Urteil vom 23.09.2010 -
BVerwG 2 WD 41.09ECLI:DE:BVerwG:2010:230910U2WD41.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 - 2 WD 41.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:230910U2WD41.09.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 41.09

  • Truppendienstgericht Süd 1. Kammer - 05.11.2009 - AZ: TDG S 1 VL 19/08

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 23. September 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
ehrenamtlicher Richter Major Kaminski und
ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Mrosk,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 5. November 2009 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot von drei Jahren verhängt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der ledige, im April 1982 geborene, kinderlose Soldat durchlief nach dem Realschulabschluss erfolgreich eine Lehre zum Energieelektroniker in einem Ausbildungsbetrieb, in dem er bis zu seiner Einberufung zur Bundeswehr im Januar 2004 als Netzbetriebsmonteur tätig war. Zum 1. Oktober 2004 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zugleich als Unteroffizieranwärter zugelassen; zum 1. Juli 2006 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel zugelassen und im Januar 2007 in diesen Dienstgrad befördert. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich zum 31. Dezember 2015 enden.

2 Nach seiner Grundausbildung wurde er zum 1. April 2004 als Stabsdienstsoldat in die damalige Technische Kompanie ... versetzt, die aufgrund von Organisationsänderungen wenig später in den Abgesetzten Technischen Zug ... umgegliedert wurde. Ihm gehört der Soldat sei dem 1. Oktober 2004 an, wobei er seit dem disziplinarisch bedeutsamen Vorfall im Innendienst eingesetzt wird.

3 Die Vorgesetztenausbildung Luftwaffe im Jahr 2004 bestand er mit „befriedigend“, den Sonderlehrgang „BMR/BMF II Führungsdienstgeräteelektronik“ im März 2005 als Lehrgangsbester mit „sehr gut“, wofür ihm wegen vorbildlicher Pflichterfüllung eine Förmliche Anerkennung verliehen wurde. Mit „befriedigend“ beendete er den Fachlehrgang „Radarelektronikunteroffizier MPR“, mit „gut“ die Führerausbildung der Luftwaffe, Teil I. Den Laufbahnsonderlehrgang „Radarelektronikfeldwebel MPR“ schloss er mit „befriedigend“ ab.

4 In einem Beurteilungsvermerk vom 18. Oktober 2006 zum Lehrgang „Führerausbildung der Luftwaffe Teil I“ wird der Soldat als ruhig und zurückhaltend beschrieben. Er habe gute geistige Anlagen, die er auf dem Lehrgang dazu genutzt habe, um zuverlässig und sicher in der Wissensanwendung zu überzeugen. Eine Befähigung zur Menschenführung habe er jedoch noch nicht nachweisen können, weiteres forderndes Üben sei erforderlich. Die Sonderbeurteilung des Soldaten vom 3. Februar 2010 weist beim Beurteilungsmerkmal „Aufgabenerfüllung“ bei den Einzelmerkmalen jeweils dreimal die Wertung „4“, „5“ und „6“ und den Durchschnittswert „5.0“ aus. Ergänzend ist ausgeführt, der Soldat sei verlässlich und gewissenhaft bei der Erledigung seiner Aufträge, neige jedoch dazu, bei Routinearbeiten die notwendige Sorgfalt schnell zu vernachlässigen und Fehler zu übersehen. Darüber hinaus sei er vom Wesen her eher naiv, was sich auch bei der Auftragsbearbeitung niederschlage. Er solle mit mehr Misstrauen und kritischer an Aufträge herangehen, um Fehler zu vermeiden. Deutliche Leistungsschwankungen seien spürbar; der Soldat bleibe unter seinen Möglichkeiten. Von der Art her eher zurückhaltend und unauffällig solle er eloquenter auftreten, um die Führungsrolle als Feldwebel deutlicher auszufüllen. Dazu gehöre auch ein stringenteres Verhalten, um als Vorbild für die jungen Soldaten in Erscheinung zu treten. Zum Persönlichkeitsprofil ist ausgeführt, der Soldat sei ein überzeugter und überzeugender Techniker mit stets spürbarem Interesse an diesem Bereich. Er verfüge über eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe, die es ihm ermögliche, Verfahren und Zusammenhänge schnell zu erfassen und anzuwenden. Er sei nach kürzester Einarbeitungszeit oder selbständiger Einarbeitung in der Lage, Aufträge erfolgreich zu bearbeiten. Diese Fähigkeit sei insbesondere in einer technischen Verwendung deutlich geworden und verspreche großes Potenzial. Auch im Bereich Innendienst habe er sich zügig in seinem neuen Aufgabenbereich zurechtgefunden. Zusätzliche Aufträge nehme er bereitwillig an; er sei jederzeit bereit, dafür auch seine Freizeit zu opfern. Ihm zeitweise unterstellte Soldaten vermöge er anzuleiten und zu führen. Dabei sei besonders hervorzuheben, dass er sein Wissen bereitwillig und erfolgreich vermitteln könne. Wegen seiner hilfsbereiten Art und Fachkompetenz sei er im Kameradenkreis anerkannt.

5 Vom sachgleichen Strafverfahren abgesehen, ist der Soldat bislang weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten Er wohnt in einer truppendienstlichen Unterkunft, wofür er monatlich 15,20 € von den Dienstbezügen zahlt, die er nach der Besoldungsgruppe A 7 BBesG erhält und die monatlich etwa 1 800 € netto betragen. Die Vermögensverhältnisse des Soldaten sind geordnet.

II

6 1. Aufgrund der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft hat das Truppendienstgericht Süd den Soldaten durch Urteil vom 5. November 2009 in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 7 BBesG herabgesetzt und die Wiederbeförderungssperre auf zwei Jahre beschränkt.

7 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe insbesondere aufgrund des Geständnisses des Soldaten fest, dass er am 17. Oktober 2007 in seiner Wohnung in R... einen Personalcomputer in Kenntnis dessen aufbewahrt habe, dass auf diesem im nicht zugeordneten Speicherbereich 49 Bilder kinderpornografischen Inhalts vorhanden seien. Auf den Bildern seien Mädchen und Jungen unter 14 Jahren bei verschiedenen Praktiken des Sexualverkehrs zu sehen. Alle Darstellungen würden ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Der Soldat habe die 49 Bilder auf der Festplatte des Rechners vor einigen Jahren über eine Tauschbörse aus dem Internet heruntergeladen und auf seinem Rechner gespeichert. Da der Soldat kein Interesse an kinderpornografischen Darstellungen habe, sich diese vielmehr nur „aus Neugierde“ heruntergeladen habe, habe er sie nach etwa zwei bis drei Monaten wieder gelöscht. Auf einer externen Festplatte seien etwa 43 000 Bilder erwachsenenpornografischen Inhalts festgestellt worden. Zu keinem Zeitpunkt habe der Soldat kinderpornografische Darstellungen an Dritte weitergegeben; dies hätten die kriminaltechnischen und forensischen Auswertungen der sichergestellten Datenträger bestätigt.

8 Der Soldat habe ein Dienstvergehen begangen, indem er vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG obliegende soldatische Dienstpflicht verstoßen habe, sich außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtige. Dies erfordere nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar seine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers, wobei Milderungsgründe dazu veranlassten, ihn im Vorgesetztendienstgrad zu belassen; seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis sei hingegen nicht geboten. Die Kammer habe zudem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sperrfrist für eine mögliche Wiederbeförderung von drei Jahren auf zwei Jahre herabzusetzen, weil der Soldat in der Hauptverhandlung einen guten Eindruck hinterlassen habe und eine günstige Prognose für die Zukunft ausgestellt werden könne.

9 2. Im sachgleichen Strafverfahren war der Soldat durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Freising vom 17. Juni 2008 - ... - wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 1 und 4 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt worden.

10 3. Gegen das Urteil des Truppendienstgerichts hat der Soldat frist- und formgerecht Berufung eingelegt, sie auf die Bemessung der Maßnahme beschränkt und beantragt, gegen ihn allenfalls ein Beförderungsverbot, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge, zu verhängen. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vortrag macht er zur Begründung im Wesentlichen geltend, das Dienstvergehen habe nur deshalb aufgedeckt werden können, weil er der Kriminalpolizei ohne Not den Hinweis gegeben habe, sich vor geraumer Zeit kinderpornografische Bilder herunter geladen zu haben. Er habe zudem von Anfang an ein volles Geständnis abgelegt und nicht versucht, Sachverhalte zu verschweigen oder zu beschönigen.

III

11 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Soldaten hat Erfolg. Das Truppendienstgericht hat bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernde Umstände nicht in der nach § 38 Abs. 1 WDO gebotenen Weise gewichtet. Gegen den Soldaten ist ein Beförderungsverbot zu verhängen, §§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 WDO.

12 1. Das Rechtsmittel des Soldaten ist auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage - unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 331 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Satz 1, § 123 Satz 3 WDO) - über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, darf vom Senat nicht überprüft werden (Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 14 m.w.N.). Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindend gewordenen Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt. Der Senat ist allerdings nicht gehindert, Lücken in den tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts zu schließen und zusätzlich eigene, für die Maßnahmebemessung erhebliche Feststellungen zum Tathergang zu treffen, solange dies weder im Widerspruch zu den Tat- und Schuldfeststellungen der Truppendienstkammer steht noch dadurch deren rechtliche Würdigung in Frage gestellt wird (vgl. Urteil vom 10. September 2009 a.a.O.).

13 2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 = DokBer 2009, 15 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

14 a) Eigenart und Schwere des vom Truppendienstgericht festgestellten Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt der vom Truppendienstgericht festgestellte Verstoß des Soldaten gegen die Pflicht, sich außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, das seine dienstliche Stellung erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), nicht ernsthaft beeinträchtigt, außerordentlich schwer, zumal der Soldat mit seinem Fehlverhalten zugleich kriminelles Unrecht beging.

15 Der Gesetzgeber hat die Besitzverschaffung und den Besitz kinderpornografischer Darstellungen in § 184b Abs. 2 und 4 StGB unter Strafe gestellt, um das Schaffen und Aufrechterhalten eines „Marktes“ mit kinderpornografischen Darstellungen schon im Ansatz zu verhindern. Er hat den „Konsumenten“ von Kinderpornografie damit den Kampf angesagt und sein Unwerturteil über den Besitz kinderpornografischer Darstellungen ausgedrückt. Kinderpornografische Darstellungen machen die kindlichen „Darsteller“ zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung und verstoßen gegen die unantastbare Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Der darin liegende sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen ist - wie der Senat in gefestigter Rechtsprechung immer wieder festgestellt hat - in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich, greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, da das Kind wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann (Urteil vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - Rn. 43).

16 Als weiterer Erschwerungsgrund fällt die Stellung des Soldaten als Portepeeunteroffizier ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund hat er erheblich versagt. Von ihm als Feldwebel konnte und musste erwartet werden, dass er bei der Wahrung der Grundrechte, zumal der von Kindern, in erster Linie selbst mit gutem Beispiel voranging. Die Stellung des Soldaten erforderte es, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel hätte geben müssen (§ 10 Abs. 1 SG). Denn nur, wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch sein Fehlverhalten, das geeignet war, zur erheblichen Minderung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit und des Ansehens der Bundeswehr beizutragen, hat der Soldat ein schlechtes Beispiel gegeben.

17 b) Das Dienstvergehen hatte erhebliche Auswirkungen. Es führte nicht nur zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der in den Bildern dargestellten Kinder, sondern auch zu einer anderen dienstlichen Verwendung des Soldaten.

18 Der Besitz kinderpornografischer Bilder durch den Soldaten trug nicht nur mittelbar dazu bei, dass Kinder durch die Existenz eines entsprechenden Marktes sexuell missbraucht werden. Damit wurde auch in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen abgebildeten Kinder nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, ohne dass sich diese dagegen wirksam wehren konnten. Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt gerade die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 185/77 - BVerfGE 54, 148 <153> und vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170>). Es schützt ferner die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten und persönlichen Lebenssachverhalte offenbart werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367 <373>). Durch sein Verhalten hat der Soldat zu dieser schwerwiegenden Rechtsverletzung aktiv beigetragen.

19 Hinzu treten schließlich die vom Truppendienstgericht für den Senat verbindlich festgestellten Auswirkungen im dienstlichen Bereich wie der Entzug des Zugangs zu Geheimsachen und der Zutrittsberechtigung, die Notwendigkeit einer erneuten Sicherheitsüberprüfung und die Versetzung in den Innendienst. Letzteres führt dazu, dass die Investitionen des Dienstherrn in die Ausbildung des Soldaten zum Radarelektroniker nutzlos wurden. Darüber hinaus wurde das Dienstvergehen im Kameradenkreis bekannt.

20 c) Die Beweggründe des Soldaten waren rein sexueller Natur, woran auch der Umstand nichts ändert, dass der Soldat angab, vor allem aus Neugier gehandelt zu haben.

21 d) Das Maß der Schuld als Richtlinie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bestimmt sich auf der Grundlage einer vorsätzlichen Verhaltensweise des Soldaten. Da dies vom Truppendienstgericht unanfechtbar festgestellt worden ist, brauchte der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob der Soldat zum konkret angeschuldigten Zeitpunkt - dem 17. Oktober 2007 - tatsächlich noch wusste, Dateien kinderpornografischen Inhalts auf seinem PC gespeichert zu haben, obwohl er - so seine Einlassung in der Berufungshauptverhandlung - annahm, er habe sie unwiderruflich gelöscht. Nicht nachzugehen brauchte der Senat deshalb ebenso der Frage, ob der Soldat zum angeschuldigten und festgestellten Zeitpunkt überhaupt objektiv im Besitz kinderpornografischer Dateien war. Zweifel an seiner Sachherrschaft bestehen deshalb, weil der Soldat wohl nicht über eine Spezialsoftware verfügt haben dürfte, mittels derer die gelöschten Dateien wiederherstellbar gewesen wären.

22 Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt war, bestanden nicht; ebenso wenig waren sonstige Schuldmilderungs- und Schuldausschließungsgründe ersichtlich.

23 Milderungsgründe in den Umständen der Tat lagen ebenfalls nicht vor. Sie sind nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Soweit der Soldat entlastend geltend macht, er selbst habe durch seine freiwilligen Aussagen im Rahmen von Ermittlungen anderer Zielrichtung auf Verfehlungen in einem anderen Kontext hingewiesen, vermag der Senat darin keinen Milderungsgrund zu erkennen.

24 e) Soweit es die bisherige Führung und die Persönlichkeit des Soldaten betrifft, streiten für ihn keine durchgehend überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen. Die davon abweichende Würdigung des Truppendienstgerichts kann jedenfalls angesichts der aktuellen Sonderbeurteilung des Soldaten vom 3. Februar 2010 keinen Bestand mehr haben. Ungeachtet dessen berücksichtigte sie nicht, dass die überdurchschnittlichen Leistungen des Soldaten sich auch zuvor auf den fachlich-technischen Bereich beschränkt hatten.

25 f) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 -). Es führt dazu, dass das Urteil des Truppendienstgerichts im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme keinen Bestand haben kann. Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannter be- und entlastender Umstände ist insbesondere im Hinblick auf Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, das Maß der Schuld sowie die Persönlichkeit und bisherige Führung des Soldaten der Ausspruch eines - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 60 WDO zulässigen - Beförderungsverbots für die Dauer von drei Jahren erforderlich, aber auch ausreichend.

26 aa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ eine Regelmaßnahme zu bestimmen. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass im Hinblick auf die Schwere und die disziplinare Einstufung von Fehlverhalten, das den Besitz kinderpornografischer Dateien zum Gegenstand hat, Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine nach außen sichtbare Disziplinarmaßnahme bildet. Sie besteht regelmäßig in einer Herabsetzung im Dienstgrad. Tritt ein Verschaffen solcher Dateien/Schriften im Sinne des § 184b Abs. 2 StGB hinzu, wird das Fehlverhalten so gravierend, dass der Soldat im Allgemeinen für die Bundeswehr untragbar wird und er nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe in seinem Dienstverhältnis verbleiben kann (vgl. Urteile vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - Buchholz 450.2 38 WDO 2002 Nr. 23 - (Rn. 42 ff.), vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 - NZWehrr 2007, 28 ff, vom 25. September 2007 a.a.O. (Seite 21 ff. des Urteilsumdrucks) und vom 11. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 35.02 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 39).

27 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob die als Regelmaßnahme in den Blick zu nehmende Dienstgradherabsetzung im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der Regelmaßnahme eröffnet. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte und Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

28 Nach Maßgabe dessen ist eine Modifizierung der regelmäßig zu verhängenden Disziplinarmaßnahme nach „unten“ geboten. Zwar hat das Dienstvergehen auch im dienstlichen Bereich erhebliche Auswirkungen gezeitigt; gleichwohl hat der Soldat eine Straftat begangen, bei der es sich in der Sache um einen minderschweren Fall handelt. Die kriminelle Energie, die der Soldat zeigte, war gering. Dem entspricht, dass das Amtsgericht gegen den Soldaten nur eine Geldstrafe, nicht aber eine Freiheitsstrafe festgesetzt hat, obwohl es möglich gewesen wäre, eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu verhängen (§ 184b Abs. 4 StGB). Schon das Verhältnis der Anzahl der Dateien pornografischen Inhalts, die strafrechtlich ohne Bedeutung waren, zur Anzahl der kinderpornografischen Dateien (43.000:49) spricht dagegen, dass sich der Soldat im pädophilen Täterkreis bewegte oder pädophile Neigungen auslebte. Hinzu kommt, dass die kinderpornografischen Dateien von ihm nur zwei bis drei Monate vorgehalten und sodann spätestens im Oktober 2007 - also bereits deutlich vor Einleitung des Disziplinarverfahrens - so gelöscht worden waren, dass sie sich auch nicht mehr im „Papierkorb“ des Rechners befanden. Dass sie weiterhin im so genannten nichtzugeordneten Speicherbereich der Festplatte vorhanden waren und sich mit einer speziellen Software wieder hätten reaktivieren lassen, ändert nichts an dem dokumentierten Bedeutungsgehalt der Löschungs-Handlung, zumal in der Berufungshauptverhandlung deutlich wurde, dass der Soldat weder über die entsprechende Software verfügte noch überhaupt von dieser Möglichkeit Kenntnis gehabt hat. Das Truppendienstgericht hat diesen Umstand zwar gesehen und auch mildernd berücksichtigt, jedoch außer Acht gelassen, dass das kriminelle Unrecht der Tat und folglich auch die Schwere des Dienstvergehens dadurch erheblich reduziert wurden. Angesichts dessen war es unverhältnismäßig, gegen den zuvor weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getretenen Soldaten eine nach außen sichtbare Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

29 Das als nächstmildere Disziplinarmaßnahme zu verhängende Beförderungsverbot nach § 60 Abs. 1 WDO musste mit drei Jahren allerdings empfindlich ausfallen, weil der Soldat eine grundsätzlich schwerwiegende Dienstpflichtverletzung begangen hat. Eine zusätzliche Kürzung der Dienstbezüge war nach § 58 Abs. 4 S. 2 WDO jedoch nicht geboten, da sich das Disziplinarverfahren auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten schon nachteilig ausgewirkt hat. Nach der Feststellung des Truppendienstgerichts wäre er ohne das Disziplinarverfahren voraussichtlich bereits zum 1. Mai 2008 befördert worden. Das Dienstvergehen hat damit bereits finanzielle Nachteile gezeitigt, die zu der gezahlten Geldstrafe von 3 600 € hinzutreten.

30 3. Da das Rechtsmittel des Soldaten Erfolg hatte, waren die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen - dem Bund aufzuerlegen, §§ 139 Abs. 1 Satz 1, 140 Abs. 4 WDO.