Beschluss vom 24.03.2016 -
BVerwG 4 BN 44.15ECLI:DE:BVerwG:2016:240316B4BN44.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.03.2016 - 4 BN 44.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:240316B4BN44.15.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 44.15

  • OVG Lüneburg - 30.07.2015 - AZ: OVG 12 KN 223/14

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. März 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die als Ziel der Raumordnung erfolgte Festlegung von Vorrangflächen für Windenergie in der Teilfortschreibung Energie 2013 des Regionalen Raumordnungsprogramms des Antragsgegners vom 31. Januar 2014. Er ist Eigentümer eines mit einem unter Denkmalschutz stehenden Wohngebäude bebauten Grundstücks, das rund 565 m von der Grenze eines Vorranggebiets entfernt liegt. Der Antragsteller befürchtet unzumutbare Lärmimmissionen und eine optische Belastung im Falle der Errichtung von Windenergieanlagen sowie eine Beeinträchtigung seines Denkmals.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) als unzulässig abgelehnt. Zur Begründung hat es sinngemäß ausgeführt, das Wohngebäude des Antragstellers befinde sich im planungsrechtlichen Außenbereich. Aufgrund des groben Rasters, das der raumordnerischen Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG zugrunde liege, sei es ausreichend, einen Mindestabstand von 500 m zu Wohnnutzungen im Außenbereich vorzusehen, um auszuschließen, dass schutzwürdige Belange des Antragstellers verletzt würden. Dieser Abstand sei eingehalten. Denkmalschutzrechtliche Fragen seien vom Antragsgegner im Aufstellungsverfahren unter Einschaltung der zuständigen Denkmalschutzbehörde geprüft und, wo erforderlich, berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund reiche die Behauptung des Antragstellers, sein Wohnhaus sei als Baudenkmal anerkannt und auch "wegen der Lage in der Landschaft" geschützt, nicht aus, um die Antragsbefugnis zu begründen. Mithin sei eine Beeinträchtigung der privaten Belange des Antragstellers als Denkmaleigentümer durch die angegriffene Teilfortschreibung des Regionalplans nicht möglich.

3 Die Revision gegen sein Urteil hat das Normenkontrollgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt wird.

II

4 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.

5 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob eine Verletzung des in § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG statuierten Rechts auf gerechte Abwägung bereits durch die Ausweisung eines Vorrang- oder Eignungsgebiets für Windenergie an sich und auch für den Fall möglich ist, dass Vorsorgeabstände, die auf der sicheren Seite liegen und sich in der Praxis als sicher herausgestellt haben, eingehalten werden.

6 Sie möchte hiermit klären lassen, ob bei der Abwägung von Raumordnungsplänen im Hinblick auf die von den Planungen betroffenen Privatpersonen lediglich deren subjektiv öffentliche Rechte oder auch deren weitere private Belange und Interessen unterhalb dieser Schwelle in die Abwägung einzustellen sind, bzw., ob private Belange und Interessen überhaupt in die Abwägung einzustellen sind, wenn sie nicht das Gewicht eines subjektiven öffentlichen Rechts und einer damit einhergehenden abwehrfähigen Rechtsposition haben. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, denn in dieser Form würde sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, sondern nur im Zusammenhang mit der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Selbst dann wäre ein Grund für die Zulassung der Revision aber nicht gegeben.

7 Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt die Antragsbefugnis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraus. Wer eine Zielfestlegung in einem Regionalplan als - wie hier - mittelbar Betroffener angreift, kann sich für die Antragsbefugnis (nur) auf das planungsrechtliche Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG berufen. Insofern gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen wie etwa im Falle eines Normenkontrollantrags gegen einen Bebauungsplan (BVerwG, Beschluss vom 13. November 2006 - 4 BN 18.06 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 172 Rn. 6). Danach muss der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch bestimmte Regelungen des raumordnungsrechtlichen Plans oder deren Anwendung in seinem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung seiner Belange verletzt wird (BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2014 - 4 BN 1.14 - juris Rn. 23). Eine prinzipale Normenkontrolle eines Raumordnungsplans kann mithin nur erreichen, wer ein subjektives Recht darauf geltend machen kann, dass der Plangeber sein "negatives Betroffensein" in einem privaten Interesse zu berücksichtigen hat (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - BVerwGE 119, 312 <320>; Beschluss vom 14. Mai 2014 - 4 BN 10.14 - BRS 82 Nr. 56 Rn. 7). Das bedeutet: Wenn und soweit das Interesse des Antragstellers an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört, wird es von dem durch § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG vermittelten Recht auf gerechte Abwägung erfasst, dessen mögliche Verletzung die Antragsbefugnis begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 a.a.O. S. 322).

8 In die Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind alle öffentlichen und privaten Belange einzustellen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene (Landes- oder Regionalplan) erkennbar und von Bedeutung sind. Abwägungsrelevant sind alle Belange, die mehr als geringwertig, schutzwürdig, nicht mit einem Makel behaftet und für den Planer erkennbar sind (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <219>; Beschlüsse vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.> und vom 14. Mai 2014 - 4 BN 10.14 - BRS 82 Nr. 56 Rn. 8). Wann ein privater Belang so stark betroffen ist, dass er im Rahmen der Abwägung besonders beachtet werden muss, lässt sich nicht allgemeinverbindlich festlegen. Das gilt auch für den vom Antragsteller hier geltend gemachten privaten Belang der Erhaltung einer besonderen Aussichtslage und Landschaftssituation. Dessen Bedeutung unterliegt zudem weitgehend der tatrichterlichen Beurteilung durch das Normenkontrollgericht (BVerwG, Beschluss vom 22. August 2000 - 4 BN 38.00 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 142 = juris Rn. 10 für die Antragsbefugnis gegen einen Änderungs-Bebauungsplan).

9 Der Senat hat des Weiteren für die von § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG geforderte Abwägung aus den Aufgaben der Raumordnung als einer zusammenfassenden, übergeordneten Planung, ihrer weiträumigen Sichtweise und ihrem Rahmencharakter die Befugnis des Planungsträgers zur Typisierung abgeleitet (BVerwG, Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 - BVerwGE 118, 33 <44>). Das Abwägungsmaterial braucht mithin nicht so kleinteilig zusammengestellt zu werden wie auf den nachgeordneten Planungsebenen (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2014 - 4 B 56.13 - ZfBR 2014, 583 Rn. 8), es sei denn, kleinteilige private Belange wären dann auch auf der nachfolgenden Planungs- oder Zulassungsebene nicht mehr zu prüfen (vgl. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 7 Rn. 33).

10 Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von diesen - höchstrichterlich geklärten - Maßstäben ausgegangen und hat angenommen, dass nach den maßgeblichen Darlegungen zur Begründung des Normenkontrollantrages eine fehlerhafte Behandlung abwägungserheblicher Belange des Antragstellers im Rahmen der Teilfortschreibung Energie 2013 des Regionalen Raumordnungsprogramms, soweit solche Belange auf dieser Planungsebene zu berücksichtigen sind, ausscheide. Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.