Beschluss vom 24.09.2002 -
BVerwG 9 B 38.02ECLI:DE:BVerwG:2002:240902B9B38.02.0

Beschluss

BVerwG 9 B 38.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 20.03.2002 - AZ: OVG 9 C 11151.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. September 2002
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
H i e n und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 20. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die auf alle Revisionszulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rüge von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision.
Soweit die Beschwerde geltend macht, die Sache sei nicht entscheidungsreif gewesen, weil zur Frage, ob die Bepflanzung des klägerischen Grundstücks mit Weihnachtsbäumen bereits begonnen worden sei, eine Beweisaufnahme unterblieben sei, will sie offenbar einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend machen. Ein Gericht verletzt jedoch seine Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei - wie hier der Kläger - nicht förmlich beantragt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. September 1997 - BVerwG 2 C 33.96 - Buchholz 237.5 § 51 HeLBG Nr. 2 S. 4). Dass sich eine Beweisaufnahme auch ohne ein solches Hinwirken des Klägers dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26), macht die Beschwerde nicht geltend und ist auf der insoweit maßgebenden Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 3 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 m.w.N.), wonach eine Teilneubepflanzung die Nutzungsart des Grundstücks noch nicht umschlagen lässt, auch nicht ersichtlich, nachdem der klägerische Vortrag den Umfang der Neubepflanzung offen gelassen und auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung nur von einer "Teilfläche" gesprochen hat. Ungeachtet der vom Oberverwaltungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung als glaubhaft bezeichneten Aussage des Beklagtenvertreters, es seien bei der Wertermittlung keine Weihnachtsbaumanpflanzungen festgestellt worden, ergab sich mangels - auch von der Beschwerde nicht geltend gemachter - weiter gehender Behauptungen des Klägers jedenfalls kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Als Verstoß gegen des Grundsatz des rechtlichen Gehörs rügt die Beschwerde, ihr sei die Erwiderung auf den erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag des Beklagten, die streitbefangenen Flächen seien im Frühjahr 1995 als Acker-/ Grünland erfasst worden, abgeschnitten worden. Diese Rüge erfüllt nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Es ist bereits nicht erkennbar, warum dem Kläger die - im Übrigen ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung durchaus abgegebene - Erwiderung hierauf "abgeschnitten" gewesen sein sollte. Sollte die Beschwerde geltend machen wollen, dem Kläger sei in der mündlichen Verhandlung keine unmittelbare Reaktion auf den Vortrag des Beklagten möglich gewesen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene es unterlässt, von den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, vgl. etwa BVerwGE 19, 231 <237>). Einen Vertagungsantrag oder einen Antrag auf Schriftsatzfrist hat der Bevollmächtigte des Klägers jedoch nicht gestellt.
2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.
Es kann offen bleiben, ob der Vortrag der Beschwerde insoweit den Anforderungen genügt, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung eines solchen Zulassungsgrundes stellt (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1982 (BVerwG 5 C 20.80 - BVerwGE 66, 47) liegt jedenfalls nicht vor. Die Beschwerde übersieht, dass eine der Nutzungsart des Grundstücks entsprechende Anpflanzung und Bewirtschaftung, die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als eine Änderung der Nutzungsart im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Flurbereinigungsgesetz angesehen werden kann, nach der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts gerade nicht gegeben ist.
3. Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde sinngemäß die Fragen auf,
ob die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen grundsätzlich der Veränderungssperre nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Flurbereinigungsgesetz unterliegt und die Anlage und Erweiterung von Weihnachtsbaumkulturen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Flurbereinigungsgesetz eine zustimmungsfreie Nutzungsänderung sein kann
und
ob ein Grundstück, auf dem bereits mit einer Nutzungsänderung vor Anordnung des Flurbereinigungsbeschlusses begonnen wurde, von der Veränderungssperre des § 34 Flurbereinigungsgesetz erfasst wird.
Soweit sich diese Fragen auf der Grundlage der - wie dargelegt - nicht mit einer erfolgreichen Verfahrensrüge angegriffen und das Revisionsgericht deswegen bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts als entscheidungserheblich erweisen, rechtfertigen sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht, weil sie sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten lassen, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, kommt es für die Zustimmungsbedürftigkeit darauf an, ob in der Nutzungsart des konkreten, von der Flurbereinigung erfassten Grundstücks eine Änderung vorgenommen wird, die nicht mehr zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb gehört (Beschluss vom 13. April 1971 - IV B 168.70 - RdL 1971, 236).
Aus dem Bezug auf das "konkrete" Grundstück ergibt sich, dass entgegen der Ansicht der Beschwerde Nutzungsänderungen nicht schon deswegen zustimmungsfrei sind, weil die neue Nutzung - hier die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen - den betrieblichen Schwerpunkt des landwirtschaftlichen Betriebes bildet oder der in der Region üblichen Schwerpunktkultur entspricht. Etwas anders könnte nur gelten, wenn sich die neue Nutzung als Wiederanpflanzung im Rahmen einer gebietsüblichen Wechselwirtschaft erweist, weil insoweit davon auszugehen ist, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich eine Behinderung der Abfindungsgestaltung durch die Flurbereinigungsbehörde zu vermeiden (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1979 - BVerwG V C 3.77 - Buchholz 424.01 § 34 Flurbereinigungsgesetz Nr. 2), nicht beeinträchtigt wird. Davon ist nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hier aber nicht auszugehen. Deswegen ist es entgegen der Auffassung der Beschwerde auch ohne Bedeutung, ob die Anlage der Weihnachtsbaumkultur zur dauerhaften Bildung von "Wald" führt oder die Wiederherstellung einer Acker- oder Grünlandnutzung "preisgünstig und schnell" möglich wäre.
Die Bezugnahme auf die "Nutzungsart" des konkreten Grundstücks in § 34 Abs. 1 Satz 1 Flurbereinigungsgesetz und in der bereits angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts macht darüber hinaus deutlich, dass die Nutzung des Grundstücks vor der Veränderungssperre in einer typisierenden Gesamtbetrachtung zu bestimmen ist. Nutzungsänderungen, die noch vor dem Eintritt der Veränderungssperre begonnen werden, lassen die Zustimmungsbedürftigkeit deswegen nur dann entfallen, wenn diese Änderungen nach ihrem Umfang prägend für die Nutzungsart geworden sind. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. Die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang derartige Nutzungsänderungen stattgefunden haben, obliegt der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht und kann eine Zulassung der Revision nicht begründen.
Der Schriftsatz des Klägers vom 16. September 2002 gibt keinen Anlass zu weiter gehenden Ausführungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.