Beschluss vom 24.07.2012 -
BVerwG 3 B 39.12ECLI:DE:BVerwG:2012:240712B3B39.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.07.2012 - 3 B 39.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:240712B3B39.12.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 39.12

  • VG Berlin - 03.04.2012 - AZ: VG 29 K 401.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht und Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

1 Die Klägerin wendet sich gegen die vermögenszuordnungsrechtliche Restitution von 18 früher als „öffentliche Wege und Gewässer“ geführten Grundstücken, die ihr im Jahre 1996 mit Sammelzuordnungsbescheid übertragen worden waren, an die beigeladene Gemeinde. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil sich Alternativen zu früherem kommunalem Eigentum mit hinlänglicher Sicherheit ausschließen ließen.

2 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegt weder die gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor (1.), noch gibt es den nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmangel (2.).

3 1. Die Klägerin macht sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt,
dass nur dann nicht von einer Alteigentümerstellung einer Gemeinde in Bezug auf ehemalige öffentliche Gräben und Wege ausgegangen werden könne, wenn nach Überzeugung des Gerichts andere Alternativen zu einer Eigentümerstellung bestünden.

4 Damit lege das Verwaltungsgericht einen Maßstab an, der dem einer Beweislastumkehr gleichkomme. Es stelle eine Vermutung zugunsten gemeindlichen Eigentums auf, die von der Gegenseite erschüttert werden müsse; denn das Gericht erwarte, dass Alternativen zum gemeindlichen Eigentum nicht nur aufgezeigt würden, sondern auch hinlänglich sicher sein müssten, um eine Überzeugung zu begründen, dass kein gemeindliches Eigentum bestanden habe. Dies stehe im Widerspruch zu dem Urteil des Senats vom 21. Juni 2007 - BVerwG 3 C 27.06 - (Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 58). Dort sei der Rechtssatz aufgestellt worden,
dass die Anforderungen an den Nachweis des Alteigentums nicht überspannt werden dürften und der Beweisnot bei buchungsfreien Liegenschaften dadurch Rechnung zu tragen sei, dass das zu fordernde Beweismaß dies berücksichtige.

5 Damit werde lediglich eine Beweiserleichterung begründet; denn an der grundsätzlichen Regel, dass eine Kommune ihr Alteigentum hinsichtlich ehemaliger öffentlicher Wege und Gräben beweisen müsse, ändere sich dadurch nichts. Daher habe der Senat auch nicht dem heutigen Verfügungsberechtigten auferlegt, die Wahrscheinlichkeit des Alteigentums an derartigen Grundstücken zu entkräften, sondern vielmehr anhand der Gesamtheit der Indizien bewertet, ob trotz fehlendem Grundbucheintrag dennoch als bewiesen angesehen werden könne, dass eine Kommune auch tatsächlich Alteigentümerin der Flächen gewesen sei. So sei der Satz der Entscheidung zu verstehen, wonach in dem dortigen Fall mit hinlänglicher Sicherheit auszuschließen gewesen sei, dass anderes Eigentum bestanden habe. Das anderweitige Eigentum müsse also nicht zur Überzeugung des Gerichts existiert haben, es müsse vielmehr hinreichend sicher auszuschließen sein. Das bedeute, es dürften keine Indizien für solches anderweitiges Eigentum vorliegen; Unsicherheiten gingen zulasten der Kommune.

6 Die gerügte Abweichung besteht nicht. Anders als die Klägerin geltend macht, hat das Verwaltungsgericht nicht die Beweislast für das Bestehen früheren Eigentums der Beigeladenen umgekehrt, es hat vielmehr anhand der von ihm ermittelten und dargelegten Tatsachen die Überzeugung gewonnen, dass die Beigeladene früher Eigentümerin der Grundstücke war, weil denkbare Alternativen zu seinerzeitigem kommunalem Eigentum mit hinlänglicher Sicherheit auszuschließen seien. Damit ist das Verwaltungsgericht genauso vorgegangen, wie es der Senat in seinem Urteil vom 21. Juni 2007 (a.a.O.) vorgegeben hat. Dort hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass bei buchungsfreien Liegenschaften - zu denen praktisch sämtliche öffentlichen Straßen und Wege, auch sämtliche Wasserläufe gehörten - ein direkter Nachweis der alten Eigentumsverhältnisse in aller Regel heute nicht mehr möglich sei, so dass jeder, der sich auf ein Alteigentum an solchen Liegenschaften berufe, sich in Beweisnot befinde. Als Beweismittel kämen praktisch nur Indizien sowie Rückschlüsse auf allgemeine Feststellungen in Betracht. Diesem Umstand müsse durch eine angemessene Einschätzung des zu fordernden Beweismaßes Rechnung getragen werden. Der Senat hat weiter ausgeführt, dass in Preußen - also in dem Land, in dem auch die hier umstrittenen Grundstücke lagen - als Eigentümer öffentlicher Wege und Wasserläufe neben der politischen Gemeinde praktisch nur selbständige Gutsbezirke sowie Interessentengemeinschaften (bzw. Realgemeinden) in Betracht kamen. Da solche Alternativen in dem dortigen Fall mit hinlänglicher Sicherheit ausgeschlossen werden konnten, hat der Senat es als erwiesen angesehen, dass die Gemeinde Eigentümer gewesen war und die Restitution verlangen konnte.

7 Derselbe Prüfungsmaßstab und dieselbe Prüfungsreihenfolge ist dem angegriffenen Urteil zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat die möglichen Eigentumsalternativen geprüft und - nachdem sich diese aufgrund der getroffenen tatsächlichen Feststellungen mit hinlänglicher Sicherheit ausschließen ließen - früheres gemeindliches Eigentum als einzig verbleibende realistische Alternative festgestellt. Dies ist nicht die Umsetzung einer Vermutung zugunsten gemeindlichen Eigentums, sondern eine Überzeugungsbildung anhand von Indizien und Rückschlüssen aus allgemeinkundigen Tatsachen, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 21. Juni 2007 vorgegeben hat.

8 2. Ausgehend davon gibt es auch nicht den gerügten Verfahrensmangel, den die Klägerin darin sieht, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die mutmaßlich im Jahre 1954 im Liegenschaftsblatt vorgenommene Eintragung „nicht ermittelte Eigentümer“ zwar belege, dass es bereits damals Beweisschwierigkeiten gegeben habe, man aber dennoch mit hinlänglicher Sicherheit ausschließen könne, dass ein Dritter Eigentümer gewesen sein könne. Der damit gerügte Mangel der richterlichen Überzeugungsbildung besteht nicht. Auch hier verkennt die Klägerin, dass das Verwaltungsgericht keine Beweislastentscheidung getroffen hat, sondern aufgrund eigener Tatsachenfeststellungen zu der Überzeugung gelangt ist, dass von den in Betracht kommenden Personen allein die Gemeinde Eigentümerin gewesen sein konnte. Dazu steht die Tatsache nicht in Widerspruch, dass im Jahre 1954 Unklarheit über die Eigentumslage bestand; denn damit ist nicht ausgeschlossen, dass auch seinerzeit auf dem jetzt beschrittenen Wege die bestehenden Unklarheiten hätten beseitigt werden können.

9 Soweit die Klägerin sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Zugehörigkeit der Grundstücke zu einem ehemaligen Rittergut als mit hinlänglicher Sicherheit ausgeschlossen angesehen hat, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Grundstücke der Bodenreform unterlegen hätten, und auch das Eigentum örtlicher Interessentengemeinschaften in derselben Weise für ausgeschlossen gehalten hat, weil das Liegenschaftsblatt, auf dem die Grundstücke geführt worden seien, in einer für diese Gemeinschaften aufgestellten Arbeitsliste nicht angegeben seien, erschöpft sich ihre Rüge darin, der Bewertung dieser Tatsachen durch das Gericht ihre eigene Bewertung entgegenzusetzen. Ein als Verfahrensmangel zu bewertender Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird durch diesen Vortrag nicht dargetan.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.