Beschluss vom 25.03.2009 -
BVerwG 4 B 63.08ECLI:DE:BVerwG:2009:250309B4B63.08.0

Beschluss

BVerwG 4 B 63.08

  • Hessischer VGH - 17.06.2008 - AZ: VGH 11 C 2125/07.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger nicht geltend machen könne, durch den Planfeststellungsbeschluss in eigenen Rechten verletzt zu sein (UA S. 6 f.). Darüber hinaus sei die Klage, ihre Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet (UA S. 7 bis 77). Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbstständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Im vorliegenden Fall greifen die gegen die Verneinung der Begründetheit der Klage zielenden Rügen nicht durch. Schon aus diesem Grund können auch die übrigen Rügen (Nr. 1 bis 8 der Beschwerdebegründung) der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

3 1. In Bezug auf die Unbegründetheit der Klage hat die Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

4 1.1 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde zunächst die Fragen,
ob die gerichtliche Prüfung der Bedarfsprognose dadurch ersetzt werden kann, dass einem Gutachter die Bewertung der Eignung und der zutreffenden Ermittlung des der Prognose zugrunde gelegten Sachverhalts überantwortet wird, wenn diesem Gutachter von dem Autor des Prognosegutachtens weder die konkreten Datensätze, die der Prognose zugrunde liegen, offenbart werden und nicht dargelegt wird, mit welchem genauen Ergebnis die einzelnen Datensätze in die Berechnungen des Erstgutachtens eingeflossen sind und
ob das Gericht die Prüfung der behördlichen Prognose über einen die Planfeststellung rechtfertigenden Verkehrsbedarf einem Gutachter der beklagten Partei überantworten kann, statt in einem Beweisbeschluss durch das Gericht einen Gutachter zu bestellen (Nr. 10 der Beschwerdebegründung).

5 Diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht - wie in der ersten Frage vorausgesetzt - festgestellt, dass auch im Verfahren der Qualitätssicherung die der Prognose zugrunde liegenden Datensätze nicht offenbart worden seien und dass offengeblieben sei, wie diese Datensätze in die Berechnungen eingeflossen seien. Er hat vielmehr festgestellt, dass der Einwand mangelnder Transparenz der Eingabedaten und der Bewertungen im Einzelnen durch die Qualitätssicherung durch progtrans und die ergänzenden Erklärungen von Dr. S. in der mündlichen Verhandlung jedenfalls soweit ausgeräumt worden sei, dass die Bedarfsprognose als tragfähige Grundlage für den Planfeststellungsbeschluss herangezogen werden könne. Die Eingabedaten zur Bevölkerungsentwicklung seien, wie jetzt klar sei, allgemein zugänglich. Die für die Prognose wichtigen Bewertungen in Bezug auf Wirtschaftswachstum, Preisentwicklung und Preisrelation zwischen Low-Cost und konventionellem Flugverkehr seien offengelegt (UA S. 16). Auch der Aspekt der Fluggastbefragungen, auf den die Kläger ihren Vorwurf mangelnder Offenlegung in erster Linie stützten, sei für das hier umstrittene Projekt hinreichend geklärt (UA S. 17).

6 Das Gericht hat die Überprüfung der Bedarfsprognose auch nicht - wie in der zweiten Frage vorausgesetzt - einem Gutachter des Beklagten überantwortet. Es hat die Beteiligten vielmehr aufgrund eigener Überprüfung der von Intraplan erstellten Bedarfsprognose darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf eine eventuell nur eingeschränkte Nachvollziehbarkeit der Prognose Bedenken bestehen könnten, ob sie als alleinige Rechtfertigung für die Enteignung von Grundeigentum, für Eingriffe in die Natur und für sonstige Beeinträchtigungen herangezogen werden könne (vgl. das Schreiben des Vorsitzenden vom 12. Februar 2008, GA Bd. II S. 392), und dem Beklagten Gelegenheit gegeben, etwaige Mängel insbesondere der Dokumentation im Bedarfsgutachten durch eine Qualitätssicherung auszuräumen (vgl. UA S. 16). Das Ergebnis dieser Qualitätssicherung hat das Gericht eigenständig gewürdigt.

7 1.2 Die Frage,
ob die einer Finanzierung eines planfestgestellten Vorhabens entgegenstehenden Normen der Europäischen Gemeinschaft in der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung eines Planfeststellungsbeschlusses zu prüfen sind, insbesondere, ob die vorgesehene Finanzierung des Vorhabens durch die öffentliche Hand eine nach Art. 87 ff. EG-Vertrag unzulässige Beihilfe darstellt oder gegen die „Gemeinschaftlichen Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen“ verstößt (Nr. 25 der Beschwerdebegründung),
bedarf, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

8 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass die Art der Finanzierung nicht Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist. Den Mangel der Finanzierbarkeit des Vorhabens darf die Planfeststellungsbehörde hingegen nicht ignorieren; einer Planung, die aus finanziellen Gründen nicht realisierbar ist, fehlt die Planrechtfertigung (Urteile vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - BRS 62 Nr. 6 und vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <182 Rn. 200>; Beschluss vom 15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48). Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Anhaltspunkte dafür, dass die Kommission der europäischen Gemeinschaften die vorgesehene Finanzierung beihilferechtlich beanstanden wird, die Finanzierbarkeit des Vorhabens und damit die Planrechtfertigung in Frage stellen, würde sich im vorliegenden Verfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass derartige Anhaltspunkte nicht erkennbar sind (UA S. 24). Er hat darüber hinaus auch selbst geprüft, ob die Finanzierung des Vorhabens durch die Gesellschafter der Beigeladenen als unzulässige Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags anzusehen ist. Nach dem Ergebnis seiner Prüfung sprechen gewichtige Argumente dafür, dass die Finanzierung beihilferechtlich zulässig ist (UA S. 24 f.). Dass die deutschen Gerichte nicht abschließend entscheiden können, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt und ob diese mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist, ergibt sich unmittelbar aus Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 1 EGV, wonach diese Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und ggf. dem Europäischen Gerichtshof (Unterabs. 2) vorbehalten ist.

9 1.3 Die Frage,
wann das Risiko eines Klägers abwägungsrelevant ist, beim Absturz eines Luftfahrzeugs oder von Teilen davon infolge eines Vogelschlags Schaden an seiner Gesundheit oder seinem Eigentum zu nehmen (Nr. 28 der Beschwerdebegründung),
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat das Risiko der Anwohner des Flughafens, infolge Vogelschlags durch ein abstürzendes Flugzeug an Gesundheit und Eigentum Schaden zu nehmen, nicht als einen im Rahmen der Abwägung überwindbaren Belang, sondern als einen Gesichtspunkt geprüft, der die Eignung des Standorts unter Berücksichtigung der konkreten Ausrichtung der Start- und Landebahn in Frage stellen und insoweit der Planfeststellung entgegenstehen kann (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 LuftVG - UA S. 73). Er ist jedoch nach Auswertung eines Schreibens des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr e.V. und von in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen über ein Warnverfahren zu dem Ergebnis gelangt, dass das Risiko des Schadenseintritts als äußerst gering einzustufen sei und sich in einer Größenordnung halte, die gesellschaftlich auch in anderen Bereichen akzeptiert werde (UA S. 75). Dass der Kläger die Erkenntnismittel anders bewertet, verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

10 1.4 Die Frage,
wann durch Fluglärm nach dem heutigen Stand der Lärmwirkungsforschung die Schwelle der Abwägungsrelevanz überschritten wird und damit die Schallimmissionen des Luftverkehrs im Rahmen der Abwägung ermittelt und eingestellt werden müssen (Nr. 30 der Beschwerdebegründung),
wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat unterstellt, dass die Lärmbetroffenheit des Klägers die Schwelle der Abwägungserheblichkeit erreicht und seine Klage damit zulässig ist (UA S. 7). Sie sei jedoch jedenfalls unbegründet. Die Planfeststellungsbehörde habe die betroffenen Lärmschutzbelange fehlerfrei in die planerische Abwägung eingestellt (UA S. 61).

11 1.5 Der Kläger wiederholt in der Beschwerdebegründung seinen bereits in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der Fassung des Gesetzes vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) vorzulegen (Nr. 33 der Beschwerdebegründung). Einen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO macht er insoweit nicht geltend. Sollte er insoweit die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehren, würde es an der Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlen. Der Kläger meint, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung für die Lärmschutzbereiche nach § 2 Abs. 2 Satz 2 FLärmSchG eine durch den Fortgang der Lärmwirkungsforschung überholte Methodik angewandt und es versäumt habe, für die Nacht niedrigere Grenzwerte als 50 dB(A) (Maximalpegel am Ohr des Schläfers) festzusetzen (Nr. 33 der Beschwerdebegründung, S. 103). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch bereits geklärt, dass der Gesetzgeber seine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit nicht verletzt, wenn er zum Schutz vor Fluglärm Grenzwerte für energieäquivalente Dauerschallpegel und eine begrenzte Zahl von Maximalpegeln festsetzt (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - NVwZ 2008, 780 <Rn. 82, 84>). Die Höhe der vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren betreffend den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld gebilligten Grenzwerte hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (a.a.O. Rn. 85). Dass der Gesetzgeber nicht - wie der Kläger meint - verpflichtet war, für die Nacht nur Maximalpegel bis 50 dB(A) (innen) zuzulassen, ist damit geklärt.

12 1.6 Soweit es um die Anwendung des Fluglärmschutzgesetzes im vorliegenden Verfahren geht, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt, inwieweit die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben sollte. Sie formuliert insoweit zwar 18 Fragen (Nr. 34 der Beschwerdebegründung), legt jedoch nicht ansatzweise dar, inwiefern diese Fragen auf der Grundlage der Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichtshofs und seinen tatsächlichen Feststellungen insbesondere zur Berechnung der Lärmwerte (UA S. 53 bis 60) rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig sein sollten.

13 Daran fehlt es auch im Hinblick auf die Frage zur Anwendung des Entwurfs der VDI 3722 (Nr. 35 der Beschwerdebegründung).

14 1.7 Soweit die Beschwerde fordert, hohe Einzelschallpegel bereits unterhalb einer Zahl von sechs Einzelschallereignissen pro Nacht zu berücksichtigen (Nr. 36 der Beschwerdebegründung), legt sie nicht dar, aus welcher Norm des Bundesrechts sich unter Geltung des Fluglärmschutzgesetzes 2007 eine solche Verpflichtung ergeben sollte.

15 1.8 Im Hinblick auf die Frage,
ob das Risiko des Vogelschlags während des Landeanflugs auf einen planfestgestellten Flughafen auch dann aus dem Planfeststellungsbeschluss ausgeklammert und Betriebsregelungen überantwortet werden darf, wenn im Planfeststellungsverfahren die Analyse der Sicherheitslage, insbesondere die Einschätzung denkbarer Ereignisse des Vogelschlags und hierauf bezogener Ereigniswahrscheinlichkeiten, nur lückenhaft vorgenommen wurde (Nr. 38 der Beschwerdebegründung),
hat die Beschwerde nicht dargelegt, warum sich diese Frage in einem Revisionsverfahren stellen sollte. Das wäre erforderlich gewesen, denn der Verwaltungsgerichtshof ist nicht - wie in der Frage vorausgesetzt - davon ausgegangen, dass die Sicherheitslage im Hinblick auf den Vogelschlag nur lückenhaft analysiert worden ist. Er hat vielmehr festgestellt, dass die Planfeststellungsbehörde das bestehende Vogelschlagrisiko weder ignoriert noch unzureichend ermittelt hat (UA S. 73).

16 2. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist entweder nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt oder sie liegt nicht vor.

17 2.1 Dass das angefochtene Urteil von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - (BVerwGE 56, 110 <121 f.>) und vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - (BVerwGE 114, 364 <378>) zur gerichtlichen Kontrolle von Prognose abweichen könnte (Nr. 9 S. 55 f. der Beschwerdebegründung), legt die Beschwerde nicht hinreichend dar.

18 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

19 Einen abstrakten Rechtssatz, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den in den genannten Entscheidungen entwickelten Grundsätzen zur gerichtlichen Kontrolle von Prognosen widersprochen haben sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie legt selbst dar, dass der Verwaltungsgerichtshof auf diese Grundsätze ausdrücklich Bezug genommen hat (UA S. 14), und macht lediglich geltend, er habe sie nicht zutreffend angewendet. Ein solcher Fehler in der Rechtsanwendung wäre - wenn er denn vorläge - nicht geeignet, eine Divergenz zu begründen.

20 2.2 Das angefochtene Urteil weicht auch nicht - wie die Beschwerde weiter geltend macht (Nr. 37 der Beschwerdebegründung) von Rn. 243 des Urteils vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <191>) ab. Dort hat der Senat dargelegt, dass die Analyse der Sicherheitslage vorrangig der Planfeststellungsbehörde obliege. Die Sicherheitsanalyse erfordere eine Einschätzung denkbarer Ereignisse und hierauf bezogener Ereigniswahrscheinlichkeiten. Dass Fragen der Sicherheit des Flugbetriebs, soweit es um betriebsbezogene Konzepte zur Vermeidung von Vogelschlag geht, bereits im Planfeststellungsbeschluss geregelt werden müssen, hat der Senat in dem genannten Urteil hingegen nicht entschieden. Er hat dem Planfeststellungsbeschluss folgend lediglich verlangt, dass die planfestgestellte Flughafenanlage insbesondere im Hinblick auf die topografischen Gegebenheiten, die Umgebungsbebauung, die Ausrichtung der Start- und Landebahnen im Verhältnis zur Hauptwindrichtung und den Abstand zwischen den Bahnen einen sicheren Flugbetrieb gewährleistet.

21 Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Dass ein Flughafen am vorgesehenen Standort mit der Ausrichtung der Start- und Landebahn im Hinblick auf das Risiko des Kranichschlags geeignet sein muss, einen sicheren Flugbetrieb zu gewährleisten, hat er nicht in Abrede gestellt (UA S. 73, 76). Lediglich soweit es um Fragen der Sicherheit des Flugbetriebs, also um Betriebsregelungen zur Vermeidung von Vogelschlag geht, ist er davon ausgegangen, dass diese grundsätzlich nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens seien (UA S. 73).

22 3. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

23 3.1 Einen Verfahrensfehler sieht die Beschwerde zunächst darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die jeweils auf Einholung von Sachverständigengutachten gerichteten Beweisanträge des Klägers mit den Nummern 1, 4 bis 15 und 17 bis 19 abgelehnt hat (Nr. 11 bis 24, 26, 27 i.V.m. Nr. 1, 32 der Beschwerdebegründung).

24 Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt; das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden, stützen (Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1067.06 - juris Rn. 6 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Januar 2007 - BVerwG 10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 und vom 5. Dezember 2008 - BVerwG 9 B 28.08 - juris Rn. 4 m.w.N.). Auch soweit Sachverständigengutachten noch nicht vorliegen, befindet das Gericht grundsätzlich selbst darüber, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten und für das zur Nachprüfung berufene Revisionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (Beschluss vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58 m.w.N.). Ein Gericht ist mithin nicht bereits dann verpflichtet, ein beantragtes Sachverständigengutachten einzuholen, wenn es der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung nicht folgt.

25 Dass die Ablehnung der Beweisanträge gemessen an diesen Grundsätzen zu beanstanden sein könnte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat für jeden der genannten Beweisanträge im Einzelnen, zum Teil mit mehreren selbstständig tragenden Erwägungen begründet, warum er den Beweis nicht erhoben hat. Soweit sich die Beschwerde nicht darauf beschränkt, darzulegen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Beweisbehauptungen nicht gefolgt sei, kritisiert sie lediglich die tatrichterliche Würdigung der vorhandenen Gutachten und sonstigen Erkenntnismittel. Die Beweiswürdigung ist aber regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen; mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich - und so auch hier - nicht bezeichnet werden (Beschluss vom 11. April 2003 - BVerwG 5 B 24.03 - juris Rn. 2). Soweit die Beschwerde die der Beweiswürdigung zugrunde liegende materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kritisiert, kann sich auch daraus ein Verfahrensmangel nicht ergeben.

26 Soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe den Beweisantrag Nr. 19 nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Vortrag verspätet sei (UA S. 43), weil der Kläger die fehlende Erfassung der negativen Wirkungen des Flughafens und der Mängel der ACI-Methodik bereits in der Klagebegründung vorgetragen habe (Nr. 26 der Beschwerdebegründung), ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargelegt. Als verspätet hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich die unter Zeugenbeweis gestellten Behauptungen zurückgewiesen, der Gutachter Prof. K. habe sich in bestimmter Weise über die Erstellung seines Gutachtens geäußert. Das im selben Antrag begehrte Sachverständigengutachten zur Überprüfung des von Herrn Prof. K. erstatteten Gutachtens brauchte der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht einzuholen, weil dieses Gutachten nach seiner Auffassung nicht erschüttert worden war (UA S. 43).

27 3.2 Die Beschwerde rügt weiter, dass der Verwaltungsgerichtshof eine sich aufdrängende Aufklärung der Zahl der Nachtflüge und deren Lärmwirkungen unterlassen habe (Nr. 29 i.V.m. Nr. 3 der Beschwerdebegründung). Der Verwaltungsgerichtshof ist von Maximalpegeln, die selten auch nachts auftreten könnten, in einer Größenordnung von bis zu 66 dB(A) ausgegangen, wobei 65 dB(A) nur durchschnittlich einmal am Tag erreicht würden (UA S. 7, vgl. auch UA S. 60). Die Beschwerde meint, der Planfeststellungsbeschluss habe demgegenüber für den Immissionsort „Vereinskrankenhaus“, in dessen Nähe der Wohnort des Klägers liege, eine Einzelschallbelastung von 5 Ereignissen zwischen rund 80 und 84 dB(A) zugrunde gelegt (PFB S. 132). Diesen offensichtlichen Widerspruch zwischen den Maximalpegeln habe der Verwaltungsgerichtshof aufklären müssen.

28 Der behauptete Widerspruch dürfte nicht vorliegen; jedenfalls musste er sich dem Verwaltungsgerichtshof ohne einen entsprechenden Beweisantrag des Klägers nicht aufdrängen. Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich auf Seiten 130 bis 132 mit den Auswirkungen des Fluglärms an den in der schalltechnischen Untersuchung betrachteten Immissionsorten. Er legt dar, dass der höchste Maximalpegel mit 83,6 dB(A) im Planfall 2015 am Nordrand der Ortslage Calden erreicht werde. Für das Vereinskrankenhaus in Hann. Münden stellt er für den Planfall 2020 fest, dass es zu einer Erhöhung der Anzahl der Maximalpegel > 60 dB(A) von 22 auf 26 kommen werde. Die Feststellung auf S. 132, dass unter bestimmten Prämissen für die Nachtzeit von einer Einzelschallbelastung von fünf Ereignissen zwischen rund 80 und 84 dB(A) auszugehen sei, dürfte sich auf den Immissionsort mit den höchsten Maximalpegeln, jedenfalls aber nicht auf das Vereinskrankenhaus beziehen. Sie ist von den vorangehenden Ausführungen zum Vereinskrankenhaus durch einen Absatz getrennt und nimmt auf das Vereinskrankenhaus auch nicht in sonstiger Weise Bezug.

29 3.3 Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe aufklären müssen, ob nach dem regulären Flugplan zwischen 21.00 und 22.00 Uhr eine gesteigerte Zahl von Flugzeugen landen werde, die bei Verspätungen erst kurz vor oder bereits nach 22.00 Uhr eintreffen werde, ob Verspätungen in diesem Zeitraum mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien (Nr. 6 der Beschwerdebegründung) und ob der Kläger durch die gesteigerte Zahl der Flüge in den Nachtrandstunden sowie in den Nachtstunden zukünftig aufwachen werde und daher in seinen Grundrechten abwägungsrelevant betroffen werde (Nr. 31 der Beschwerdebegründung). Sie legt jedoch nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.) - dar, warum sich dem Verwaltungsgerichtshof die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung der Zahl der zu erwartenden Nachtflüge hätte aufdrängen sollen, obwohl der Nachtflugverkehr durch die Auflagen im Planfeststellungsbeschluss auf 4 Flugbewegungen (entspricht zwei An- und zwei Abflügen je Nacht) und 10 verspätete An- oder Abflüge je Monat beschränkt ist (UA S. 61) und auch der Kläger entsprechende Beweisanträge nicht gestellt hat.

30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.