Beschluss vom 30.10.2007 -
BVerwG 8 B 46.07ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B8B46.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.10.2007 - 8 B 46.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:301007B8B46.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 46.07

  • VG Dresden - 31.01.2007 - AZ: VG 14 K 314/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 31. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 218 317 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2 Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde hat mit ihrer Beschwerdeschrift vom 30. April 2007 keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufgeworfen. Soweit die Beschwerde in ihrer Replik vom 5. Juli 2007 die gegenüber dem früheren Vorbringen neue Rechtsfrage stellt, ob nämlich ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG auch dann vorliegen kann, wenn eine im Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 nur scheinbar rechtmäßige Maßnahme eines Sondergerichts den Vermögensverlust herbeigeführt hat, so kann sie nicht mehr als zulässiger Vortrag berücksichtigt werden, da sie nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist formuliert worden ist. Unabhängig davon würde sie sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen, weil sie von einem Sachverhalt ausgeht, den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich Geheimrat Otto ... W. von Ende 1935 bis zu seinem Tod am 12. Februar 1938 in Wien aufgehalten. Zu diesem Zeitpunkt war der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich noch nicht vollzogen. Der Beschluss des Sondergerichts vom 13. Juni 1938 wurde damit begründet, dass sich der Beschuldigte bei seiner Abreise nach Prag und seinem Aufenthalt in Wien zumindest bewusst gewesen sei, dass er sich damit der gegen ihn laufenden Untersuchung entziehe. Der Beschuldigte sei als „flüchtig“ anzusehen. Gemäß § 122 StPO a.F. verfiel eine noch nicht frei gewordene Sicherheit der Staatskasse, wenn der Angeschuldigte sich der Untersuchung oder dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe entzogen hat (vgl. Dalcke, Strafrecht u. Strafverfahren, Berlin 1938, § 122).

3 Die von der Beschwerde mit ihrer Beschwerdeschrift aufgeworfene Frage, ob bei herausragenden Persönlichkeiten verfolgter Personenvereinigungen (hier mehrerer Logen) auch diese herausragenden Persönlichkeiten in den Repressalienapparat des Nationalsozialismus gerieten und damit die Verfolgung anzunehmen ist, kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Es handelt sich vielmehr um eine von der Feststellung und Würdigung der einzelnen Tatsachen abhängige fallbezogene Einzelfrage, die sich nicht zu einem abstrakten Rechtssatz verdichten kann. In fallübergreifender Weise lässt sich nicht klären, wann und unter welchen Umständen es sich um eine herausragende Persönlichkeit handelt, welche Beziehung diese zu einer verfolgten Personenvereinigung und welcher Art auch immer haben kann und inwieweit eine auf diese unbestimmte Weise herausragende Persönlichkeit in den allgemeinen Unterdrückungsapparat des Nationalsozialismus geraten konnte. Im Übrigen ist der Tatbestand von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG so gefasst, dass das Vermögensgesetz auch auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden ist, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 nicht nur aus rassischen, sondern auch aus politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen in Folge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben.

4 Soweit es um die Anwendung dieser Norm geht, kritisiert die Beschwerde nach Art einer Berufungsbegründung im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die für falsch gehalten wird. Mit Angriffen gegen die rechtliche Würdigung des Tatsachengerichts lässt sich aber keine abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht gewinnen.

5 Wenn darüber hinaus die Beschwerde meint, es komme darauf an, ob der Betroffene aus Sicht des nationalsozialistischen Regimes als Gegner angesehen wurde und zumindest auch deswegen die Maßnahmen ergriffen wurden (Beschwerdeschrift S. 4), so wird damit keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen. Das Verwaltungsgericht hat nicht die Feststellung getroffen, dass Herr Otto ... W. von dem nationalsozialistischen Regime als politischer Gegner angesehen wurde. vielmehr hat es ausgeführt, dass konkrete Tatsachen, die die subjektive Einschätzung des Zeugen Dr. B. stützen, von dem Zeugen nicht genannt worden seien. Auch ergäben sich aus den vorliegenden Unterlagen keine konkreten Hinweise auf Reaktionen staatlicher Stellen oder Parteieinrichtungen auf die von dem Zeugen geschilderte politische Überzeugung des Herrn Otto ... W.

6 Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auch auf einen etwaigen Aufklärungsmangel, wenn sie meinen, das Verwaltungsgericht habe die tatsächlichen Vorgänge bezüglich des Grundstückskaufs im Jahre 1937 nicht näher aufgeklärt. Es sei offen geblieben, warum in dem aus dem Bestand des Reichschatzmeisters der NSDAP stammenden Schriftstück als Verkäufer die Voreigentümer des Geheimrats aufgeführt worden seien, aber das Grundstück P...straße 2 in D. an die NSDAP verkauft wurde und diese auf Grund Auflassung vom 11. November 1937 im Dezember 1937 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Das Gericht hätte die Vorgänge im Einzelnen aufklären und insbesondere würdigen müssen, dass der Rechtsvorgänger der Kläger „wie ein Jude“ behandelt worden sei.

7 Ein solches Vorbringen kann jedoch eine Aufklärungsrüge nicht stützen. Der Vorwurf unzureichender Sachaufklärung ist nur dann begründet, wenn dieser Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet wird. Das setzt voraus, dass dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2007 hat die Klägerseite zudem weder Beweisanträge gestellt noch Beweisanregungen angebracht.

8 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbs. VwGO).

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.