Verfahrensinformation

Das Bundesministerium des Innern verbot mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 die durch den türkischen Staatsangehörigen Metin Kaplan vertretene Vereinigung „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) einschließlich ihrer Teilorganisationen sowie die Stiftung „Stichting Dienaar aan Islam“. Die Verfügung stützt sich auf das Vereinsgesetz in der Fassung nach Streichung des sog. Religionsprivilegs und ist damit begründet, dass sich die verbotenen Vereinigungen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Für die Klage der genannten Vereinigungen dagegen, dass sie als Teilorganisationen in das Verbot einbezogen worden sind, ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig.


Verfahrensinformation

Das Bundesministerium des Innern verbot mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 die durch den türkischen Staatsangehörigen Metin Kaplan vertretene Vereinigung „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) einschließlich ihrer Teilorganisationen sowie die Stiftung „Stichting Dienaar aan Islam“. Die Verfügung stützt sich auf das Vereinsgesetz in der Fassung nach Streichung des sog. Religionsprivilegs und ist damit begründet, dass sich die verbotenen Vereinigungen kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Für die Klage der genannten Vereinigungen dagegen, dass sie als Teilorganisationen in das Verbot einbezogen worden sind, ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig.


Pressemitteilung Nr. 44/2002 vom 27.11.2002

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Verbot des Vereins „Kalifatsstaat“

Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der unter Führung von Metin Kaplan stehende „Kalifatsstaat“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet sowie die innere Sicherheit und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die Vereinigung wurde verboten und aufgelöst. Das Verbot wurde auf eine Reihe von Vereinigungen als Teilorganisationen des „Kalifatsstaats“ erstreckt.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot in erster und letzter Instanz bestätigt. Religionsgemeinschaften können jedenfalls dann verboten werden, wenn sie sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die Demokratie, den Rechtsstaat oder die Verbürgung der Menschenwürde als Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung richten. Der „Kalifatsstaat“ ist danach zu Recht verboten worden. Er versteht sich als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt unter der Führung des Kalifen, dessen Grundlage ausschließlich der Wille Allahs ist und der als solcher mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist. Der „Kalifatsstaat“ beansprucht für sich - im Unterschied zu anderen Religionsgemeinschaften - das Recht zu legitimer Gewaltanwendung auch in Deutschland. Dies ergibt sich aus Verlautbarungen des „Kalifatsstaats“ und wird insbesondere durch die vom Oberlandesgericht Düsseldorf im November 2000 als öffentliche Aufforderung zu Straftaten abgeurteilten Tötungsaufrufe der Führung des "Kalifatsstaats" gegen einen „falschen Kalifen“ bestätigt. In die gleiche Richtung weisen diffamierende Äußerungen etwa über türkische Politiker und Juden, die überdies von einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren Intoleranz geprägt sind. Der Befürchtung, dass Mitglieder des „Kalifatsstaats“, gestützt auf dessen Selbstverständnis, ihre Vorstellungen mit Gewalt und auch im Widerstand zur deutschen Staatsgewalt durchsetzen, konnte nicht mit milderen Mittel als dem Verbot der Vereinigung begegnet werden.


Die Klagen islamischer Vereinigungen in Blumberg, Bad Kreuznach und Braunschweig gegen ihre Einbeziehung in das Verbot des „Kalifatsstaats“ sind ohne Erfolg geblieben. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat gezeigt, dass das Bundesministerium des Innern diese Vereinigungen zu Recht als Teilorganisationen des „Kalifatsstaats“ angesehen hat.


BVerwG 6 A 1.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 3.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 4.02 - Urteil vom 27. November 2002

BVerwG 6 A 9.02 - Urteil vom 27. November 2002


Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 6 A 9.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U6A9.02.0

Urteil

BVerwG 6 A 9.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung am 27. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t ,
Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die genannten Organisationen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des "Kalifatsstaats" und die Bildung von Ersatzorganisationen verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2002 erstreckte das Bundesministerium des Innern die Verfügung vom 8. Dezember 2001 auf den Kläger als Teilorganisation des "Kalifatsstaats". Zur Begründung wurde ausgeführt, das in der Moschee in B., der Zentrale des "Kalifatsstaats" in Köln, der Moschee in S. (Bezirkszentrale des "Kalifatsstaats" für N.) und den Räumen der Vereinsfunktionäre E. und Y. sichergestellte Material belege die organisatorischen und finanziellen Verflechtungen des Klägers mit dem "Kalifatsstaat" und der Stiftung "Stichting Dienaar aan Islam".
Der Kläger tritt mit seiner Klage der Einbeziehung in die Verbotsverfügung entgegen und stellt in Abrede, eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 13. Mai 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Klagevortrag entgegen und trägt ergänzende Erkenntnisse vor.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

II


Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung findet in § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG, der auf Deutschenvereine ebenso wie für Ausländervereine gilt, erstreckt sich das Verbot eines Vereins grundsätzlich auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
a) Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f. = NVwZ 1998, 174).
Auch Religionsgemeinschaften, die seit In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3319) am 8. Dezember 2001 dem Vereinsgesetz unterfallen, können Teilorganisationen aufweisen. Der Zweck eines Vereins und seine geistigen Grundlagen - die gemeinsamen Überzeugungen seiner Mitglieder - sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG nicht unmittelbar von Bedeutung. Allerdings können sich Menschen gemeinsamen Glaubens oder religiösen Bekenntnisses - eher als etwa Vereinigungen mit vergleichbar umfassender Zielsetzung wie etwa politische Parteien - in Gemeinden zusammenfinden, die gegenüber einer gemeinsamen übergemeindlichen Organisation ein gewisses Maß an Autonomie aufweisen. Daher wird bei Religionsgemeinschaften der tatsächlichen Frage besonderes Augenmerk zu widmen sein, ob die Gesamtorganisation als bloßer Dachverband anzusehen ist, dem die Mitgliedsorganisationen mehr oder weniger locker angeschlossen sind (vgl. näher dazu Beschluss vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18, S. 17), oder ob ein Gesamtverband vorliegt, dem die Gemeinden als Teilorganisationen eingegliedert sind. Letzteres setzt voraus, dass über die geistliche Führung durch eine übergemeindliche Institution hinaus eine hierarchische Verbandsstruktur mit einer Organisation vorliegt, die der Umsetzung der Entscheidungen des Zentralverbandes auf der Ebene der Gemeinden dient.
b) Teilorganisationen werden aufgrund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 1994, a.a.O., S. 14, 17 sowie Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.). Dies ist auch in dem Fall verfassungsrechtlich unbedenklich, in dem es sich bei der Teilorganisation um eine Religionsgemeinschaft handelt, die die religiöse Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV für sich beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 83, 341, 354 f.). Erweist sich das Verbot des Gesamtvereins, bei dem es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, wie hier auch mit Blick auf die religiöse Vereinigungsfreiheit als gerechtfertigt, gilt für die entsprechende Teilorganisation nichts anderes.
Der Erwägung, die Beklagte hätte den Muslimgemeinden, die sie als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" ansieht, die Möglichkeit geben müssen, sich von diesem zu distanzieren, ist nicht zu folgen. Weder war der Gesetzgeber gehalten, insoweit Übergangsregelungen zu schaffen, noch bestand Anlass zu einer entsprechenden Gestaltung des Verwaltungsverfahrens. Hat nämlich eine Muslimgemeinde die Möglichkeit, sich jederzeit von der Zentrale des "Kalifatsstaats" abzukoppeln und ohne Verlust ihrer Identität selbständig fortzubestehen, ist sie keine Teilorganisation im dargestellten Sinn. Ist hingegen die Muslimgemeinde in der Weise in den "Kalifatsstaat" eingegliedert, wie es für eine Teilorganisation zu fordern ist, fehlt es an einer solchen Möglichkeit. Die so genannte Distanzierung wäre in diesem Fall in Wahrheit die (verdeckte) Neugründung einer anderen Vereinigung unter Aufgabe der bisherigen Identität.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen, die Aktivitäten des "Kalifatsstaats" seien in der Vergangenheit nicht verboten gewesen und deshalb könnten Muslimgemeinden, die sich ihm in gutem Glauben angeschlossen oder Vorteile aus dem Kontakt mit ihm gezogen hätten, nicht abrupt in dessen Verbot einbezogen werden. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - ausgeführt hat, konnte der "Kalifatsstaat" verfassungsrechtlich keine "Anpassungsfrist" beanspruchen. Gleiches gilt für seine Teilorganisationen. Denn diese teilen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins, dem sie angehören.
2. Für die rechtliche Beurteilung ohne Belang ist, ob die Mehrheit der Mitglieder des Klägers - wie er vorträgt - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Auch wenn § 14 Abs. 1 VereinsG auf den Kläger aus diesem Grunde keine Anwendung finden sollte, ändert dies nichts daran, dass er als Teilorganisation des "Kalifatsstaats" von dessen Verbot erfasst sein kann. Dies folgt bereits daraus, dass dieser Verbotsvoraussetzungen erfüllt, die auch für von Deutschen gebildete Vereine gelten (vgl. im Einzelnen Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 -).
3. Der Kläger ist eine Teilorganisation des mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 verbotenen "Kalifatsstaats". Darauf weisen zur Überzeugung des erkennenden Senats die vorliegenden Tatsachen hin. Die schriftsätzlichen Äußerungen sowie die Erörterung mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung haben sie nicht entkräftet.
a) Der "Kalifatsstaat" versteht sich als Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) und eigener Staatsgewalt unter der Leitung des Kalifen. Die Organisationsstrukturen sind denen eines Staates vergleichbar. Neben einer Stabsorganisation, die der Zentrale zugeordnet ist, besteht eine Gliederung nach Gebieten ("Bölge"), denen die Gemeinden angehören und die von "Gebietsemiren" geleitet werden. Die Gesamtorganisation ist hierarchisch aufgebaut und darauf ausgerichtet, den - allein maßgeblichen - Willen des Kalifen durchzusetzen. Auf die unbestrittene Darstellung der Verbandsstrukturen in der Verfügung vom 8. Dezember 2001 (S. 8 ff.) wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Selbstverständnis des "Kalifatsstaats" als eines real existierenden Staatswesens und der Absolutheitsanspruch der von ihm propagierten Lehren schließen es konsequenterweise praktisch aus, dass eine Muslimgemeinde, die in den Verband des "Kalifatsstaats" aufgenommen ist, eine andere Stellung als die einer Teilorganisation innehat.
b) Es bestehen Hinweise darauf, dass der "Kalifatsstaat" die Moschee des Klägers als ihm zugehörig angesehen hat. Er hat sie zunächst, wie die Beklagte in diesem Verfahren unwidersprochen vorgetragen hat, in seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einbezogen. Ferner wird in einer Einkaufsliste des Lebensmittelvertriebs "KAR-BIR" des "Kalifatsstaats" unter der Leiste "Kar-Bir - N. Bölgesi - ..." u.a. "B." erwähnt, allerdings mit unbekannter Telefonnummer. In einer bei dem "Gebietsemir" der "Bölge N." des "Kalifatsstaats" aufgefundenen Adressenliste "Hilafet Devleti H. Bölge Emirligi" ist ein Islamischer Gebetsraum, K.straße 28 in B. verzeichnet; der aufgeführte "M. Y." könnte mit der unter Nr. 44 der vom Kläger vorgelegten Mitgliederliste genannten Person identisch sein, was auch die Abweichung der angegebenen Telefonnummer von der des Klägers erklären könnte. Vom selben Fundort stammt eine Liste des Bezirks H. über Beiträge der Gemeinden für das vom "Kalifatsstaat" veranstaltete "HAKK-TV", in der u.a. B. aufgezählt ist.
Dem gemeinsamen Kern dieser Hinweise, dass der "Kalifatsstaat" den Kläger als örtliche Gliederung seiner Organisation angesehen hat, ist der Kläger nicht entgegengetreten.
c) Die folgenden Umstände weisen darauf hin, dass sich der Kläger auch selbst als Teil des "Kalifatsstaats" verstanden hat.
Der Kläger hat den Stempel "..., Stichting Dinaar aan Islam, Zweigstelle B., K.straße 28, B." verwendet, und zwar auf einem an das Kultusministerium N. adressierten Briefumschlag sowie auf einem Schreiben an die Ausländerbehörde der Stadt S. und auf einer Heiratsurkunde, die zudem diese Bezeichnung auch in der Kopfleiste zeigt. Die Einladung zu einer Frauenkonferenz am 16. September 2001 in die ... Moschee, K.straße 28, B., ist unterzeichnet mit "Hilafet Derleti (Kalifatsstaat), ... Moschee, Verwaltungskommission".
Der Vortrag des Klägers, die Verwendung des Namens der Stiftung sei darauf zurückzuführen, dass diese Miteigentümerin des Moscheegrundstücks gewesen sei, entkräftet die Bedeutung der Asservate als Hinweistatsachen nicht. Insbesondere folgt dies nicht etwa daraus, dass unter dem Namen der Stiftung und nicht des "Kalifatsstaats" gehandelt wurde. Denn auch die Heiratsurkunde weist als Urheber die Stiftung aus; es wurde mithin zwischen dem "Kalifatsstaat" und der Stiftung nicht unterschieden. Das Vorbringen, die Formulierung der Heiratsurkunde sei darauf zurückzuführen, dass der Kläger einen vom "Kalifatsstaat" zugewiesenen "Hoca" (muslimischen Geistlichen) hätte akzeptieren müssen, unterstreicht die Abhängigkeit des Klägers vom "Kalifatsstaat". Der Kläger räumt in der Sache auch ein, wegen der Eigentumsverhältnisse am Moscheegrundstück und der Entsendung des "Hocas" vom "Kalifatsstaat" abhängig gewesen zu sein, meint jedoch sinngemäß, dies könne ihm nicht vorgehalten werden. Die grundsätzliche Eignung der Asservate als Hinweise auf das Vorliegen einer Teilorganisation hat der Kläger somit nicht in Frage gestellt. Der Umstand, dass nach dem klägerischen Vortrag die erwähnte Frauenkonferenz nicht stattgefunden hat, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich.
d) Beim Kläger sichergestellte Schreiben der Zentrale des "Kalifatsstaats" deuten darauf hin, dass der Kläger deren Weisungen unterworfen war.
Ein Schreiben vom 14. Februar 2001 erläutert dem als Prediger und Vorbeter für die in B. ansässige ... Moschee bestimmten Hayrettin "Hoca" seine Aufgaben, die zu wesentlichen Teilen auf Ziele und Zwecke des "Kalifatsstaats" ausgerichtet sind; dieses Schreiben ist auch an die regionale Leitung und die Gemeindeleitung zur Kenntnisnahme verteilt worden. In einem Merkblatt sind in ähnlicher Weise die Themen, die die "Hocas", die den Moscheen und Gebetsstätten des Kalifatsstaats angehören, der Gemeinde unterbreiten sollen, aufgeführt. Ein Schreiben des "Kalifatsstaats" vom 20. Juni 2001 "Der Urlaub ist von einer Genehmigung abhängig!" enthält neben dem Genehmigungsvorbehalt Verhaltensanweisungen bezüglich der in Anatolien zu leistenden Propaganda.
Der Kläger räumt ein, dass der "Kalifatsstaat" seinen Hocas Anweisungen gegeben und versucht hat, über sie die Gläubigen entsprechend zu infiltrieren, meint aber, dies könne seinen Mitgliedern nicht vorgehalten werden. Zum Schreiben vom 20. Juni 2001 hat er sich nicht geäußert. Der Kläger stellt damit die Eigenschaft der Asservate als Hinweise auf eine Weisungsabhängigkeit des Klägers vom "Kalifatsstaat" nicht in Abrede.
d) Bei dem Kläger ist verschiedenes Schriftgut asserviert worden, das vom "Kalifatsstaat" stammt (22 Standardwerke, verfasst von Cemaleddin Kaplan und Metin Kaplan; eine Liste und Flugblätter, die die Medienangebote des "Kalifatstaats" betreffen; verschiedene Flugblätter und offene Briefe des "Kalifatsstaats"). Dies deutet auf enge Verbindung zum "Kalifatsstaat" hin.
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass die Verbandszeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" und "HAKK-TV" frei zugängliche Medien gewesen seien, aus denen sich die Mitglieder des Klägers informiert hätten. Zudem hätten diese Medien inhaltlich einen starken Bezug zum Glauben der Mitglieder des Klägers, der in Übereinstimmung mit dem "Kalifatsstaat" darauf gerichtet sei, das Staatsverwaltungssystem in muslimischen Ländern abzuschaffen. Die religiöse Parallele zur Vorstellungswelt des "Kalifatsstaats" belegt - darin ist dem Kläger zu folgen - zunächst nicht zugleich auch eine organisatorische Eingliederung. Das weitere Vorbringen weist indes in diese Richtung. Der Kläger hält der Beklagten nämlich vor, die Presseerklärung des "Kalifatsstaats" (abgedruckt in "ÜMMET-I MUHAMMED" vom 15. November 2001) nicht zur Kenntnis genommen zu haben, derzufolge sich der "Kalifatsstaat" in der Verkündungsphase befinde. Ferner beruft sich der Kläger darauf, dass er sich nicht außerhalb des religiösen Bereichs bewegt habe, zu dem auch die Verteilung von Propagandamaterial gehöre. Diese Einlassung erscheint dem Senat nur dann verständlich, wenn der Kläger tatsächlich, wie die Beklagte annimmt, als Propagandastützpunkt des "Kalifatsstaats" fungiert hat.
e) Auf wirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen des Klägers mit dem "Kalifatsstaat" weist in erster Linie das Miteigentum der Stiftung am Moscheegrundstück hin. Der Kläger hat dazu zwar einerseits vorgetragen, die Lasten im Wesentlichen selbst getragen zu haben. Andererseits hat er auf die tatsächliche Abhängigkeit hingewiesen, die sich aus dem Eigentum der Stiftung am Moscheegrundstück für ihn ergeben habe (Schriftsatz vom 18. November 2002 S. 3 oben). Hingegen besagt der Verkauf des Miteigentumsanteils am Moscheegrundstück des Klägers durch die Stiftung an ein Mitglied des Klägers am 9. Oktober 2001 und somit in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Grundstücksveräußerungen der Stiftung nicht ohne weiteres etwas über die Beziehungen der Vertragspartner. Dem Kauf von Lebensmitteln beim Lebensmittelvertrieb des "Kalifatsstaats" (KAR-BIR/HAKK-BIR), der auch einem religiösen Bedürfnis entsprochen hat, und der Abwicklung von Spenden über den "Kalifatsstaat" in dem hier belegten Umfang ist zwar für sich genommen kein großer Indizwert beizumessen, diese Umstände können aber zur Abrundung und Bestätigung des anderweit gewonnenen Gesamteindrucks beitragen. Entsprechendes gilt für die Listen über Mitgliedsbeiträge und Entgelte für den Bezug der Verbandszeitung "ÜMMET-I MUHAMMED" und die Nutzung des Moscheegrundstücks. Nach dem bereits Gesagten musste den Mitgliedern des Klägers auf der anderen Seite immerhin klar sein, dass sie mit der Inanspruchnahme der Leistungen des "Kalifatsstaats" dessen ideologischen Anspruch unterstützten und ihn auch materiell förderten.
f) Die genannten Hinweistatsachen belegen bei Gesamtwürdigung aller Umstände, dass es sich beim Kläger um eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" handelt. Zwar sind personelle Verflechtungen mit der Zentrale nicht und wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen nur ansatzweise nachgewiesen. Dagegen sprechen die Äußerungen des Selbstverständnisses des Klägers und die korrespondierende Behandlung durch den "Kalifatsstaat" ebenso für eine Teilorganisation wie die beim Kläger gefundenen Propagandaschriften. Zudem ist auf den dargelegten Absolutheitsanspruch des "Kalifatsstaats" und seine durch den Vortrag des Klägers bestätigte hierarchische Struktur zu verweisen. Der Kläger hat seine Abhängigkeit vom "Kalifatsstaat" in verschiedener Hinsicht eingeräumt, ohne aber unmittelbare Hinweise darauf geben zu können, dass er gleichwohl nicht in dessen Organisation eingegliedert gewesen ist. Die vorliegenden Hinweistatsachen genügen nach Überzeugung des Senats zum Nachweis dessen, dass die Verbindungen des Klägers zum "Kalifatsstaat" Ausdruck seiner Integration in dessen Organisation sind. Zwischen dem "Kalifatsstaat" und dem Kläger bestehen nicht nur ideologische Parallelen mit der Folge, dass sie einander lediglich nahe stehen, vielmehr liegt ein Abhängigkeitsverhältnis vor, wie es Teilorganisationen kennzeichnet.
Die Behauptung des Klägers, seit der Verhaftung des "Kalifen" Metin Kaplan seien die bestehenden Verbindungen zum "Kalifatsstaat" gelöst worden, hat sich nicht bestätigt. Dies folgt bereits daraus, dass einige der erwähnten Belege aus dem Jahr 2001 stammen. Zudem ist kein Ereignis und keine Entwicklung sichtbar geworden, die für die Behauptung spräche. Selbst die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse am Moscheegrundstück ist - bereits nach dem Vortrag des Klägers - nicht auf seine Initiative erfolgt, sondern von der Stiftung betrieben worden.
3. Die angefochtene Verfügung weist auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Zu den Rügen des Klägers ist - ergänzend zu dem bereits Gesagten (oben 1.) - Folgendes zu bemerken:
a) Entgegen der Ansicht des Klägers hatte die Beklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gesondert mit Blick auf den Kläger zu beachten. Der Kläger macht geltend, dass der Einsatz milderer Mittel z.B. in Gestalt eines Betätigungsverbots ihm gegenüber (Verbot, Propagandamittel für den "Kalifatsstaat" zu verbreiten, o.ä.), gegenüber dem bei ihm tätigen, vom "Kalifatsstaat" entsandten "Hoca" oder gegenüber den ihn vertretenden Funktionären, auf die auch die Hausdurchsuchungen beschränkt gewesen seien, ausreichend gewesen wäre. Wie dargelegt, teilen Teilorganisationen ohne weiteres das rechtliche Schicksal des Gesamtvereins. Aufgrund der Feststellung, dass der Kläger eine Teilorganisation des "Kalifatsstaats" ist, erübrigen sich daher die geltend gemachten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots gerade gegenüber dem Kläger. Die Ansicht des Klägers, mit dem Verbot und der Auflösung des "Kalifatsstaats" bestehe jedenfalls hinsichtlich des Klägers und seiner Mitglieder keine Besorgnis mehr, dass neben der Religionsausübung verfassungsfeindliche Tätigkeiten unternommen werden könnten, entspricht nicht der Grundentscheidung des Vereinsgesetzes, nach der das Vereinsverbot seinen Zweck nur erreicht, wenn es sich auf die Teilorganisationen des verbotenen Vereins erstreckt.
b) Der Vortrag des Klägers zur Reichweite der Informations- und Religionsfreiheit geht ebenfalls daran vorbei, dass in diesem Verfahren auch vor dem Hintergrund, dass es sich beim Kläger um einen Zusammenschluss von Gläubigen zur gemeinschaftlichen Religionsausübung handelt, nur zu untersuchen und zu entscheiden ist, ob der Kläger eine Teilorganisation des verbotenen "Kalifatsstaats" darstellt. Im Übrigen wird auf die Darlegungen im Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - verwiesen.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.