Beschluss vom 28.01.2003 -
BVerwG 3 B 149.02ECLI:DE:BVerwG:2003:280103B3B149.02.0

Beschluss

BVerwG 3 B 149.02

  • OVG der Freien Hansestadt Bremen - 18.06.2002 - AZ: OVG 1 A 216/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. B r u n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde wirft keine Rechtsfrage auf, die wegen ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte.
Das gilt zunächst für die als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob sich die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit eines Arztes ändert, wenn dieser seinen bisherigen geografischen Wirkungskreis verlässt und in einer Gegend ärztlich tätig wird, in der die Tatsachen, die seine Berufsunwürdigkeit begründen, nicht bekannt geworden sind. Diese Frage geht schon deshalb von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus und würde sich daher in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil der Widerruf der Approbation des Klägers durch den für seinen jetzigen Tätigkeitsort zuständigen Gesundheitssenator erfolgt ist. Das zeigt, dass das Fehlverhalten des Klägers, das Grundlage seiner Bestrafung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Körperverletzung war, auch in seinem jetzigen geografischen Wirkungsbereich bekannt geworden ist.
Abgesehen davon ist die Frage ohnehin zweifelsfrei zu verneinen, ohne dass es zu dieser Erkenntnis der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Arzt zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt (vgl. Beschluss vom 14. April 1998 - BVerwG 3 B 95.97 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100). Dieser Entziehungstatbestand stellt nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit - etwa wie im Falle des Klägers durch eine ausgiebige Presseberichterstattung - bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Die Vorstellung des Klägers, durch einen bloßen Ortswechsel die Berufsunwürdigkeit ausräumen zu können, wäre mit dem Schutzzweck dieses Entziehungstatbestandes unvereinbar. Dieser Schutz bezieht die künftigen Patienten eines Arztes ein. Sie würden sich mit Recht von den Behörden im Stich gelassen fühlen, wenn das Fehlverhalten irgendwann auch am neuen Wirkungsort publik würde und die Behörden ihr vorheriges mangelndes Einschreiten damit begründen müssten, die Vorfälle seien am Ort ja noch nicht öffentlich bekannt gewesen.
Auch die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob Straftaten, die vor Erteilung der Approbation in der Funktion als Pfleger begangen worden sind, die Berufsunwürdigkeit als Arzt begründen können, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Es dürfte auf der Hand liegen, dass bestimmte Straftaten wegen ihrer Schwere und ihrer spezifischen Prägung selbst dann das für einen Arzt unabdingbare Vertrauen und Ansehen zerstören können, wenn sie bei ihrer Begehung keinen unmittelbaren Bezug zur ärztlichen Tätigkeit haben. Das bedarf hier jedoch keiner Vertiefung. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger seine Straftat im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit und unter Ausnutzung seiner medizinischen Fachkenntnisse begangen hat. Unter diesen Umständen kann nicht zweifelhaft sein, dass das Verhalten des Klägers voll auf die Beurteilung der kurz danach aufgenommenen ärztlichen Tätigkeit durchschlägt.
Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, wie die Würdigung des Fehlverhaltens bei einer Rücknahme der Approbation wegen anfänglichen Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmen sei, ist ein über den Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht stellt ausdrücklich fest, dass die Rücknahmeentscheidung im Ermessen des Beklagten gestanden habe und dass dieser sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Der Vorwurf der Beschwerde, weder der Beklagte noch das Berufungsgericht hätten das Vorbringen des Klägers hinreichend gewürdigt, betrifft allein die Richtigkeit der Entscheidung im vorliegenden Einzelfall; er ist im Übrigen auch unberechtigt.
2. Fehl geht auch die Rüge, das angefochtene Urteil weiche im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vom Beschluss des erkennenden Senats vom 14. April 1998 (BVerwG 3 B 95.97 - a.a.O.) ab. Eine Divergenz im Sinne dieser Bestimmung liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einem abstrakten Rechtssatz aufbaut, der im Widerspruch zu einem in der angezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochenen Rechtssatz steht. Das ist hier offenkundig nicht der Fall. Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung ausdrücklich die Aussage zugrunde, die Feststellung der Berufsunwürdigkeit verlange ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lasse. Dies deckt sich wörtlich mit den Vorgaben im Beschluss des Senats vom 14. April 1998. Die Behauptung der Beschwerde, tatsächlich habe das Berufungsgericht die hiernach gebotene Würdigung aller Umstände nicht vorgenommen, ist zur Begründung einer Divergenz nicht geeignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.