Beschluss vom 27.09.2011 -
BVerwG 8 B 46.11ECLI:DE:BVerwG:2011:270911B8B46.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.09.2011 - 8 B 46.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:270911B8B46.11.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 46.11

  • VG Potsdam - 05.08.2010 - AZ: VG 1 K 3094/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
Dr. Held-Daab
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 5. August 2010 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 455 589 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines Grundstücks in Potsdam. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Grundstück auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sei (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Die Klägerin sei mit dem Namenszusatz „Gotha-Stadt“ in der Thüringer Liste „A“ vom 17. April 1946 aufgeführt. Nach Nr. 2 Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 (Richtlinien Nr. 1) vom 28. April 1948 gelte die Enteignung eines Teils der Betriebsstätten von einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten auch hinsichtlich aller anderen Unternehmensteile, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang untereinander stehen. Gemäß dieser Vorschrift habe sich der 1946 erfolgte Enteignungszugriff in Thüringen auch auf die „Niederlassungen“ in Brandenburg erstreckt. Anhaltspunkte dafür, warum dies ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

2 Die Beschwerde hat Erfolg. Die von ihr gerügte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, nicht § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) wird zwar nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Sie führt aber auf die grundsätzlich bedeutsame Frage, ob eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG deshalb anzunehmen ist, weil Nr. 2 Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 (Richtlinien Nr. 1) vom 28. April 1948 Enteignungswirkung auch für solche Vermögenswerte entfalten konnte, die bis zum Erlass des SMAD-Befehls Nr. 64 am 17. April 1948 nicht sequestriert waren und damit seit dem 18. April 1948 gemäß Nr. 5 dieses Befehls einem Enteignungsverbot unterlagen. Die Revision ist deshalb gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3 Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 20.11 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.