Beschluss vom 27.07.2011 -
BVerwG 2 WNB 3.11ECLI:DE:BVerwG:2011:270711B2WNB3.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.07.2011 - 2 WNB 3.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:270711B2WNB3.11.0]

Beschluss

BVerwG 2 WNB 3.11

  • Truppendienstgericht Süd 6. Kammer - 14.12.2010 - AZ: TDG S 6 BLc 17/09

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 27. Juli 2011 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der frühere Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die statthafte, fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die gerügten Verfahrensmängel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) werden nicht prozessordnungsgemäß dargelegt.

2 1. Nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO die selben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entwickelt worden sind (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buchholz 450.1 § 22 a WBO Nr. 1 = NZWehr 2009, 258 und vom 15. Juli 2009 - BVerwG 2 WNB 1.09 -).

3 a) Da nach § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen ist, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung (des Truppendienstgerichts) beruhen kann, können nur Verfahrensmängel des gerichtlichen Verfahrens zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen. Dagegen können Mängel des vorgerichtlichen Verfahrens mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt werden (vgl. Beschlüsse vom 15. Juli 2009 - BVerwG 2 WNB 1.09 und vom 26. Mai 2010 - BVerwG 2 WNB 6.10 -; zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO: Beschluss vom 27. Juni 1994 - BVerwG 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3; Pietzner/Buchheister in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 132 Rn. 95). Die von der Beschwerde gerügten Mängel des Verfahrens bis zur Verhängung der Disziplinarbuße und des Beschwerdeverfahrens können daher als solche von vornherein im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

4 b) Auch die Rüge der Beschwerde, das Truppendienstgericht hätte im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung den gerügten Verfahrensfehlern nachgehen müssen, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

5 Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 2 WNB 4.09 und vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628>). Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14f. m.w.N.). Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Aufklärung bietet (vgl. dazu Urteile vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177 f.> = Buchholz 11 Art 16a GG Nr. 12 S. 17 und vom 13. April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51; Beschluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 9 B 99.09 - juris Rn 4 <zur Veröffentlichung in Buchholz unter 310 § 112 VwGO Nr. 13 vorgesehen>).

6 aa) Die Beanstandung, dem Beschwerdeführer sei vor seinen Vernehmungen die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung nicht im Einzelnen dargelegt worden, war nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen hätte es im Hinblick darauf, dass in den Vernehmungsniederschriften, die auch von dem früheren Soldaten unterzeichnet worden sind, jeweils der Hinweis enthalten ist, dem früheren Soldaten sei vor Beginn der Vernehmung eröffnet worden, welche Pflichtverletzung ihm zur Last gelegt wird, näherer Konkretisierung bedurft, welche in der Disziplinarverfügung enthaltenen Vorwürfe ihm nicht zuvor mitgeteilt worden sein sollen. Die pauschale Behauptung, die Eröffnungen seien nicht hinreichend konkret gewesen, musste dem Truppendienstgericht keine Veranlassung zur weiteren Aufklärung geben.

7 bb) Dies gilt auch für die Behauptung, die Vertrauensperson sei vor ihrer Anhörung nicht ausreichend informiert und die Stellungnahme nicht mit ihr erörtert worden. Da die Vertrauensperson eine Stellungnahme abgegeben und dabei nicht geltend gemacht hat, sie sei nicht ausreichend informiert gewesen, kommt es auf den Einwand des früheren Soldaten nicht an. Dies gilt insbesondere für die nach Angaben der Beschwerde unterbliebene Erörterung der Stellungnahme. Da die Vertrauensperson der beabsichtigten Disziplinarverfügung zugestimmt hat, bestand keine Veranlassung zu einer Erörterung nach § 20 Satz 3 SBG (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 37.08 - BVerwGE 133, 135 = Buchholz 449.7 § 20 SBG Nr. 3 - jeweils Rn. 27). Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) von der Vertrauensperson auf die Erörterung verzichtet werden. Ein Mangel des Anhörungsverfahrens wäre daher allenfalls dann anzunehmen, wenn die Vertrauensperson in ihrer Stellungnahme Einwände gegen die beabsichtigte Maßnahme vorgebracht hätte und dennoch eine Erörterung mit ihr unterblieben wäre, obwohl die Vertrauensperson nicht auf die Erörterung verzichtet hatte. All dies wird von der Beschwerde nicht dargetan. Die vorgelegten Niederschriften über die Anhörung ergeben dafür keinerlei Hinweise. Es kann daher dahinstehen, ob ein solcher Mangel auch von dem Soldaten oder nur von der Vertrauensperson nach § 16 SBG gerügt werden könnte.

8 cc) Ausweislich der Niederschrift über die Schlussanhörung des früheren Soldaten am 16. August 2009 wurde ihm die Anhörung der Vertrauensperson eröffnet. Auch diese Niederschrift hat der frühere Soldat eigenhändig unterzeichnet. Unter diesen Umständen musste sich dem Truppendienstgericht eine weitere Sachaufklärung nur aufdrängen, wenn der frühere Soldat sein vom Inhalt der Niederschrift abweichendes Vorbringen entsprechend konkretisiert hätte. Bei dem früheren Soldaten handelt es sich immerhin um einen Journalisten und um einen Stabsoffizier mit dem Dienstgrad eines Oberstleutnants der Reserve, von dem erwartet werden kann, dass er in der Lage ist, den Inhalt eines schriftlichen Textes und seine Bedeutung zu erfassen.

9 dd) Hinsichtlich der Frage der Schuldfähigkeit des früheren Soldaten im Zusammenhang mit dem ihm unter Nr. 1 der Disziplinarverfügung zur Last gelegten Dienstvergehen musste sich dem Truppendienstgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht aufdrängen. Ausweislich des Beschwerdebescheides war der Truppenpsychologe, Major S., bei Auswertung der von seiner Vorgängerin im Einsatzprotokoll schriftlich festgehaltenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der frühere Soldat zum Tatzeitpunkt in einer „emotionalen Krise“ befunden und „unter massiven Stress“ gestanden habe. Eine disziplinare Würdigung der dienstlichen Verfehlungen erscheine ihm, Major S., psychologisch gesehen als „unverhältnismäßig, unzweckmäßig und der Pflicht zur Fürsorge in keiner Weise gerechtwerdend“. Anhaltspunkte für einen völligen Verlust der Steuerungsfähigkeit enthält die Stellungnahme des Truppenpsychologen nach den Ausführungen im Beschwerdebescheid nicht. Das Vorliegen einer Ausnahme- oder Stresssituation ist weder im Beschwerdebescheid noch vom Truppendienstgericht in Frage gestellt worden. Die weitergehende Würdigung, ob dennoch eine disziplinarrechtliche Ahndung angemessen ist, gehört nicht zum Aufgabenkreis des Psychologen. Die Feststellung im Beschwerdebescheid, der Stellungnahme des Psychologen seien keinerlei Anhaltungspunkte für einen völligen Verlust der Steuerungsfähigkeit zu entnehmen, hat der frühere Soldat nicht substantiiert bestritten. Allein der Hinweis, dem Disziplinarvorgesetzten fehlten entsprechende Sachkenntnisse, vermag einen solchen konkreten Vortrag nicht zu ersetzen. Insbesondere musste sich dem Truppendienstgericht unter diesen Umständen nicht aufdrängen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

10 2. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 23 a Abs. 2 WBO und § 154 Abs. 2 VwGO.