Beschluss vom 29.01.2007 -
BVerwG 7 B 68.06ECLI:DE:BVerwG:2007:290107B7B68.06.0

Leitsätze:

Der Schutzzweck muss sich einer Erklärung zum Schutzgebiet (§ 22 BNatSchG) mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen lassen.

Sind in großflächigen Landschaftsschutzgebieten Abgrabungen nur in von der überörtlichen Planung bestimmten Bereichen zulässig, ist dies grundsätzlich verhältnismäßig.

  • Rechtsquellen
    BNatSchG § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

  • OVG Münster - 24.05.2006 - AZ: OVG 20 A 1612/04 -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 24.05.2006 - AZ: OVG 20 A 1612/04

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2007 - 7 B 68.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:290107B7B68.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 68.06

  • OVG Münster - 24.05.2006 - AZ: OVG 20 A 1612/04 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 24.05.2006 - AZ: OVG 20 A 1612/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 200 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin - ein Unternehmen zur Gewinnung und zum Vertrieb von Kies und Sand - betreibt eine planfestgestellte Nassabgrabung. Sie beabsichtigt, die Abgrabungsfläche zu erweitern. Nach Abschluss der Abgrabung soll ein zusammenhängender See verbleiben. Die Erweiterungsfläche ist auf kleineren Teilflächen mit Gehölzen und Wald bestanden und wird im Übrigen als Ackerland genutzt. Der Landschaftsplan Weeze des Kreises Kleve weist die Vorhabensfläche - wie das umgebende Gelände - als Landschaftsschutzgebiet aus. Nach den Bestimmungen des Landschaftsplans ist es verboten, in Landschaftsschutzgebieten Abgrabungen vorzunehmen und Wasserflächen anzulegen oder zu verändern. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Durchführung des im Gebietsentwicklungsplan (GEP) dargestellten Ziels - Abgrabung - im Rahmen der dafür vorgesehenen Verfahren. Im GEP für den Regierungsbezirk Düsseldorf - jetzt Regionalplan - ist die planfestgestellte Fläche als Abgrabungsbereich dargestellt, die Erweiterungsfläche dagegen ganz überwiegend als allgemeiner Freiraum- und Agrarbereich sowie Waldbereich mit der Funktion Schutz der Landschaft und landschaftsorientierte Erholung. Abgrabungen sind nach dem GEP nur innerhalb des Abgrabungsbereichs vorzunehmen.

2 Den Antrag der Klägerin auf Planfeststellung für die Erweiterungsfläche lehnte der Beklagte mit der Begründung, die Zulassung des Vorhabens sei zwingend zu versagen, ab.

3 Der dagegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hin hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, das Vorhaben bedürfe als Ausbau eines Gewässers einer Planfeststellung (§ 31 Abs. 2 Satz 1 WHG). Deren Ablehnung sei rechtmäßig, weil das Vorhaben mit zwingendem Recht unvereinbar sei. Es widerspreche den Verboten, die für das mit dem Landschaftsplan festgesetzte Landschaftsschutzgebiet bestünden. Die Verbotsregelungen seien in formeller und in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Von den Unberührtheitsklauseln und Ausnahmetatbeständen des Landschaftsplans werde das Vorhaben nicht erfasst. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

4 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von einer in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 2.).

5 1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

6 a) Die Beschwerde hält zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob die Satzung über einen Landschaftsplan hinsichtlich der Festsetzung eines Landschaftsschutzgebietes wegen Verstoßes gegen die rahmenrechtliche Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG (vormals § 12 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) unwirksam ist, wenn ein definierter Schutzzweck in der normativen Unterschutzstellung als Landschaftsschutzgebiet fehlt, obwohl dieser im Wege lückenschließender Auslegung der Erläuterungen und der sonstigen in den Erläuterungen in Bezug genommenen Planbestandteile ermittelt werden könnte.

7 Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist dies eine Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Landschaftsplan wurde aufgrund der Ermächtigung durch das Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG) erlassen. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Landschaftsplan den Anforderungen des Landschaftsgesetzes entspricht. Ob die einschlägigen Bestimmungen des Landschaftsgesetzes in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht mit den rahmenrechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes in Einklang stehen, ist eine Frage des Bundesrechts. Daran hat sich durch die Änderung des Grundgesetzes zum 1. September 2006 nichts geändert. Rahmenrechtliche Bestimmungen, die - wie die hier einschlägigen des Bundesnaturschutzgesetzes - bis zum 1. September 2006 erlassen wurden und auch nach diesem Zeitpunkt als Bundesrecht erlassen werden könnten, gelten als Bundesrahmenrecht fort (Art. 125b Abs. 1 Satz 1 und 2 GG).

8 Die Frage ist aber teilweise nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass hier in der normativen Unterschutzstellung als Landschaftsschutzgebiet der Schutzzweck nicht bestimmt wird und dieser nur im Wege lückenschließender Auslegung ermittelt werden kann. Vielmehr ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Landschaftsplan und damit der Satzung, mit der hier das Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden ist, mit hinreichender Klarheit der Schutzzweck entnommen werden kann. Dies hat es u.a. den Erläuterungen, der Grundlagenkarte II und der Anlage zum Landschaftsplan („ökologischer Beitrag“) entnommen, die nach der irrevisiblen Auslegung des Landesrechts Bestandteile des Landschaftsplans und damit der normativen Unterschutzstellung sind.

9 Im Übrigen lässt sich die Frage ohne weiteres beantworten. Unter einer „Erklärung“ im Sinne des § 22 BNatSchG ist eine Verlautbarung der jeweils zuständigen Stelle zu verstehen. Diese Erklärung ist ein formeller, nach außen wirkender, allgemein verbindlicher Rechtsakt, in der Regel eine Rechtsverordnung oder eine Satzung. Die Erklärung muss den Schutzzweck bestimmen. Es ist - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - ausgeschlossen, den Schutzzweck anhand von Umständen zu ermitteln, die außerhalb dieser Erklärung liegen und daher vom Willen des Normgebers nicht getragen werden. Darüber hinaus schreibt § 22 BNatSchG für die Erklärung zum Schutzgebiet und die Bestimmung seines Schutzzweckes weder eine bestimmte Rechtsform noch eine bestimmte Regelungstechnik vor.

10 Von diesem rechtlichen Ansatz ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat den Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes Bestandteilen des Landschaftsplans entnommen, die nach seiner Auslegung des irrevisiblen Landesrechts von der Erklärung und dem Willen des Satzungsgebers umfasst waren.

11 b) Weiter hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob es bei der Erklärung von Teilen von Natur und Landschaft zum Landschaftsschutzgebiet mit der Rahmenvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG (a.F.) - jetzt: § 22 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG - vereinbar ist, dass der Schutzzweck im Satzungstext nicht selbständig verbal umschrieben wird und keine als Zweck deklarierte ausdrückliche Angabe enthält, warum der Satzungsgeber die in den Geltungsbereich eines Landschaftsschutzgebietes einbezogenen Grundstücke einem besonderen Schutz unterworfen hat, sondern der Schutzzweck insgesamt lediglich
- durch einen formelhaften Verweis auf die landesrechtliche Ermächtigungsnorm (oder Teile derselben) zur Festsetzung von Landschaftsschutzgebieten und
- einen - pauschalen - Verweis auf den Aussagegehalt eines Entwicklungszieles für das Landschaftsschutzgebiet
im Rahmen des Unterschutzstellungsaktes bestimmt wird.

12 Auch diese Frage ist zum Teil nicht entscheidungserheblich und lässt sich im Übrigen ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht zu dem Ergebnis gelangt, der Schutzzweck werde insgesamt lediglich durch einen formelhaften Verweis auf die landesrechtliche Ermächtigungsnorm und einen pauschalen Verweis auf den Aussagegehalt eines Entwicklungsziels bestimmt. Vielmehr ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass der Schutzzweck durch die o.g. Bestandteile des Landschaftsplans mit hinreichender Bestimmtheit konkretisiert wird. Dies hat es näher begründet (vgl. UA S. 15 f.).

13 Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass der Schutzzweck in der Erklärung - hier also im Landschaftsplan - zwar „bestimmt“, nicht aber ausdrücklich als solcher bezeichnet werden muss, etwa mit der Überschrift „Schutzzweck“ über einer Norm. Vielmehr ist es ausreichend und notwendig, dass das verfassungsrechtliche allgemeine Bestimmtheitsgebot beachtet wird. Danach muss sich aus dem Inhalt der Rechtsvorschrift mit ausreichender Bestimmtheit der Schutzzweck ermitteln lassen. Das Ausmaß dieser Bestimmtheit lässt sich nicht allgemein festlegen (vgl. Urteil vom 29. Dezember 1988 - BVerwG 4 C 19.86 - Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 1). Damit stimmt die angefochtene Entscheidung überein. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich hier der Schutzzweck dem Landschaftsplan mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen lässt.

14 c) Schließlich hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn in einem großflächigen Landschaftsschutzgebiet Handlungen und Nutzungen verboten sind, die den Gebietscharakter oder den jeweiligen konkreten Schutzzweck nicht schon abstrakt gefährden können, ohne dass insoweit ein Ausnahmetatbestand oder ein Erlaubnisvorbehalt die Überprüfung der Vereinbarkeit von geplanten Maßnahmen mit dem Schutzzweck der Unterschutzstellung im jeweiligen Einzelfall ermöglicht.

15 Die Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden. Der Normgeber hat im Bereich des Naturschutzrechts ein „Normsetzungsermessen“ (einen „Handlungsspielraum“), der von der Sache her in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der gegenüberstehenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt ist (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02 - BVerwGE 119, 312). Ist diese Würdigung der widerstreitenden Interessen auf der Ebene der überörtlichen Planung erfolgt und macht der Normgeber des örtlichen Naturschutzrechts das Ergebnis dieser Würdigung - ggf. mittels einer Verweisung auf die überörtliche Planung - zum Bestandteil seiner Unterschutzstellung, genügt dies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diese Würdigung hat im konkreten Fall nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in ausreichendem Maße stattgefunden. Denn nach dem Landschaftsplan Weeze ist es zwar u.a. verboten, Abgrabungen vorzunehmen und Wasserflächen anzulegen bzw. zu verändern (vgl. Nr. 3.3 Abs. 1 Buchst. f und g). Hiervon bleibt aber die Durchführung des im Gebietsentwicklungsplans dargestellten Ziels - Abgrabungen - unberührt (vgl. Nr. 3.3 Abs. 2 Buchst. f). Der Gebietsentwicklungsplan weist Abgrabungsbereiche auch in den im Landschaftsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Flächen aus. Dadurch soll die Versorgung mit Sand und Kies für mehr als 20 Jahre sichergestellt werden. Somit sind Abgrabungen in den Landschaftsschutzgebieten nicht allgemein verboten (bzw. nur unter den engen - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen einer Befreiung zulässig). Vielmehr sind Abgrabungen nur außerhalb der im Gebietsentwicklungsplan ausgewiesenen Abgrabungsflächen verboten. Unter diesen Umständen brauchte der Satzungsgeber für diesen Bereich keine einzelfallbezogene Prüfung einer Ausnahme vorzusehen.

16 2. Das Berufungsurteil weicht auch nicht von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Beschwerde benennt zwar einen angeblich vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, der von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02 - (a.a.O.) abweicht. Sie behauptet, das Oberverwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, bei der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten müssten die Belange der von Nutzungsbeschränkungen betroffenen Eigentümer nicht in einer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichteten konkreten Abwägung gewürdigt werden. Diesen Rechtssatz hat das Berufungsgericht jedoch weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Vielmehr hat es einen Maßstab herangezogen, der mit dem vom Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil aufgestellten Rechtssatz im Einklang steht (vgl. UA S. 19 f.), ist sodann im Einzelnen auf die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Gebiets eingegangen (UA S. 21 f.) und hat schließlich die gegenläufigen Interessen (auch) unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit gewürdigt (vgl. UA S. 26 f.).

17 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.