Beschluss vom 31.05.2005 -
BVerwG 10 B 65.04ECLI:DE:BVerwG:2005:310505B10B65.04.0

Beschluss

BVerwG 10 B 65.04

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 05.08.2004 - AZ: OVG 1 L 264/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Mai 2005
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. N o l t e und D o m g ö r g e n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. August 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 227 284,57 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerdebegründung lässt nicht den Schluss zu, dass der Rechtssache die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfüllen diese Erfordernisse nicht.
a) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde die Frage,
ob ein endgültiger Beitragsbescheid den vorläufigen Bescheid (Vorausleistungsbescheid) auch dann aufhebt, wenn mit dem endgültigen Bescheid lediglich als Leistung der mit dem vorläufigen Bescheid nicht geforderte überschießende Teil des endgültig festgesetzten Beitrages gefordert wird, auf den vorläufigen Beitragsbescheid nur ein Teil der geforderten Vorausleistung unfreiwillig geleistet wurde und der endgültige Bescheid unter Verletzung einer im öffentlich-rechtlichen Vertrag ausdrücklich übernommenen Verpflichtung, hier Anrechnung der Kosten auf den endgültig festzusetzenden Beitrag für die Herstellung eines Teils der öffentlichen Anlage, durch die beitragsfordernde öffentliche Körperschaft erlassen und damit der öffentlich-rechtliche Vertrag durch die öffentliche Körperschaft nicht erfüllt wird.
Sofern sich dieser auf die verschiedenen Umstände des konkreten Falls abhebenden und sie kombinierenden Fragestellung überhaupt eine fallübergreifend bedeutsame Frage entnehmen lässt, bedarf diese jedenfalls nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der Klägerin selbst herangezogenen Beschluss vom 19. Dezember 1997 (BVerwG 8 B 244.97 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 251) entschieden, das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen einen Vorausleistungsbescheid entfalle, soweit dessen Regelungsteile durch einen endgültigen Heranziehungsbescheid ersetzt würden, in gleicher Weise, als wenn ein ursprünglicher Bescheid in seinen Regelungsteilen durch einen nachfolgenden Änderungsbescheid ersetzt werde. Für die maßgeblich nach irrevisiblem Fachrecht zu beurteilende Frage, ob eine solche ersetzende Wirkung eintrete, sei zu berücksichtigen, dass der Regelungsinhalt von vorläufigen wie endgültigen Abgabenbescheiden zwei Gegenstände haben könne, nämlich zum einen die Festsetzung der Abgabe und zum anderen die Zahlungsaufforderung; die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses habe dementsprechend gegebenenfalls beide Regelungsgegenstände in den Blick zu nehmen. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen, soweit es über die Klage hinsichtlich des gezahlten Teilbetrags von 190 000 € durch Prozessurteil entschieden hat. Dass sie in diesem Zusammenhang ergänzungsbedürftig wären, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, welche bundesrechtlich bedeutsame Fragestellung sich daraus ergeben sollte, dass sie den Teilbetrag nur unter dem Druck der drohenden Zwangsvollstreckung gezahlt hat.
Offen gelassen hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung lediglich, ob das Rechtsschutzinteresse bezogen auf die Anfechtung einer im Vorausleistungsbescheid enthaltenen Zahlungsaufforderung aufgrund eines nachfolgenden endgültigen Bescheides auch dann entfällt, wenn der Abgabenschuldner auf der Grundlage des vorläufigen Bescheides bisher nicht geleistet hat und der endgültige Bescheid keine oder nur eine den etwaigen überschießenden Betrag umfassende eigene Zahlungsaufforderung enthält (a.a.O., S. 45). Auf diese Frage kam es indes für das Berufungsurteil nicht an; denn die Vorinstanz hat hinsichtlich des den Teilbetrag von 190 000 € überschießenden Beitrags die Klage gegen den Vorausleistungsbescheid nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen.
b) Grundsätzliche Bedeutung verleiht der Rechtssache auch nicht die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
ob der Beklagte mit der Bekanntgabe des endgültigen Heranziehungsbescheides vom 30. Januar 2004 während des laufenden Gerichtsverfahrens nur an die Klägerin und nicht an den Prozessbevollmächtigten sein Ermessen bei der Bekanntgabe fehlerhaft ausgeübt hat und damit die Bekanntgabe des Bescheides vom 30. Januar 2004 nur gegenüber der Klägerin unwirksam erfolgte und die Rechtsmittelfrist erst mit der Bekanntgabe gegenüber dem Prozessbevollmächtigten beginnt.
Die gestellte Frage ist ganz auf die Gegebenheiten des Einzelfalls zugeschnitten und schon deshalb einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Falls der Beschwerdebegründung darüber hinaus sinngemäß die abstrakte Fragestellung zu entnehmen sein sollte, ob bei Vorliegen einer Prozessvollmacht für eine Klage gegen einen Vorausleistungsbescheid nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt ein während des Klageverfahrens ergehender endgültiger Beitragsbescheid dem Prozessbevollmächtigten zugestellt werden muss, verhilft das der Grundsatzrüge gleichwohl nicht zum Erfolg. Über diese Frage ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 122 Abs. 1 AO zu entscheiden. Diese Regelung ist nicht dem revisiblen Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zuzurechnen; es handelt sich vielmehr um Landesrecht. Daran ändert nichts, dass § 1 Abs. 1 KAG LSA wegen der Zustellung auf die einschlägige Regelung in der jeweiligen Fassung der dem Bundesrecht zugehörigen Abgabenordnung verweist. § 122 Abs. 1 AO gilt insoweit nämlich nicht kraft eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers, sondern nur kraft der Bezugnahme im Landesrecht und damit aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung des Landes. Auf diese Weise wird die Zustellungsregelung als Landesrecht übernommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1978 - BVerwG 5 C 1.78 - BVerwGE 57, 204 <206 f.>; Urteil vom 24. September 1992 - BVerwG 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <81>).
2. Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung die Pflicht missachtet, das Urteil aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO), greift ebenfalls nicht durch. Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das von der Bestandskraft des endgültigen Heranziehungsbescheides vom 30. Januar 2004 ausgegangen ist, konnte es auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht ankommen.
3. Eine Divergenz des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat die Klägerin schon nicht schlüssig dargetan. Den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist nur Genüge getan, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder anderer oberster Bundesgerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung dieser Gerichte tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -
Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).
a) Dem wird die Rüge, das Berufungsgericht sei vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 1991 (BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235) abgewichen, nicht gerecht. Abgesehen davon, dass der Rechtssatz, den die Beschwerde der zitierten Entscheidung entnimmt, nicht präzise bezeichnet worden ist, hat die Beschwerde es versäumt, einen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz im Berufungsurteil zu benennen. Vielmehr beschränkt sich die Rüge darauf, eine Missachtung des - im Übrigen in der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gar nicht thematisierten - prozessrechtlichen Grundsatzes geltend zu machen, dass Urteile aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen sind.
b) Sofern die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer die Zustellung des endgültigen Heranziehungsbescheides betreffenden Grundsatzrüge zugleich rügen will, das Oberverwaltungsgericht sei von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1997 (BVerwG 8 B 244.97 - a.a.O., S. 44) abgewichen, fehlt es gleichfalls an einer ordnungsgemäßen Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz. Ein abstrakter Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen hätte, dass auf das Verhältnis zwischen einem endgültigen Heranziehungsbescheid und einem Vorausleistungsbescheid die für das Verhältnis zwischen Änderungsbescheiden und ursprünglichen Bescheiden geltenden Grundsätze Anwendung finden, ist nicht bezeichnet worden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Aussage allein unter dem Aspekt des Rechtsschutzinteresses und nicht bezogen auf die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Zustellung von Bescheiden getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3, § 72 Nr. 1 GKG n.F.