Beschluss vom 26.06.2006 -
BVerwG 8 B 4.06ECLI:DE:BVerwG:2006:260606B8B4.06.0

Beschluss

BVerwG 8 B 4.06

  • VG Potsdam - 26.10.2005 - AZ: VG 6 K 1278/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder kommt der Streitsache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, noch liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2 1. Grundsätzlich bedeutsam i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Das ist hier nicht der Fall.

3 Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die Standortgenehmigung des Ministerrates der DDR sowie die dazu erfolgten einschlägigen Beschlüsse des Rates des Bezirkes und des zuständigen Rates des Kreises zur Bebauung einer bestimmten Fläche als Beweis der Bauabsicht ausreichen oder ob hierzu zusätzlich die konkreten Baupläne vorzulegen sind.

4 Diese Frage kann die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass für den Regelfall die Bezeichnung eines Grundstücks in einer Standortgenehmigung bzw. Standortbestätigung ausreichend sein möge für eine Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz. Im vorliegenden Fall hat es aber die Besonderheit gesehen, dass für wesentliche Bereiche des Baukomplexes detaillierte Planungen vorhanden seien, während sich für das streitgegenständliche Grundstück keine Unterlagen auffinden ließen. Deshalb hat es in der konkreten, ausdrücklich als Einzelfall bezeichneten Situation weitere Nachweise gefordert, dass die enteigneten Flächen für durch das Baulandgesetz gedeckte Zwecke benötigt wurden (UA S. 10 f.).

5 Die Prüfung des Schädigungstatbestandes der unlauteren Machenschaften gemäß § 1 Abs. 3 VermG erfordert grundsätzlich eine an den Einzelumständen orientierte Beurteilung (Urteil vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160; Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6). Das schließt zwar die Zulassung von Beweiserleichterungen bei typischen Geschehensabläufen nicht aus (Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - a.a.O. m.w.N.). Ein solcher ist hier aber nicht gegeben. Die Frage, wie konkret die Pläne zur Bebauung einer enteigneten Fläche sein müssen, um nicht eine unzulässige Vorratsenteignung und damit eine Schädigung i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen, ist einer generellen Beantwortung nicht zugänglich.

6 Auch die weitere von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
wer beim Anzweifeln der Beschlüsse staatlicher Organe der DDR letztlich die Beweislast trägt,
führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.

7 Zum einen wird durch das angefochtene Urteil weder die Standortbestätigung vom 9. Juli 1987 noch die Standortgenehmigung vom 14. September 1987 angezweifelt, sondern lediglich als nicht ausreichend erachtet, um hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks eine konkrete Bebauungsplanung anzunehmen.

8 Zum anderen ist es in der Rechtsprechung geklärt, dass sich die Beweislast auch im Vermögensrecht nach den allgemeinen Regeln richtet, wonach die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen geht, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will; etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz selbst - wie im Fall des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG - eine besondere Regelung trifft (vgl. Beschluss vom 1. November 1993 - BVerwG 7 B 190.93 -
Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 11; Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 - BVerwGE 95, 289 <294> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20; Urteil vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 87.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 12). Einen darüber hinausreichenden, nicht auf die besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles abstellenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar. Da die Beigeladene die Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem Baulandgesetz für rechtsfehlerfrei hält, hätte es ihr oblegen, entsprechend konkrete Bebauungsplanungen vorzutragen.

9 2. Auch die Rüge der Beschwerde, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, der dem Verwaltungsgericht unterlaufen sei (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), führt nicht zur Zulassung der Revision.

10 Die insoweit überwiegend in Form einer Berufungsbegründung gehaltene Begründung der Beschwerde soll wohl eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts darlegen. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensmangels gehört die Darlegung, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer der Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung hätte führen können.

11 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie unterlässt es, die ermittlungsbedürftigen Tatsachen und die in Betracht kommenden Beweismittel konkret zu bezeichnen. Sie legt auch nicht dar, welche weitere Aufklärung zu den Bauplänen für das streitgegenständliche Grundstück sich dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Die schon in der ersten Instanz anwaltlich vertretene Beigeladene hat ausweislich der Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen keine Beweisanträge gestellt. Auch jetzt lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, welche weitergehenden Möglichkeiten der Sachaufklärung bestanden hätten.

12 Der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor.

13 Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2005 den Beteiligten aufgegeben worden war, zu der Frage einer möglichen Planänderung mit der Folge, dass für die Durchführung des komplexen Wohnungsbaus das Grundstück des Klägers objektiv nicht notwendig gewesen sei, Stellung zu nehmen, musste die Beigeladene insoweit mit neuem Sachvortrag rechnen. Die auf den Aufklärungsbeschluss ergangene Mitteilung des Klägers über seine Recherchen zu den Bebauungsabsichten für das streitgegenständliche Grundstück erfolgte mit Schriftsatz vom 5. September 2005, der dem Bevollmächtigten der Beigeladenen am 12. September 2005 übersandt wurde (GA Bl. 220 R). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2005 wurden dem Bevollmächtigten der Beigeladenen die Absteckpläne am 24. Oktober 2005 zugänglich gemacht. Da sich aus diesen Plänen für das streitgegenständliche Grundstück keine wesentlichen Bauplanungen entnehmen lassen, enthalten sie keine den Beteiligten bis dahin nicht bekannte Tatsachen. Denn Unterlagen mit konkreten Bebauungsplanungen für das streitgegenständliche Grundstück lagen auch bis dahin nicht vor. Es ist Sinn und Zweck der mündlichen Verhandlung, die Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu erörtern und damit die Grundlage für die Entscheidung des Gerichtes zu schaffen. Das hat ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2005 auch und gerade im Hinblick auf die sog. Absteckpläne ausführlich stattgefunden. Das Verwaltungsgericht konnte deshalb rechtsfehlerfrei die begehrte Schriftsatzfrist ablehnen.

14 Im Übrigen lässt die Beschwerde nicht erkennen, was die Beigeladene bei Gewährung einer Schriftsatzfrist noch vorgetragen hätte und inwieweit dies auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Einfluss hätte sein können.

15 Weder der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) noch die Erörterungspflicht (§ 104 Abs. 1 VwGO) zwingt das Gericht, den Beteiligten vor der Entscheidung mitzuteilen, von welcher Rechtsauffassung es ausgeht oder wie es den vorgetragenen Sachverhalt würdigt (vgl. Beschluss vom 11. März 2005 - BVerwG 8 B 2.05 - m.w.N.).

16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 4 GKG.