Beschluss vom 28.08.2009 -
BVerwG 8 B 50.09ECLI:DE:BVerwG:2009:280809B8B50.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2009 - 8 B 50.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:280809B8B50.09.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 50.09

  • VG Dresden - 23.09.2008 - AZ: VG 1 K 2843/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
Dr. Held-Daab
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. September 2008 wird aufgehoben, soweit es die Nummer 3 des Bescheides des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 25. Oktober 2004 aufhebt.
  2. Die Streitsache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 426 817,75 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat Erfolg.

2 Zwar weist die Sache nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, die die Beigeladene zu 1) ihr beimisst. Das angefochtene Urteil beruht jedoch auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dass das Verwaltungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen habe. Auf die des Weiteren erhobene Aufklärungsrüge kommt es daher nicht an.

3 1. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verpflichtet das Tatsachengericht u.a., bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (stRspr; vgl. Urteile vom 18. Juli 1986 - BVerwG 4 C 40 bis 45.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 181 und vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158>; Beschluss vom 18. Juli 2001 - BVerwG 8 B 103.01 - ZOV 2001, 411). Er ist verletzt, wenn im Prozess der Rechtsfindung nicht alle Tatsachen und Erkenntnisse Eingang gefunden haben, die nach Lage der Akten von Erheblichkeit sind. Dieser Mangel besteht im vorliegenden Fall; das Urteil ist hinsichtlich der Tatsachen in sich widersprüchlich.

4 Ausweislich des Tatbestandes erhielt der verbliebene Unternehmensträger, die klagende Limmritz-Steina AG, aus dem im Rahmen des Konkursverfahrens durchgeführten Verkauf den verbliebenen Betrag von 514 049,32 M (UA S. 3). Sie wurde nach der Bestellung eines Abwicklers in Liquidation fortgeführt. Die Limmritz-Steina AG i.L., die das ihr aus dem Konkursverfahren zugeflossene Restvermögen verwaltete, sollte nach Beendigung des Konkursverfahrens abgewickelt werden.

5 Für die Richtigkeit der Feststellung eines Überschusses spricht der Beschluss des Kreisgerichts Döbeln vom 16. September 1957 (BA XXVI Bl. 941), mit dem das Konkursverfahren über das Vermögen der Papierfabrik Limmritz-Steina AG eingestellt wurde. Dort heißt es u.a., dass durch den Verkauf des die Konkursmasse bildenden Betriebes eine restlose Befriedigung sämtlicher Gläubiger möglich gewesen sei. Darüber hinaus ständen der Gemeinschuldnerin noch beträchtliche Beträge nach Abschluss des Konkursverfahrens zur Verfügung, die sich aus dem „Differenzbetrag der Befriedigung der Gläubiger, Verfahrenskosten und Vergütungen und dem Verkaufserlös“ ergäben.

6 In den Entscheidungsgründen geht das Verwaltungsgericht jedoch davon aus (UA S. 9), dass der Papierfabrik Limmritz-Steina AG der aus dem für die Verstaatlichung gezahlten Kaufpreis verbliebene Betrag nicht tatsächlich zugeflossen sei. Das Verwaltungsgericht stützt sich insoweit auf den SMAD-Befehl 01/45, demzufolge die Auszahlung des Kaufpreises für ein verstaatlichtes Unternehmen an frühere Aktionäre nicht zulässig gewesen sei. Dabei geht das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass an diesem SMAD-Befehl nach Auflösung der Gesellschaft festgehalten worden sei.

7 Diese Ausführungen sind mit den tatsächlichen Feststellungen, dass ein verbliebener Betrag der Limmritz-Steina AG zugeflossen und von dieser verwaltet worden sei, nicht vereinbar. Es ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Limmritz-Steina AG nicht aufgelöst, sondern nach Bestellung eines Abwicklers ab 1958 als Liquidationsgesellschaft fortgeführt wurde.

8 Die Widersprüche in den Feststellungen des Verwaltungsgerichts lösen sich nicht etwa dadurch auf, dass es eine Schuldentilgung als Mittelzufluss bewertet hätte. Zwar hält es das Verwaltungsgericht für möglich, dass auch Schuldentilgung einem tatsächlichen Zufluss von Geldmitteln gleichzusetzen sei. Diese Möglichkeit lehnt es im vorliegenden Fall aber ab, weil es sich bei den Verbindlichkeiten um in rechtswidriger Weise festgesetzte Steuerschulden gehandelt habe. Ausweislich des Tatbestandes sollen aber Steueransprüche nur in Höhe von etwa 500 000 M geltend gemacht worden sein, während der verbliebene Betrag 514 049,32 M betragen haben soll. Eine detailliertere Bestimmung hat das Verwaltungsgericht den Akten nicht entnommen und auch nicht geprüft, ob und in welcher Höhe diese Schulden bereits vom Kaufpreis in Abzug gebracht worden sind.

9 Soweit das Verwaltungsgericht dem Klagebegehren stattgegeben hat, beruht die Entscheidung auf der Annahme, dass der Limmritz-Steina AG tatsächlich keine Geldmittel zugeflossen seien. Bevor es sich eine abschließende Überzeugung über diesen Sachverhalt bildete, hätte sich dem Verwaltungsgericht eine Auseinandersetzung mit den Widersprüchen aufdrängen müssen.

10 2. Die von der Beschwerde darüber hinaus als in einem Revisionsverfahren grundsätzlich zu klären geltend gemachte Abgrenzung der Anwendungsbereiche der § 7a und § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG und einer analogen Anwendung des § 6 Abs. 6a Satz 1 Halbs. 2 VermG auf die Rückzahlungsverpflichtung des berechtigten Unternehmensträgers setzt voraus, dass eine Gegenleistung oder eine Entschädigung dem Berechtigten tatsächlich zugeflossen ist. Dies ist vom Verwaltungsgericht aber zunächst weiter aufzuklären.

11 Auch die weitere von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage,
ist der Begriff der Geldleistung in § 6 Abs. 6a Satz 1 Halbs. 2 VermG dahin auszulegen, dass hierunter nur Bargeldleistungen oder alle im Rahmen der Schädigung zugeflossenen, frei verfügbaren Gegenleistungen, insbesondere Surrogate, Zinsen und Befreiung von Verbindlichkeiten zu verstehen sind?,
setzt zu ihrer Klärungsfähigkeit zunächst voraus, dass Bargeldleistungen und/oder sonstige Gegenleistungen dem Berechtigten im Rahmen der Schädigung tatsächlich zugeflossen sind. Das ist erst durch weitere tatsächliche Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu klären.

14 3. Wegen des Verfahrensmangels macht der Senat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO).

15 4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.