dauergrünland gleich. Entscheidend sei, dass ununterbrochen dieselbe Pflanzenkultur angebaut werde; anderenfalls trete eine Fruchtfolge ein. Nachdem auf den beiden Flächen aber über fünf Jahre ununterbrochen Ackergras angebaut worden sei, handele es sich ungeachtet der nachfolgenden Einsaat von Kleegras um Dauergrünland.

6 Mit Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen. Da der Kläger auf beiden Schlägen im Jahr 2003 beziehungsweise 2004 seit mindestens fünf Jahren Ackergras angebaut habe, handele es sich um Dauergrünland. Ein einmal erworbener Dauergrünland-Status werde nicht durch eine Fruchtfolge verschiedener Grünfutterpflanzen beendet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil auf seine mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage, ob eine Fruchtfolge nur vorliege, wenn ein Wechsel von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen zu anderen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erfolge, berühre der Wechsel von Gras zu anderen Grünfutterpflanzen die Eigenschaft bestehenden Dauergrünlands nicht.

7 Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

8 2. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763, 1767) hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem das Direktzahlungen-Verpflichtungengesetz (DirektZahlVerpflG) erlassen. Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) und der zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsakte, insbesondere soweit diese die Erhaltung von Dauergrünland in Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, vorsehen (§ 1 Abs. 1 DirektZahlVerpflG). Es verweist dynamisch auf die jeweils geltenden Fassungen der Rechtsakte der Union und wurde an die im Jahr 2009 überarbeiteten Rechtstexte („GAP-Gesundheitscheck“) angepasst. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 DirektZahlVerpflG haben die Länder dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil des Dauergrünlands nicht erheblich abnimmt. Hierzu werden die Landesregierungen unter anderem ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken, soweit sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG).

9 Auf dieser Grundlage hat das Land Schleswig-Holstein die Landesverordnung zur Erhaltung von Dauergrünland (Dauergrünland-Erhaltungsverordnung - DGL-VO SH) vom 13. Mai 2008 erlassen (GVOBl Schl.-H. S. 233). Wird auf der Basis der Sammelanträge für die einheitliche Betriebsprämie festgestellt, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat, wird dies von der zuständigen Behörde öffentlich bekannt gegeben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH). Ist dies geschehen, so dürfen Dauergrünlandflächen nicht ohne Genehmigung umgebrochen werden. Die hierfür maßgeblichen Bestimmungen lauten:

10 § 2 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH
„Inhaberinnen und Inhaber von Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, dürfen nach Veröffentlichung der in § Abs. 1 genannten Feststellung Dauergrünlandflächen im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. EU Nr. L 141 S. 18) für die Dauer des Bezugs von Direktzahlungen nicht umbrechen.“

11 § 2 Abs. 2 Satz 1 DGL-VO SH
„Abweichend von Absatz 1 kann die zuständige Behörde das Umbrechen von Dauergrünland genehmigen.“

12 Das zuständige Ministerium des Landes Schleswig-Holstein hat im Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 23. Juni 2008 im Wege einer Allgemeinverfügung bekannt gemacht, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als 5 % verringert habe, womit das Umbruchverbot gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 DGL-VO SH seit dem folgenden Tag Geltung beansprucht.

II

13 Die Revision wirft eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts auf, die die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs erfordert. Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs „Dauergrünland“ ab.

14 1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.

15 a) Das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein ist wirksam. Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass § 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG das Land zum Erlass der Verordnung ermächtigt hat. Dessen Wortlaut erlaubt unter den genannten Voraussetzungen allgemein, den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken. Lediglich als eine Möglichkeit hierzu wird genannt, den Umbruch von einer Genehmigung im Rahmen einer Rechtsverordnung des Bundes zur Regelung von Grundsätzen der Voraussetzungen einer Umbruchsgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 DirektZahlVerpflG abhängig zu machen. Damit schließt die Ermächtigung nicht aus, ohne zusätzliche bundesrechtliche Verordnung ein Verbot zu erlassen, von dem im Wege einer Genehmigung befreit werden kann.

16 b) Das Bundesverwaltungsgericht ist befugt und verpflichtet, den Begriff des Dauergrünlands nach der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung auszulegen. Zwar ist der Begriff in einer landesrechtlichen Verordnung enthalten und wird nicht dadurch zu revisionsgerichtlich überprüfbarem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), dass die Verordnung ihrerseits zur Definition von Dauergrünland auf eine Bestimmung des Unionsrechts verweist (Beschluss vom 2. Juli 2009 - BVerwG 7 B 9.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 36 = NVwZ 2009, 1037). Die Definition von Dauergrünland beansprucht jedoch nicht Geltung als autonom landesrechtliche Regelung; vielmehr handelt es sich im vorliegenden Regelungszusammenhang um einen Rechtsbegriff, der unionsrechtlich vorgegeben und daher revisibel ist (vgl. Urteile vom 6. September 1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65> und vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <341f.>). Das ergibt sich daraus, dass das Land lediglich eine verbindliche unionsrechtliche Vorgabe umsetzen wollte. Dazu war es nach §§ 3 und 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG verpflichtet und ermächtigt, ohne dass ihm hinsichtlich des Gegenstandes des Umbruchverbots noch eigene Definitionsmacht eingeräumt ist. Diesen rechtlichen Rahmen bringt die im Einleitungssatz der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung angegebene Rechtsgrundlage zum Ausdruck, die auf die Ermächtigung des Direktzahlungen-Verpflichtungengesetzes verweist.

17 2. Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es darauf an, welche Veränderungen auf einer landwirtschaftlichen Fläche der Eigenschaft Dauergrünland entgegenstehen.

18 a) Das landesrechtliche Umbruchverbot gilt für Dauergrünlandflächen „im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004“. Die Nennung von Datum und Fundstelle („21. April 2004“ und „ABl. EU Nr. L 141 S. 18“) zeigt, dass es sich um eine statische Verweisung handelt, so dass die ursprüngliche unionsrechtliche Begriffsbestimmung maßgeblich ist. Diese Begriffsbestimmung hat zwar im Unionsrecht nachfolgend Modifikationen erfahren. So wurden mit der Änderungsverordnung VO (EG) Nr. 239/2005 der Kommission vom 11. Februar 2005 (ABI Nr. L 42 S. 3) klarstellende Änderungen und Ergänzungen vorgenommen und insbesondere eine Definition von „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“ eingefügt. Diese Modifikationen haben die Definition in ihrem Kern jedoch nicht verändert, ebenso wenig wie die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 der Kommission vom 8. Mai 2009 (ABI Nr. L 116 S. 9) und die seit 1. Januar 2010 geltende Bestimmung des Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 der Kommission vom 20. Oktober 2009 (ABI Nr. L 316 S. 1)

19 b) Nach der Definition in Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 handelt es sich bei Dauergrünland um „Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind.“

20 aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, ohne eigene Feststellungen treffen zu können (§ 137 Abs. 2 VwGO); hieraus folgt, dass es die weitere Entwicklung des Sachverhalts nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12. Mai 2011 nicht berücksichtigen kann. Für den Schlag Hohenkamp hat der Kläger nach dessen Verpachtung ein Interesse an der Feststellung, dass es sich nicht um Dauergrünland handelt, weil er in diesem Fall die Fläche für einen höheren Pachtzins verpachten könnte. Daher ist zu prüfen, ob die Fläche am 12. Mai 2011 Dauergrünland war. Für den Schlag Herrbusch, der seit dem Jahr 2010 nicht mehr als Grünland, sondern zum Anbau von Silomais genutzt wird, bezieht der Senat das Feststellungsbegehren hingegen auf den Zeitpunkt dieses Nutzungswechsels, weil die zu diesem Zeitpunkt beendete Dauergrünlandeigenschaft Grundlage der mit dem genehmigten Umbruch verbundenen Verpflichtung ist, auf einer Ersatzfläche Dauergrünland anzulegen.

21 bb) Das Bestehen eines Umbruchverbots hängt auf beiden Flächen davon ab, ob sie im maßgeblichen Zeitpunkt zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wurden und (mindestens) seit fünf Jahren davor von der Fruchtfolge ausgenommen waren, also dem Anbau einer Grünfutterpflanze gedient haben. Diesen zeitlichen Zusammenhang legt nicht nur die tatbestandliche Verknüpfung der gegenwärtigen Nutzung als Grünland mit der entsprechenden Nutzung in der Vergangenheit nahe, was auch die klarstellende Änderung der Zeitform durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 239/2005 verdeutlicht; er entspricht auch dem Ziel des Dauergrünland-Erhaltungsgebots, wie es in den Durchführungsverordnungen der Kommission konkretisiert wurde. Ziel ist danach, den Anteil von Grünland, das in einer bestimmten Nutzungskontinuität steht, unabhängig vom Bestand einzelner Dauergrünlandflächen innerhalb einer bestimmten Toleranz auf nationaler oder wahlweise regionaler Ebene zu sichern.

22 cc) In den Blick zu nehmen ist danach die Nutzung der beiden Flächen in dem Zeitraum von fünf Jahren vor 2011 und 2010, in dem beide Flächen ab 2005 zunächst zum Anbau von Kleegras gemeldet waren. Damit ist entscheidungserheblich, ob der auf beiden Flächen im Jahr 2009 vorgenommene Wechsel von Kleegras zu Ackergras einen Fruchtwechsel mit der Folge darstellt, dass die Flächen im Feststellungszeitpunkt kein Dauergrünland sind. Diese Frage ist im Beschlusstenor formuliert.

23 3. Der beschließende Senat kann Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 keinen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Umbruch von Grünland für sich gesehen das Bestehen von Dauergrünland ausschließt.

24 a) Nach Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 ist Dauergrünland nur dann zu verneinen, wenn die Fläche in die betriebliche Fruchtfolge einbezogen wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Falle einer bedeutsamen Abnahme des Dauergrünlandanteils den Umbruch von Dauergrünland grundsätzlich zu verbieten und nur noch mit vorheriger Genehmigung zuzulassen (Art. 4 Abs. 1 VO <EG> Nr. 796/2004). Ein solches Verbot ist zwar geeignet, den Bestand an Dauergrünland zu sichern, weil eine Fruchtfolge in einem ersten Schritt in aller Regel den Umbruch der Fläche voraussetzt. Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass eine Fläche bereits mit dem Umbruch die Eigenschaft als Dauergrünland verliert. Diese Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABI Nr. L 316 S. 65) bestätigt, der vorgibt, dass Dauergrünland nicht ohne Genehmigung „umgewidmet“ werden darf.

25 b) Auch die als Art. 2 Nr. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 796/2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 239/2005 eingefügte Definition von „Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen“ macht deutlich, dass der Umbruch als solcher die Eigenschaft von Dauergrünland nicht beendet. Zu den Pflanzen, deren Aussaat die Entstehung von Grünland zur Folge hat, gehören alle normalen Saatgutmischungen für Grünland, damit auch Ackergras, das herkömmlich regelmäßig umgebrochen wird. Zudem ist den Mitgliedstaaten erlaubt, Pflanzen gemäß Anhang IX der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABI L Nr. 270 S. 1) einzubeziehen, die von Natur aus einjährig sind und daher nach Umbruch jeweils neu eingesät werden müssen. Das Verständnis, dass es nur auf den Bewuchs und nicht auf den Umbruch ankommt, korrespondiert mit dem Ziel der Europäischen Union, die Erhaltung von Dauergrünland wegen seiner positiven Umweltauswirkungen zu fördern, um einer massiven Umstellung auf Ackerland entgegenzuwirken (Erwägungsgrund 4 VO <EG> Nr. 1782/2003). Die Befürchtung einer (unerwünschten) Umstellung auf Ackerland erklärt sich daraus, dass nach der Abschaffung der Rinder- und Schafprämien die Erhaltung der für diese Prämien erforderlichen Futterflächen - wie beispielsweise Ackergrasflächen - nicht mehr gesichert schien.

26 4. Der beschließende Senat neigt dazu, in der Abfolge verschiedener Grünfutterpflanzen keine Fruchtfolge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zu sehen.

27 a) Diese Verordnung definiert ebenso wenig wie die nachfolgenden Verordnungen (EG) Nr. 1122/2009 und Nr. 1120/2009 den Begriff der Fruchtfolge, stellt ihm aber den Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen gegenüber. Die Definition von Dauergrünland in Anhang 1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 658/96 der Kommission vom 9. April 1996 (ABI Nr. L 91 S. 46) beschränkte sich auf grasbestandene Flächen, so dass mit dem Anbau einer anderen Kulturpflanze als Gras im überkommenen Sprachgebrauch eine Fruchtfolge verbunden war. Nachdem Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 Gras und andere Grünfutterpflanzen zusammenfasst, liegt es nahe, eine Fruchtfolge im Sinne der Dauergrünlanddefinition nur dann anzunehmen, wenn eine andere Kulturpflanze als eine Grünfutterpflanze angebaut wird.

28 Demgemäß spricht Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Wiederanbau von Dauergrünland davon, dass Flächen, die für „andere Nutzungen“ umgebrochen worden sind, als Dauergrünland einzusäen sind. Die Formulierung „andere Nutzungen“ steht wiederum im Zusammenhang mit der Definition von Dauergrünland, die von der Nutzung zum Anbau von „Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen“ spricht. Es kommt dem Verordnungsgeber folglich nicht darauf an, welche Grünfutterpflanze angebaut wird. Entsprechend ist nicht angeordnet, dass dieselbe Grünfutterpflanze einzusäen ist, die zuvor angebaut wurde. Ist aber - wie ausgeführt - ein Umbruch der Fläche für das Bestehen von Dauergrünland unerheblich, ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dass es der Eigenschaft als Dauergrünland entgegenstehen sollte, wenn nach einem Umbruch eine andere Grünfutterpflanze oder ein anderes Grünfutterpflanzengemisch eingesät wird.

29 b) Gleichwohl ist die zutreffende Auslegung des Unionsrechts nicht so offenkundig, dass für vernünftige Zweifel im Sinne der Acte-clair-Doktrin kein Raum bleibt. Es ist nicht zu übersehen, dass der Begriff der Fruchtfolge herkömmlich daran anknüpft, dass ein Wechsel der Kulturpflanze erfolgt. Kleegras ist ein Gemenge aus Gras- und Kleesorten, wobei Klee in der traditionellen Fruchtfolge wegen der mit seinem Anbau verbundenen Anreicherung des Bodens mit Stickstoff Bedeutung hat. In diesem Sinne definiert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 der Kommission vom 30 November 2009 (ABI Nr. L 329 S. 1) unter II. 2.01 für die Betriebsstrukturerhebung „Fruchtfolge“ als „zeitliche Abfolge des Anbaus unterschiedlicher Kulturpflanzen, bei der auf einem gegebenen Feld einjährige Kulturen in einer geplanten Struktur oder Abfolge im Wechsel angebaut werden, so dass auf demselben Feld niemals ohne Unterbrechung Kulturpflanzen derselben Art angebaut werden“ (ähnlich bereits Anhang I VO <EG> Nr. 1444/2002 der Kommission vom 24. Juli 2002 < ABI Nr. L 216 S. 1> unter D. II.). Darüber hinaus differenziert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 unter II. 2.01.09.01 bei der Definition von Ackerwiesen und -weiden, indem auf Futtergräser abgestellt wird, die in einer „normalen“ Fruchtfolge stehen. Schließlich vertritt nicht nur der Kläger die Auffassung, dass beim Wechsel von Kleegras zu Ackergras eine Fruchtfolge vorliege. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht nach der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses hiervon aus und selbst der Beklagte teilt diesen Ansatz.