Beschluss vom 26.02.2008 -
BVerwG 1 B 64.07ECLI:DE:BVerwG:2008:260208B1B64.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.02.2008 - 1 B 64.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:260208B1B64.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 64.07

  • Hessischer VGH - 25.06.2007 - AZ: VGH 11 UE 2811/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2008
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2007 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet. Seine auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

3 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangen die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, der in einem Revisionsverfahren entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen würde, sowie einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.

4 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die erhöhten Anforderungen an Ausweisungen, die das Gericht für EU-Bürger verlangt, auch für den Antragsteller als türkischen Staatsangehörigen, dem der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zusteht, für eine solch einschneidende Maßnahme wie eine Ausweisung auf Lebenszeit vorliegen müssen“. Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird eine entscheidungserhebliche Frage des revisiblen Rechts nicht dargetan. Das Berufungsgericht ist zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, und damit auch im Fall des Klägers Anwendung findet (UA S. 11). Folglich war die aufgeworfene Frage für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Soweit die Beschwerde der Auffassung ist, das Berufungsgericht habe die in dieser Richtlinie aufgestellten Grundsätze auf den konkreten Rechtsfall nicht richtig angewandt, wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargelegt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausführungen, das Berufungsgericht sei im konkreten Fall zu Unrecht von einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung und vom Vorliegen zwingender, eine Ausweisung rechtfertigender Gründe der öffentlichen Sicherheit ausgegangen. Insoweit beschränkt sich die Beschwerde auf allgemeine Angriffe gegen das Berufungsurteil, ohne eine konkrete für die Revision entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen und ihre Klärungsbedürftigkeit darzulegen.

5 2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz nennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die dortige Entscheidung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift tragenden Rechtssatz widersprochen hat.

6 In diesem Sinne rügt die Beschwerde eine Abweichung insbesondere vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - (BVerwGE 121, 297) und verweist in dem Zusammenhang auf die in dieser Entscheidung entwickelten Rechtssätze zur Ausweisung von Unionsbürgern und deren Übertragbarkeit auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Sie legt aber nicht näher dar, welchen hiervon abweichenden Rechtssatz das Berufungsgericht aufgestellt haben soll. Stattdessen versucht die Beschwerde in der Art einer Berufungs- bzw. Revisionsbegründung auszuführen, warum die angefochtene Berufungsentscheidung ihrer Auffassung nach bei Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze keinen Bestand haben kann. Dies genügt nicht den dargelegten Darlegungsanforderungen, da allein eine fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze keine Divergenz begründen würde.

7 3. Soweit die Beschwerde im Übrigen der Sache nach eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Berufungsgericht wegen der unterbliebenen persönlichen Anhörung des Klägers und der Nichteinholung weiterer Stellungnahmen und Gutachten rügt, genügt das Vorbringen ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Ein Verfahrensmangel ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dies erfordert bei der Behauptung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz u.a. die - vorliegend unterbliebene - Darlegung, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.