Beschluss vom 27.06.2007 -
BVerwG 5 B 64.06ECLI:DE:BVerwG:2007:270607B5B64.06.0

Beschluss

BVerwG 5 B 64.06

  • VG Berlin - 03.04.2006 - AZ: VG 31 A 171.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2007
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 783,99 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision unter den geltend gemachten Gesichtspunkten der grundsätzlichen Bedeutung bzw. eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO).

2 1. Der Rechtssache kommt die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

3 Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass der Kläger, dem für Inanspruchnahme seines Grundstücks nach den Vorschriften des Aufbaugesetzes der DDR mit Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 1983 eine Entschädigung in Höhe von 14 040,00 Mark der DDR zuerkannt worden ist, nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (Gesetz zur Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfüllter Entschädigungsansprüche aus Enteignung vom 10. Dezember 2003, BGBl I S. 2471) keinen Anspruch auf inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit dieser Festsetzung nach Maßgabe des seinerzeitigen DDR-Rechts mit dem Ziel einer „Nachbesserung“ der Entschädigung hat. Insoweit macht die Beschwerde geltend, die Entschädigung sei zu niedrig festgesetzt worden.

4 Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber zutreffend davon ausgegangen, dass das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz sich lediglich auf Fälle einer gar nicht erst festgesetzten oder einer zwar festgesetzten, aber nicht ausgezahlten, nicht jedoch auf Fälle einer zu niedrig festgesetzten Entschädigung bezieht. Es hat dazu ausgeführt, es sei nicht bezweckt gewesen, alle (enteignenden) Verwaltungsakte der DDR einer nachträglichen Überprüfung auf ihre Übereinstimmung mit dem seinerzeit geltenden DDR-Recht zugänglich zu machen. Die Richtigkeit dieser Auslegung ergibt sich bereits - ohne revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf - aus dem Wortlaut des § 1 des Gesetzes, dessen Absatz 1 voraussetzt, dass ein Anspruch auf Entschädigung nach den damals geltenden Bestimmungen des DDR-Rechts „nicht erfüllt“ worden ist, und dessen Absatz 3 die Bemessung der Entschädigung für den Fall regelt, dass „ein Anspruch auf Entschädigung in der früheren Deutschen Demokratischen Republik nicht festgesetzt worden ist“. Diese Beschränkung auf nicht festgesetzte bzw. nicht erfüllte Ansprüche belegt, dass die „nicht festgesetzten“ bzw. „nicht erfüllten“ Ansprüche sich nicht - mit dem Ziel einer nachträglichen inhaltlichen Überprüfung der seinerzeitigen Festsetzungen der DDR-Behörden durch die Verwaltungsgerichte - auf Fälle fehlerhafter Festsetzungen beziehen, bei denen eine Entschädigung festgesetzt und der festgesetzte Anspruch erfüllt worden ist. Auch die Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung (vgl. dazu BTDrucks 15/1180, S. 4, 15 f., 25 ff.) sprechen gegen die Rechtsauffassung der Beschwerde. Der Lösungsansatz des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes geht ausweislich S. 4 der Begründung dahin, „ein verwaltungsrechtliches Verfahren für die Erfüllung bisher nicht festgesetzter oder ausgezahlter DDR-Entschädigungen“ einzuführen. Auf S. 15 ist weiter ausgeführt, in der DDR seien in vielen Fällen die vorgesehenen Entschädigungsansprüche für Enteignungen „nicht erfüllt“ worden: „Teilweise unterblieb schon die Festsetzung der Entschädigungssumme, in anderen Fällen wurde entweder die festgesetzte Entschädigungssumme nicht ausgezahlt oder die vorgesehene Einzelschuldbuchforderung nicht begründet.“ Es gehe um Fälle, bei denen „die Nichtfestsetzung oder Nichterfüllung auf Versäumnissen oder Nachlässigkeiten der DDR-Verwaltung unterhalb der Schwelle einer ‚unlauteren’ Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG“ beruhte. Speziell zu § 1 des Gesetzes heißt es schließlich auf S. 25, entschädigungsberechtigt seien frühere Eigentümer, „bei denen eine Entschädigung ... erst gar nicht festgesetzt oder nach einer Festsetzung nicht ausgezahlt worden ist ...“. Die demgegenüber von der Beschwerdebegründung herangezogene Passage aus der Gesetzesbegründung zu möglichen Überschneidungen zwischen dem Vermögensgesetz und dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (BTDrucks 15/1180, S. 25), z.B. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie bezieht sich auch für die von der Beschwerde angeführten möglichen Überschneidungsfälle nach § 1 Abs. 1b VermG nur auf solche Fallgestaltungen, in denen „im Ergebnis aber gar keine Entschädigung gezahlt worden ist“. Die vom Kläger geltend gemachte Nachbesserung zählt hierzu nicht.

5 Gegen diese gegenständliche Beschränkung auf „gar nicht erst festgesetzte“ oder nach einer Festsetzung nicht ausgezahlte Entschädigungen lassen sich auch nicht die von der Klägerin - mit dem Ziel einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht - genannten Gesichtspunkte einer Verletzung von „Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 14 GG“ anführen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie des Bundesverfassungsgerichts ist bereits geklärt, dass der Gesetzgeber bei der Wiedergutmachung von DDR-Unrecht nicht den Vorgaben von Art. 14 GG unterlag, da „der diesen Entschädigungsansprüchen zugrunde liegende Eingriff in das Eigentum durch eine nicht an das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt erfolgt war“ (Urteil vom 17. November 2005 - BVerwG 3 C 55.04 - BVerwGE 124, 321 <325>). Auf die weiteren von der Beschwerde gegen die Zinsregelung in § 3 und die Beschränkung der Antragsfrist in § 5 des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken kommt es demnach schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an.

6 2. Soweit der Kläger als Verstoß gegen seinen Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) geltend macht, dass das Gericht die Übertragung auf den Einzelrichter ohne seine Zustimmung vorgenommen und nach Kenntnisnahme von seinem Schreiben vom 11. Januar 2006 an der Entscheidung festgehalten habe, verkennt er, dass § 6 VwGO die Übertragung auf den Einzelrichter nicht von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten abhängig macht. Zwar gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Grundsatz rechtlichen Gehörs, den Beteiligten vor der Übertragung auf den Einzelrichter Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <45>), doch hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis hiergegen nicht verstoßen. Es hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2005 (Gerichtsakte Bl. 37) die Beteiligten auf die beabsichtigte Übertragung hingewiesen, bevor es diese mit Beschluss vom 20. Januar 2006 vorgenommen hat. Ausweislich des gerichtlichen Mitteilungsschreibens vom 10. Februar 2006 (Gerichtsakte Bl. 41) ist dabei der - am 13. Januar 2006 bei Gericht eingegangene (Gerichtsakte Bl. 39) und von der Geschäftsstelle erst nachträglich vorgelegte - Schriftsatz des Klägers vom 11. Januar 2006 nicht in Betracht gezogen worden, doch hat die Kammer mit Beschluss vom 10. Februar 2006 - dem Kläger mitgeteilt mit Vorsitzendenschreiben vom gleichen Tage - an der Einzelrichterübertragung festgehalten. Damit ist der durch die Nichtberücksichtigung des verspätet vorgelegten Schriftsatzes erfolgte Gehörsverstoß geheilt.

7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung entsprechend den Angaben des Klägers in seinem Schriftsatz vom 3. November 2005 auf § 52 Abs. 1 GKG.