Verfahrensinformation

Im Zuge des Neubaus der B 189 n, die die vorhandene B 189 im Bereich zwischen Wittenberg und Perleberg ersetzen soll, wird der Betriebshof der Stadt Perleberg seine bisherige Anbindung an diese Bundesstraße verlieren. Die Stadt hat deswegen gegen die Planfeststellung für die künftige Straße Klage mit dem Ziel erhoben, eine Ersatzzufahrt oder eine Entschädigungsleistung zu erhalten. Die Planfeststellungsbehörde hält dem entgegen, die bisherige Zufahrt zur B 189 werde illegal genutzt.


Verfahrensinformation

Im Zuge des Neubaus der B 189 n, die die vorhandene B 189 im Bereich zwischen Wittenberg und Perleberg ersetzen soll, wird der Betriebshof der Stadt Perleberg seine bisherige Anbindung an diese Bundesstraße verlieren. Die Stadt hat deswegen gegen die Planfeststellung für die künftige Straße Klage mit dem Ziel erhoben, eine Ersatzzufahrt oder eine Entschädigungsleistung zu erhalten. Die Planfeststellungsbehörde hält dem entgegen, die bisherige Zufahrt zur B 189 werde illegal genutzt.


Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 9 A 3.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U9A3.02.0

Leitsätze:

1. Zufahrten, die an der freien Strecke der Bundesstraßen im Beitrittsgebiet bereits vorhanden waren, genießen mangels einer anders lautenden Übergangsvorschrift auch ohne eine Sondernutzungserlaubnis Bestandsschutz, solange sie nicht i.S.v. § 8 a Abs. 1 FStrG geändert werden.

2. Eine endgültige Betriebseinstellung ist nicht geeignet, den Bestandsschutz für eine vorhandene Zufahrt zu beenden, wenn der Verkehr nur kurzzeitig zum Erliegen kommt und ohne quantitative oder qualitative Veränderung des Verkehrsgeschehens (vgl. § 8 a Abs. 1 Satz 2 FStrG) eine Anschlussnutzung nachfolgt.

3. Die Wahl des Ausbaustandards einer Ersatzzufahrt ist eine der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegende Rechtsfrage, die sich danach beantwortet, was "einen angemessenen Ersatz" i.S.v. § 8 a Abs. 4 Satz 1 FStrG darstellt.

  • Rechtsquellen
    FStrG § 8 a Abs. 1 und 4
    BbgStrG § 3, § 4 Abs. 1, § 48
    BbgStrVerzV § 1 Abs. 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.11.2002 - 9 A 3.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U9A3.02.0]

Urteil

BVerwG 9 A 3.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t , V a l l e n d a r ,
Prof. Dr. R u b e l und Dr. E i c h b e r g e r
für Recht erkannt:

  1. Der Beklagte wird verpflichtet, über die von der Klägerin geforderte Ersatzzuwegung zu ihrem Betriebshof unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Die klagende Stadt wendet sich mit ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 8. August 2001 für den Neubau der B 189 im Bereich zwischen Weisen und Perleberg als Fortsetzung der Ortsumgehung Perleberg. Ziel der Klage ist es, für ihren Betriebshof eine ersatzweise Zuwegung oder aber eine Entschädigungsleistung für den geplanten Wegfall ihrer bisherigen Anbindung an die B 189 n zu erhalten.
Der Betriebshof liegt im Außenbereich ca. 600 m nordwestlich der B 189 (Wittenberger Chaussee), die in nordöstlicher Richtung zur Ortslage von Perleberg führt. Er ist über einen asphaltierten Weg erschlossen, der in die Bundesstraße einmündet. Die Wegeparzelle steht im Eigentum der Klägerin. Auf dem ca. 60 000 m² großen Gelände des Betriebshofs wurde bis zur Wiedervereinigung eine Tierkörperbeseitigungsanlage (Abdeckerei) betrieben, deren Gebäude überwiegend 1943 errichtet worden waren. 1991 wurde dieser Betrieb, der zuletzt zum Eiweißfuttermittelwerk Weisen gehörte, eingestellt; die verbliebenen Vermögenswerte wurden durch Bescheid der Treuhandanstalt vom 10. Oktober 1991 in das Eigentum der Klägerin überführt, die das Gelände und die vorhandenen Gebäude seit 1992 als Betriebshof nutzt. 1995 wurden von der Klägerin eine weitere Lagerhalle und 1997 eine Dieseltankstelle errichtet.
Auf Antrag des Brandenburgischen Straßenbauamtes (BSBA) Kyritz wurde die o.g. Planfeststellung durchgeführt, weil die B 189 nicht mehr geeignet erschien, den überörtlichen Verkehr aufzunehmen. Die B 189 n wird im Planfeststellungsabschnitt parallel zur alten Trasse geführt und durchschneidet die bisherige Zuwegung zu dem Betriebshof, ohne dass eine neue Anbindung an die Bundesstraße vorgesehen ist.
Die Klägerin gab im Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 30. Januar 2001 eine Stellungnahme ab. Die vom Träger des Vorhabens ersatzweise angebotene Erschließung des Betriebshofs führe über geschotterte, teilweise aber sogar nicht befestigte Forstwege und werde daher abgelehnt. Es werde eine bituminös befestigte Zufahrt zu dem Betriebshof gefordert. Vorgeschlagen werde, diese parallel zur B 189 n auf dem Wundstreifen bis zur jetzigen kommunalen Straße anzulegen.
Der Beklagte stellte den Plan fest, ohne der Forderung der Klägerin zu entsprechen. Der von dem Betriebshof in etwa parallel zur Bundesstraße auf einer Länge von 2 420 m bis zur Ortslage führende forstwirtschaftliche Weg werde den Betriebshof ausreichend erschließen. Einer Widmung als Gemeindestraße, wie sie noch im Antrag auf Planfeststellung vorgesehen war, bedürfe es nicht. Der Baulastträger sei nicht verpflichtet, einen Ersatz für die bisherige Zuwegung vorzusehen, weil diese rechtswidrig genutzt worden sei. Die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass die Zuwegung eine öffentliche Straße sei. Die Zuwegung stoße als Zufahrt auf die freie Strecke der Bundesstraße und habe deswegen im Zuge der Nutzungsänderung einer Sondernutzungserlaubnis bedurft, die nicht eingeholt worden sei. Um die rechtswidrige Nutzung zu unterbinden, hätte die Beseitigung der rechtswidrigen Zufahrt angeordnet werden können. Unter diesen Umständen sei mit der vorgesehenen Lösung den Belangen der Klägerin Genüge getan.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer gegen die Planfeststellung erhobenen Klage im Wesentlichen vor: Die Zuwegung über den forstwirtschaftlichen Weg gewährleiste nicht die verkehrsgerechte Erreichbarkeit des Betriebshofs. Die Befahrbarkeit des Weges, der zum großen Teil unbefestigt, unbeleuchtet und mit engen Kurven versehen sei, sei selbst bei günstigen Witterungsbedingungen insbesondere für Lkw problematisch. Die Zuwegung verlängere sich außerdem auf ca. 2 420 m. Die auf dem Betriebshof stationierten Fahrzeuge könnten ihre Einsatzorte zukünftig nur unter erheblich größerem Zeitaufwand erreichen. Nachteilig betroffen seien ferner die Beschäftigten, die den Betriebshof mit ihren privaten Pkw anfahren müssten. Ein verkehrsgerechter Ausbau des Ersatzweges würde erhebliche Kosten verursachen. Die Unterhaltungskosten seien höher als bisher. Zudem stehe der überwiegende Teil des Weges nicht in ihrem Eigentum.
Entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich bei der Zuwegung zum Betriebshof nicht um eine erlaubnispflichtige Zufahrt, sondern um eine öffentliche Gemeindestraße. Der Weg existiere bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Er sei Bestandteil eines überörtlichen Wegenetzes, das von der 1843 angelegten Chaussee - der jetzigen B 189 - in den städtischen Forst führe und Wegeverbindungen von Perleberg zu den umliegenden Orten herstelle. Diese Wege hätten immer der Öffentlichkeit zur Verfügung gestanden. So sei auf diesen Wegen das im Forst gelegene Ausflugslokal "Alte Eichen" zu erreichen gewesen, das in den Jahren von 1900 bis etwa 1945 von Wanderern und Bewohnern der umliegenden Ortschaften frequentiert worden sei. Auch nach Errichtung der Tierkörperbeseitigungsanlage habe sich daran nichts geändert. Der Weg habe an der Anlage vorbeigeführt und deswegen nicht nur als betriebsinterne Zufahrt gedient. Insbesondere zur DDR-Zeit habe sich auf dem Weg ein erheblicher Fahrzeugverkehr entwickelt, der mit dem Betrieb der Tierkörperbeseitigungsanlage im Zusammenhang gestanden habe, die auch selbst über einen nennenswerten Fuhrpark verfügt habe. Nach dem Straßenrecht der DDR sei deswegen davon auszugehen, dass eine kommunale Straße vorgelegen habe, weil der Weg tatsächlich von der Öffentlichkeit genutzt worden sei und der damalige Rechtsträger dieser Nutzung nicht widersprochen habe. Nach der Wiedervereinigung habe sich daran nichts geändert. Eine Eintragung in das Straßenverzeichnis der Stadt sei nur versehentlich unterblieben. Die fehlende Eintragung könne nicht dahingehend bewertet werden, dass dadurch - fiktiv - eine Entwidmung vollzogen worden sei.
Selbst wenn die Zuwegung nur eine Zufahrt gewesen sein sollte, sei sie nicht rechtswidrig ohne Sondernutzungserlaubnis genutzt worden. Eine bestehende Zufahrt zu einer Bundesstraße bedürfe keiner Erlaubnis. Bei unverändertem Bestand bleibe die Nutzung der Zufahrt kraft Gemeingebrauchs zulässig. Daran habe sich auch mit Einrichtung des Betriebshofs nichts geändert. An der Zuwegung seien keine technischen Veränderungen vorgenommen worden, die über Unterhaltungsarbeiten hinausgegangen seien. Auch die Benutzungsqualität und die Benutzungsintensität hätten sich nicht wesentlich verändert. Es finde weiterhin eine gewerbliche Nutzung statt, die schwerpunktmäßig Lkw-Verkehr hervorrufe. Zwar seien der Fahrzeugbestand und die technische Ausstattung des Betriebshofs inzwischen höher als bei der Tierkörperbeseitigungsanlage. Damals sei dafür aber der Transport erheblicher Massenströme abgewickelt worden; ein reger Publikumsverkehr sei hinzugekommen. Auch die Betriebsgröße habe sich nicht grundlegend verändert. Der nachträgliche Hallenneubau habe vorwiegend der Bevorratung mit Streusand für den Winterdienst gedient. Beim Eiweißfuttermittelwerk seien zuletzt 30 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Gegenwärtig habe der Betriebshof 20 feste Mitarbeiter. Der Haushaltsplan für 2002 sehe darüber hinaus 57 ABM-Stellen vor. Rechtsfolge der dauerhaften Unterbrechung der Zufahrt sei unter diesen Gegebenheiten nach § 8 a Abs. 4 FStrG ein Anspruch auf Ersatz oder Entschädigungsleistung.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 8. August 2001 um die Verpflichtung zur Errichtung einer bituminös befestigten Zufahrt entlang dem parallel zur B 189 n geplanten Wundstreifen bis zu der jetzigen kommunalen Straße zu ergänzen;
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 8. August 2001 um die Verpflichtung zur Errichtung einer durchgängig asphaltierten bzw. vergleichbar befestigten Zufahrt der in der Planfeststellung ausgewiesenen Anbindung des Betriebshofes zu ergänzen;
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 8. August 2001 um die Festsetzung einer Entschädigung in Höhe von 255 645,94 € (entspricht 500 000 DM) zu ergänzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen: Der Umstand, dass die Zuwegung nicht im Straßenverzeichnis der Klägerin eingetragen sei, stelle ein sicheres Indiz dafür dar, dass es sich nicht um eine öffentliche Straße handele. An einer ausdrücklichen Widmung fehle es. Eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung komme nach Lage der Dinge nicht in Betracht. Selbst von einer ehemals betrieblich-öffentlichen Straße könne nicht ausgegangen werden, weil das die Tierkörperbeseitigungsanlage umgebende Gebiet zu DDR-Zeiten militärisches Sperrgebiet gewesen sei. Auch der Betriebshof sei ungefähr seit 1995 nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Seinerzeit habe nämlich der Leiter des Betriebshofs den Weg am Waldbeginn durch einen Schlagbaum absperren lassen. Im Oktober sei eine Ausschilderung erfolgt, wonach die Zufahrt ausschließlich Anliegern gestattet sei. Auf die von der Klägerin dargestellte Historie könne es nicht ankommen, wenn der Weg seit Einrichtung des militärischen Sperrgebiets seine Funktion als Bestandteil eines öffentlichen Wegenetzes eingebüßt habe.
Nach der Rückübertragung der Grundstücksflächen durch die Treuhandanstalt sei der Betriebshof erst nach geraumer Zeit eingerichtet worden. Zuvor hätten nämlich eine Räumung der Gebäude und eine erhebliche Bautätigkeit stattgefunden. Schon aufgrund des Zeitablaufs liege eine erhebliche Änderung der Zufahrt vor, die einer Sondernutzungserlaubnis bedurft hätte. Der Betriebshof verursache seitdem - wie der eigene Vortrag der Klägerin belege - einen erheblich größeren und andersartigen Verkehr.
Es liege auch nicht lediglich eine formelle Rechtswidrigkeit der Zufahrt vor. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis im Falle der Nutzungsänderung sei eine Ermessensentscheidung. Dabei sei zwar das Recht des Anliegers auf Nutzung des Grundstücks zu berücksichtigen. Der Schutzzweck der Norm, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, sei aber vorrangig. Deswegen komme eine Gestattung nur dann in Betracht, wenn das Grundstück nicht auf andere Weise erschlossen werden könne. Die Klägerin sei auf eine alternative Zuwegung verwiesen worden, die für den Betriebshof zwar weniger geeignet sei. Eine weiter gehende Ersatzpflicht sei für den Wegfall einer illegalen Zufahrt aber nicht anzuerkennen. Es bleibe der Klägerin freigestellt, die neue Zuwegung für ihre Zwecke auszugestalten. Das gelte auch für die Frage, ob die Zuwegung als Gemeindestraße zu widmen sei oder nicht. Die beantragte Kostenerstattung komme nicht in Betracht.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 25. Oktober 2002 einen Ortstermin durchgeführt, dessen Ergebnis in der bei den Akten befindlichen Niederschrift festgehalten ist.

II


Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann beanspruchen, dass der Beklagte über die von ihr geforderte Ersatzzuwegung zu ihrem Betriebshof unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dieses Begehren hat die Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Mit ihren Klageanträgen, an deren Fassung das Gericht nicht gebunden ist (vgl. § 88 VwGO), konkretisiert die Klägerin die Ergebnisse, zu denen eine Neubescheidung aus ihrer Sicht führen muss.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 8 a Abs. 4 Satz 1 FStrG. Die dadurch markierte Grenze der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 VR 7.99 - Buchholz 407.4 § 8 a FStrG Nr. 11 m.w.N.) hat der Beklagte nicht beachtet.
Nach § 8 a Abs. 4 Satz 1 FStrG hat der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen oder, soweit dies nicht zumutbar ist, eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn durch die Änderung einer Bundesstraße die Zufahrt zu einem Grundstück auf Dauer unterbrochen oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird. Diese Verpflichtung entsteht nach § 8 a Abs. 4 Satz 3 FStrG nicht, wenn das Grundstück eine anderweitige ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz besitzt oder wenn die bisherige Zufahrt auf einer widerruflichen Erlaubnis beruht.
1. Die Vorschrift des § 8 a FStrG gilt - wie sich im Umkehrschluss aus deren Absatz 1 Satz 3 entnehmen lässt - nicht für öffentliche Straßen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die bisherige Zuwegung zu ihrem Betriebshof lediglich als Zufahrt und nicht als öffentliche Straße anzusehen.
Einschlägig ist insoweit das Brandenburgische Straßengesetz i.d.F. vom 10. Juni 1999 - BbgGVBl I S. 211 - (BbgStrG). Nach § 4 Abs. 1 BbgStrG und der dazu erlassenen Straßenverzeichnisverordnung vom 29. Juli 1994 - BbgGVBl II S. 692 - (BbgStrVerzV) werden im Land Brandenburg Straßenverzeichnisse geführt, in die sämtliche öffentlichen Straßen (vgl. § 3 BbgStrG) einzutragen sind. Dazu gehören insbesondere Gemeindestraßen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 u. Abs. 4 BbgStrG) und die sonstigen öffentlichen Straßen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 5 BbgStrG), die in den Straßenverzeichnissen zu registrieren sind, die von den Gemeinden geführt werden (vgl. § 1 Abs. 2 BbgStrVerzV). Die Zuwegung zu ihrem Betriebshof hat die Klägerin in keinem ihrer Straßenverzeichnisse eingetragen.
a) Dies hat zur Folge, dass die Zuwegung nicht an der Widmungsfiktion des § 48 Abs. 7 Satz 1 BbgStrG teilhat, wonach Straßen, die nach bisherigem Recht öffentlich genutzt wurden, nach § 6 BbgStrG als gewidmet gelten. Zwar erstreckt sich diese fiktive Widmung auch auf die bisherigen betrieblich-öffentlichen Straßen (vgl. § 48 Abs. 4 BbgStrG). Dies gilt aber nur, wenn sie bis zum 31. Dezember 2000 in ein Straßenverzeichnis eingetragen worden sind oder ein Antrag nach § 48 Abs. 4 a BbgStrG, der bis zum 30. Juni 2000 zu stellen war, noch nicht bestandskräftig beschieden worden ist. Mit der zuletzt angesprochenen Regelung hat der Landesgesetzgeber ein Aufgebotsverfahren geschaffen, das zum Ziel hat, im Interesse der Rechtssicherheit die Frage, welche aus der DDR-Zeit überkommenen betrieblich-öffentlichen Straßen öffentliche Straßen geworden sind, einer abschließenden Klärung zuzuführen. Die Klägerin hat sich an diesem Aufgebotsverfahren nicht fristwahrend beteiligt. Dies muss sich die Klägerin zu ihrem Nachteil entgegenhalten lassen; denn die Zuwegung zu der damaligen Tierkörperbeseitigungsanlage hat, falls sie nicht - wie der Beklagte vermutet - durch die Einrichtung des militärischen Sperrgebiets zu DDR-Zeiten ihren öffentlichen Charakter ohnehin eingebüßt haben sollte, allenfalls als betrieblich-öffentlicher Weg fortbestanden.
b) Der Klägerin ist es auch nicht gelungen, eine förmliche Widmung nachzuweisen, die - unabhängig von der Widmungsfiktion des § 48 Abs. 7 Satz 1 BbgStrG - der Zuwegung den Charakter einer öffentlichen Straße verschafft hat.
Zwar mag bei alten, seit unvordenklicher Zeit bestehenden Wegen im früheren Preußen, wenn seit Menschengedenken eine Benutzung für den öffentlichen Verkehr erfolgt ist, auf eine frühere Widmung der drei maßgeblichen Rechtsbeteiligten (Eigentümer, Wegepolizeibehörde und Wegeunterhaltungspflichtiger) und damit auf die Öffentlichkeit ohne den sonst erforderlichen genauen Nachweis der Widmungsvorgänge geschlossen werden. Das gilt mit der Einschränkung, dass der fragliche Weg im Eigentum des örtlich zuständigen Trägers der allgemeinen kommunalen Wegebaulast, d.h. der Gemeinde stand (vgl. PrOVG, Urteil vom 17. Dezember 1936 - IV C 85/35 - PrOVGE 99, 130 ff.). Bei den Forstwegen im früheren Stadtforst Perleberg kann dies nach dem von der Klägerin beigebrachten Archivmaterial in Betracht gezogen werden. Nach der Einrichtung des militärischen Sperrgebiets zu DDR-Zeiten ist eine etwaige frühere Widmung der Forstwege jedoch funktionslos geworden. Für die Zuwegung zur Tierkörperbeseitigungsanlage gilt nichts anderes, weil sie von den zuständigen Sicherheitsorganen der DDR - wenn überhaupt - nur als betrieblich-öffentlicher Weg geduldet worden ist. Jedenfalls gehen die insoweit verbleibenden Unklarheiten, die
auch durch weitere Ermittlungen nicht zu beheben wären, zu Lasten der Klägerin.
2. In einem Planfeststellungsbeschluss, der - wie im vorliegenden Fall - eine Zufahrt beseitigt, ist über die Anlegung einer Ersatzzufahrt zu entscheiden, wenn § 8 a Abs. 4 FStrG dem Betroffenen hierauf einen Anspruch einräumt. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass das Grundstück nicht über eine anderweitige ausreichende Verbindung zum öffentlichen Straßennetz verfügt (vgl. § 8 a Abs. 4 Satz 3 Alt. 1 FStrG). Ob es korrekt ist, wenn der Planfeststellungsbeschluss (S. 13) die Forstwege, die von ihm als Ersatzzuwegung vorgesehen worden sind, als "beschränkt-öffentliche Wege" (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BbgStrG) bezeichnet, obwohl ihre Eintragung in einem Straßenverzeichnis der Klägerin nicht aktenkundig geworden ist, mag letztlich dahinstehen. Fest steht nämlich, dass diese Forstwege, die von den Grenztruppen der DDR als sog. Kolonnenweg genutzt wurden, über einen minderwertigen Ausbaustandard verfügen, der heute für einen dauernden Lkw-Verkehr ungeeignet ist. Wie aufgrund des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Ortsbesichtigung feststeht, sind die Forstwege lediglich einspurig mit Plattenstreifen befestigt. Gegenverkehr ist auf Ausweichbuchten angewiesen, die im Gelände aber nicht (mehr) erkennbar sind. Ohne einen Ausbau dieser Forstwege ist demnach der Betriebshof nicht angemessen an das öffentliche Straßennetz angeschlossen. Dies bestreitet letztlich auch der Beklagte nicht. Er ist lediglich der Meinung, dass ein solcher Ausbau Sache der Klägerin sei und von ihr selbst finanziert werden müsse.
3. Eine Abwälzung der mit dem Wegeausbau verbundenen Lasten auf die Klägerin lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Die bisherige Zufahrt beruht nicht auf einer widerruflich erteilten Erlaubnis (vgl. § 8 a Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 FStrG). Die bisherige Zufahrt des Betriebshofs gehört vielmehr zu denjenigen Zufahrten, die an der freien Strecke der Bundesstraßen im Beitrittsgebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrags (EV) bereits vorhanden waren. Mangels einer anders lautenden Übergangsvorschrift dürfen diese Zufahrten - solange die zuständige Straßenbaubehörde gegen sie nicht nach Maßgabe von § 8 a Abs. 6 FStrG einschreitet - weiterhin genutzt werden. Insofern genießen diese Zufahrten auch ohne eine Sondernutzungserlaubnis Bestandsschutz (innerhalb der Grenzen des § 8 a Absätze 4 bis 6 FStrG), solange sie nicht im Sinne von § 8 a Abs. 1 FStrG geändert werden. Dass an der hier in Rede stehenden Zufahrt keine baulichen Maßnahmen stattgefunden haben, die über eine bloße Unterhaltung hinausgehen, ist unstreitig. Der Beklagte beruft sich vielmehr darauf, dass eine Änderung der Zufahrt auch dann vorliegt, wenn sie gegenüber dem bisherigen Zustand einem erheblich größeren Verkehr oder einem andersartigen Verkehr als bisher dienen soll (vgl. § 8 a Abs. 1 Satz 2 FStrG). Diese Voraussetzungen sieht der Beklagte im Zusammenhang mit der Nutzungsänderung als erfüllt an, die stattgefunden hat, als die ehemalige Tierkörperbeseitigungsanlage von der Klägerin in einen Betriebshof umgewandelt wurde. Dabei geht der Beklagte jedoch von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Außerdem ist die Verwaltungspraxis, die der Beklagte nach seinen Angaben in Auslegung der genannten Vorschrift entwickelt hat, nicht uneingeschränkt mit dem Gesetz vereinbar.
a) Der Beklagte weist darauf hin, dass nach der Einstellung des Betriebs der zuletzt zum Eiweißfuttermittelwerk Weisen gehörenden Tierkörperbeseitigungsanlage der Verkehr zum Erliegen gekommen sein müsse. Seine Praxis gehe dahin, bei einer zeitlich nicht nur völlig unbeachtlichen Betriebsunterbrechung die Wiederaufnahme des Betriebs durchweg als zulassungspflichtige Änderung der vorhandenen Zufahrt zu werten. Hier habe kein übergangsloser Nutzungswechsel stattgefunden, weil die frühere Tierkörperbeseitigungsanlage zunächst abgeräumt und für die Zwecke des Betriebshofs umgebaut werden müsse. Schon aus diesem Grunde habe sich der Verkehr nach Abschluss dieser Arbeiten erheblich gesteigert. Diesen Erwägungen ist nicht zu folgen.
Eine endgültige Betriebseinstellung ist nicht ausnahmslos geeignet, den Bestandsschutz für eine vorhandene Zufahrt zu beenden. Entscheidend ist, ob im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung der bisherige Verkehr nicht nur kurzzeitig zum Erliegen kommt. Davon kann dann nicht ausgegangen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - nach Lage der Dinge von vornherein feststeht, dass eine Anschlussnutzung stattfinden wird und die dafür erforderlichen Umbauten ohne Verzögerung durchgeführt werden. Die Klägerin hat - vom Beklagten unwidersprochen - vorgetragen, dass eine größere Anzahl ehemaliger Arbeitnehmer der Tierkörperbeseitigungsanlage im Rahmen einer ABM-Maßnahme von der Klägerin damit beschäftigt worden sei, die Anlage zu entkernen und für den Betriebshof herzurichten. Die Arbeiten seien am 1. September 1991 - also noch vor dem formellen Übergang der Vermögenswerte - aufgenommen worden und bereits Anfang 1992 zum Abschluss gelangt, so dass damals der Betriebshof seinen Betrieb aufgenommen habe. Es mag dahinstehen, ob man - wie die Klägerin vorschlägt - den "Baustellenverkehr" bereits dem Betriebshof zurechnen kann. Die Unterbrechung des Verkehrs war unter den gegebenen Umständen jedenfalls so kurzzeitig, dass sie nicht ins Gewicht fällt. Dafür spricht insbesondere die Überlegung, dass auch eine vorübergehende Betriebsstilllegung für den gleichen Zeitraum nicht als Veränderung des Verkehrsgeschehens gewertet werden könnte.
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich im Zuge der Nutzungsänderung ein andersartiger Verkehr entwickelt hat.
Die Erörterung dieser Frage mit den Beteiligten hat ergeben, dass die Klägerin den Fahrzeugbestand der Tierkörperbeseitigungsanlage teilweise übernommen und nach gewissen Umbauten weiter für ihren Betriebshof eingesetzt hat. Es ist außerdem unstreitig, dass die Zufahrt vor und nach der Nutzungsänderung vorwiegend für Lkw-Verkehr, daneben aber auch für Pkw-Verkehr genutzt wurde. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass - wie der Beklagte vermutet - erst nach der Nutzungsänderung Anhängerfahrzeuge zum Einsatz gekommen sind, liegen nicht vor. Vielmehr weist die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Juni 2002 zu den Akten gereichte Liste über den Fahrzeugbestand des Eiweißfuttermittelwerks Weisen (Bl. 234 d.A.) im Gegenteil aus, dass auch dieser Betrieb über verschiedene Anhängerfahrzeuge verfügte.
Aus damaliger Sicht, auf die für die Anwendung von § 8 a Abs. 1 Satz 2 FStrG maßgeblich abzustellen ist, konnte nach der Beschaffenheit des neuen Betriebes auch nicht mit der späteren Anschaffung andersartiger Fahrzeuge gerechnet werden, so dass sich daraus notwendig eine qualitative Veränderung des Verkehrsgeschehens ergeben würde. Die von der Klägerin zu den Akten gereichte Liste ihres gegenwärtigen Fahrzeugbestandes (Bl. 92 f. d.A.) führt zwar auch Gabelstapler, Kräne und bewegliche Arbeitsmaschinen auf. Diese verkehren nach den - insoweit unwidersprochen gebliebenen - Angaben der Klägerin aber entweder nur auf dem Betriebsgelände oder werden gegebenenfalls auf Lkws zu ihren Einsatzorten transportiert. Jedenfalls hat sich die von dem Beklagten geäußerte Vermutung, dass ein kommunaler Betriebshof - wie eine Straßenmeisterei - auf der Zufahrt üblicherweise einen Verkehr mit Mahdfahrzeugen oder anderen beweglichen Arbeitsmaschinen auszulösen pflegt, nicht erhärten lassen. Allein der - nach den Angaben der Klägerin - erst 1994 angeschaffte "Wegehobel" rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht.
4. Anhaltspunkte dafür, dass die Schaffung einer Ersatzzufahrt als nicht zumutbar anzusehen ist, sind nicht ersichtlich. Wenn danach die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass der Klägerin ein Anspruch auf eine Ersatzzufahrt gemäß § 8 a Abs. 4 FStrG zusteht, verbleibt dem Baulastträger der Bundesstraße bei der Erfüllung dieser Verpflichtung dennoch ein planerisches Ermessen. Dieses bezieht sich auf die Wahl der Trasse. Die Klägerin kann nicht im Sinne ihres Hauptantrages verlangen, dass die Ersatzzufahrt auf dem parallel zur B 189 n geplanten Wundstreifen angelegt wird. Es wäre nicht abwägungsfehlerhaft, die Klägerin auf den sog. Kolonnenweg zu verweisen, wenn für diese Trassenwahl hinreichend gewichtige öffentliche Belange sprechen. Schon das Interesse an einer kostengünstigen Lösung kann gewichtig genug sein, um die gegenläufigen Belange der Klägerin zu überwinden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1998 - BVerwG 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142, S. 291). Gegen die von der Klägerin favorisierte Lösung können möglicherweise zudem Belange des Naturschutzes angeführt werden, weil damit im größeren Umfang eine Versiegelung zusätzlicher Flächen verbunden wäre.
5. Bei der Entscheidung, welcher Ausbaustandard zu wählen ist, steht dem Beklagten dagegen kein Ermessen zu. Die Wahl des Ausbaustandards ist vielmehr eine der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegende Rechtsfrage, die sich danach beantwortet, was "einen angemessenen Ersatz" im Sinne von § 8 a Abs. 4 Satz 1 FStrG darstellt. Bei der Neubescheidung wird der Beklagte beachten müssen, dass im vorliegenden Fall als angemessen nur ein Ausbaustandard gelten kann, durch den der Klägerin nicht zusätzliche Erschwernisse zur in Kauf zu nehmenden Verlängerung des Zufahrtsweges auferlegt werden. Dies bedeutet, dass die Klägerin sich zwar - wie bisher - damit wird begnügen müssen, dass die Ersatzzufahrt einspurig mit Ausweichstellen angelegt wird. Die Klägerin kann aber wegen der ansonsten erheblich erhöhten Unterhaltungskosten nicht darauf verwiesen werden, dass der Ausbaustandard der alten Zufahrt behelfsmäßig gewesen ist, weil dort im Wesentlichen nur die bereits aus der DDR-Zeit vorhandenen Betonplatten mit einer Teerdecke überzogen worden sind. Der Baulastträger wird vielmehr die Verlängerung der Wegstrecke und daraus für die Klägerin resultierende höhere Unterhaltungskosten dadurch ausgleichen müssen, dass er einen dem gegenwärtigen Stand der Technik entsprechenden Ausbaustandard wählt, der auf Dauer auch einen Lkw-Verkehr unter Minimierung der Unterhaltungskosten zulässt. Zu den von dem Baulastträger in diesem Zusammenhang zu tragenden Kosten gehören ferner Aufwendungen für die dingliche Sicherung der Nutzung der neuen Zufahrt, soweit diese nicht auf im Eigentum der Klägerin befindlichen Flächen angelegt wird. Falls insoweit keine Vereinbarung mit dem derzeitigen Eigentümer erzielt werden kann, ist der Beklagte befugt, die Inanspruchnahme der Flächen für eine neue Zufahrt als Folgemaßnahme (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 BbgVwVfG, § 19 FStrG) zuzulassen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.