Beschluss vom 27.07.2004 -
BVerwG 7 B 91.04ECLI:DE:BVerwG:2004:270704B7B91.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.07.2004 - 7 B 91.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:270704B7B91.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 91.04

  • VG Berlin - 22.09.2003 - AZ: VG 31 A 113.03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Der Kläger wendet sich gegen die Rückgabe eines Grundstücks an die Beigeladene, das jeweils zur Hälfte zwei jüdischen Miteigentümern gehört hatte und nach dem Tod des einen Miteigentümers durch Kaufvertrag vom 22. Dezember 1939 vom Nachlasspfleger zusammen mit dem anderen Miteigentümer an den Rechtsvorgänger des Klägers veräußert wurde. Auf den Antrag der Beigeladenen übertrug die Beklagte das Grundstück ihr zurück. Die gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil der Kläger die Vermutung eines verfolgungsbedingten Zwangsverkaufs nicht widerlegt habe. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers einer unzulänglichen Überzeugungsbildung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO); denn die von der Beschwerde behaupteten Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz liegen nicht vor.
Für denkfehlerhaft hält die Beschwerde die Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass der unbekannte Erbe nach dem vor Abschluss des Kaufvertrags verstorbenen Miteigentümer Jude gewesen sei. Sie leitet dies daraus ab, dass das Verwaltungsgericht dem Schreiben des Nachlasspflegers vom 7. November 1941 eine Erklärung des Inhalts entnommen habe, sämtliche noch in Betracht kommenden Erben seien Juden; dieses Verständnis stehe in logischem Widerspruch zum Wortlaut des Schreibens, wonach "die in meinem Bericht vom 2. November 1939 möglicherweise in Betracht kommenden Erben ... sämtlich Juden" seien. Die Auslegung des Schreibens durch das Verwaltungsgericht verstößt nicht gegen die Denkgesetze. Ein solcher Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht unrichtige oder fern liegende, objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen gezogen hat; von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann nur gesprochen werden, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der aus Gründen der Logik schlechthin unmöglich ist (Beschluss vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 m.w.N., stRspr). Der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss ist nicht aus Gründen der Logik unmöglich. Der Nachlasspfleger hatte in seinem Bericht vom 2. November 1939 die Personen aufgeführt, die nach seiner Ansicht als Erben in Betracht kamen, und diese in seinem Schreiben vom 7. November 1941 sämtlich als Juden bezeichnet. Der Zusammenhang beider Schreiben lässt ohne weiteres den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss zu. Es ist deshalb nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht die Erklärung des Nachlasspflegers als Indiz für seine Annahme gewürdigt hat, der unbekannte Erbe sei Jude gewesen.
Ebenso wenig denkfehlerhaft ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei einem rassisch Verfolgten spreche alles dafür, dass auch seine gesetzlichen Erben zweiter und dritter Ordnung zum Kreis der rassisch Verfolgten zu zählen seien. Das Verwaltungsgericht hat diese Annahme daraus abgeleitet, dass § 2 Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz die Eigenschaft als zum Kreis der rassisch Verfolgten gehörender "jüdischer Mischling" an die Zugehörigkeit eines Großelternteils zur jüdischen Religionsgemeinschaft knüpfte. Ohne Erfolg beanstandet die Beschwerde die Tauglichkeit dieses Indizes mit der Behauptung, es stehe nicht fest, dass der Verstorbene überhaupt Erben dritter Ordnung gehabt habe und dass einer der Abkömmlinge seiner Großeltern tatsächlich Erbe geworden sei. Der Inhalt des bereits erwähnten Schreibens des Nachlasspflegers vom 7. November 1941, der das von der Beschwerde ins Feld geführte Fiskuserbrecht als spekulativ erscheinen lässt, schließt weder das Vorhandensein von Erben dritter Ordnung des Verstorbenen noch die Möglichkeit aus, dass einer von ihnen tatsächlich Erbe geworden ist. Das genügt, um den behaupteten Denkfehler zu verneinen.
Das Vorbringen der Beschwerde zur Beweislastverteilung, zur Wirkung der Erbausschlagung und zur Ausschließung wesentlicher verfolgungsunabhängiger Gründe für den Grundstücksverkauf betrifft die Rechtsanwendung sowie die dem materiellen Recht zugeordnete Würdigung des Sachverhalts und ist schon deshalb nicht geeignet, den behaupteten Verfahrensmangel zu begründen. Namentlich leidet die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Schiedsspruchs vom 12. Februar 1936 und des Vergleichs vom 22. September 1931 dahin, dass das in Rede stehende Grundstück von der Lockerung der "sozietätsmäßigen Verbindung" der beiden Miteigentümer nicht erfasst war, nicht an einer verfahrensfehlerhaften Beweiswürdigung. Die Beschwerde setzt an die Stelle der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ihre eigene Bewertung. Damit lässt sich die Zulassung der Verfahrensrevision nicht erreichen. Der Vorwurf, dass das Verwaltungsgericht entscheidungserhebliche Sachverhaltselemente ausgeblendet habe und deshalb zu einer fehlerhaften Überzeugung gelangt sei, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die von der Beschwerde vermissten Umstände sämtlich berücksichtigt. Dass es sie nicht so gewürdigt hat, wie die Beschwerde sie gewürdigt wissen möchte, verletzt den Überzeugungsgrundsatz nicht.
2. Die Rüge, das angegriffene Urteil weiche i.S. des § 132 Abs. 2 Satz 2 VwGO von dem Beschluss des Senats vom 3. Januar 2003 - BVerwG 7 B 57.02 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 17) ab, durch den das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß § 133 Abs. 6 VwGO aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wurde, ist unzulässig. Die Beschwerde erblickt den in dem Beschluss aufgestellten Rechtssatz darin, dass "das Tätigwerden eines Nachlasspflegers auf Seiten des Veräußerers im Rahmen der Vermutungswiderlegung aus Art. 3 Abs. 1 REAO zu berücksichtigen ist". Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich in Angriffen gegen die Rechtsanwendung und Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts. Damit lässt sich der Zulassungsgrund der Divergenz nicht begründen. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt, dass der Kläger den Nachweis, das Rechtsgeschäft wäre seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a REAO), nicht erbracht hat.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).