Urteil vom 30.07.2003 -
BVerwG 1 C 2.03ECLI:DE:BVerwG:2003:300703U1C2.03.0

Urteil

BVerwG 1 C 2.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 16.04.2002 - AZ: OVG 4 L 135/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung am 30. Juli 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. April 2002 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

I


Die Klägerin, ein Luftfahrtunternehmen, wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Übersetzungskosten (Dolmetscherkosten), die bei der Zurückweisung von Ausländern entstanden sind.
Die Klägerin beförderte Ende April 1999 zwei 1978 geborene russische Staatsangehörige von Moskau nach Hamburg, die im Besitz von Visa des deutschen Generalkonsulats Nowosibirsk für die Schengen-Staaten zur Durchführung von Geschäftsreisen waren. Die Grenzschutzbehörde verweigerte ihnen gleichwohl die Einreise nach § 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, da sie kein Bargeld bei sich hatten und sich bei ihrer Befragung Zweifel an dem angegebenen Aufenthaltszweck ergaben. Sie verpflichtete die Klägerin zur Rückbeförderung, die zwei Tage später erfolgte.
Mit Bescheid vom 8. Juni 1999 machte die Beklagte Kosten der Zurückweisung in Höhe von insgesamt 1 078,49 DM gegen die Klägerin geltend. In diesem Betrag waren Übersetzungskosten in Höhe von 227,50 DM enthalten, die nach bei den Akten (Bl. 31 und 33) befindlichen Kostenaufstellungen für den Einsatz einer Dolmetscherin von 15.30 Uhr bis 21.00 Uhr angefallen waren. Von den insgesamt fünfeinhalb Stunden betrafen danach drei Stunden Übersetzungstätigkeiten für "Strafverfahren" und zweieinhalb Stunden für "Zurückweisung".
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat sie überwiegend abgewiesen, ihr jedoch insoweit stattgegeben, als die festgesetzte Forderung 850,99 DM übersteigt. Hinsichtlich der Übersetzungskosten in Höhe von 227,50 DM hat es die Forderung als nicht gerechtfertigt angesehen. Die auf die Dolmetscherkosten beschränkte Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob sich die
Rechtswidrigkeit der Kostenerhebung schon daraus ergebe, dass die Vernehmung der beiden russischen Staatsangehörigen zumindest auch im Rahmen eines Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfolgt sei und insoweit nicht im Zusammenhang mit der ausländerrechtlichen Maßnahme der Zurückweisung gestanden habe. Endgültigen Aufschluss in dieser Hinsicht könne trotz der Kostenaufstellungen der Grenzschutzbehörde wahrscheinlich nur eine Überprüfung des Inhalts der Vernehmungen, unter Umständen durch Zeugenvernehmung, ergeben. Einer solchen Aufklärung bedürfe es indessen nicht, weil das Verwaltungsgericht zu Recht aus den unterschiedlichen Formulierungen in § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG einerseits und § 83 Abs. 2 Nr. 2 AuslG andererseits den Schluss gezogen habe, dass Übersetzungskosten nicht zu den von einem Beförderungsunternehmer zu erstattenden Kosten zählten. Die unterschiedliche Regelung mache deutlich, dass das Gesetz zwischen verschiedenen Tatbeständen für die Anknüpfung einer Kostentragungs- oder Kostenhaftungsverpflichtung unterscheide. Für die Haftung des Beförderungsunternehmers bei einer Beförderung, die letztlich zur Zurückweisung führe, ohne dass ihm ein Verschulden zur Last falle, treffe § 82 Abs. 3 Satz 1, § 83 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine privilegierende, die Kosten der Abschiebungshaft und der Übersetzungskosten ausnehmende Regelung. Die Klägerin könne danach hier nicht für die Übersetzungskosten in Anspruch genommen werden. Sie habe nämlich keinerlei Veranlassung gehabt, die beiden russischen Staatsangehörigen nicht zu befördern, da sie beide im Besitz gültiger Schengen-Visa gewesen seien und es der Klägerin nicht möglich - und im Übrigen auch nicht zumutbar - gewesen sei, weitere Ermittlungen über den Zweck ihrer Reisen anzustellen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie erstrebt die Abweisung der Klage auch hinsichtlich der festgesetzten Dolmetscherkosten und macht geltend, in den Fällen einer Rückbeförderungspflicht des Beförderungsunternehmers - wie hier - gemäß § 73 AuslG hafte der Beförderungsunternehmer nach § 82 Abs. 3 Satz 1, § 83 Abs. 2 Nr. 2 AuslG auch für die bis zum Vollzug der Entscheidung über die Zurückweisung entstandenen erforderlichen Dolmetscherkosten als Verwaltungskosten.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II


Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die durch das angefochtene Urteil bestätigte Aufhebung des Leistungsbescheides der Beklagten verletzt, soweit sie die darin festgesetzten Dolmetscherkosten in Höhe von 227,50 DM betrifft, Bundesrecht. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte grundsätzlich Anspruch auf Erstattung auch von Dolmetscherkosten nach § 83 Abs. 2 Nr. 2, § 82 Abs. 3 Satz 1, § 73 Abs. 1 AuslG, soweit sie durch die Zurückweisung von Ausländern verursacht sind. Das hat der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 18. März 2003 - BVerwG 1 C 9.02 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) im Einzelnen ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen. Dazu gehören auch Dolmetscherkosten, die anfallen, um die Zurückweisung vorzubereiten.
Das Oberverwaltungsgericht durfte deshalb die Erstattungsfähigkeit der Dolmetscherkosten nicht mit der von ihm gegebenen Begründung verneinen und - aus seiner Sicht folgerichtig - offen lassen, ob die im Streit befindlichen Dolmetscherkosten in Höhe von 227,50 DM ganz oder teilweise nicht im Zusammenhang mit der ausländerrechtlichen Zurückweisung, sondern wegen der Durchführung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens entstanden sind. Die Klägerin haftet nach § 83 Abs. 2 Nr. 2 AuslG für die Übersetzungskosten als Verwaltungskosten nur, wenn und soweit sie diese als Beförderungsunternehmer nach § 73 Abs. 1, § 82 Abs. 3 Satz 1 AuslG tatsächlich verursacht hat. Hierzu zählen solche Dolmetscherkosten nicht, die - wie das Oberverwaltungsgericht im Ansatz zutreffend ausführt - nicht im Zusammenhang mit der Zurückweisung, sondern im Hinblick auf Ermittlungen wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit entstehen (vgl. § 82 Abs. 1 AuslG). Ob dies hier der Fall ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Allerdings mag Vieles dafür sprechen, dass lediglich diejenigen Übersetzungskosten als von der Klägerin zu tragende Verwaltungskosten zugrunde zu legen sind, die in den bei den Akten befindlichen Kostenaufstellungen als Anteile für Befragungen wegen der "Zurückweisung" gesondert aufgeführt sind. Das Oberverwaltungsgericht hat als das für die Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zuständige Tatsachengericht aber ausdrücklich offen gelassen, ob und in welchem Umfang die Übersetzungskosten unmittelbar im Zusammenhang mit der Zurückweisung stehen und durch diese verursacht sind. Die Sache muss daher zur Klärung dieser Frage an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).