Beschluss vom 30.05.2005 -
BVerwG 2 B 11.05ECLI:DE:BVerwG:2005:300505B2B11.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.05.2005 - 2 B 11.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:300505B2B11.05.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 11.05

  • Hessischer VGH - 12.01.2005 - AZ: VGH 1 UE 776/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und G r o e p p e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahrens auf 5 000 € festgesetzt.

Die auf Divergenz und Verfahrensfehler (Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Kläger rügt in erster Linie, die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Dieser Rechtsprechung entnimmt der Kläger den Rechtssatz, wesentliche Ursache im Sinne des Dienstunfallrechts könne auch ein äußeres - nicht notwendigerweise außergewöhnliches - Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden des Beamten auslöse oder beschleunige. Ausgeschlossen seien nur solche "Gelegenheitsursachen", bei denen zwischen dem Dienst und dem eingetretenen Schaden eine rein zufällige Beziehung bestehe. Demgegenüber habe das Berufungsgericht - wenn auch ohne ausdrücklich einen entsprechenden Rechtssatz aufzustellen, was auch nicht erforderlich sei - die Klage mit der Erwägung abgewiesen, zwar sei der Kläger durch das Beurteilungsgespräch am 14. Dezember 1984 traumatisiert worden, doch lasse sich dies nicht im Sinne eines notwendigen Kausalzusammenhangs dem vom Dienstunfallrecht geschützten Verantwortungsbereich des Dienstherrn zurechnen, weil die wesentliche Ursache des Unfalls in der Persönlichkeit des Klägers liege, dem es aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur, also seiner Disposition zu anankastisch-zwanghaftem, möglicherweise sogar querulatorischem Verhalten nicht gelungen sei, das Kritikgespräch vom 14. Dezember 1984 "bestmöglich" zu bewältigen.
Die geltend gemachte Divergenz besteht nicht. Zum einen hat sich, wie die Beschwerde nicht verkennt, das Berufungsgericht selbst auf die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezogen und deutlich gemacht, dass es ihr folge. In einem solchen Fall scheidet eine Divergenz regelmäßig aus; die bei solcher Sachlage in erster Linie in Betracht zu ziehende bloß unrichtige Anwendung eines der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen Rechtssatzes stellt keine Divergenz dar. Hiervon abgesehen besteht die dargelegte Abweichung auch in der Sache nicht. Das Berufungsgericht hat weder verkannt, dass auch ganz gewöhnliche, alltägliche Ursachen zu einem Dienstunfall führen können, noch hat es in Abrede gestellt, dass die Traumatisierung des Klägers durch das Beurteilungsgespräch vom 14. Dezember 1984 ausgelöst worden ist und in seiner Erkrankung mündete, für die Erkrankung also im naturwissenschaftlichen Sinne ursächlich war. Es hat lediglich die Frage abweichend vom Kläger beurteilt, ob dieser von ihm bejahte Kausalzusammenhang dem Dienstherrn im Sinne des Dienstunfallrechts zuzurechnen ist. Hieran hat es sich aus der dem Bereich der Tatsachenwürdigung zugehörenden Erwägung gehindert gesehen, dass die Persönlichkeit des Klägers durch eine in seiner Persönlichkeitsstruktur vorhandene Neigung zu anankastisch-zwanghaftem, möglicherweise sogar querulatorischem Verhalten so stark geprägt war, dass das Personalgespräch vom 14. Dezember 1984 (dessen Verlauf sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts von vergleichbaren in vielen Behörden geführten Mitarbeitergesprächen nicht unterschied) als wesentliche Ursache für das spätere Geschehen aus Rechtsgründen zurücktrat. Es ist nicht ersichtlich, dass sich das Berufungsgericht mit dieser Rechtsauffassung in einen Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt hat. Aus diesem Grunde ist auch der in diesem Zusammenhang erhobenen Rüge nicht nachzugehen, das Berufungsgericht hätte auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens prüfen müssen, ob ohne das "Kritikgespräch" am 14. Dezember 1984 die Erkrankung des Klägers zu dieser Zeit oder in absehbarer Zeit danach ebenfalls aufgetreten wäre. Diese Rüge beruht auf der unzutreffenden Annahme, das Berufungsgericht habe die Kausalität zwischen dem Gespräch und der Erkrankung des Klägers verneint.
2. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe sich unter Verstoß gegen §§ 97, 98 VwGO i.V.m. §§ 397, 402 und 411 Abs. 3 ZPO über seinen Antrag hinweggesetzt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und zu dieser Verhandlung die Verfasser des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu laden. Wäre dies geschehen, so hätte er - der Kläger - Gelegenheit gehabt, dem Berufungsgericht durch Befragung der Sachverständigen deutlich zu machen, dass es wissenschaftlicher Notwendigkeit entspreche, immer von den subjektiven Angaben des Probanden auszugehen, und dass sich aus diesem Ansatz nicht die mangelnde Eignung des Gutachtens für die vom Gutachter bejahte Frage ableiten lasse, ob die Ursache der Erkrankung des Klägers wesentlich in dem Gespräch vom 14. Dezember 1984 und weniger in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers gelegen habe.
Die Rüge ist unbegründet. Ungeachtet der zwischen dem Gericht und dem Kläger vor Erlass des angegriffenen Beschlusses ausgetauschten Hinweise und vorläufigen Ansichten beruht die angegriffene Entscheidung nicht auf einer vom Gutachter durch mündliche Erläuterungen korrigierbaren Fehldeutung seines Gutachtens. Der Gutachter hat sich in seinem Gutachten sowohl zu den medizinischen Fragen als auch dazu geäußert, ob er einen im juristischen Sinne erheblichen Ursachenzusammenhang zwischen der durch das Gespräch vom 14. Dezember 1984 herbeigeführten Traumatisierung des Klägers und dessen späterer Erkrankung sehe. Mit der Antwort auf die zweite Frage hat sich der Gutachter zu einer Frage geäußert, die nicht nur medizinische Aspekte einzubeziehen hat, sondern rechtlicher Natur ist und in diesem ihrem zweiten Teil letztlich nur vom Gericht, nicht von einem medizinischen Sachverständigen zu beantworten ist - vergleichbar der Frage, ob ein Beamter dienstunfähig ist, die verbindlich nur vom Dienstherrn und nicht von den von ihm eingeschalteten medizinischen Gutachtern beantwortet wird (vgl. §§ 43 und 44 BBG). Soweit medizinische Aspekte betroffen sind, ist das Berufungsgericht von den Feststellungen des Gutachters nicht abgewichen; insbesondere hat es einen Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne nicht in Abrede gestellt. Allerdings hat es hieraus abweichend von dem Gutachten den rechtlichen Schluss gezogen, dass die Folgen der Traumatisierung des Klägers wegen dessen - vom Gutachter ebenfalls festgestellten - persönlicher Disposition zu anankastischem Handeln dem Dienstherrn nicht im Sinne des hier maßgeblichen juristischen Kausalbegriffes zugerechnet werden könnten. Zu dieser Frage schriftsätzlich Stellung zu nehmen, hatte der Kläger hinreichend Gelegenheit.
Der geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot, dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren (§ 138 Nr. 3 VwGO), liegt ebenfalls nicht vor.
Der Kläger trägt hierzu vor, das Berufungsgericht hätte nicht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden dürfen, nachdem er schriftsätzlich den Antrag gestellt habe, mehrere Sachverständige zur mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens zu laden. Jedenfalls hätte ihn das Berufungsgericht erneut gemäß § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu der Absicht anhören müssen, durch Beschluss zu entscheiden. In diesem Falle hätte er ergänzend schriftsätzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass seine vom Gutachter beschriebene Persönlichkeitsstruktur nicht ohne weiteres in absehbarer Zeit die Krankheitssymptome ausgelöst hätte, die als Folge des Gesprächs von 14. Dezember 1984 aufgetreten seien. Er wäre ferner der Auffassung des Berufungsgerichts entgegengetreten, dass es entscheidungserheblich darauf ankomme, ob es sich bei dem konkret schadenstiftenden Ereignis um eine außergewöhnliche oder um eine alltägliche Verrichtung gehandelt habe. Schließlich hätte er auf der Grundlage dieser - unzutreffenden - Rechtsansicht des Gerichts die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt, die hätten bekunden können, dass während des Gesprächs vom 14. Dezember 1984 eine Vielzahl haltloser Beschuldigungen gegen den Kläger erhoben worden sei; damit hätte er die Auffassung des Berufungsgerichts erschüttern können, bei dem Gespräch habe es sich um ein Gespräch gehandelt, wie es in vergleichbarer Atmosphäre täglich in vielen Behörden von Vorgesetzten mit Mitarbeitern geführt werde.
Auch diese Rüge greift nicht durch. Wie bereits dargelegt, beruht die angegriffene Entscheidung tragend auf der Erwägung, dass die im naturwissenschaftlichen Sinne durchaus kausalen Folgen des Gesprächs vom 14. Dezember 1984 dem Dienstherrn im Hinblick auf die besondere Persönlichkeitsstruktur des Klägers nicht zuzurechnen seien. Zu diesem rein rechtlichen Ansatz ist der Kläger ausreichend gehört worden. Auf seiner Grundlage kam es auf die vom Kläger noch für aufklärungs- oder erörterungsbedürftig angesehenen Umstände nicht an. Das Berufungsgericht war daher berechtigt, an seiner bereits in gehöriger Form geäußerten Absicht festzuhalten, über die Berufung des Klägers gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss zu entscheiden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 2 GKG.