Beschluss vom 28.04.2011 -
BVerwG 2 WDB 3.11ECLI:DE:BVerwG:2011:280411B2WDB3.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.04.2011 - 2 WDB 3.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:280411B2WDB3.11.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 3.11

  • Inspekteur der Luftwaffe - 19.01.2011 - AZ: Fü L RB - Az 25-05-11/B 009/10

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 28. April 2011 beschlossen:

  1. Der Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Luftwaffe vom 19. Januar 2011 wird aufgehoben.
  2. Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht sachlich unzuständig. Insoweit wird das Verfahren an das Truppendienstgericht Nord verwiesen.

Gründe

I

1 Gegen den Soldaten wurden wegen des Verdachts eines Dienstvergehens disziplinare Ermittlungen geführt. Mit Verfügung vom 11. März 2010 stellte der Chef des Stabes Luftwaffenamt fest, dass der Soldat ein Dienstvergehen begangen habe. Wegen Überschreitens der Frist des § 17 Abs. 2 WDO zur Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme wurde das weitere Verfahren eingestellt.

2 Die Beschwerde des Soldaten gegen die Feststellung eines Dienstvergehens wies der Amtschef Luftwaffenamt mit Beschwerdebescheid vom 27. Juli 2010 zurück. Dagegen legte der Soldat entsprechend der ihm erteilten Rechtsbehelfsbelehrung mit Schreiben seines Verteidigers vom 10. August 2010 weitere Beschwerde ein, die der Amtschef Luftwaffenamt mit Verfügung vom 4. Oktober 2010 dem Inspekteur der Luftwaffe zur Entscheidung vorlegte. Die weitere Beschwerde wurde vom Inspekteur der Luftwaffe mit Beschwerdebescheid vom 19. Januar 2011 als unbegründet zurückgewiesen. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, gegen den Bescheid könne die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt werden.

3 Mit dem vorliegenden Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2011 wendet sich der Soldat weiterhin gegen die Verfügung des Chefs des Stabes Luftwaffenamt sowie die beiden Beschwerdebescheide. Zur Begründung macht er geltend, die Verfügung vom 11. März 2010 sei aus formellen und materiellen Gründen rechtswidrig.

II

4 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist hinsichtlich des Bescheides des Inspekteurs der Luftwaffe zulässig und begründet (1). Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung nicht zuständig (2). Das Verfahren war daher an das zuständige Truppendienstgericht Nord zu verweisen (3).

5 Die Entscheidung des Senats ergeht in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter. Auf das Beschwerdeverfahren finden nach § 42 Satz 1 WDO die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung Anwendung. Zwar werden abschließende Sachentscheidungen im Wehrbeschwerdeverfahren in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern getroffen (vgl. Beschlüsse vom 31. Juli 2008 - BVerwG 2 WDB 1.08  - Buchholz 449 § 13 SG Nr. 10 = NZWehrR 2008, 261 und vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 2 WDB 3.10 <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>; Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 7 und Einführung Rn. 102). § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO gilt, wie das Wort „Hauptverhandlung“ zeigt, nur für das gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht für Wehrbeschwerdesachen und damit wegen der Regelung des § 42 Satz 1 WDO auch nicht für Beschwerdeverfahren nach § 42 WDO. Etwas anderes gilt aber bei nicht die Sache selbst betreffenden und nicht verfahrensbeendenden Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - Rn. 33 f. < insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3>) zu denen nach der ständigen Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats, der der beschließende Senat folgt, auch Verweisungen an das zuständige Gericht gehören (vgl. Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - a.a.O., vom 17. März 2009 - 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 und vom 9. März 2010 - BVerwG 1 WB 9.09 - Rn.13 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 78 und in NZWehrr 2010, 159>). Soweit hier neben der Verweisung des Verfahrens an das zuständige Truppendienstgericht auch die Aufhebung des von einer unzuständigen Stelle erlassenen Bescheides über die weitere Beschwerde auszusprechen ist, liegt auch darin keine abschließende Sachentscheidung (nämlich über die Rechtmäßigkeit der Feststellung eines Dienstvergehens), sondern nur die Beseitigung eines Bescheides, der formal der Sachentscheidung durch das allein zuständige Truppendienstgericht entgegenstehen würde.

6 1. Nach § 42 WDO sind auf Beschwerden der Soldaten gegen Disziplinarmaßnahmen sowie gegen sonstige Maßnahmen und Entscheidungen der Disziplinarvorgesetzten die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung nach näherer Maßgabe der Nrn. 1 bis 12 des § 42 WDO anzuwenden. Zu den sonstigen Maßnahmen und Entscheidungen des Disziplinarvorgesetzten im Sinne des § 42 WDO gehört auch die Feststellung eines Dienstvergehens bei Absehen von einer Disziplinarmaßnahme nach § 36 Abs. 1 WDO (vgl. Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 42 Rn. 7). Nach § 42 Nr. 4 WDO entscheidet über die weitere Beschwerde in Abweichung von § 16 Abs. 3 WBO nicht der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte (hier: der Inspekteur der Luftwaffe als Disziplinarvorgesetzter des Amtschefs Luftwaffenamt), sondern das Truppendienstgericht. War demnach der Inspekteur der Luftwaffe für die Entscheidung über die weitere Beschwerde des Soldaten nicht zuständig, ist der dennoch ergangene Beschwerdebescheid aufzuheben. Dafür ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig, weil nach § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben ist, wenn der Bundesminister der Verteidigung oder einer der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten über die Beschwerde entschieden hat. Zu den in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten gehört auch der Inspekteur der Luftwaffe. Diese Zuständigkeit ist auch dann gegeben, wenn der Bundesminister der Verteidigung oder einer der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die (weitere) Beschwerde zu Unrecht angenommen hat. Zur Aufhebung eines solchen zu Unrecht ergangenen Beschwerdebescheides sind nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Truppendienstgerichte berufen, sondern das Bundesverwaltungsgericht.

7 2. Im Übrigen ist eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO nicht gegeben. Die weitere Beschwerde des Soldaten, zu deren Entscheidung - wie dargelegt - die Wehrdienstgerichte berufen sind, richtet sich gegen einen Beschwerdebescheid des Amtschefs Luftwaffenamt und damit weder gegen einen Bescheid des Bundesministers der Verteidigung noch den eines der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten. Es verbleibt daher bei der Zuständigkeit des Truppendienstgerichts nach § 42 Nr. 4 Satz 1 WDO.

8 3. Zuständig ist das Truppendienstgericht, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Vorgesetzte, der die angefochtene Maßnahme oder Entscheidung getroffen hat, zum Zeitpunkt des Beschwerdeanlasses gehört (§ 42 Nr. 4 Satz 2 WDO). Da das Luftwaffenamt seinen Sitz in Köln und damit im Bundesland Nordrhein-Westfalen hat, ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Errichtung von Truppendienstgerichten (Errichtungsverordnung - ErrV) vom 16. Mai 2006 (BGBl I S. 1262) das Truppendienstgericht Nord zuständig. Das Verfahren war daher gemäß § 42 WDO in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an dieses Gericht zu verweisen, nachdem die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und übereinstimmend die Verweisung beantragt haben.