Beschluss vom 24.06.2002 -
BVerwG 3 B 69.02ECLI:DE:BVerwG:2002:240602B3B69.02.0

Beschluss

BVerwG 3 B 69.02

  • Bayerischer VGH München - 18.02.2002 - AZ: VGH 11 B 00.1769

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. B r u n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Februar 2002 wird verworfen.
  2. Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung, die in ungeordneter Weise das Vorliegen sämtlicher Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO (Grundsatzbedeutung, Divergenz sowie Verfahrensmangel) behauptet, erfüllt nicht die Darlegungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. hierzu im Einzelnen: Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Überwiegend verkennt die Beschwerde bereits, dass formelle und materielle Fehler im behördlichen und erstinstanzlichen Verfahren, die die Beschwerde geltend macht, nur dann zu einer Revisionszulassung führen können, wenn sich diese Fehler im berufungsgerichtlichen Verfahren in der Weise fortgesetzt haben, dass sie als beachtliche materielle oder formelle Mängel dem angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts anhaften; dass dies der Fall sein könnte, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Im Übrigen verkennt die Beschwerde den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und der Begründung einer Revision sowie den Umstand, dass eine fehlerhafte Anwendung von - zutreffenden - abstrakten Rechtssätzen eine Revisionszulassung weder unter dem Gesichtspunkt der Grundsatzbedeutung noch der Divergenz zu rechtfertigen vermag (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Allein diese Möglichkeit kommt indessen im Streitverfahren in Betracht:
Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Prüfung ausdrücklich die Maßstäbe zugrunde gelegt, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für Fälle der in Rede stehenden Art entwickelt worden sind, welche dadurch gekennzeichnet werden, dass sich in einem schleichenden Prozess überörtlicher Durchgangsverkehr in einer Weise von einer an sich hierfür vorgesehenen Durchgangsstraße (Bundesstraße) auf eine Straße verlagert hat, welche ursprünglich ganz überwiegend innerörtlichem Verkehr gedient hat, dass die Anlieger erheblichen bis unerträglichen Lärm- und Abgasbelastungen ausgesetzt sind (vgl. grundlegend Urteil vom 4. Juni 1986 - BVerwG 7 C 76.84 - BVerwGE 74, 234; seither stRspr).
In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen - von der Beschwerde unbeanstandet - zwar angenommen, dass die Kläger und andere Anlieger des Föhrenwegs, welcher Teil der so genannten "Nordumfahrung" ist, in einer Weise Lärmbelastungen ausgesetzt seien, dass die Beurteilung gerechtfertigt sei, die Grenze der Zumutbarkeit sei überschritten (S. 15 ff. des Urteilsumdrucks); zum anderen aber hat der Verwaltungsgerichtshof die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der allein in Betracht zu ziehenden Alternative für den auftretenden Verkehr, nämlich die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 20, so beurteilt, dass eine Rückverlagerung des gesamten Durchgangsverkehrs auf diese zumindest zu gleichgewichtigen Belastungen von deren Anwohnern und Anliegern sowie zu erheblichen Verkehrsgefährdungen führe, wobei er Letzteres aus dem Umstand abgeleitet hat, dass jedenfalls ein Teil der Ortsdurchfahrt der B 20 "wegen der unstetigen Linienführung, der geringeren Fahrbahnbreite, der Steigungsstrecke an der Kreuzkirchstraße und der abknickenden Vorfahrt im Bereich einer Kuppe zur Aufnahme des Lkw-Durchgangsverkehrs weit weniger geeignet" sei als die "Nordumfahrung" und damit die Föhrenstraße (S. 18 ff. des Urteilsumdrucks und insbesondere S. 21).
Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Einschätzung, gegen die zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht geltend gemacht worden sind, liegt es auf der Hand und bedarf keiner vertieften Begründung, dass das Ergebnis des von den Klägern erstrebten Revisionsverfahrens zu ihren Gunsten äußerstenfalls lauten könnte, der Verwaltungsgerichtshof habe zutreffende abstrakte Maßstäbe unzutreffend angewendet, was aber - wie gesagt - im Zulassungsverfahren nicht ausschlaggebend ist. Denn auch dann, wenn eine ursprüngliche Ortserschließungsstraße zunehmend vom überörtlichen Verkehr als so genannter Schleichweg in Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen ausgelöst werden, die von den Anliegern solcher Straßen üblicherweise nicht hingenommen werden müssen, kann eine Ablehnung verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender Maßnahmen gerechtfertigt sein, wenn einer (Rück-)Verlagerung des überörtlichen Verkehrs gewichtige Verkehrsbedürfnisse und Interessen anderer Anlieger entgegenstehen (Urteil vom 4. Juni 1986 a.a.O. S. 239 und S. 240). Der Sache nach hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzungen angenommen, was - weil sich die Frage, ab wann solche gewichtigen Gegeninteressen vorliegen, einer den Einzelfall übergreifenden Beantwortung entzieht - zur Folge hat, dass der Verwaltungsgerichtshof entweder richtig oder äußerstenfalls im Einzelfall unrichtig entschieden haben kann.
Zwar erscheint fraglich, ob an dem nunmehr gefundenen Ergebnis auch zukünftig zulässigerweise festgehalten werden kann unter den Voraussetzungen, dass - erstens - eine offenbar dringend erforderliche Umgehungsstraße nicht gebaut werden und - zweitens - der Verkehr auf der "Nordumfahrung" unverändert oder gar verstärkt stattfinden sollte; dies könnte aber selbst dann nicht zur Durchführung eines Revisionsverfahrens nötigen, wenn die Beschwerde die Darlegungserfordernisse des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO eingehalten hätte, zumal es sich um einen tatsächlich und rechtlich außergewöhnlichen Fall handeln dürfte, dass eine Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße deutlich weniger für die Aufnahme von Durchfahrtsverkehr geeignet sein soll als eine Ortserschließungsstraße.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat der berufungsgerichtlichen Festsetzung.