Beschluss vom 25.05.2016 -
BVerwG 1 B 49.16ECLI:DE:BVerwG:2016:250516B1B49.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.05.2016 - 1 B 49.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:250516B1B49.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 49.16

  • VG Berlin - 25.02.2015 - AZ: VG 24 K 14.15
  • OVG Berlin-Brandenburg - 07.01.2016 - AZ: OVG 7 B 14.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Mai 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Soweit die Beschwerde der Auffassung ist, dass die Revision nicht nur wegen grundsätzlicher Bedeutung, sondern "nach § 543 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO" auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen sei, verkennt sie, dass die Zulassungsgründe für eine Revision im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abschließend in § 132 Abs. 2 VwGO geregelt sind.

3 2. Die Beschwerde hat aber auch keinen Erfolg, soweit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und damit ein in § 132 Abs. 2 VwGO aufgeführter Zulassungsgrund geltend gemacht wird.

4 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

5 2.1 Soweit die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
ob eine "Eindeutigkeit der Zulassungsbeschränkung vorliegt, wenn das Gericht diesbezüglich Bedenken hat und zur Entscheidungsfindung eine Äußerungsfrist gewährt",
kann dahinstehen, ob die Beschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO genügt. Denn der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die Voraussetzungen für eine wirksame Beschränkung der Rechtsmittelzulassung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sind. Danach ist der Umfang der Rechtsmittelzulassung auf der Grundlage des geltenden Prozessrechts durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist das Gebot der Rechtsmittelklarheit zu berücksichtigen. Auch wenn sich - wie hier - weder aus dem Urteilstenor noch aus der Rechtsmittelbelehrung ein Anhalt für eine nur teilweise Zulassung entnehmen lässt, ist im Verwaltungsprozess von einer wirksamen Beschränkung der Rechtsmittelzulassung gleichwohl auszugehen, wenn sie prozessual zulässig ist und sie sich aus der Begründung für die Zulassung des Rechtsmittels eindeutig ergibt. Letzteres ist durch Auslegung aller maßgebenden Umstände, insbesondere der Zulassungsgründe zu ermitteln (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. September 1992 - 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 und vom 19. April 2011 - 1 C 3.10 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 16 jeweils m.w.N.). Hierdurch wird der Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. November 2009 - 1 BvR 2298/09 - juris).

6 Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf macht die Beschwerde nicht geltend. Soweit sie der Auffassung ist, dass unter den hier gegebenen Umständen von einer uneingeschränkten Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht auszugehen sei und das Berufungsgericht die Berufung deshalb nicht durch Prozessurteil hätte verwerfen dürfen, kann das Vorbringen auch nicht mit Erfolg in eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) umgedeutet werden. Entscheidet ein Gericht durch Prozess- statt durch Sachurteil kann darin ein Verfahrensfehler liegen, wenn die Entscheidung auf der fehlerhaften Anwendung prozessualer Vorschriften beruht (BVerwG, Beschluss vom 14. April 2016 - 1 B 3.16 - juris m.w.N.). Dies ist hier aber nicht der Fall.

7 Die Klägerin hat mit ihrer sowohl auf Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Abschiebung als auch auf ihre Rückführung nach Deutschland gerichteten Klage im Wege der Klagehäufung zwei prozessual selbständige Ansprüche geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Abschiebung rechtswidrig war. Einen Anspruch auf Rückführung im Wege der Folgenbeseitigung hat es hingegen verneint. Die Zulassung der Berufung hat es damit begründet, dass sich nach den Feststellungen der Kammer die über den Einzelfall hinausgehende, im Hinblick auf die Verwaltungspraxis der Beklagten bestehende Rechts- und Tatsachenfrage stelle, inwieweit im Falle einer Direktabschiebung ohne richterliche Haftanordnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen sei. Diese Frage bezieht sich allein auf die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Abschiebung und war damit - nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - eindeutig nur für das Feststellungsbegehren der Klägerin, nicht hingegen für den vom Verwaltungsgericht - ungeachtet der von ihm angenommenen Rechtswidrigkeit der Abschiebung - verneinten Folgenbeseitigungsanspruch entscheidungserheblich. Allein gegen diesen, die Klage abweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils richtete sich indes die Berufung der Klägerin. Dass das Berufungsgericht der Klägerin vor der Verwerfung der Berufung unter Hinweis auf seine vorläufige Rechtsauffassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, war allein dem Gebot rechtlichen Gehörs geschuldet und hindert nicht eine Bewertung, in der zur Zulassung gegebenen Begründung eine eindeutige Zulassungsbeschränkung durch das Verwaltungsgericht zu sehen.

8 2.2. Soweit die Klägerin weiter in der Sache für klärungsbedürftig ansieht,
ob sie einen Anspruch auf Rückführung auf Kosten der Beklagten nach rechtswidriger Abschiebung hat,
kommt insoweit ungeachtet der auf den konkreten Einzelfall bezogenen Fragestellung eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer schlüssigen Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt. Denn das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mangels Zulassung als unzulässig verworfen. Damit war das Bestehen eines Rückführungsanspruchs nicht Teil der tragenden Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung. Die Entscheidung über einen möglichen Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

9 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.