Beschluss vom 28.03.2002 -
BVerwG 1 B 7.02ECLI:DE:BVerwG:2002:280302B1B7.02.0

Beschluss

BVerwG 1 B 7.02

  • Niedersächsisches OVG - 12.09.2001 - AZ: OVG 2 L 3955/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. September 2001 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht schon nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten und Beschwerdeführer hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob eine sippenverfolgungsartige Gefährdung, die auf das Verhalten eines Angehörigen zurückzuführen sein soll, der seinerseits wegen § 51 Abs. 3 AuslG nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und auch keinen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG erhält, nicht sozusagen für dessen Angehörige eine schädliche Fernwirkung entfaltet, die auch deren Asylanerkennung und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG verhindert". Diese Frage stelle sich wegen der "möglichen Interdependenzen zwischen Primärgefährdung bzw. Stammanerkennung und möglichen Weiterungen bei engen Angehörigen". Die Beschwerde will mit ihren Ausführungen hierzu ersichtlich geltend machen, ein nach § 51 Abs. 3 AuslG vom Asylrecht und asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ausgeschlossenes Familienmitglied könne sonst über den Umweg des Familienasyls gemäß § 26 AsylVfG eine Asylberechtigung erhalten, obwohl der Stammberechtigte oder derjenige, von dem die politische Verfolgung des Stammberechtigten abgeleitet werde, seinerseits vom Asylrecht ausgeschlossen ist. Nach der Ansicht der Beschwerde soll sich diese Frage zum einen im Hinblick darauf stellen, dass der Beigeladene zu 1 Familienasyl nach seiner Ehefrau (der Beigeladenen zu 2) erhalten könne, auch wenn seine Anerkennung "eine eigene möglicherweise organisatorische Einbettung in die PKK entgegenstünde". Zum anderen hätte sogar der Sohn der Beigeladenen, wäre dessen Verfahren nicht bereits rechtskräftig abgeschlossen, Familienasyl nach seinen Eltern erhalten können, "obwohl sein originärer Anspruch wegen des zugrundeliegenden Verhaltens - das bei den Eltern erst die Verfolgungsgefahr auslösen soll - wegen § 51 Abs. 3 AuslG verneint worden" sei; der Sohn sei nämlich bei Stellung seines Folgeantrags noch minderjährig gewesen. Insoweit sei unklar, ob dem Anspruch auf Familienasyl über § 30 Abs. 4 AsylVfG der Ausschluss nach § 51 Abs. 3 entgegengehalten werden könne.
Damit wird eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, die in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden könnte, nicht bezeichnet. Die aufgeworfene Frage würde sich nämlich für beide von der Beschwerde angesprochenen Konstellationen nicht stellen. Die Frage einer möglichen Familienasylanerkennung des Beigeladenen zu 1 nach seiner Ehefrau (der Beigeladenen zu 2) hat sich im Berufungsverfahren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils nicht gestellt; die insoweit erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch (vgl. sogleich). Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die Frage einer Fernwirkung der Asylanerkennung der Beigeladenen im Hinblick auf einen etwaigen Familienasylanspruch ihres Sohnes, da dessen Verfahren - wie die Beschwerde selbst mitteilt - bereits rechtskräftig ohne Asylanerkennung abgeschlossen ist.
Sollte die Grundsatzrüge ferner so zu verstehen sein, dass sie sich auch darauf bezieht, ob die drohende Verfolgung der Eltern aus Gründen einer Sippenhaft für das Verhalten des Sohnes überhaupt einen asylerheblichen objektiven Nachfluchttatbestand darstellen kann, wenn das Verfolgung auslösende Verhalten des Sohnes in (zum Ausschluss vom Asylrecht führenden) kriminellen terroristischen Aktivitäten besteht, könnte sie auch damit nicht zur Zulassung der Revision führen. Eine derartige "Fernwirkung" des sog. Terrorismusvorbehalts (und von Ausschlussgründen nach § 51 Abs. 3 AuslG) auf dritte Personen, die nicht selbst als Terroristen oder deren Unterstützer auftreten (vgl. dazu die Urteile vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31.98 , 9 C 23.98 und 9 C 22.99 - BVerwGE 109, 1 ff.; 109, 12 ff. und 109, 25 ff.), kommt nicht in Betracht. Denn die politische Verfolgung wegen Sippenhaft, von der das Berufungsgericht allein ausgegangen ist, trifft den Verfolgten nicht wegen eigener terroristischer Betätigung, sondern typischerweise nur wegen seiner Verwandtschaft (hier: der Eltern mit dem Sohn) sowie unter (hier nicht festgestellten) Umständen wegen eines daraus abgeleiteten pauschalen Verdachts einer Unterstützung des Terrorismus. Aus beidem ergeben sich keine Asyl-ausschlussgründe. Solche können stets nur aus dem eigenen Verhalten des Asylsuchenden abgeleitet werden.
Der behauptete Aufklärungsmangel ist nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil es die Beschwerde unterlässt, im Einzelnen auszuführen, welche tatsächlichen Feststellungen das Berufungsgericht mit welchen Beweismitteln hätte treffen sollen und inwiefern das voraussichtliche Beweisergebnis geeignet gewesen wäre, der Beanstandungsklage des Bundesbeauftragen zum Erfolg zu verhelfen und die Zurückweisung der Berufung der Beigeladenen zu erreichen. Soweit die Beschwerde meint, bei Durchführung der vermissten Aufklärung zur eigenen Einbindung des Beigeladenen zu 1 in die Strukturen der PKK hätte dessen "Asyl-anerkennung unter dem Aspekt des 'Terrorismusvorbehalts' zumindest in Frage zu stellen sein" können, wird damit nicht dargetan, dass die angefochtene Berufungsentscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ferner noch die fehlende Begründung des Urteils rügt, ist für den damit wohl in Bezug genommenen absoluten Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO nichts dargelegt und ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F., § 134 BRAGO.