Beschluss vom 29.01.2003 -
BVerwG 8 B 115.02ECLI:DE:BVerwG:2003:290103B8B115.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2003 - 8 B 115.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:290103B8B115.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 115.02

  • VG Meiningen - 24.04.2002 - AZ: VG 2 K 537/01.Me

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Dr. P a g e n k o p f und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 35 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der von den Klägerinnen allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit und der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Das ist bei der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage:
"ob die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Eigentums-Erwerbes im Rahmen des § 4 Abs. 2 VermG auch dann eine Rückübertragung ausschließt, wenn es sich um besonders gravierende und vielfache Gesetzes-Verstöße handelt, mit denen nicht existente Rechte übertragen werden sollen, wenn aber die rechtlichen Mängel Teil des Lebenssachverhaltes sind, der den Restitutionsanspruch begründet,"
nicht der Fall. Es kann dabei dahinstehen, ob diese Frage überhaupt eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat, da sie zu sehr von den Einzelheiten des vorliegenden Falles geprägt ist. Entscheidend ist aber, dass sich eine solche Frage in dem begehrten Revisionsverfahren nicht stellen wird. Denn einerseits hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass redlicher Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG nicht voraussetzt, dass das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zivilrechtlich wirksam sein muss (vgl. Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 20.94 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25). Der Zweck der auf einen sozialverträglichen Ausgleich gerichteten Bestimmung des § 4 Abs. 2 VermG erfordert nämlich nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit des Erwerbsgeschäfts. Ausschlaggebend ist vielmehr für die Frage des Behaltendürfens nicht, ob der Erwerber seine Position im Einklang mit den Normen des DDR-Rechts erlangt hat, sondern ob sein Vertrauen in den Bestand seiner Eigentümerstellung gemessen an den Regelbeispielen des § 4 Abs. 3 VermG schutzwürdig ist. Nur in diesem Rahmen können die Normen des Zivilrechts der DDR Bedeutung gewinnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1996, a.a.O. S. 62).
Im Übrigen wird sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage auch deshalb nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht ausdrücklich von einem Rechtsverstoß gegen die Rechtsvorschriften der DDR ausgegangen ist, dem auch das manipulative Element nicht abgesprochen wurde (vgl. S. 8 f. UA). Entscheidend ist aber, dass das Verwaltungsgericht, ohne dass diese Feststellungen seitens der Beschwerde angegriffen worden sind, das subjektive Zurechnungselement, nämlich die fahrlässige Unkenntnis von den Manipulationsvorgängen verneint hat. Selbst wenn es damit auf die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Eigentumserwerbs ankäme, würde das der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da gerade das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass keine fahrlässige Unkenntnis von den Manipulationsvorgängen vorliegt. Dabei hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass nicht bereits eine Anfrage aus dem Jahre 1971 bei einer Frau L. bezüglich des Ankaufs des Hauses ausreicht, um eine positive Kenntnis oder zumindest fahrlässige Unkenntnis der Beigeladenen für den 1989 abgeschlossenen Kaufvertrag zu begründen. Im Übrigen ist die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, ohne dass die Beschwerde eine entsprechende Rüge hierzu hätte formulieren können, gut nachvollziehbar, dass die Beigeladenen als im technischen Arbeitsleben stehende Personen, die keinerlei rechtliche Vorbildung hatten, keine Kenntnis über ein Zustimmungserfordernis der nach wie vor im Grundbuch eingetragenen Miterbinnen hatten. Gemessen an der Lebenswirklichkeit und den Verhältnissen in der früheren DDR konnten die Beigeladenen damit durch die Unterbreitung des Kaufangebots seitens des Rats der Gemeinde W.-F. davon ausgehen, dass die Dinge ordnungsgemäß abgelaufen seien. Jedenfalls konnten entgegen der Zulassungsfrage die Beigeladenen von vornherein keine Trennung zwischen besonders gravierenden und vielfachen Gesetzesverstößen machen, um etwa auf diese Weise ein Wissen oder eine fahrlässige Unkenntnis zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 14, 13 GKG.