Beschluss vom 25.06.2009 -
BVerwG 6 PB 14.09ECLI:DE:BVerwG:2009:250609B6PB14.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.06.2009 - 6 PB 14.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:250609B6PB14.09.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 14.09

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 28.10.2008 - AZ: OVG 11 LB 2/08

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:

  1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen/Bund - vom 28. Oktober 2008 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1 Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat Erfolg.

2 1. Die in der Beschwerdebegründung ausdrücklich erhobene Grundsatzrüge ist allerdings unzulässig, weil den Anforderungen nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG nicht genügt wird. Danach muss die Beschwerdebegründung die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und ihrer Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dies erfordert, dass der Beschwerdeführer die durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret benennt und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung oder ihre Auswirkung auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzeigt. Der Inhalt der zu klärenden Rechtsfrage muss der Beschwerdebegründung zweifelsfrei zu entnehmen sein. Anderenfalls kann die Klärungsbedürftigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage nicht beurteilt werden (vgl. Beschluss vom 3. April 2008 - BVerwG 6 PB 2.08 - juris Rn. 4).

3 a) In der Beschwerdebegründung fehlt es bereits an der konkreten Benennung einer durch den angefochtenen Beschluss aufgeworfenen Rechtsfrage, die sich im Rechtsbeschwerdeverfahren eindeutig beantworten lässt. Vielmehr erschöpfen sich die Ausführungen der Antragstellerin im Wesentlichen darin, die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Einzelfalls durch das Oberverwaltungsgericht zu kritisieren.

4 b) Falls man der Beschwerdebegründung die Benennung einer Rechtsfrage noch entnehmen kann, so fehlt es jedenfalls an der Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Zur Frage des ausbildungsadäquaten Arbeitsplatzes und zur diesbezüglichen Definitionskompetenz des öffentlichen Arbeitgebers liegt einschlägige Senatsrechtsprechung vor, die im erstinstanzlichen Beschluss zitiert bzw. von der Antragstellerin selbst im Anhörungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt wurde (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2005 - BVerwG 6 P 3.05 - BVerwGE 124, 292 <295 f., 300 f., 302 f., 307> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 Rn. 19, 30, 32, 42 und vom 11. März 2008 - BVerwG 6 PB 16.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 30 Rn. 8). Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung geben nicht zu erkennen, dass sich die im vorliegenden Fall etwa aufgeworfenen Fragen nicht anhand der zitierten Senatsrechtsprechung beantworten lassen.

5 c) Schließlich wird in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, dass eine durch den angefochtenen Beschluss etwa aufgeworfene Rechtsfrage sich auf die Interessen eines größeren Teils der Allgemeinheit auswirkt.

6 2. Dagegen hat die in der Beschwerdebegründung sinngemäß enthaltene Gehörsrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG Erfolg.

7 a) Die Antragstellerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit ihren Ausführungen in der Begründung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss „nur lapidar“ befasst und insbesondere ihre tarifrechtliche Argumentation nicht gewürdigt. Damit beanstandet sie der Sache nach, das Oberverwaltungsgericht habe ihre Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen. Darin liegt eine Gehörsrüge im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG. Die Antragstellerin zeigt auf, mit welchen von ihr vorgebrachten Gesichtspunkten das Oberverwaltungsgericht sich hätte befassen müssen, und gibt zumindest konkludent zu erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung ihres Vortrages zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen. Damit ist den Darlegungsanforderungen nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 92a Satz 2 ArbGG Rechnung getragen.

8 b) Die Gehörsrüge ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).

9 Dieser Anspruch verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Verpflichtung genügen. Sie brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Der Senat kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Solche Umstände liegen hier vor.

10 aa) Das Verwaltungsgericht hat im erstinstanzlichen Beschluss den Dienstposten TE 110 Z 235 als ausbildungsadäquat betrachtet. Es hat dabei als unstreitig angenommen, dass der Beteiligte zu 1 die auf dem Dienstposten erforderliche Arbeit leisten kann.

11 bb) Dem ist die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 29. Januar 2008 entschieden entgegengetreten. Sie hat zur Begründung eine Tätigkeitsdarstellung für den Dienstposten vom 31. Januar 2007 beigefügt. Unter deren Nummer 8 sind folgende tariflich geforderte persönliche Voraussetzungen aufgeführt: „Abgeschlossene Ausbildung als technischer Zeichner/Zerspanungsmechaniker, staatlich geprüfter Techniker - Fachrichtung Maschinenbau, Berufserfahrung als Detailkonstrukteur“. Nach Nummer 13 der Tätigkeitsdarstellung werden die auf dem Dienstposten anfallenden Arbeitsvorgänge zu 75 % dem Tarifmerkmal „Staatlich geprüfte Techniker bzw. Techniker mit staatlicher Abschlussprüfung nach Nr. 3 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen und entsprechender Tätigkeit, die überwiegend selbständig tätig sind“ nach Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 Teil II Abschn. L Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT und zu 25 % dem Tarifmerkmal „Tätigkeiten eines Zeichners mit entsprechender Abschlussprüfung, deren Ausübung überwiegend besondere Leistungen erfordert“ nach Vergütungsgruppe VIb Teil II Abschn. L Unterabschn. IV der Anlage 1a zum BAT zugeordnet. Nach Nummer 3 der Vorbemerkung zu allen Vergütungsgruppen werden unter „staatlich geprüften Technikern“ bzw. „Technikern mit staatlicher Abschlussprüfung“ Arbeitnehmer verstanden, die entweder eine dort näher bezeichnete Technikerausbildung oder eine zweijährige Fachschulausbildung erfolgreich abgeschlossen und jeweils die Berechtigung zur Führung der entsprechenden Berufsbezeichnung erworben haben. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Berufsanfänger wie der Beteiligte zu 1 mit bestandener Abschlussprüfung als Technischer Zeichner üblicherweise in Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1 Teil II Abschn. L Unterabschn. IV der Anlage 1a zum BAT eingruppiert sind, also mindestens drei Vergütungsgruppen unterhalb des hier fraglichen, nach Vergütungsgruppe Vc bewerteten Dienstpostens.

12 cc) Das Oberverwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss nach Wiedergabe des Textes von § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG auf folgende knappe Begründung beschränkt: „Letzteres hat die Antragstellerin vergeblich darzulegen versucht. Wenn die bestehende Beschäftigungsmöglichkeit - wie hier - vakant ist, genügt, dass der Arbeitnehmer in die damit verbundenen Aufgaben von seiner Ausbildung her ‚hineinwachsen’ kann. Darauf stützen sich die Beteiligten zu Recht.“

13 (1) Der rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts ist zwar durchaus zutreffend. Ein Arbeitsplatz ist auch dann ausbildungsadäquat, d.h. der Qualifikation des Jugendvertreters entsprechend (vgl. Beschluss vom 1. November 2005 a.a.O. S. 303 bzw. Rn. 33), wenn dieser nicht alle gestellten Anforderungen von vornherein erfüllt, sondern dafür die für einen Berufsanfänger typische und angemessene Zeit zur Sammlung praktischer Erfahrungen benötigt.

14 (2) Damit trifft das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht den Vortrag der Antragstellerin im zweitinstanzlichen Verfahren. Der Sache nach hat diese geltend gemacht, der Beteiligte zu 1 sei mit dem Anforderungsprofil des fraglichen Dienstpostens vollständig überfordert, weil er dafür eine zusätzliche berufliche Qualifikation und darüber hinaus im erlernten Beruf mehrjährige berufliche Erfahrungen benötige. Damit hat sie nicht die für einen Berufsanfänger typischen Einarbeitungs- und Anpassungsprobleme, sondern ein strukturelles Qualifikationsdefizit angesprochen. Auf diesen Vortrag passt die Formel vom „Hineinwachsen“ nicht. Wenn das Oberverwaltungsgericht sie dennoch dem Auflösungsbegehren der Antragstellerin entgegengesetzt hat, so lässt dies darauf schließen, dass es deren Beschwerdevorbringen nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls aber nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hat.

15 dd) Der festzustellende Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberverwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es den Vortrag der Antragstellerin zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte.

16 3. Der Senat macht von seinem Ermessen Gebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 72a Abs. 7, § 92a Satz 2 ArbGG). Die Heilung des festgestellten Gehörsverstoßes durch Nachholung tatsächlicher Würdigung ist dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten. Dass die vorliegende Sache in der Senatsrechtsprechung bisher ungeklärte Rechtsfragen aufwirft, ist nicht ersichtlich.