Verfahrensinformation

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige muslimischen Glaubens. Sie erfüllt die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Einstellung als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen. Das beklagte Land hat dies mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei aus Glaubensgründen nicht bereit, während des Unterrichts auf das Tragen eines Kopftuches zu verzichten. Damit fehle ihr die Bereitschaft, das Neutralitätsgebot zu achten, das der Staat in Fragen des Glaubens und der Religion gegenüber den Schülern und ihren Eltern einzuhalten habe. Die Klägerin sei deswegen für den öffentlichen Schuldienst nicht geeignet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. In dem Rechtsstreit einer anderen muslimischen Lehrerin hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen entschieden, ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, finde im geltenden Recht des in jenem Verfahren betroffenen Bundeslandes keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage, doch könne der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundende gesellschaftliche Wandel für den Gesetzgeber Anlass sein, das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule neu zu bestimmen.


Beschluss vom 20.07.2004 -
BVerwG 2 C 35.03ECLI:DE:BVerwG:2004:200704B2C35.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.07.2004 - 2 C 35.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:200704B2C35.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 35.03

  • Niedersächsisches OVG - 13.02.2002 - AZ: OVG 2 LB 2171/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. M ü l l e r
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die Urteile des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. Oktober 2000 und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 2002 sind wirkungslos.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten und zweiten Instanz trägt die Beklagte. Die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 22 360 € festgesetzt.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentscheidungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, zweiter Halbsatz ZPO).
Der Ausgang des Rechtsstreits war offen. Zu beantworten waren u.a. die Fragen, ob und inwiefern die Rechtmäßigkeit der seinerzeit getroffenen Entscheidung der Beklagten über die Eignung der Klägerin unter Heranziehung auch der am 11. Mai 2004 in Kraft getretenen Vorschrift des § 51 Abs. 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes und des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes vom 29. April 2004 (Nds.GVBl S. 140) zu überprüfen ist (vgl. dazu Urteil vom 27. November 1980 - BVerwG 2 C 38.79 - BVerwGE 61, 176 <191 f.>), ferner, ob diese Vorschrift zweifelsfrei verfassungsgemäß ist und ob sie durch die erklärte Absicht der Klägerin, im Unterricht immer ein Kopftuch zu tragen, verwirklicht wird. Da im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO aus Gründen der Verfahrensökonomie keine schwierigen Rechtsfragen geklärt werden können, entspricht es grundsätzlich der Billigkeit, wenn die Verfahrenskosten von den Parteien je zur Hälfte getragen werden. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hätte angesichts der unterschiedlichen Normstruktur der jeweils maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen auch andere Fragen aufgeworfen, als sie in dem Parallelverfahren nach baden-württembergischen Landesrecht zu entscheiden waren (vgl. Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 -).
Die Kostenentscheidung gilt jedoch nicht für die Kosten, die in den Vorinstanzen angefallen sind. Nach der Rechtslage, wie sie für das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht maßgeblich war, hätte die Klage auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - (BVerfGE 108, 282 ff.) Erfolg haben müssen. Erst durch das In-Kraft-Treten des § 51 Abs. 3 Nds.SchulG n.F. ist - mit der Folge der nunmehr aus Billigkeitsgründen gebotenen Kostenteilung - die Rechtslage offen geworden. Deshalb sind die Kosten der ersten und zweiten Instanz der Beklagten aufzuerlegen (vgl. BGHZ 37, 233 <246 ff.>; RGZ 101, 162 <165>).
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG a.F. (Halbjahresbezüge aus der Besoldungsgruppe A 12 gemäß der im Mai 2002 geltenden Tabelle) in Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 72 Nr. 1, erster Halbsatz GKG n.F.