Beschluss vom 25.02.2015 -
BVerwG 8 B 77.14ECLI:DE:BVerwG:2015:250215B8B77.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2015 - 8 B 77.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:250215B8B77.14.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 77.14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2015
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 8 B 2.14 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 22. Oktober 2014 - 8 B 2.14 -, mit dem ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam - 1 K 1400/06 - zurückgewiesen worden war. Das Verfahren betrifft das 9 008 qm große, nach Aktenlage unbebaute Flurstück ... der Flur ... im Gemeindegebiet der Klägerin, die dessen Eigentümerin und Verfügungsberechtigte ist. Das Grundstück gehörte zum historischen Gutsgelände ... der verstorbenen Brüder Albert und Max S., zu deren Rechtsnachfolgern die Beigeladenen zählen. Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2006 übertrug das Bundesamt u.a. das streitgegenständliche Grundstück auf die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit seinem Urteil vom 18. April 2013 - 1 K 1400/06 - die dagegen erhobene Klage der Klägerin abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

II

2 Die Anhörungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg.

3 Anhörungsrügen stellen keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 2006 ‌- 7 C 10.06 <7 C 18.05 > - und vom 11. Februar 2008 - 5 B 17.08 <5 B 110.06 > - jeweils juris). Das Gericht ist ebenso wenig verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Beschwerdevorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2005 - 9 B 9.05 - juris und vom 17. August 2007 - 8 C 5.07 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 4). Artikel 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist nach den Darlegungen der Anhörungsrüge vorliegend keine Verletzung rechtlichen Gehörs ersichtlich.

4 Das Verwaltungsgericht hatte mit dem angegriffenen klagabweisenden Urteil vom 18. April 2013 - 1 K 1400/06 - den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2006 mit der Begründung für rechtmäßig gehalten, dass die Erben der Brüder S. zu dem Kreis der Verfolgten des Naziregimes gehörten und dass in der erst nach dem 14. September 1935 vollzogenen Abtretung der streitgegenständlichen Fläche an die Klägerin eine ungerechtfertigte Veräußerung und damit eine Vermögensschädigung im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG zu sehen sei. Die sich aus § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO ergebende gesetzliche Vermutung der Verfolgungsbedingtheit der Entziehung sei nicht widerlegt. Diese Schlussfolgerung hatte das Verwaltungsgericht auf eine Hauptbegründung sowie daneben selbstständig tragend auf eine Hilfsbegründung gestützt. In der Hauptbegründung war das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, es sei "schon nicht bewiesen, dass die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis erhalten haben" (UA S. 9, letzter Absatz und S. 10 f.). Deshalb sei die gesetzliche Vermutung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG gemäß Art. 3 Abs. 2 REAO nicht widerlegt. Mit seiner subsidiären Hilfsbegründung (UA S. 11 f.) hatte das Verwaltungsgericht anschließend zum Ausdruck gebracht, auch dann, wenn die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis für das entzogene Grundstück erhalten hätten ("Selbst wenn dies in einer Gesamtschau dennoch angemessen gewesen wäre ...", UA S. 11, ab zweitem Absatz), sei eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO dahingehend nicht gelungen, "dass das konkrete, zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne Herrschaft der Nationalsozialisten geschlossen worden wäre" (UA S. 11, ebd.).

5 Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Anhörungsrüge vor, der Senat habe es bei seinem Beschluss vom 22. Oktober 2014 zu Unrecht unterlassen, den Teil ihrer seinerzeitigen "Verfahrensrüge, der die Angemessenheit der Gegenleistung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO auch bei isolierter Betrachtung des späteren Flächenaustausches nach Abschluss des Aufschließungsvertrages betraf“, in dem von Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO gebotenen Maße zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (S. 4 bis 28 des Anhörungsrüge-Schriftsatzes).

6 Das trifft indessen nicht zu. Im Beschluss des Senats wird in den Rn. 15 ff. das damalige diesbezügliche Beschwerdevorbringen der Klägerin ausdrücklich aufgegriffen, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dieses Vorbringen der Klägerin zur Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung beinhaltete u.a., dass nach ihrer Auffassung aufgrund der unterschiedlichen Werthaltigkeit der Grundstücke trotz deren unterschiedlicher Größe auch im isoliert betrachteten Flächenaustausch ein angemessenes Auftragsverhältnis zu Stande gekommen sei. Der Senat hat zu diesem Beschwerdevorbringen der Klägerin festgestellt, dass sich, soweit das Verwaltungsgericht auf für die Beurteilung der Werthaltigkeit der bei dem Flächenaustausch in Rede stehenden Grundstücke relevantes Vorbringen der Klägerin "nicht im gebotenen Maße" eingegangen sei, daraus jedenfalls kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ergebe. Denn das Verwaltungsgericht habe dieses Vorbringen in einer Hilfsbegründung gleichwohl als wahr unterstellt. Damit sei selbst eine unterbliebene Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Einzelvorbringen der Klägerin insgesamt jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen.

7 Keinen Erfolg hat die Anhörungsrüge auch, soweit die Klägerin des Weiteren geltend macht, der Senat habe in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2014 "bzgl. des klägerischen Vortrages in der Nichtzulassungsbeschwerde zur Hilfsbegründung des Verwaltungsgerichts" eine "Gehörsverletzung" begangen (S. 28 bis 35 des Anhörungsrüge-Schriftsatzes). Es trifft nicht zu, dass der Senat entscheidungserhebliches Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. In seiner Hilfsbegründung war das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die den Rechtsvorgängern der Beigeladenen im Rahmen des Flächenaustausches entzogene streitgegenständliche Fläche nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 waren, dass es sich jedoch "um eine Weiterung aus dem Aufschließungsvertrag handelt(e)" (UA S. 11). Das war mit der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen worden. Eine notarielle Beurkundung über den Flächenaustausch hatte das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Ein anderes Rechtsgeschäft als die Auflassung, das zum Vermögensverlust geführt habe, gebe es insoweit nicht. Es hatte jedoch festgestellt, dass das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft über den Flächenaustausch in Gestalt der Auflassung vom 13. Juli 1939 nach dem 14. September 1935 wirksam geworden ist, so dass "nichts anderes gelten" könne, "als wenn die Flächen zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wären" (UA S. 11, unten). Der Senat hat in seinem Beschluss, mit der er die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen hat, dazu ausgeführt, für diese Auffassung des Verwaltungsgerichts spreche immerhin, dass ein nicht beurkundetes und damit gemäß § 125 BGB formnichtiges Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück gemäß § 313 Satz 2 BGB in der damals geltenden Fassung durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam wurde. Ausgehend von dieser für die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei es nicht darauf angekommen, ob die S.-Erben bereits im Juli 1935 dem Flächenaustausch zugestimmt hatten. Eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 REAO sei anhand der - für in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 erfolgte Veräußerungen maßgeblichen - Regelung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO zu prüfen und mithin zu untersuchen, ob das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Gegen die im angegriffenen Urteil insoweit erfolgte Verneinung dieser Voraussetzung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO durch das Verwaltungsgericht seien wirksame Verfahrensrügen mit der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Wenn der Senat aus dem damit zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Beschwerdevorbringen der Klägerin andere rechtliche Schlussfolgerungen als diese gezogen hat, verstößt dies nicht gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.