Beschluss vom 27.05.2010 -
BVerwG 8 B 112.09ECLI:DE:BVerwG:2010:270510B8B112.09.0

Beschluss

BVerwG 8 B 112.09

  • VG Frankfurt/Oder - 21.07.2009 - AZ: VG 3 K 2609/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und Dr. Held-Daab
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9 135 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus ihrer Begründung ergibt sich weder die von den Klägern angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, noch ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 1. Die Beschwerde formuliert keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Mit dem Vorbringen, nach den Rechtsvorschriften der DDR habe die Überlassung von Grundstücken zum Eigenheimbau der Unterstützung von Familien dienen sollen, und dem weiteren Vortrag, die Überlassung eines nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommenen Grundstücks an einen 18jährigen Junggesellen und dessen Bruder sei als „vollkommen atypischer Fall der Rechtsanwendung“ einzuordnen, wirft die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der unlauteren Machenschaften gemäß § 1 Abs. 3 VermG auf. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht gerade offen gelassen, ob das Grundstück von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen war.

3 2. Das angegriffene Urteil verletzt auch nicht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO. Entgegen dem Beschwerdevorbringen war das Verwaltungsgericht nach § 87b Abs. 2 und 3 VwGO nicht verpflichtet, den im Termin zur mündlichen Verhandlung nachgereichten Erbschein als Beweismittel zum Beleg der Erbfolge nach Franz Joseph S. zu berücksichtigen. Es durfte die verspätet vorgelegte Urkunde zurückweisen, da die Verspätung trotz Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis nicht genügend entschuldigt war und zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung geführt hätte.

4 Obwohl das Verwaltungsgericht den Klägern mit der ordnungsgemäßen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Mai 2009 zugestellten Auflagenverfügung vom 11. Mai 2009 nach § 87b Abs. 2 Nr. 2 VwGO unter anderem aufgegeben hatte, den zum Nachweis der persönlichen Berechtigung nach § 2 Abs. 1 VermG erforderlichen Erbschein nach dem ursprünglichen Grundstückseigentümer Franz Joseph S. bis zum 1. Juli 2009 vorzulegen, haben die Kläger diesen Erbschein erst nahezu drei Wochen nach Fristablauf im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2009 nachgereicht, ohne die Verspätung nach § 87b Abs. 3 Nr. 2 VwGO ausreichend zu entschuldigen und Entschuldigungsgründe entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Aufforderung in der Auflagenverfügung nach § 87b Abs. 3 Satz 2 VwGO glaubhaft zu machen.

5 Die Auflagenverfügung vom 11. Mai 2009 entsprach den Anforderungen des § 87b Abs. 2 und 3 VwGO. Die den Klägern gesetzte sechswöchige Frist war im Hinblick darauf, dass das Gericht seit März 2008 wiederholt zur Vorlage des Erbscheins aufgefordert hatte und mit der Auflagenverfügung in Aussicht stellte, die Frist bei ausreichender Begründung nochmals zu verlängern, nicht zu kurz bemessen. Die Kläger wurden auch ordnungsgemäß über die Folgen der Fristversäumnis gemäß § 87b Abs. 3 VwGO belehrt und aufgefordert, für den Fall der Unmöglichkeit rechtzeitiger Vorlage des Erbscheins gemäß § 87b Abs. 3 Satz 2 VwGO die Entschuldigungsgründe durch im Einzelnen bezeichnete Nachweise glaubhaft zu machen.

6 Dennoch haben sie bis zum Fristablauf weder die zur Glaubhaftmachung der Entschuldigungsgründe geforderte Sachstandsmitteilung zum Verfahren der Erbscheinserteilung vorgelegt, noch die Verspätung in anderer Weise genügend entschuldigt und die Gründe dafür glaubhaft gemacht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juni 2009 haben sie lediglich eine Kopie der Heiratsurkunde und Erbnachweise nach der Witwe Franz Joseph S. sowie anderen Erblassern vorgelegt und vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei damit ihre Berechtigung nach Franz Joseph S. ausreichend belegt. Auf den verwaltungsgerichtlichen Hinweis, die Rechtsnachfolge könne nur durch Vorlage des Erbscheins nachgewiesen werden, haben sie nicht reagiert.

7 Das nachträgliche Vorbringen der Kläger, das Nachlassgericht habe die Erbscheinserteilung zögerlich bearbeitet und den Erbschein erst auf ihre persönliche Vorsprache hin am 20. Juli 2009 ausgestellt, kann die Verspätung nicht entschuldigen. Dazu wäre erforderlich gewesen, glaubhaft zu machen, dass der Erbschein den Klägern ohne deren Verschulden erst nach Ablauf der Frist erteilt wurde. Da die vom Verwaltungsgericht geforderte Sachstandsmitteilung des Nachlassgerichts nicht vorgelegt wurde, hätten die Kläger zumindest glaubhaft machen müssen, dass sie die spätestens seit dem 9. Juni 2009 vorliegende Heiratsurkunde, von deren Vorlage die Erbscheinserteilung abhing, unverzüglich dem Nachlassgericht übermittelt und dort auf eine umgehende Bearbeitung hingewirkt hatten, um eine fristgerechte Vorlage des Erbscheins bis zum 1. Juli 2009 zu ermöglichen oder zumindest eine fristgerechte Sachstandsmitteilung zu erhalten. Eine solche Glaubhaftmachung fehlt.

8 Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das Verfahren wäre durch die Zulassung des verspätet vorgelegten Erbscheins nach § 87b Abs. 3 Nr. 1 VwGO erheblich verzögert worden, ist nicht zu beanstanden. Dazu genügt das Herbeiführen einer nicht unerheblichen absoluten Verfahrensverzögerung, die sich daraus ergibt, dass der Rechtsstreit bei Zurückweisung der verspätet vorgelegten Urkunde aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2009 durch Urteil entschieden werden konnte, während bei Zulassung des Beweismittels zeitaufwändige Tatsachenermittlungen zur Klärung möglicher Manipulationen bei der Inanspruchnahme des Grundstücks erforderlich gewesen wären. Auf die Frage, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitiger Vorlage der Urkunde ebenso lange gedauert hätte, kommt es nicht an, es sei denn, dies wäre offenkundig (Urteil vom 18. Februar 1998 - BVerwG 11 A 6.97 - Buchholz 310 § 87b VwGO Nr. 3). Dass das Verwaltungsgericht die Offenkundigkeit verneint hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar ist denkbar, dass die weitere Sachaufklärung, insbesondere bei der Vernehmung von Zeugen, auch bei rechtzeitiger Vorlage des Erbscheins nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung hätte abgeschlossen werden können. Sicher festzustellen oder gar offenkundig ist dies aber nicht. Wie nach der Beschwerdebegründung im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert wurde, hätte das Verwaltungsgericht noch am 1. Juli 2009 Zeugen zum Termin laden können. Das gegenteilige Beschwerdevorbringen verkennt, dass § 102 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 377 ZPO für die Zeugenladung keine Frist vorsehen. Das Verwaltungsgericht war entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht verpflichtet, diesen weitere, über die ordnungsgemäße Belehrung nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 VwGO hinausgehende Hinweise zur Verfahrensverzögerung infolge der Verspätung zu erteilen.

9 § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO steht der Zurückweisung der verspätet vorgelegten Urkunde nicht entgegen, weil das Verwaltungsgericht die Rechtsnachfolge nach Franz Joseph S. nicht mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Kläger hätte aufklären können. Hinsichtlich des Beibringens der Heiratsurkunde und des Betreibens des nachlassgerichtlichen Verfahrens war es auf die Mitwirkung der Kläger angewiesen.

10 Die verwaltungsgerichtliche Anwendung des § 87b Abs. 3 VwGO ist schließlich nicht etwa verfahrensfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht keine ausdrückliche Ermessensentscheidung getroffen hat, die verspätet vorgelegte Urkunde zurückzuweisen. Die nach § 87b Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung und die Gründe dafür können sich auch aus der Darlegung ergeben, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Zurückweisung vorliegen (Beschluss vom 6. April 2000 - BVerwG 9 B 50.00 , 9 PKH 15.00 - Buchholz 310 § 87b VwGO Nr. 5). Das ist hier der Fall. Dass eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, lässt sich daraus ableiten, dass die verwaltungsgerichtlichen Erwägungen zur Zurückweisung der Urkunde, dem Sinn und Zweck der Ermächtigung entsprechend, über die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale hinaus das Ausmaß der voraussichtlichen Verfahrensverzögerung und den Grad des Verschuldens der Kläger berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht begnügt sich nicht mit dem Hinweis auf das Fehlen der verlangten Glaubhaftmachung durch eine Sachstandsmitteilung, sondern würdigt das prozessuale Verhalten der Kläger, die ihre Säumnis zunächst nicht entschuldigten, sondern die Vorlage der Urkunde für überflüssig erklärten und auf den gegenteiligen gerichtlichen Hinweis bis zum Verhandlungstermin nicht reagierten. Die verwaltungsgerichtlichen Erwägungen zum Umfang des weiteren Aufklärungsbedarfs bei Zulassung des Beweismittels und zur Unabsehbarkeit des dafür erforderlichen Zeitaufwandes lassen erkennen, dass auch die Verhältnismäßigkeit der Zurückweisung im Hinblick auf die absehbare Verfahrensverzögerung berücksichtigt wurde. Hinsichtlich der Bedeutung der Streitsache für die Kläger ist die Zurückweisung ebenfalls nicht unverhältnismäßig. Nach teilweiser Klagerücknahme in der ersten Instanz betrifft der Rechtsstreit nunmehr einen Entschädigungsanspruch im Wert von weniger als 10 000 €.

11 Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.