Beschluss vom 30.03.2009 -
BVerwG 8 PKH 4.09ECLI:DE:BVerwG:2009:300309B8PKH4.09.0

Beschluss

BVerwG 8 PKH 4.09

  • VG Gera - 16.10.2008 - AZ: VG 4 K 1095/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

Der Antrag des Beigeladenen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

1 Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nicht gewährt werden. Dem Prozesskostenhilfegesuch ist nicht zu entnehmen, weshalb eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Oktober 2008 hinreichende Erfolgsaussichten haben könnte.

2 Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach § 132 Abs. 2 VwGO ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), das Urteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder die angefochtene Entscheidung auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3 Die vom Beigeladenen allein geltend gemachte Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Bestimmung kann einer Rechtssache nur dann zukommen, wenn sie eine über einen Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung der einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen drei Fragen erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

4 Die erste aufgeworfene Frage,
„ob und in welchem Umfang in einer Entscheidung über lange zurückliegende Ereignisse im Hinblick auf die für einen Zwangsverkauf durch einen politisch Verfolgten sprechenden Indizien eine Auseinandersetzung mit diesen Indizien zu erfolgen hat und ob die mit nachvollziehbarer, vollständiger Begründung zu widerlegen wären, bevor politische Verfolgung ausgeschlossen wird“,
wirft keine abstrakte Rechtsfrage auf. Vielmehr handelt es sich um eine typische Rechtsanwendungsfrage, die sich in einem Einzelfall stellt. Inwieweit sich das Verwaltungsgericht im Übrigen mit bestimmten Indizien auseinandersetzt, hängt nicht nur von den Umständen des Einzelfalls ab, sondern ist auch eine Frage seiner Überzeugungsbildung, die vom Revisionsgericht nur in sehr eingeschränkter Form überprüft werden kann und zudem die Erhebung einer Verfahrensrüge voraussetzt, an der es hier schon fehlt.

5 Nur wenn ausnahmsweise bei der richterlichen Überzeugungsbildung ein Verstoß gegen die Denkgesetze vorliegt, kann eine Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung und damit ein Verfahrensfehler vorliegen. Der Verstoß gegen die Denkgesetze würde aber voraussetzen, dass nach dem entscheidungserheblichen Sachverhalt nur eine einzige Schlussfolgerung möglich ist, die das Gericht nicht gezogen hat.

6 Dafür fehlt es im vorliegenden Fall aber an jedem Anhaltspunkt, da das Verwaltungsgericht in prozessual nicht zu beanstandender Weise entscheidend auf den von der Beigeladenenseite selbst in das Verfahren eingeführten Zeitungsartikel vom 31. Mai 1939 abgestellt hat. Ausweislich dessen hat sich der Rechtsvorgänger des Beigeladenen „in einer Abschiedsfeier“, bei der noch einmal „all die Anerkennung und Freundschaft“ zum Ausdruck gebracht wurden, die sich der Betreffende mit seinem Kurhaus „in den 17 Jahren unermüdlichen Fleißes erworben hat“, von einer „festlich gestimmten Schar von Männern aus Partei und Behörde mit ihren Damen“ verabschiedet. Dabei fand „ungeteilte Aufmerksamkeit schließlich auch der Parteigenosse T. von der Reichsleitung der NSV“. Schließlich wird am Ende des Artikels festgehalten, dass der betreffende Besitzer „im Mittelpunkt der Ovationen“ stand und ein Fest „des Frohsinns und der Freude“ stattgefunden hat. In Anbetracht dieses Artikels aus der Heimatzeitung und des zu den vorausgegangenen Einheitswertfestsetzungen in keiner Weise unverhältnismäßigen Grundstückskaufpreises konnte das Verwaltungsgericht ohne Weiteres die hier vorgenommenen Schlussfolgerungen ziehen, dass es an einer schädigenden Maßnahme gemäß § 1 Abs. 6 VermG fehlt. Auch die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene gerichtliche Feststellung, dass der Rechtsvorgänger des Beigeladenen nach dem Verkauf des streitbefangenen Hotels eine Stellung als Hoteldirektor der staatlichen Kurhausbetriebe in B. erhielt, spricht für eine solche Schlussfolgerung.

7 Die für eine Verfolgungsmaßnahme sprechende Zeugenaussage hat das Verwaltungsgericht in einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung für nicht ausschlaggebend betrachtet.

8 Auch die weiterhin aufgeworfene Frage,
„ob bereits ein einzelner tätlicher Angriff mit rassistischer Begründung ausreichend ist, die politische Verfolgung eines Alteigentümers zu belegen oder ob hierzu mehrere Angriffe und Beschimpfungen dargelegt werden müssen“,
stellt keine abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht dar. Es hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit ein einzelner tätlicher Angriff den Tatbestand des § 1 Abs. 6 VermG begründen kann. Solche Umstände des Einzelfalls hat das Verwaltungsgericht aber gerade in seiner vom Revisionsgericht nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung für nicht gegeben erachtet. Letztlich hat das Verwaltungsgericht auch nicht geklärt, ob es wirklich zu dem behaupteten Übergriff von SS-Männern gekommen ist, ohne dass dies die Beschwerde mit Verfahrensrügen angegriffen hat. Es hat aber sogar bei Unterstellung eines solchen Übergriffs ausgeführt, es sei nicht feststellbar, ob ein solcher Übergriff vom Regime angeordnet oder gebilligt worden war oder ob es sich um vom Regime autorisierte Taten Einzelner gehandelt habe. Hiergegen hat die Beschwerde keinerlei Verfahrensrügen erhoben und auch nicht die angeblichen Hetzartikel aus der NS-Presse gegen den Rechtsvorgänger des Beigeladenen vorgelegt.

9 Auch die dritte gestellte Frage,
„ob eine Belobigung von Personen in der Öffentlichkeit durch NS-Funktionsträger notwendig eine von der Öffentlichkeit abgeschirmte politische Verfolgung ausschließt“,
stellt keine abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht dar, vielmehr nur Vortrag zum konkreten Einzelfall. Zudem greift die Beschwerde in Wirklichkeit mit dieser Fragestellung wiederum die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts an, das aus dem Zeitungsartikel vom 31. Mai 1939 geschlossen hat, dass keine Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung durch das NS-Regime vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat damit frei von revisionsrechtlichen Beanstandungen den Schluss gezogen, dass das NS-Regime den Rechtsvorgänger des Beigeladenen nicht als politischen Gegner ausschalten wollte.

10 Nach alledem spricht nichts für einen Erfolg einer möglicherweise zu erhebenden Nichtzulassungsbeschwerde. Die Durchführung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens müsste damit für den Beigeladenen offensichtlich erfolglos bleiben.