Beschluss vom 26.06.2007 -
BVerwG 2 B 52.07ECLI:DE:BVerwG:2007:260607B2B52.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.06.2007 - 2 B 52.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:260607B2B52.07.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 52.07

  • Niedersächsisches OVG - 12.12.2006 - AZ: OVG 5 LC 53/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 003,42 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Keiner der Zulassungsgründe ist verwirklicht.

2 Als klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde die Frage,
„ob bei Auslegung von massenhaft verwendeten vorformulierten Abreden hoheitlich handelnder Rechtsträger ein Vorrangverhältnis besteht zwischen den Auslegungsmaßstäben der Wortauslegung bei eindeutigem Wortlaut, einer überwiegend an Ziel und Zweck orientierten Auslegung oder einer davon isolierten Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen, die auch für die Auslegung von Normen gelten bzw. Maßstäben und Methoden, die dem Ziel dienen, Nichtigkeit von Regelungen zu vermeiden“.

3 Die aufgeworfene Frage würde sich in dieser allgemeinen Form, bei der dem Wortlaut der auszulegenden Äußerung die - im Regelfall vorhandene - Bedeutung eines wichtigen Auslegungskriteriums zuerkannt wird, in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat bei einer nur auf den Wortlaut abhebenden Interpretation der von beiden Parteien akzeptierten Äußerung als deren Inhalt die Vereinbarung einer Geldleistung des Klägers als „Gegenleistung“ für die ihm zugesicherte Ernennung zum Beamten festgestellt. Bei diesem, durch die reine Wortauslegung gewonnenen (Zwischen)Ergebnis der Auslegung ist das Oberverwaltungsgericht indessen nicht stehengeblieben. Es hat vielmehr mittels einer auch die Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage beider Beteiligten einbeziehenden Interpretation als maßgebenden Aussagegehalt ermittelt, dass die Zahlung von 270 DM pro Monat vielmehr als „Gegenleistung“ für die Gewährleistung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gefordert und versprochen worden ist. Den Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung, der die künftige Ernennung und die versprochene Zahlung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis stellt, hat das Berufungsgericht als eine Art „falsa demonstratio“ bezeichnet.

4 Gleichfalls nicht stellen würde sich die Frage, wie sich die Eigenschaft als „hoheitlich handelnder Rechtsträger“ auf die Auslegung von Abreden auswirkt. Denn die Beklagte ist als Partner des eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses bei dessen Vereinbarung nicht als „hoheitlich handelnder Rechtsträger“ aufgetreten.

5 Die Frage, die sich demnach allenfalls stellen würde, lautet der Sache nach dahin,
ob bei Auslegung von massenhaft vorformulierten Abreden zwischen dem um eine Beschäftigung im Staatsdienst Nachsuchenden und dem Staat als Arbeitgeber und prospektivem Dienstherrn ein Vorrangverhältnis besteht zwischen einer überwiegend am Ziel und Zweck orientierten Auslegung oder einer Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen, die auch für die Auslegung von Normen gelten bzw. Maßstäben und Methoden, die dem Ziel dienen, Nichtigkeit von Regelungen zu vermeiden.

6 Diese Frage ist indessen nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie ist durch die Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89, 1381/90 und 1 BvL 11/90 - BVerfGE 88, 145 <166/167>). Zwischen dem, was von der Beschwerde als „allgemeine Grundsätze, die auch für die Auslegung von Normen gelten, bzw. Maßstäbe und Methoden, die dem Ziel dienen, die Nichtigkeit von Regelung zu vermeiden“, bezeichnet wird, und einer ziel- und zweckorientierten Auslegung besteht nicht das Verhältnis eines Vorrangs der einen Methode vor der anderen. Verfassung und Gesetz schreiben keine bestimmte Auslegungsmethode als die bei derartigen Äußerungen allein maßgebende und auch nicht den Vorrang einer bestimmten Methode vor anderen vor (BVerfG a.a.O.). Vielmehr führen die Auslegungsmethoden in ihrem Zusammenwirken, einander ergänzend und die jeweiligen Ergebnisse bestätigend und modifizierend, zur Feststellung des Inhalts der auszulegenden Äußerung.

7 Die geltend gemachte Divergenz besteht nicht.

8 Die Beschwerde sieht eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - (Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14) und von dem Beschluss des Senats vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 B 94.04 - (Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 22) darin, dass dort die vom Land Niedersachsen übernommene Verpflichtung, den zunächst als Arbeitnehmer beschäftigten Lehrer später in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen, als zentraler Punkt der Vereinbarung bezeichnet wird - so dass die versprochene Zahlung Gegenleistung für die zugesagte Beamtenernennung sei -, während das Berufungsgericht die zugesicherte Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen als zentralen Punkt und damit als die vergütete behördliche Leistung benannt habe. Mit diesem Vorbringen wird ein Auffassungsunterschied in einer Rechtsfrage nicht dargetan. Vielmehr werden die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen aufgezeigt, die sich einerseits bei dem ursprünglichen Verständnis des Berufungsgerichts vom Inhalt der Nebenabrede, das dann auch den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts als für das Revisionsgericht verbindlich zugrunde gelegt worden ist, und die andererseits sich auf der Grundlage des gewandelten Verständnisses des Berufungsgerichts ergeben.

9 Die behaupteten Verfahrensfehler fallen dem Berufungsgericht nicht zur Last.

10 Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Es trifft nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht „sich mit der vom Kläger vorgebrachten Auffassung aus der Sicht eines Absicherung auf Lebenszeit begehrenden Beamten nicht auseinandersetzt“, wie die Beschwerde vorträgt. Die Unterschiede in den Rechtsauffassungen des Klägers und der Beklagten in den Vorinstanzen betrafen vorrangig die Frage, ob die Zahlung von 270 DM im Monat durch den Kläger als Gegenleistung für die zugesagte Ernennung zum Beamten oder für die Gewährung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen auch in der Zeit vor der Begründung des Beamtenverhältnisses vereinbart worden war. Der in der Beschwerde erwähnte Wunsch des Klägers als „eines Absicherung auf Lebenszeit begehrendem Beamten“ stand damals nicht zur Debatte. Mit der Rechtsauffassung des Klägers, nach der die 270 DM als Gegenleistung für die zugesagte Ernennung zum Beamten zu zahlen waren, hat sich das Oberverwaltungsgericht als einer zentralen Frage seines Urteils ausführlich auseinandergesetzt.

11 Schließlich hat das Berufungsgericht auch seine gesetzliche Hinweispflicht nicht verletzt. Es hat den Kläger nicht im Unklaren darüber gelassen, dass es an seiner Auslegung der Nebenabrede, die es in dem gerichtlichen Beschluss vom 15. August 2005 mitgeteilt hatte und auf der dieser Beschluss beruht, unter bestimmten Umständen nicht festhalten würde. In dem genannten Beschluss hat es unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt, eine vom Wortlaut eines Vertrages abweichende Auslegung sei möglich, wenn sich ein dahingehender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen lasse, dann aber diejenige Vertragspartei, die sich auf einen derartigen abweichenden übereinstimmenden Willen berufe, für die dem zugrunde liegenden auslegungsrelevanten Umstände die Darlegungs- und Beweislast trage. Für den hier zu entscheidenden Fall hat das Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 15. August 2005 eine vom Wortlaut der Nebenabrede abweichende Auslegung abgelehnt, weil die Beklagte es an einer Darlegung habe fehlen lassen, die einen dem Wortlaut des Vertrages zuwiderlaufenden übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner aufzeigt. Diese abweichende übereinstimmende Willens- und Interessenlage beider Vertragspartner hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 6. April 2006 dargelegt. Angesichts des Hinweises im Beschluss vom 15. August 2005 auf die Voraussetzungen, unter denen die Nebenabrede in dem von der Beklagten befürworteten Sinn auszulegen sein würde, brauchte das Berufungsgericht nach Eintritt dieser Voraussetzungen nicht nochmals darauf hinzuweisen, dass die Nebenabrede nunmehr anders als bisher zu interpretieren ist.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.

Beschluss vom 28.08.2007 -
BVerwG 2 B 76.07ECLI:DE:BVerwG:2007:280807B2B76.07.0

Beschluss

BVerwG 2 B 76.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin und Dr. Heitz
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 26. Juni 2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Rüge ist nicht gerechtfertigt. Der Beschluss vom 26. Juni 2007 hat das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass dieser Beschluss auf den vom Kläger geltend gemachten Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Grundsatz der prozessualen Waffen- und Chancengleichheit nicht eingegangen ist. Das Vorbringen des Klägers zur Verletzung der Waffen- und Chancengleichheit ist nicht erheblich.

2 Die Beschwerde hatte unter Ziff. II.2 des Begründungsschriftsatzes vom 23. März 2007 es als Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gerügt, dass das Berufungsgericht die Prozessbeteiligten nicht auf die beabsichtigte Änderung seiner Auffassung zur Auslegung der Nebenabrede aufmerksam gemacht hatte. Den Wechsel im berufungsgerichtlichen Verständnis vom Inhalt der Nebenabrede hat die Beschwerde im Zuge ihrer weiteren Darlegungen u.a. deshalb als fragwürdig und angreifbar dargestellt, weil das Berufungsgericht wesentliche, seine geänderte Auffassung tragende Erklärungen der Beklagten durch einen parteiischen und gleichheitswidrigen Hinweis in seinem Beschluss vom 15. August 2005 gezielt herbeigeführt habe.

3 Im Beschluss des Senats vom 26. Juni 2007 ist im Einzelnen dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Pflicht, auf eine mögliche Änderung seiner Rechtsauffassung hinzuweisen, in der gebotenen Weise nachgekommen ist. Denn es habe in seinem Beschluss vom 15. August 2005 den engen Zusammenhang zwischen einer Übereinstimmung der Willens- und Interessenlage der Beteiligten und der Einstellungsbehörde einerseits und dem Verständnis der Nebenabrede andererseits aufgezeigt und entsprechende Darlegungen hierzu als notwendig bezeichnet. Diesem Erfordernis hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. April 2006 in der Weise entsprochen, dass sie die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts, die dieses Gericht kurz zuvor in einem Parallelverfahren zur übereinstimmenden Willens- und Interessenlage gemacht hatte, über mehrere Seiten wörtlich wiedergegeben und sich zu eigen gemacht hat. Da bereits die Darlegungen in dem von allen Beteiligten erwarteten Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Übereinstimmung der Willens- und Interessenlage ergaben, die das Berufungsgericht zum Kriterium für sein Verständnis vom Inhalt der Nebenabrede erklärt hatte, konnte die Beklagte nicht durch die beanstandete Formulierung im Beschluss vom 5. August 2005 veranlasst werden, die übereinstimmende Willens- und Interessenlage der Beteiligten in einer ihren Prozesserfolg fördernden Weise vorzutragen. Die Beklagte hat deshalb im Schriftsatz vom 6. April 2006 auch ausdrücklich erklärt, sie werde insoweit nichts vortragen, es gelten die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts.

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum GKG ergibt.