Beschluss vom 29.07.2004 -
BVerwG 4 BN 30.04ECLI:DE:BVerwG:2004:290704B4BN30.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.07.2004 - 4 BN 30.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:290704B4BN30.04.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 30.04

  • OVG des Saarlandes - 14.04.2004 - AZ: OVG 1 N 7/03

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. April 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag der Antragsteller mit doppelter Begründung abgelehnt: Die Antragsgegnerin habe die privaten Belange der Antragsteller in der Abwägung weder berücksichtigen können noch berücksichtigen müssen, weil sie ihr nicht bekannt gewesen seien und sich ihr auch nicht hätten aufdrängen müssen. Dem könnten die Antragsteller nicht entgegenhalten, dass ihnen die Planungen über die neue Autobahnanbindung nicht bekannt gewesen seien und sie deshalb keine Veranlassung gehabt hätten, Einwendungen zu erheben (vgl. UA S. 18 bis 20). Selbst wenn man von einem abwägungsbeachtlichen Belang und insoweit von einem Abwägungsausfall ausgehen wollte, wäre dieser Fehler jedenfalls nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht erheblich (vgl. UA S. 20).
Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn ein Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1973 - BVerwG 4 B 92.73 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 109; Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Die Beschwerde richtet sich nur gegen den ersten der beiden Urteilsgründe. Sie greift die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts an, dass für die Antragsteller ausreichend Veranlassung bestanden habe, sich Einblick in die Planungsunterlagen zu verschaffen und gegebenenfalls ihre Betroffenheit geltend zu machen. In diesem Zusammenhang legt sie auch dar, dass das nach ihrer Auffassung bestehende Abwägungsdefizit - wie in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB vorausgesetzt - auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sei. Insoweit begründet sie jedoch lediglich die eigene Rechtsauffassung; einen Zulassungsgrund in Bezug auf die gegenteilige, ebenfalls selbstständig tragende Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zeigt sie nicht auf.
2. Die gegen die Verneinung eines Abwägungsausfalls gerichteten Rügen greifen zudem nicht durch.
a) Die Beschwerde wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, welche rechtlichen Anforderungen an die Bezeichnung eines Bebauungsplans hinsichtlich der Erkennbarkeit einer eventuellen Betroffenheit im Hinblick auf die Anstoßfunktion bei der Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu stellen sind, wenn der Bebauungsplan nicht nur Planungen zu einem Baugebiet, sondern auch in erheblichen Maße Planungen zu Zufahrtsstraßen enthält. Außerdem möchte sie geklärt wissen, ob in der Bekanntmachung Straßenvorhaben im Zusammenhang mit einem Baugebiet ebenfalls im Hinblick auf die Anstoßfunktion nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB näher zu kennzeichnen sind.
Diese Fragen könnten die Zulassung der Revision nur rechtfertigen, wenn sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würden. Das legt die Beschwerde nicht dar. Das Oberverwaltungsgericht hat für die Frage, ob die Planungen über die neue Autobahnanbindung den Antragstellern bekannt sein mussten, nicht auf die Bekanntmachung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vom 19. April 2001, sondern auf die Bekanntmachung vom 1. Februar 2001, die im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB erfolgt war, abgestellt. In Bezug auf die Maßgeblichkeit dieser ersten Bekanntmachung zeigt die Beschwerde einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Die Bekanntmachung vom 1. Februar 2001 enthielt den Hinweis, dass auch die Straßenanbindung des Industrie- und Gewerbegebiets an den Autobahnzubringer im Geltungsbereich des Bebauungsplans enthalten sei. Aufgrund dieses Hinweises bestand nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für die Antragsteller, deren Anwesen zwischen diesem Gebiet und dem Autobahnanschluss zur A 62 liege, ausreichend Veranlassung, sich Einblick in die Planungsunterlagen zu verschaffen und gegebenenfalls Einwendungen zu erheben (vgl. UA S. 19 f.). Das Oberverwaltungsgericht würdigt damit die spezifische Situation im vorliegenden Einzelfall; einen grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch insoweit nicht auf.
b) Die geltend gemachte Abweichung des Urteils des Normenkontrollgerichts von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - (BVerwGE 69, 344) ist ebenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz sich in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch gesetzt hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil entschieden, dass die Bekanntmachung in einer Weise zu erfolgen hat, welche geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregung und Bedenken bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Ein Plangebiet ist in der nach § 2 Abs. 6 Satz 2 BBauG 1960 (jetzt: § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB) erforderlichen Weise deshalb nur dann hinreichend bestimmt worden, wenn der gewählte Inhalt der Bekanntmachung diese spezifische "Anstoßfunktion" auslösen kann (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344, 345 f.). Einen abstrakten Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsgericht von dieser Entscheidung abgewichen sein könnte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie wiederholt lediglich die auf den Einzelfall abstellenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zu der Frage, ob den Antragstellern die Planungen bekannt sein mussten. Das genügt zur Darlegung einer Abweichung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 72 Nr. 1 GKG n.F., § 14 Abs. 1 und 3 sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.