Beschluss vom 28.11.2002 -
BVerwG 5 B 249.02ECLI:DE:BVerwG:2002:281102B5B249.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.11.2002 - 5 B 249.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:281102B5B249.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 249.02

  • VGH Baden-Württemberg - 05.06.2002 - AZ: VGH 6 S 764/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Soweit die Beschwerde hinsichtlich der durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2002 - BVerwG 5 C 2.01 - grundsätzlich geklärten Fragen, dass die Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG (F. 2001) Geltung auch für noch nicht abgeschlossene Bescheinigungsverfahren nach § 15 BVFG beanspruchen, selbst wenn die Antragsteller bereits Jahre vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts im Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG in das Bundesgebiet eingereist sind, und auch bei diesem Personenkreis die von § 100 a BVFG (F. 2001) angeordnete Rückwirkung unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse verfassungsrechtlich unbedenklich ist, unter anderem unter Berufung auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. August 2002 - 5 A 841/96 - neuerlichen oder weiteren Klärungsbedarf geltend macht, kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Klärungsbedarf besteht. Denn das Berufungsgericht hat die Zurückweisung der Berufung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass der Kläger zu 1. selbst bei Anwendung des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung von 1993 kein deutscher Volkszugehöriger sei, weil er nicht die Voraussetzungen erfüllt, die nach dieser Gesetzesfassung an die Vermittlung der deutschen Sprache zu stellen sind. Die von der Beschwerde zu § 6 Abs. 2, § 100 a BVFG (F. 2001) aufgeworfenen Fragen stellen sich als nicht entscheidungserheblich mithin nicht.
Zu Unrecht meinen die Kläger weiterhin (Beschwerdebegründung S. 5 f.), es sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht geklärt, "welcher Bedeutungsinhalt § 6 Abs. 2 Satz 4 und 5" BVFG zukommt, und es sei zu klären, "unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass die Feststellung von Sprachkenntnissen entfällt". Denn weder die rechtliche Tragweite noch die rechtlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BVFG (F. 1993) bzw. § 6 Abs. 2 Satz 4 und 5 BVFG (F. 2001) bedürfen weiterer revisionsgerichtlicher Klärung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2000 - BVerwG 5 B 155.99 -). Die Kläger bezeichnen auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern machen in der Sache - teils unter verkürzter Wiedergabe der Erwägungen des Berufungsgerichts - geltend, das Berufungsgericht habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG (F. 1993) bzw. des § 6 Abs. 2 Satz 4 und 5 BVFG (F. 2001) zu Unrecht deswegen verneint, weil das Erlernen der deutschen Sprache innerhalb der Familie und ihr Gebrauch innerhalb wie außerhalb der Familie nicht mit nachteiligen Folgen verbunden gewesen sei und es hier lediglich die Eltern des Klägers zu 1. unterlassen hätten, "ihre Kinder anzuhalten, ihnen auch auf Deutsch zu antworten". Die bloße Rüge fehlerhafter einzelfallbezogener Rechtsanwendung rechtfertigt die Zulassung der Revision aufgrund grundsätzlicher Bedeutung nicht.
2. Die Behauptung der Kläger, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 - BVerwG 5 C 44.99 - ab, wenn es die "Rechtssätze" aufstelle, es könne hier "von der Vermittlung der deutschen Sprache im Elternhaus nicht ausgegangen werden, weil nicht nur die Vermittlung der Fähigkeit, Deutsch zu verstehen, sondern auch den Eltern auf Deutsch zu antworten, dazugehöre", und es könne "dann von einer familiären Vermittlung der deutschen Sprache nicht mehr gesprochen werden, wenn es die Eltern unterlassen, ihre Kinder, mit denen sie Deutsch sprechen, <scil.: zu veranlassen>, ihnen auch auf Deutsch zu antworten", rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Es kann dahinstehen, ob eine solche Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hier überhaupt in der durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO vorgeschriebenen Weise begründet worden ist, wenn den Erwägungen des Berufungsgerichts die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts gegenübergestellt werden, "die Dauer der Vermittlung bestätigender Merkmale ist in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG nicht besonders bestimmt und richtet sich deshalb nach der Dauer des familiären Erziehungseinflusses", wobei der Eintritt der Selbständigkeit im Einzelfall zu beurteilen sei, die Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum "setze eine Sprachvermittlung voraus, 'dass die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte ihre vorhandenen deutschen Sprachkenntnisse möglichst umfassend an das Kind weitergeben'", wobei auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und "zugunsten des Kindes bei Ausmaß und Intensität der Sprachvermittlung zu berücksichtigen sei, dass sich die Sprachvermittlung nicht über die ganze Länge der Prägungsphase erstrecken konnte". Jedenfalls folgt aus diesem Beschwerdevorbringen keine Abweichung in einem entscheidungstragenden Rechtssatz des Berufungsgerichts in der Sache. Das Berufungsgericht hat vielmehr auf der Grundlage der von den Klägern herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 6 BVFG (F. 1993) unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geprüft und verneint, dass die innerfamiliär mögliche, aber nicht hinreichend erfolgte Vermittlung der deutschen Sprache während der Prägungsphase des Betreffenden hier unmöglich oder unzumutbar gewesen ist. Soweit das Beschwerdevorbringen der Sache nach geltend macht, das Berufungsgericht habe dabei die Umstände des Einzelfalles fehlerhaft gewürdigt, ist damit eine Abweichung im abstrakten Rechtssatz nicht dargetan; eine Divergenz liegt nicht bereits in einer angeblich unrichtigen Anwendung eines in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechts-(grund-)satzes auf den zu entscheidenden Einzelfall (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. November 1999 - BVerwG 5 B 75.99 -). Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, die Weigerung des Klägers zu 1., seinen Eltern auf Deutsch zu antworten, beruhe auf einer "offenkundig und kinderpsychologisch nachvollziehbaren Reaktion", ist darauf hinzuweisen, dass zu den "Verhältnissen im Herkunftsgebiet", deretwegen eine Vermittlung von Bestätigungsmerkmalen unmöglich oder unzumutbar ist, nicht Umstände gehören, deren maßgebliche Ursache in der Person des Betreffenden liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 5 C 18.00 - <Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 96>).
3. Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler, die die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen könnten, hat die Beschwerde nicht hinreichend vorgetragen.
Mit dem Beschwerdevorbringen, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es sich "überhaupt nicht mit den weiteren Bestätigungsmerkmalen und insbesondere nicht mit dem Bestätigungsmerkmal der Religion beschäftigt", "gegen den Grundsatz der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere gegen Art. 19 Abs. 4 GG und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen" verstoßen, rügen die Kläger im Gewande der Verfahrensrüge eine angebliche Verletzung materiellen Rechts, ohne insoweit in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO darzulegen.
Der weiterhin geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, führt schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil die Kläger hinreichend Gelegenheit zum Sachvortrag hatten, die nach ihrer Rechtsansicht gebotenen weiteren Ermittlungen zur Vermittlung der weiteren Bestätigungsmerkmale anzuregen, und sie auch in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert vorgetragen haben, was sie vorgetragen hätten, wäre ihnen das aus ihrer Sicht gebotene rechtliche Gehör gewährt worden. Im Übrigen brauchte sich dem Berufungsgericht wegen des engen inneren Zusammenhanges zwischen dem Bestätigungsmerkmal Sprache und den Bestätigungsmerkmalen Erziehung und Kultur nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG (F. 1993) (s. dazu BVerwGE 99, 133; 102, 214) insoweit eine weitere Sachaufklärung nicht aufzudrängen, zumal die Kläger nicht geltend gemacht haben, dass sie das Vorliegen dieser Bestätigungsmerkmale für sich in Anspruch genommen hätten, und bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auch darauf abgestellt hatte, dass Umstände, welche hier die Zuordnung zum russischen Kulturkreis widerlegten, nicht ersichtlich seien.
4. Auch das weitere Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht; der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.