Beschluss vom 30.12.2003 -
BVerwG 7 B 99.03ECLI:DE:BVerwG:2003:301203B7B99.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.12.2003 - 7 B 99.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:301203B7B99.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 99.03

  • VG Berlin - 10.07.2003 - AZ: VG 29 A 264.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung ehemaliger Betriebsgrundstücke eines Unternehmens, dessen Großaktionär früher ihr Vater war. Nach dem Krieg wurde das Unternehmen auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet. Insoweit blieb ein Antrag der Kläger auf Rückübertragung des Unternehmens erfolglos.
Nunmehr sehen die Kläger eine Schädigungsmaßnahme auch darin begründet, dass ihr Vater ihnen bis zum Jahre 1943 zur Vermeidung einer Enteignung durch die Nationalsozialisten einen wesentlichen Teil seiner Aktien übertragen habe, weil er als Halbjude Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Übertragung der Aktien auf die Kläger keine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes - VermG - sei.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es ist weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar, noch weist die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Schließlich liegt auch der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrensfehler nicht vor.
1. Die Kläger sehen die Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts darin, dass das Verwaltungsgericht sie unter Heranziehung des Rückerstattungsrechts auf das Zivilrecht verwiesen habe, während die genannten Bundesgerichte für alle verfolgungsbedingten Vermögensverluste - gleichgültig in welcher Form sie geschehen seien - § 1 Abs. 6 VermG für einschlägig hielten; soweit bei der Auslegung dieser Vorschrift die rückerstattungsrechtlichen Grundsätze heranzuziehen seien, gehe es nur um deren Geltung in dem vorgegebenen vermögensrechtlichen Rahmen. Das Beschwerdevorbringen genügt nicht den Anforderungen an die Begründung einer Divergenzrüge. Die Kläger versäumen es, konkrete, einander widersprechende Rechtssätze herauszuarbeiten, die der angegriffenen Entscheidung und den von ihnen angezogenen Urteilen zugrunde liegen. Den von ihnen wiedergegebenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 21.99 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 8) und seinem Beschluss vom 8. Dezember 1994 - BVerwG 7 B 180.94 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 34) sowie des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 3. März 1995 - 1 BvR 236/95 - (VIZ 1995, 343) lässt sich keine Aussage zu der durch das Verwaltungsgericht entschiedenen Frage entnehmen, ob eine Schenkung zu dem Zweck, den Vermögenswert vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen, eine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG ist.
2. Auch eine Umdeutung dieses Beschwerdevorbringens in eine Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen. Die Frage, ob eine solche Schenkung eine Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG ist, müsste in einem Revisionsverfahren nur für den Fall beantwortet werden, dass der mit der Schenkung verfolgte Zweck erreicht wurde, mit anderen Worten: der Vermögenswert erfolgreich vor dem Zugriff der Nationalsozialisten geschützt wurde; denn so verhielt es sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier. In einem solchen Fall liegt jedoch die Verneinung einer Schädigungsmaßnahme auf der Hand, sodass es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf; denn eine solche Schenkung war gerade keine "Arisierung". Sie hat nicht zu einem dauerhaften Vermögensverlust geführt, sondern ihn im Gegenteil verhindert. Mit dem Ende der Herrschaft des Nationalsozialismus konnte der Schenker von den Beschenkten die Rückübertragung des treuhänderisch übertragenen Vermögensgegenstandes verlangen, wobei ihm die Vermutungsregel des Art. 4 REAO zugute kam.
3. Soweit die Kläger einen Verfahrensmangel rügen, weil das Verwaltungsgericht nur einen Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 VermG geprüft habe, ohne dass sie ihren Antrag entsprechend beschränkt hätten, ist ihre Beschwerde ebenfalls unbegründet. Da die Klage ausweislich der in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge auf die Rückgabe der Betriebsgrundstücke gerichtet war, die geltend gemachte Schädigungsmaßnahme aber in einem Zugriff auf Anteile an dem Unternehmensträger bestanden haben soll, ohne dass damit das Unternehmen als solches geschädigt wurde, kam allein die vom Verwaltungsgericht geprüfte Vorschrift als Anspruchsgrundlage in Betracht.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.