Beschluss vom 29.12.2004 -
BVerwG 5 B 95.04ECLI:DE:BVerwG:2004:291204B5B95.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.12.2004 - 5 B 95.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:291204B5B95.04.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 95.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Dezember 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Kläger ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
Die Frage "Kann die Tatsache, dass der rumänische Staat keine Rechtsgrundlage zur unmittelbaren Rückgabe oder anderweitigen Entschädigung von den in den Jahren ab 1945 enteigneten landwirtschaftlichen Grundstücken deutscher Volkszugehöriger geschaffen hat bzw. eine praktische Durchsetzung der diesbezüglichen Ansprüche nicht ermöglichte, eine Benachteiligung bzw. Nachwirkung früherer Benachteiligungen ... darstellen?", hat keine grundsätzliche Bedeutung, wie der Senat bereits in seinem den Prozessbevollmächtigten bekannten Beschluss vom 9. September 2004 - BVerwG 5 B 73.04 - dargelegt hat. Dass die Rückgabe- bzw. Entschädigungsregelungen nach der Volkszugehörigkeit der jetzigen Anspruchssteller differenzierten und deutsche Volkszugehörige benachteiligten, haben die Kläger nicht geltend gemacht; vielmehr hat das Berufungsgericht im Zusammenhang seiner Ausführungen zu Artikel 16 des Bodenfondsgesetzes unwidersprochen festgestellt (Seite 15 des Urteils), dass "auch Rumänen auf Grundlage des Gesetzes noch keinen Boden zurückerhalten hatten". Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass eine Benachteiligung oder eine Nachwirkung einer früheren Benachteiligung in eigener Person nicht vorliegt, wenn kein Anspruch auf Rückgabe des früher enteigneten Grundbesitzes eines Vorfahren zusteht (BVerwGE 106, 191 <201>).
Auch der weiteren Frage "Sind nicht unerhebliche Benachteiligungen der Vorfahren auch nach § 4 Abs. 2 BVFG anzuerkennen, wenn sie nicht nur unerhebliche Auswirkungen auch auf das Leben des Spätaussiedlerbewerbers haben?" kommt, wie bereits in dem vorgenannten Beschluss festgestellt, grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Denn ohne Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass nur solche Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen relevant sind, denen "er", der Spätaussiedlerbewerber, unterlag. Solche waren nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht glaubhaft gemacht.
Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden.
Zu Unrecht rügen die Beschwerdeführer als einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), dass das Berufungsgericht keinen Sachverständigen hinzugezogen hat, um "über die Fragen der Entschädigung und ihre faktische Durchsetzung Auskunft geben (zu) können, und zwar bezogen "auf den konkreten Einzelfall im ehemaligen Herkunftsgebiet des Klägers, also den Ort S.". Zum einen haben die Beschwerdeführer ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst keinen solchen Antrag gestellt, so dass substantiiert darzulegen gewesen wäre, warum sich der Vorinstanz aus ihrer für den Umfang der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (stRspr; vgl. z.B. BVerwGE 74, 222 <224>). Im Übrigen ist bei der Rüge mangelnder Sachkunde zu beachten, dass das Tatsachengericht grundsätzlich nach richterlichem Ermessen entscheidet, ob es sich die erforderliche Sachkunde für die Aufklärung und Würdigung eines Sachverhalts zutraut; die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO ist daher erst dann verletzt, wenn das Gericht sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt (vgl. BVerwGE 68, 177 <182 ff.>) oder die Entscheidungsgründe auf mangelnde Sachkunde schließen lassen (vgl. BVerwGE 75, 119 <126>). Dass und warum dies vorliegend der Fall sein sollte, hat die Beschwerde nicht dargelegt.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang sinngemäß einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO geltend macht, weil das Gericht nicht näher begründet habe, weshalb es keinen Sachverständigen hinzugezogen habe, bzw. insoweit einen weiteren Verfahrensverstoß gegen § 86 VwGO rügt, ist insbesondere mit Blick auf die vom Gericht in Bezug genommenen, bereits in anderen Verfahren - an denen ebenfalls die Prozessbevollmächtigten der Kläger beteiligt waren - gewonnenen Erkenntnisse (vgl. S. 15 der Entscheidung unter Hinweis auf das Urteil vom 29. April 2004 - VGH 19 B 02.22 77 -, welches Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren BVerwG 5 B 73.04 war) nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde nicht vorgetragen, welche weiteren Darlegungen nach Ansicht der Beschwerde erforderlich gewesen sein könnten bzw. dass das Gericht sich auf den Klägern nicht bekannte Erkenntnisquellen gestützt haben könnte.
Auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO ist mit dem Vorbringen, das Gericht sei von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen, nicht dargetan. Der Grundsatz der freien Überzeugungsbildung steht zwar in engem Zusammenhang mit der Pflicht des Gerichts zur umfassenden Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen, betrifft jedoch nicht die Erhebung und Feststellung des Sachverhalts, sondern die Würdigung der ermittelten Tatsachen. Bildet das Gericht - wie von der Beschwerde behauptet - seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts, betrifft dies nicht den Überzeugungsgrundsatz, sondern den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht.
Den Klägern kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihre Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO; §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).