Beschluss vom 28.08.2003 -
BVerwG 1 B 485.02ECLI:DE:BVerwG:2003:280803B1B485.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2003 - 1 B 485.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:280803B1B485.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 485.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 02.10.2002 - AZ: OVG 4 A 488/02.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 2002 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die Beschwerde macht geltend, ein anderer Senat des Berufungsgerichts habe in einem gleich gelagerten Fall im November 2002 die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG bejaht, weil die im Bericht des Auswärtigen Amtes vom 23. November 2001 geschilderten Überlebensstrategien der Bevölkerung in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) inhaltlich unklar seien und ungewiss sei, ob der Rückkehrer eine realistische Chance habe, diese Strategien auch zu verwirklichen. Demgegenüber habe der Berufungssenat aufgrund derselben Auskunftslage die sog. "Überlebensstrategien" des Auswärtigen Amtes als ausreichend für ein gesichertes Überleben im Kongo angesehen. Die Ungleichbehandlung beider Fälle sei willkürlich und deshalb auch verfassungsrechtlich von grundsätzlicher Bedeutung. Abgesehen davon, dass eine abweichende Sachverhalts- und Beweiswürdigung verschiedener Spruchkörper eines Gerichts im Wesen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) angelegt ist und als solche keine willkürliche Ungleichbehandlung darstellt, führt das Beschwerdevorbringen nicht auf eine Rechtsfrage, die in einem Revisionsverfahren verallgemeinerungsfähig geklärt werden könnte, sondern betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung der Lebensverhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo.
Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) rügt, weil das Berufungsgericht auf den Vortrag des Klägers, er habe keinen Bezug zu Kinshasa und sei neun Jahre nicht im Land gewesen, nicht eingegangen sei, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Denn das Berufungsgericht ist auf S. 12 des Beschlusses auf die Situation für zurückkehrende Asylbewerber, die nicht mit der Hilfe einer Großfamilie rechnen können, eingegangen und ist aufgrund der Auskunftslage zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Anfangsschwierigkeiten für diesen Personenkreis mit Unterstützung kirchlicher oder sonstiger karitativer Einrichtungen und Organisationen überwinden ließen. Insofern geht auch die Rüge einer fehlenden Einzelfallbewertung fehl, ohne dass darauf eingegangen werden muss, ob darin überhaupt ein Verfahrensmangel liegen könnte.
Soweit die Beschwerde schließlich bemängelt, dass die vom Kläger in der Berufungserwiderung beantragte Beweiserhebung nicht durchgeführt worden sei, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörs- oder Aufklärungsrüge. Die weitere Beweiserhebung zu der Frage, ob Spätrückkehrer wie der Kläger keine Möglichkeit der Teilhabe an den sog. Überlebensstrategien hätten, ob deren Existenz ohne diese Strategien nicht gesichert sei und sie keine Chance hätten, Einkommen zu erzielen oder eine Wohnung zu finden, hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Verwertung der zahlreichen bereits vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel abgelehnt (BA S. 12). Inwiefern dies prozessrechtlich fehlerhaft sein soll, zeigt die Beschwerde nicht auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können die Tatsacheninstanzen einen Beweisantrag auf Einholung von Sachverständigengutachten oder einer amtlichen Auskunft im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen (vgl. etwa Beschlüsse des Senats vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 und vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - a.a.O. § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 jeweils m.w.N.). Das Tatsachengericht muss seine Entscheidung für die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht aber nachvollziehbar begründen und insbesondere angeben, woher es seine Sachkunde hat. Die eigene Sachkunde kann sich - zumal in Asylverfahren - aus der Gerichtspraxis, namentlich aus der Verwertung bereits vorliegender Erkenntnismittel ergeben. Dass die Berufungsentscheidung diesen Anforderungen nicht genügt, legt die Beschwerde nicht dar. Ihre Behauptung, dass sämtliche beigezogenen Erkenntnismittel "offensichtlich" Einheimische beträfen und keine Rückschlüsse auf die Überlebenschancen von Spätrückkehrern wie dem Kläger zuließen, ist nicht belegt. Vielmehr spricht die oben erwähnte Passage auf Seite 12 des Berufungsbeschlusses sowie die vom Berufungsgericht herangezogene Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. März 2002, nach der lediglich für unbegleitet rückgeführte Minderjährige insofern eine Ausnahme gemacht wird, als die allgemein schlechte Versorgungslage nach Lage des Einzelfalles Versorgungsprobleme begründen könne (BA S. 13), dafür, dass die Erkenntnisquellen auch für Rückkehrer und nicht nur für Einheimische aussagekräftig sind. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrem Vorbringen gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Würdigung der vorliegenden Erkenntnismittel durch das Berufungsgericht. Etwaige Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind aber in der Regel - und so auch hier - nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen. Eine Verfahrensrüge kann darauf nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.