Beschluss vom 26.02.2013 -
BVerwG 1 WB 17.12ECLI:DE:BVerwG:2013:260213B1WB17.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.02.2013 - 1 WB 17.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:260213B1WB17.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 17.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Fuhrmann und
den ehrenamtlichen Richter Stabsarzt Schura
am 26. Februar 2013 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160.

2 Der 1968 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. August 2024. Er wurde am 25. Juli 2003 zum Hauptmann ernannt und mit Wirkung vom 1. Juli 2003 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Im Anschluss an seine Ausbildung zum Transportflugzeugführeroffizier auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160 wurde er seit dem 1. Oktober 1996 auf einem entsprechenden Dienstposten in der ... Fliegenden Staffel des Lufttransportgeschwaders ... in P. verwendet. Dieser Dienstposten erfordert eine positiv abgeschlossene erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).

3 Am 2. März 1993 erhielt der Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160, eingetragen in seinem Militärluftfahrzeugführerschein (MFS) Nr. ...

4 Mit Bescheiden vom 16. und 18. August 2010 teilte der Bundesminister der Verteidigung - Geheimschutzbeauftragter Org 6 - dem Antragsteller bei gleichzeitiger Zuerkennung (unter Auflagen) der einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1/Sabotageschutz) mit, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach Nr. 2503 ZDv 2/30 ein Sicherheitsrisiko darstellten. Das dem Antragsteller am 11. Oktober 2010 eröffnete und von ihm nicht angefochtene Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung ist seit dem 12. November 2010 bestandskräftig.

5 Unter Hinweis auf diese Bescheide beantragte der Kommodore des Lufttransportgeschwaders ... mit Schreiben vom 11. Februar 2011 den Widerruf der dem Antragsteller erteilten Erlaubnis/Berechtigungen für Luftfahrzeugbesatzungsangehörige der Bundeswehr. Er stellte fest, dass der Antragsteller keinen Sicherheitsüberprüfungsstatus zum Verschlusssachenschutz mehr besitze, und verhängte gegen ihn ein Flugverbot. Den Militärluftfahrzeugführerschein mit Beiblatt F Nr. ... nebst der Musterberechtigung TRANSALL C-160, der Instrumentenflugberechtigung, der Langstreckenflugberechtigung, der Nachprüfflugberechtigung und der Kommandantenberechtigung zog er ein und nahm diese Unterlagen zur Fliegerischen Akte des Antragstellers.

6 Nach Anhörung des Antragstellers widerrief der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos mit Bescheid vom 4. Mai 2011 gemäß Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 dessen Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160. Die bestandskräftige Feststellung eines Sicherheitsrisikos und der Verlust des - von der Dienstpostenbeschreibung geforderten - Sicherheitsüberprüfungsstatus im Bereich des Verschlusssachenschutzes schließe eine Tätigkeit als Luftfahrzeugführer an Bord eines Luftfahrzeugs der Bundeswehr aus. Daran könne auch der Vortrag des Antragstellers, dass an 583 ISAF-Einsatztagen in puncto Flugsicherheit stets alles korrekt verlaufen sei, nichts ändern.

7 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 9. Juni 2011 Beschwerde. Zur Begründung machte er geltend, dass die maßgeblichen Vorschriften unzulässigerweise rückwirkend zu seinen Lasten geändert worden seien und im Übrigen die Sicherheitsüberprüfungsbestimmungen der Bundeswehr nichts mit den allgemeinen Flugsicherheitsbestimmungen zu tun hätten.

8 Mit Bescheid vom 13. September 2011, eröffnet am 10. Oktober 2011, wies der Inspekteur der Luftwaffe die Beschwerde zurück. In der Begründung wies er unter anderem darauf hin, dass Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 hinsichtlich der zum Widerruf verpflichtenden Voraussetzungen unverändert geblieben sei; lediglich der Wortlaut des angeführten Regelbeispiels sei dem aktuellen Wortlaut der Sicherheitsvorschriften angepasst worden. Vor diesem Hintergrund habe Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 bereits in der Vergangenheit den Widerruf einer Erlaubnis im Falle des Entzugs des erforderlichen Sicherheitsüberprüfungsstatus (VS) zugelassen.

9 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 8. November 2011 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde. Der Sicherheitsüberprüfungsstatus sei ausschließlich aufgrund „nichtfliegerischer Ereignisse“ während seines Aufenthaltes in Termez/Usbekistan, die bis in das Jahr 2004 zurückgingen, entzogen worden. Die Sicherheitsbedenken, die dem Widerruf zugrunde lägen, beträfen damit allein den internen Dienstbetrieb der Bundeswehr und stünden nicht im Zusammenhang mit den Bestimmungen des zivilen Luftverkehrs. Im Zusammenhang mit der Sicherheitsüberprüfung stehende Vorfälle hätten mit dem Sinn und Zweck des Luftverkehrsgesetzes nichts zu tun.

10 Mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die weitere Beschwerde zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Bestimmungen der ZDv 19/11 zulässigerweise aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG erlassen worden seien. Mit dem bestandskräftigen Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 16. August 2010 gelte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos für die Dauer von fünf Jahren. Damit seien die Voraussetzungen für einen Widerruf der dem Antragsteller erteilten Erlaubnis gemäß Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 erfüllt. Der Widerruf stehe nicht im Ermessen der zuständigen Stelle, sondern sei als gebundene Entscheidung zwingend vorgeschrieben. Auf die Umstände, die zur Feststellung des Sicherheitsrisikos geführt hätten, komme es im vorliegenden Verfahren nicht mehr an, weil der Antragsteller gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten keinen Rechtsbehelf eingelegt habe. Unerheblich sei auch der Einwand, dass lediglich interne Sicherheitsbedenken ohne Auswirkungen auf die fliegerische Verwendung vorlägen und die für den Widerruf des Sicherheitsüberprüfungsstatus entscheidenden Aspekte nicht mit den Risiken des zivilen Luftverkehrs korrespondierten. Der gesetzliche Tatbestand des § 30 LuftVG fordere lediglich, dass die vom Luftverkehrsgesetz oder der Luftverkehrszulassungsordnung abweichenden Regelungen durch den Bundesminister der Verteidigung zur Erfüllung der besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit erforderlich seien. Der Sicherheitsüberprüfungsstatus nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz sei eine gesetzliche Vorgabe auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit, die zur Erfüllung der besonderen Aufgaben als Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger der Bundeswehr erforderlich sei.

11 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. Januar 2012 beantragte der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 (jetzt: R II 2) - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 21. März 2012 dem Senat vor.

12 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die angefochtene Entscheidung sei weder sach- noch ermessensgerecht; sie verkenne, dass die allgemeine Flugsicherheit zu keiner Zeit berührt worden sei. Es sei schon nicht nachvollziehbar, dass die Regelungen der ZDv 19/11 Vorrang vor § 29 LuftVZO haben sollten, dessen Widerrufsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Bereits im Beschwerdeverfahren habe er betont, dass der bis in das Jahr 2004 zurückreichende Sachverhalt keine fliegerischen Ereignisse betreffe. Flugsicherheitsgefährdende Tatsachen gebe es nicht. Er weise auch keine gravierenden charakterlichen Schwächen auf. Mit den rein militärischen Regelungen der ZDv 19/11 werde über das Luftsicherheitsgesetz in den insoweit nicht zugänglichen Regelungsbereich des Luftverkehrsgesetzes zu seinen Lasten eingegriffen. Die Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes würden in unzulässiger Form durch rein militärische Sicherheitsbedenken überlagert.

13 Der Antragsteller beantragt,
die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Dezember 2011 aufzuheben,
hilfsweise,
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Beschwerde vom 9. Juni 2011 erneut zu bescheiden.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Er verteidigt seinen Beschwerdebescheid und weist ergänzend darauf hin, dass der vom Antragsteller bestrittene Vorrang der ZDv 19/11 gegenüber § 29 LuftVZO unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 30 LuftVG hervorgehe, die die Bundeswehr berechtige, unter anderem beim Widerruf von Erlaubnissen zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr von § 4 LuftVG und von den Regelungen der Luftverkehrszulassungsordnung abzuweichen. Entgegen der Darstellung des Antragstellers sei auch kein rückwirkender Widerrufsgrund in die Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 einfügt worden; vielmehr sei dieser Widerrufsgrund auch schon vor der 4. Änderung der ZDv 19/11 vom 21. Oktober 2010 dem Grunde nach vorhanden gewesen. Die vom Antragsteller beanstandete Überlagerung der Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes durch militärische Sicherheitsbedenken erfolge zum Zweck der Erfüllung der besonderen Aufgaben der Bundeswehr unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und bewege sich damit innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Tatbestands.

16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Luftwaffenführungskommandos - Az.: ... -, die Beschwerdeakten des Führungsstabes der Luftwaffe/Rechtsberater - Az.: B ... und des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - sowie die Fliegerische Akte und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

18 1. Für die Überprüfung des Entzugs einer Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier zum Bundesverwaltungsgericht als sachlich zuständigem Gericht (§ 21 Abs. 1 WBO) - eröffnet (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 46.06 - BVerwGE 129, 355 = Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 7 Rn. 21). Militärische Erlaubnisse, deren Vorliegen Voraussetzung für eine bestimmte Verwendung ist, stehen in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit dieser Verwendung. Streitigkeiten über die Erteilung oder den Widerruf bzw. das Ruhen solcher Erlaubnisse betreffen deshalb - ebenso wie Streitigkeiten über die entsprechende Verwendungsentscheidung (vgl. dazu Beschluss vom 26. Oktober 2012 - BVerwG 1 WDS-VR 6.12 und 1 WDS-VR 7.12 -) - truppendienstliche Maßnahmen; sie sind nicht vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten, sondern vor den Wehrdienstgerichten zu führen.

19 2. Der Hauptantrag, die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Dezember 2011 aufzuheben, bezieht sich ersichtlich auf den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung. Dieser Antrag ist unzulässig.

20 In der Regel ist Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO - hier in Verbindung mit § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WBO - die ursprünglich mit der Beschwerde bzw. mit der weiteren Beschwerde angefochtene Maßnahme oder Unterlassung in der Gestalt, die sie durch den Beschwerdebescheid gefunden hat. Ausnahmsweise ist allein der Beschwerdebescheid Gegenstand des Antrags, wenn er den Beschwerdeführer erstmalig beschwert (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 61.05 -, vom 9. März 2006 - BVerwG 1 WB 52.05 -, vom 26. Juni 2012 - BVerwG 1 WB 18.12 - und vom 17. Juli 2012 - BVerwG 1 WB 66.11 -). Der strittige Widerruf der dem Antragsteller erteilten Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160 war bereits Regelungsinhalt des angefochtenen Widerrufsbescheids und des Beschwerdebescheids des Inspekteurs der Luftwaffe. Deshalb beschwert der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Dezember 2011 den Antragsteller nicht erstmalig.

21 3. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unzulässig.

22 Der Hilfsantrag ist mit dem Wunsch, die Beschwerde des Antragstellers vom 9. Juni 2011 erneut zu bescheiden, auf ein Verpflichtungsbegehren gerichtet, das hier jedoch nicht in Betracht kommt. Die richtige Antragsart im vorliegenden Fall ist vielmehr der Anfechtungsantrag, weil sich der Antragsteller gegen die ihn belastende Widerrufsentscheidung des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos vom 2. Mai 2011 wendet. Allein mit deren Aufhebung wäre dem Rechtsschutzanliegen des Antragstellers Rechnung getragen, weil die strittige Erlaubnis dann weiter gelten würde.

23 4. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn der Hauptantrag sach- und interessengerecht erweiternd dahin auszulegen wäre, dass der Antragsteller auch die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos vom 4. Mai 2011 und des Beschwerdebescheids des Inspekteurs der Luftwaffe vom 13. September 2011 beantragt.

24 Die Entscheidung des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos, die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160 zu widerrufen, in der Gestalt der Beschwerdebescheide des Inspekteurs der Luftwaffe und des Bundesministers der Verteidigung vom 13. September 2011 und vom 7. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

25 a) Die Bundeswehr kann gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) von den Vorschriften des Ersten Abschnitts dieses Gesetzes - ausgenommen die §§ 12, 13 und 15 bis 19 - sowie von den zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften - insbesondere der Luftverkehrszulassungsordnung - abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung hat der Bundesminister der Verteidigung die „Zulassungsordnung für Luftfahrzeugbesatzungsangehörige der Bundeswehr“ (ZDv 19/11) vom 27. März 2008 erlassen. Sie sieht u.a. spezielle Regelungen für den Widerruf, die Anordnung des Ruhens oder die Beschränkung von Erlaubnissen bzw. Berechtigungen vor, die im militärischen Bereich an die Stelle der für den zivilen Luftverkehr geltenden Vorschriften über den Widerruf und das Ruhen der Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 und 3 LuftVG, § 29 LuftVZO) treten.

26 Danach sind Erlaubnisse und Berechtigungen zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr unter anderem dann zu widerrufen, wenn andere Tatsachen die weitere Verwendung als Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger (LFB) ausschließen (Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11). Als Beispiel für diesen Widerrufsgrund nennt Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 in der Fassung der 4. Änderung vom 21. Dezember 2010 den „Entzug des jeweils erforderlichen Sicherheitsüberprüfungsstatus (VS)“. Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 enthielt auch zuvor denselben Widerrufsgrund, in der Fassung der 2. Änderung vom 30. Dezember 2008 allerdings mit dem Beispiel „Entzug des Sicherheitsbescheides“. Die Neuformulierung des Beispiels durch die 4. Änderung der ZDv 19/11 ist lediglich redaktioneller Natur. Sie ermöglicht ebenso wie die frühere Fassung der Vorschrift den Widerruf einer Erlaubnis, wenn für den LFB in der für seine Verwendung erforderlichen Stufe eine Sicherheitsüberprüfung nicht positiv, sondern mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden ist.

27 Die Vorschrift in Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG. Danach ist die Bundeswehr ermächtigt, von den in § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG genannten Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes und der Luftverkehrszulassungsordnung abzuweichen. Dadurch ist sie zugleich ermächtigt, den Katalog der Widerrufsgründe, die in § 4 Abs. 1, Abs. 3 LuftVG (und in § 29 LuftVZO) aufgezählt sind, zu ändern und/oder zu erweitern. Abweichungen bezüglich der möglichen Widerrufsgründe sind der Bundeswehr materiellrechtlich nicht freigestellt; sie müssen sich am Schutzzweck des § 4 Abs. 1 LuftVG orientieren. Dieser ist darauf gerichtet, Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs zu vermeiden (Beschluss vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 46.06 - a.a.O. Rn. 27). Das hat der Erlassgeber in den Regelungen in Nr. 146 und Nr. 147 ZDv 19/11 beachtet. Den Parameter der „Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs“ übernimmt Nr. 146 ZDv 19/11 ausdrücklich, wo es heißt, dass der Widerruf, die Anordnung des Ruhens auf Zeit, die Beschränkung einer Erlaubnis bzw. Berechtigung auf bestimmte Tätigkeiten sowie die Anordnung einer Nachschulung mit anschließender Überprüfung ausschließlich als Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs zulässig sind. In Nr. 147 ZDv 19/11 wird dieser Parameter in einzelnen Widerrufsgründen umgesetzt.

28 Der Begriff der Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs findet seine Ausprägung in Regelungen des Luftverkehrsgesetzes zur Beherrschung betriebsbedingter („innerer“) Gefahren („aviation safety“) und zur Abwehr betriebsfremder („äußerer“) Gefahren („aviation security“) (dazu im Einzelnen: Wysk in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: Juli 2012, Einleitung, Rn. 211, 213; vgl. auch Bayerischer VGH, Urteil vom 31. Juli 2007 - 8 B 06.953 - juris Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. November 2010 - OVG 12 N 71.10 - juris Rn. 5). In den Bereich der „aviation safety“ gehören unter anderem die luftverkehrsrechtlichen Erlaubnispflichten für Personen; im Bereich der „aviation security“ sind unter anderem die Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes angesiedelt, insbesondere die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG. § 7 LuftSiG wird über § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Halbsatz LuftVG in den Katalog der Voraussetzungen für die Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis inkorporiert. Vor diesem Hintergrund stellt Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 eine Art Generalklausel dar, mit der die Komponenten der „aviation safety“ und der „aviation security“, soweit sie für den Regelungsbereich des Widerrufs von Erlaubnissen und Berechtigungen nicht bereits in den speziellen Vorschriften in der 1. bis 5. Strichaufzählung abgebildet sind, in Nr. 147 ZDv 19/11 übernommen werden.

29 Mit dem Widerrufsgrund „andere(r) Tatsachen (, die) die weitere Verwendung als LFB ausschließen“, und mit dem Beispiel des Entzugs des jeweils erforderlichen Sicherheitsüberprüfungsstatus (VS) hat das Bundesministerium der Verteidigung als Erlassgeber die materiellen Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung des § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG („zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“) nicht überschritten. Der für eine militärische Verwendung als LFB erforderliche Sicherheitsüberprüfungsstatus richtet sich nach der Organisationsentscheidung des Bundesministers der Verteidigung, für welche konkreten Verwendungen eines Soldaten und in welchem Umfang er zwingend eine bestimmte Sicherheitsüberprüfungsstufe verlangt, und nach den Bestimmungen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes. Dieses Gesetz bezieht sich ausdrücklich auf „Verwendungen“, indem es auf die Notwendigkeit einer Sicherheitsüberprüfung bei der Wahrnehmung von sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten verweist (z.B. § 2 Abs. 1, § 6 und § 16 SÜG). Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz stellt ein Regelungswerk im Kernbereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, dessen inhaltliche Ausfüllung und Vollzug deshalb federführend dem Bundesministerium des Innern übertragen sind (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 17 und § 35 Abs. 1 SÜG).

30 Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in der Person eines Soldaten begründet danach - unabhängig von den Gründen für die Feststellung - eine luftverkehrsrechtlich relevante Gefahr. Einem Soldaten, der nicht den für den Einsatz als LFB erforderlichen Sicherheitsüberprüfungsstatus (VS) hat, ist der Zugang zu Verschlusssachen versagt, deren Inhalt u.a. für die Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs relevant sein kann. Da der Erlaubnisvorbehalt nach dem Luftverkehrsgesetz einen umfassenden präventiven Charakter aufweist, kommt es bei der Frage des erforderlichen Sicherheitsüberprüfungsstatus nicht darauf an, welche konkreten Einsätze der betreffende Soldat fliegt oder geflogen ist.

31 b) Die Anwendung der Bestimmung in Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 auf den Fall des Antragstellers ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Widerrufsentscheidung des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos weist keine Ermessensfehler auf.

32 Der bestandskräftige Bescheid des Bundesministers der Verteidigung - Geheimschutzbeauftragter Org 6 - vom 16. August 2010 über die Sicherheitsüberprüfung Ü 2 stellt eine Tatsache dar, die die weitere Verwendung des Antragstellers als LFB ausschließt. Für seine Tätigkeit als Transportflugzeugführeroffizier auf dem Luftfahrzeugmuster TRANSALL C-160 ist eine positiv abgeschlossene erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) erforderlich. Die strittige Erlaubnis des Antragstellers war danach zwingend zu widerrufen. Die Änderung des Beispiels im Klammerzusatz in Nr. 147 6. Strichaufzählung ZDv 19/11 durch die 4. Änderung vom 21. Dezember 2010 hat - wie oben dargelegt - den materiellen Inhalt dieses Widerrufsgrundes nicht geändert. Deshalb geht das Vorbringen des Antragstellers zu einer angeblich rückwirkenden Änderung und Verschärfung der Widerrufsgründe fehl.

33 Ohne Rechtsfehler hat der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall im Sinne der Nr. 148 ZDv 19/11 im Fall des Antragstellers nicht erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung kann in begründeten Ausnahmefällen anstelle des Widerrufs das Ruhen der Erlaubnis bzw. Berechtigung für die Dauer von drei bis zwölf Monaten angeordnet werden, sofern dies ausreicht, um die Sicherheit des Luftverkehrs aufrechtzuerhalten. Die zugrunde liegende Feststellung eines Sicherheitsrisikos der Stufe Ü 2 misst sich eine Geltungsdauer von fünf Jahren bei. Vor diesem Hintergrund kam ein befristetes Ruhen der Erlaubnis des Antragstellers für die Dauer von maximal zwölf Monaten nicht in Betracht.

34 Mit seinen Einwendungen gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos kann der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden. Dieses Vorbringen hätte er in einem Anfechtungsverfahren gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 16. August 2010 geltend machen müssen.