Beschluss vom 29.03.2006 -
BVerwG 5 B 78.05ECLI:DE:BVerwG:2006:290306B5B78.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2006 - 5 B 78.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:290306B5B78.05.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 78.05

  • Bayerischer VGH München - 04.05.2005 - AZ: VGH 5 B 03.1371

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rothkegel und
Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die allein mit dem Vorliegen von Verfahrensfehlern begründete (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist unbegründet. Wegen eines Verfahrensfehlers kann die Revision nur zugelassen werden, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel vorliegt und die Entscheidung des Berufungsgerichts darauf beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das ist hier nicht der Fall.

2 a) Die Beschwerde macht zum einen geltend, das Berufungsgericht habe wesentlichen Sachvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen; es hätte „sich zwingend mit dem umfassenden Vorbringen des Klägers befassen müssen, dass und aus welchen Gründen er die Ehe in Pakistan für unwirksam gehalten und weswegen er dazu keine Angaben im Einbürgerungsverfahren gemacht hatte“. Damit ist kein von der Beschwerde als Verfahrensfehler gewerteter Umstand vorgetragen, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann.

3 Die Beschwerde gibt das Berufungsurteil unzutreffend wieder, indem sie vorträgt, „das Berufungsgericht (habe) die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung allein auf den Tatvorwurf der strafbaren Doppelehe (gegründet)“. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG - zutreffend - dahingehend wiedergegeben, dass dazu ein unbescholtener Lebenswandel und die Gewährleistung des Einordnens in die deutschen Lebensverhältnisse gehörten (S. 10 f. des Berufungsurteils), und - kumulativ - diese beiden Voraussetzungen vom Kläger als nicht erfüllt angesehen; insbesondere hat das Berufungsgericht es als „nicht hinreichend gewährleistet (angesehen), dass der Kläger sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet“; diese Einbürgerungsvoraussetzung erfülle regelmäßig nicht, wer eine Doppelehe führe (S. 11 unten des Berufungsurteils). Dass der Kläger sich wegen Doppelehe (§ 171 StGB a.F.) strafbar gemacht hat, ist somit nicht der allein tragende Gesichtspunkt gewesen, auf den das Berufungsgericht seine Annahme gestützt hat, der Kläger habe seine Einbürgerung rechtswidrig bewirkt. Gegen die - gleichfalls selbstständig tragende - Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Kläger nicht gewährleiste, sich in die deutschen Lebensverhältnisse einzuordnen, da er in der Bundesrepublik eine Doppelehe geführt habe, hat die Beschwerde - ausgehend von ihrem unzutreffenden Verständnis des Berufungsurteils - sich nicht gewendet.

4 b) Als eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) betrachtet es die Beschwerde sodann, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen habe, „von der Unwirksamkeit der Eheschließung in Pakistan ausgegangen zu sein“. Auch insoweit betrifft ihre Rüge keinen das Berufungsurteil allein und selbstständig tragenden Grund.

5 Für den Verwaltungsgerichtshof war es „offenkundig, dass der Kläger entgegen der unglaubhaften Schutzbehauptung seine Familienverhältnisse in Pakistan der Einbürgerungsbehörde gegenüber gezielt und mit Täuschungswillen deshalb verschwiegen hat, um seine ‚problemlose’ Einbürgerung als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen zu erreichen“ (S. 12 unten des Berufungsurteils). Diese Würdigung des Sachverhalts und Wertung des Verhaltens des Klägers dahingehend, dass dieser seine Einbürgerung durch Täuschung erwirkt habe, ist wiederum auf zwei Erwägungen gestützt, von denen die eine sich auf das Verschweigen der Eheschließung in Pakistan und die andere sich auf die Nichterwähnung der aus jener Ehe hervorgegangenen drei Kinder des Klägers bezieht (siehe S. 12 Mitte des Berufungsurteils). Dass und in welcher Hinsicht die Vorinstanz verfahrensfehlerhaft darauf abgestellt haben könnte, dass der Kläger „auf die ausdrückliche Frage im Antragsformular nach allen ‚minderjährigen und volljährigen, ehelichen und nichtehelichen Kindern’ auch aus ‚früherer Ehe’ ... nur das gemeinsame Kind mit Frau S. (seiner zweiten Ehefrau) angegeben“ hat und dass sich „auch in dem vom Kläger vorgelegten Lebenslauf ... keine weitergehenden Angaben (finden)“ (S. 12 unten des Berufungsurteils), wird von der Beschwerde nicht behauptet. Ihr Vorbringen, der Kläger sei von der Unwirksamkeit seiner in Pakistan geschlossenen Ehe ausgegangen, mit dem sich das Berufungsgericht zudem erkennbar auseinander gesetzt hat, betrifft nicht seine Angaben zu ehelichen bzw. nichtehelichen Kindern. Die Beschwerde rügt der Sache nach mit ihrer Verfahrensrüge die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtshofes, die dem materiellen Recht zuzurechnen ist.

6 c) Soweit die Beschwerde ferner behauptet, „der Kläger wäre nach Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit staatenlos (und) verlöre damit auch seine Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach Art. 17 EG“, würdigt sie den Sachverhalt anders als das Berufungsgericht. Damit allein ist noch kein Verfahrensfehler bezeichnet.

7 Allerdings will der Kläger die Feststellung des Berufungsgerichts, dass er mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht kraft pakistanischen Rechts seine bisherige Staatsangehörigkeit verloren habe (S. 13 unten des Berufungsurteils), nicht gegen sich gelten lassen; die Beschwerde macht vielmehr insoweit geltend, „der Kläger, der bei der Berufungsverhandlung nicht anwesend (gewesen sei, habe) dazu weder befragt werden (können) noch (habe) er Gelegenheit (gehabt), sich zu diesem neuen Sachvortrag zu äußern“. Auch damit ist indessen kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Der Kläger war in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2005, in der ausweislich der Sitzungsniederschrift „die Frage des Vertrauensschutzes, der Einhaltung einer ‚Rücknahmefrist’ und der Ermessenserwägungen, insbesondere auch im Blick auf die Frage der Staatenlosigkeit erörtert“ worden ist und in der kein Antrag auf Vertagung oder Einräumung einer Schriftsatzfrist in Bezug auf die in der Sitzung übergebenen Unterlagen zum Verlust der pakistanischen Staatsangehörigkeit gestellt worden ist, anwaltlich vertreten; die Beschwerde legt nicht dar, dass und in welcher Hinsicht im Falle persönlicher Anwesenheit des Klägers weiterer Aufschluss und insbesondere den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegengesetzte Erkenntnisse zur Frage der Auswirkungen der Einbürgerung des Klägers in Bezug auf seine pakistanische Staatsangehörigkeit zu gewinnen gewesen wären.

8 d) Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe „sich mit dieser Thematik nicht auseinander gesetzt, sondern sich ... ausschließlich auf das erstmalig im Berufungstermin eingeführte Vorbringen des Beklagten gestützt“, ist ihr entgegenzuhalten, dass es dem Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung unbenommen war, neuen Sachvortrag in das Verfahren einzuführen, und dass das Berufungsgericht auch diesen Sachvortrag, insbesondere das ihm vom Beklagten vorgelegte Schreiben der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 4. Oktober 1993 (Bl. 28/29 der Akten), für seine Entscheidung verwerten durfte und musste. Ob die so gewonnenen Erkenntnisse schon für den hier maßgeblichen Zeitpunkt, die Einbürgerung des Klägers im Jahre 1991, Gültigkeit besaßen und deshalb den Schluss rechtfertigten, dass „der Kläger im Besitz der pakistanischen Staatsangehörigkeit geblieben ist“ (S. 14 oben des Berufungsurteils), betrifft nicht das Verfahren, sondern ist eine Frage des materiellen Rechts. Umstände, nach denen sich hier eine weitere Sachaufklärung, welche der Kläger auch nicht beantragt hat, aufgedrängt hätte, benennt die Beschwerde nicht.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S.718).